Berlin – Patienten informieren sich immer häufiger selbst über Krankheiten und Therapieoptionen. Erster Ansprechpartner dafür ist meist das Internet. Ob Blogs, Foren oder Wikipedia, die Informationsquellen sind vielfältig und lassen die Menschen mit einer neuen Erwartungshaltung zum Arzt gehen. Viele Mediziner sehen das Informationsverhalten ihrer Patienten kritisch, raten ihnen teils sogar von einer eigenen Recherche ab.
Dies geht aus einer Online-Umfrage der Bertelsmann Stiftung und der BARMER GEK hervor. Befragt wurden 804 niedergelassene Ärzte aus den Fachbereichen Allgemeinmedizin, Innere Medizin, Anästhesie, Allgemeinchirurgie, Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Kinder- und Jugendmedizin, Psychiatrie und Psychotherapie, Neurologie, Orthopädie, Haut- und Geschlechtskrankheiten, Urologie, Augenheilkunde und HNO. Die Online-Befragung fand von November bis Dezember 2015 statt.
Hohe Erwartungen und Vertrauensverlust
Mehr als die Hälfte der Mediziner gibt an, informierte Patienten mindestens problematisch zu finden. 45 Prozent der Ärzte stimmen außerdem der Aussage zu, die Selbstinformation der Patienten erzeuge vielfach unangemessene Erwartungen und Ansprüche, die die Arbeit der Ärzte belaste. Fast ein Drittel der Ärzte ist der Ansicht, dass die Selbstinformation die Patienten meist verwirre und das Vertrauen zum Arzt beeinträchtige. Fast jeder vierte Arzt rät Patienten sogar aktiv von der eigenständigen Suche nach Informationen ab.
Immer mehr Patienten informieren sich selbst
Die Entwicklung ist allerdings eine andere: Fast alle niedergelassenen Ärzte (98 Prozent) geben an, dass sich der Trend zur Selbstrecherche medizinischer Fragen in den vergangenen fünf Jahren verstärkt hat. Das wachsende Interesse von Laien an gesundheitsbezogenen Themen wird in der Ärzteschaft jedoch sehr differenziert betrachtet. Etwa 40 Prozent der Ärzte freuen sich über das Interesse der Patienten. Knapp zehn Prozent ärgern sich allerdings, dass der Patient sich mit seiner Frage nicht zuerst an sie gewandt hat. Jeder vierte Arzt gab zudem an, mit der Beantwortung von Fragen und der Beratung der zunehmend informierten Patienten zeitlich überfordert zu sein.
Der Arzt als Informationsquelle
Die Frage, ob es auch an ihnen selbst liegen könne, dass Patienten sich auf eigene Faust informieren und nicht direkt auf sie zukommen, stellen sich lediglich elf Prozent der Ärzte. Nur etwa zehn Prozent von ihnen fragen sich, ob der Patient sich zuvor mehr Beratung gewünscht hätte. Weiterführende Informationsmaterialien für ihre Patienten stellt etwas mehr als die Hälfte der Ärzte in ihren Praxen zur Verfügung. Knapp jeder zweite Arzt weist Patienten auf gute Informationsquellen hin und ebenfalls knapp 50 Prozent der Ärzte suchen selbst nach geeigneten Informationen für ihre Patienten. Nur 15 Prozent kennen sich nach eigenen Angaben eher nicht so gut oder überhaupt nicht gut mit den für Patienten verfügbaren Informationsangeboten aus.
Autorin der Studie ist Anja Bittner, Mitbegründerin der im Jahr 2011 initiierten Website washabich.de. Dort können sich Patienten ihre Befunde anonym und kostenlos von Medizinstudenten und Ärzten in verständliche Sprache übersetzen lassen.
Weitere Informationen zu dem Internetportal „Was hab ich?“ und anderen Online-Angeboten mit Patienteninformationen, auch aus O + U, finden Sie hier.