Die diesjährige Kongressparty zum DKOU fand gestern Abend im Westhafen Event & Convention Center statt und wartete mit vielfältigen musikalischen und kulinarischen Highlights auf.
Archiv für den Monat: Oktober 2015
Interview: Vernetzte Therapie für eine optimale Versorgung von Osteoporose-Patienten
Unsere Bevölkerung wird immer älter – die zunehmende Lebenserwartung und der Rückgang der Geburtenrate sind ausschlaggebend für diese Entwicklung. Der demographische Wandel hat nicht zuletzt auch Auswirkungen auf die Medizin. Erkrankungen wie Osteoporose treten immer häufiger auf und stellen Ärzte vor neue Herausforderungen. Der aktuelle Stand der Diagnostik, Prävention und Therapie von Osteoporose wird auch im Rahmen des DKOU 2015 in verschiedenen Sitzungen diskutiert. Während des Kongresses sprach BVOU.net mit Prof. Dr. Karsten Dreinhöfer, Chefarzt für Orthopädie in der Klinik Medical Park Berlin Humboldtmühle sowie Vizepräsident des BVOU, über die Erkrankung und darüber, was getan werden kann, um die Versorgung von Osteoporose-Patienten weiter zu verbessern.
BVOU.net: Prof. Dr. Dreinhöfer, die Zahl der Osteoporose-Patienten in Deutschland steigt stetig. Welche Ursachen gibt es dafür und was sind die zentralen Risikofaktoren für Osteoporose?
Prof. Dr. Karsten Dreinhöfer: Der Hauptgrund ist sicherlich der demographische Wandel – einer der wesentlichen Risikofaktoren für die Osteoporose ist ein fortgeschrittenes Alter. Ab dem 40. Lebensjahr verliert man physiologisch etwa 1 Prozent Knochenmasse. Weitere wesentliche Risikofaktoren sind eine verminderte Knochendichte, vorausgegangene Knochenbrüche und die Einnahme von Medikamenten, wie zum Beispiel Cortison.
Was empfiehlt der BVOU Patienten, um Osteoporose und den dadurch bedingten Knochenbrüchen vorzubeugen?
Wichtige Maßnahmen zur Vorbeugung sind eine adäquate knochengesunde Ernährung einschließlich ausreichender Calcium- und Vitamin D-Zufuhr sowie regelmäßige Bewegung und Muskelkräftigung. Um das Sturzrisiko zu verringern ist zudem ein neuromuskuläres Training einschließlich Balancetraining sinnvoll.
Welche aktuellen Möglichkeiten bieten sich in der Therapie von Osteoporose?
Neben der Basistherapie mit Vitamin D und Calcium sind moderne Medikamente auf dem Markt, die den Knochenabbau hemmen bzw. den Aufbau stimulieren können. Hierzu zählen traditionell vor allem die Bisphosphonate sowie neuere Entwicklungen wie etwa RANK/RANKL-Antagonisten und Parathormon.
Welche Schwierigkeiten und Herausforderungen sehen Sie gegenwärtig noch was die Diagnostik und Behandlung von Osteoporose betrifft?
Ein zentrales Problem ist die mangelnde Aufmerksamkeit für die Erkrankung und die inadäquate Betreuung der Patienten. Trotz vieler engagierter Orthopäden und Unfallchirurgen, sowie zum Teil zusätzlich speziell ausgebildeter Osteologen, wird die Erkrankung von vielen anderen Ärzten nicht priorisiert. Aus diesem Grund besteht eine große Dunkelziffer bei Osteoporose-Patienten und vor allem eine absolute Unterversorgung. Erschreckend ist dies insbesondere nach dem ersten sicht- und spürbaren Event, dem ersten Knochenbruch. Weniger als 20 Prozent dieser Patienten erhalten nach der Frakturversorgung eine Erläuterung über ihr hohes Risiko für weitere Brüche und insbesondere die Einleitung einer adäquaten Prävention einschließlich Knochendichtemessung und ggf. Verordnung von Knochenabbau hemmenden Medikamenten. Aber selbst von diesen nehmen leider weniger als ein Drittel nach 12 Monaten noch ihre Medikamente.
Seit Jahren engagieren Sie sich in verschiedenen Kommissionen und Initiativen für die Verbesserung der Vorsorge und Behandlung von Osteoporose-Patienten. Welche Entwicklungen und Bestrebungen gibt es aktuell, um die Behandlung von Osteoporose-Patienten weiter zu optimieren?
Zum einen wird versucht die Öffentlichkeit zu informieren und zu sensibilisieren – gerade erst, am 20. Oktober, war der Welt-Osteoporose-Tag unter dem Motto: „Servieren Sie starke Knochen lebenslang“. Weltweit wird dazu aufgerufen, Aktionen rund um das Thema knochengesunde Ernährung zu starten. Zudem wird versucht durch weltweite Kampagnen wie „Capture the Fracture“ die Aufmerksamkeit der Ärzte auf Patienten mit frischen Frakturen zu lenken und hier eine adäquate vernetzte Therapie einzuleiten, die zum einen die osteologische Diagnostik und weitere Abklärung des Patienten erlaubt, zum anderen die Einleitung einer adäquaten Behandlung und Prävention weiterer Frakturen. Zudem ist, um Überleben und Lebensqualität der oft sehr alten Osteoporose-Patienten zu gewährleisten, eine multidisziplinäre Versorgung notwendig. In diesem Bereich hat die AG Alterstrauma in Deutschland bereits viel erreicht.
Ich selbst leite auf europäischer Ebene eine kombinierte Leitliniengruppe der EFORT und EULAR zur Behandlung von Patienten mit Fragilitätsfrakturen. Zudem haben wir vor wenigen Jahren das multidisziplinäre Fragility Fracture Network (FFN) gegründet, dessen Ziel es ist, weltweit eine bessere Versorgung dieser Patienten zu vermitteln. Ich darf nächstes Jahr den FFN-Weltkongress in Rom ausrichten, an welchem ärztliche Spezialisten aus Orthopädie und Unfallchirurgie, Geriatrie, Osteologie, Rheumatologie und Anästhesie sowie spezialisierte Pflegekräfte und Physiotherapeuten teilnehmen werden. Hier kommen die führenden Experten in diesem Bereich zusammen und können voneinander lernen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Anne Faulmann.
Bild: Prof. Dr. Karsten Dreinhöfer (Quelle: Anne Faulmann)
DKOU: Online-Plattform TKmed erhält Innovationspreis 2015
BERLIN – Über das internetbasierte Netzwerk TKmed (Telekooperation in der Medizin) tauschen Unfallchirurgen und Radiologen lebenswichtige Informationen aus. In Kürze sollen auch Patienten Zugriff auf ihre Daten erhalten. Für die Entwicklung der Online-Plattform erhielt der Medizininformatiker Prof. Dr. Ing. Martin Staemmler im Rahmen des DKOU 2015 den Innovationspreis der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU). Auf der Kongress-Pressekonferenz am 23. Oktober haben er und weitere Preisträger ihre neuen Errungenschaften vorgestellt.
Bei der Betreuung von Schwerverletzten zählt jede Minute. Jeder vierte wird während seiner Behandlung verlegt. Unfallchirurgen sind deshalb auf einen schnellen Informationsaustausch angewiesen. Im Rahmen der Initiative TraumaNetzwerk DGU aber auch darüber hinaus hat die DGU 2012 daher das Netzwerk TKmed eingerichtet. Es verbindet derzeit bereits mehr als 130 Behandlungszentren in Deutschland und sorgt damit für einen schnellen und sicheren Datentransfer. „TKmed ist einzigartig – denn es übermittelt bundesweit Röntgenaufnahmen, CT- und MRT-Bilder sowie Patientenbefunde und Arztbriefe schnell und datenschutzkonform“, begründete Prof. Dr. med. Michael Nerlich, Kongress-Präsident des DKOU 2015 vom Universitätsklinikum Regensburg die Vergabe des Innovationspreises, der mit 10.000 Euro dotiert ist.
Auch im Ausland zeigen immer mehr Unfallchirurgen Interesse an der Nutzung des Netzwerks. Der Preisträger Staemmler von der Fachhochschule Stralsund hat TKmed im letzten Jahr weiterentwickelt, sodass auch Patienten davon profitieren: „Schon in Kürze soll es ihnen ermöglicht werden, ihre Bilddaten und Dokumente direkt an eine teilnehmende medizinische Einrichtung zu senden“, erklärte Staemmler. Dieser Service ist kostenfrei und weder an eine Installation oder vertragliche Bindung geknüpft. „Das kann beispielsweise im Vorfeld einer Behandlung oder zum Einholen einer Zweitmeinung nützlich sein.“
Im Rahmen des DKOU haben die DGU, die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie e.V. (DGOU) und die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie e.V. (DGOOC) zahlreiche weitere Preise für herausragende, wissenschaftliche Arbeiten vergeben.
Ebenfalls von Vorteil für Patienten ist die preisgekrönte Arbeit des Privatdozenten Dr. med. Michael Müller von der Berliner Charité. Er erhielt den mit 10.000 Euro dotierten Themistocles-Gluck-Preis für Endoprothetik. Der Oberarzt am Centrum für Muskuloskeletale Chirurgie hat ein Computermodell entwickelt, mit dem sich der Erfolg eines Hüftgelenkersatzes vorhersagen lässt. „Das Programm ist insbesondere für Patienten mit eingeschränktem Bewegungsumfang der Hüfte interessant“, erklärte Prof. Dr. med. Rüdiger Krauspe, Kongress-Präsident des DKOU 2015 vom Universitätsklinikum Düsseldorf. Denn bei Implantat-induzierter Bewegungseinschränkung komme es nach der Operation häufiger zu einem erhöhten Abrieb im Kunstgelenk mit der Folge einer vorzeitigen Lockerung.
Als dritte Preisträgerin präsentierte Jana Semrau von der Universität Erlangen-Nürnberg das integrative Rehabilitationsprogramm „PASTOR“ auf der DKOU-Pressekonferenz. Für dessen Entwicklung erhielt die wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Sportwissenschaft und Sport gemeinsam mit Prof. Dr. med. Klaus Pfeifer den Preis zur Förderung der Rehabilitationsforschung in Höhe von 5.000 Euro. „Das Reha-Programm hat die Betreuung durch Ärzte, Bewegungstherapeuten, Psychologen und Sozialmediziner deutlich verbessert“, so Kongress-Präsident Dr. med. Hans-Jürgen Hesselschwerdt von der Theresienklinik Bad Krozingen sicher. Das konnte eine Studie in der stationären orthopädischen Rehabilitation bereits zeigen.
DKOU-Präsidenten begrüßen Implantatpass für operierte Patienten
BERLIN – Seit dem 1. Oktober ist eine Gesetzesänderung für Implantate in Kraft. Gemäß der neuen Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV) müssen Kliniken ab sofort jedem Betroffenen nach der Operation einen Implantatpass aushändigen. Somit soll die Patientensicherheit weiter verbessert werden. Die Qualität des künstlichen Gelenkersatzes wird hierzulande durch das Endoprothesenregister Deutschland (EPRD) erfasst und hat sich durch das Zertifizierungsverfahren für behandelnde Kliniken, EndoCert, bereits deutlich verbessert. Welche weiteren Pflichten und Vorteile für Kliniken und Patienten das neue Gesetz mit sich bringt, berichteten Experten auf einer Pressekonferenz am 21. Oktober auf dem DKOU...
Mehr als 150.000 Gelenkersatz-Operationen sind inzwischen im EPRD dokumentiert. Der größte Teil bezieht sich mit rund 88.000 Eingriffen auf Hüftprothesen, weitere rund 67.000 auf Operationen des Knies. „Mit mehr als 630 angemeldeten Kliniken ist nun etwa die Hälfte aller infrage kommenden Krankenhäuser zur Teilnahme registriert“, sagt Prof. Dr. med. Rüdiger Krauspe, Kongresspräsident des DKOU 2015. Dank EndoCert konnten Orthopäden und Unfallchirurgen bereits in den letzten Jahren die Infektionsraten senken und die Haltbarkeit der Implantate deutlich steigern. Dieser hohe Qualitätsstandard und die detaillierte Erfassung der Implantate im EPRD seien weltweit einzigartig. „Mehrere Nationen und Fachgesellschaften haben bereits Kontakt mit uns aufgenommen, um mit dem EPRD zu kooperieren“, berichtet der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC) und Direktor der Orthopädischen Klinik und Poliklinik, Universitätsklinikum der Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf.
Orthopädie-Vertrag in Baden-Württemberg betont sprechende Medizin
Stuttgart – Insgesamt 535 Orthopäden, Unfallchirurgen und Chirurgen nehmen mittlerweile an dem Orthopädievertrag zwischen AOK Baden-Württemberg, Bosch Betriebskrankenkasse und MEDI Baden-Württemberg teil. Der Vertrag nach Paragraf 73c des fünften Sozialgesetzbuches ist im vergangenen Jahr gestartet…
„Für Osteoporose-Patienten gehören ausführliche Aufklärung und Beratungen zu Lebensstiländerungen zu einer guten Versorgung: Dazu zählen Tipps zu abwechslungsreicher Bewegung, Empfehlungen zu kalzium- sowie Vitamin D-reicher Ernährung und konkrete Ratschläge zur Sturzprophylaxe“, erläutert Burkhard Lembeck, Sprecher des Berufsverbandes für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU) in Baden-Württemberg anlässlich des morgigen Welt-Osteoporosetages…
Basis für feste Knochen wird in jungen Jahren gelegt
BERLIN – Mangelnde Bewegung in Kindheit und Jugend erhöht das Osteoporose-Risiko im Alter. Denn die Knochenmasse wird in jungen Jahren aufgebaut. Sport spielt dabei eine entscheidende Rolle. Aber auch Menschen im fortgeschrittenen Alter profitieren, wenn sie körperlich aktiv bleiben. Das zeigt eine aktuelle Studie, die beim diesjährigen DKOU vorgestellt wird. Welche Sportarten für Menschen mit brüchigen Knochen in Frage kommen und wie viel Training notwendig ist, darüber informierten Experten auf der heutigen Kongress-Pressekonferenz in Berlin.
Allein in Deutschland leben sieben Millionen Menschen mit Osteoporose. „Damit zählt das Leiden weltweit zu den zehn wichtigsten Volkskrankheiten – und das hängt nicht nur mit der demographischen Entwicklung zusammen“, so Professor Dr. med. Karsten Dreinhöfer, Vizepräsident des Berufsverbandes für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU). Kinder bewegen sich heute immer weniger. „Das ist eine der Hauptursachen, warum sie nicht genügend Knochensubstanz aufbauen.“
Interview: „Jede neue Sportart bringt für die Unfallchirurgie und die Sportmedizin neue Herausforderungen“
Der zunehmende Trend zu einer gesunden Lebensweise und das Aufkommen immer neuer Möglichkeiten zur sportlichen Betätigung lassen auch die Häufigkeit von Sportverletzungen heute verstärkt in die Höhe schnellen. Sportmediziner und Unfallchirurgen sehen sich hier stetig neuen Herausforderungen gegenüber. Prof. Dr. Alexander Beck ist Sportmediziner und Chefarzt für Orthopädie, Unfall- und Wiederherstellungschirurgie am Juliusspital in Würzburg. BVOU.net sprach mit ihm über Möglichkeiten zur Prävention und moderne Verfahren zur erfolgreichen Behandlung von Sportverletzungen.
BVOU.net: Prof. Dr. Beck, neben Ihrer Position als Chefarzt für Orthopädie, Unfall- und Wiederherstellungschirurgie am Juliusspital sind sie zudem Leiter des im Jahr 2012 dort gegründeten Instituts für Sportmedizin und Sportverletzungen. Welche Sportverletzungen begegnen Ihnen dort vor allem?
Prof. Dr. Alexander Beck: Primär behandeln wir alle Arten von Sportverletzungen und auch Sportüberlastungsschäden. Neben normalen Knochenbrüchen – dies sind vor allem Brüche am Schlüsselbein, am Sprunggelenk und am Handgelenk, also die einfachen, wenn auch teilweise mehr fragmentierten Knochenbrüche – sind Bandverletzungen relativ häufig. Hier sehen wir sehr viele vordere Kreuzbandrupturen im Kniegelenk, die meist relativ schnell mit einem arthroskopischen Bandersatz behandelt werden können, aber auch Meniskusverletzungen oder Verletzungen im Schultereckgelenk.
Wo sind Sportverletzungen und Sportschäden häufiger, im Breiten- oder im Profisport, und welche Ursachen sehen Sie dafür?
Prinzipiell haben Profisportler sicher ein erhöhtes Risiko. Zwar sind sie besser trainiert, allerdings üben sie den Sport natürlich als Beruf aus und betreiben somit weitaus mehr Sport. Deshalb sehen wir sehr viele Profisportler hier im Institut. Im Breitensport demgegenüber gibt es natürlich eine weitaus größere Anzahl an Sportlern insgesamt. Zudem sind die Leute teilweise untrainiert und nehmen sich zu viel auf einmal vor. Aus diesem Grund kommt es dann auch sehr schnell zu Verletzungen. Insgesamt ist es allerdings schwierig zu sagen, wo Sportverletzungen tatsächlich häufiger auftreten.
Was empfehlen Sie Leistungs- aber auch Hobbysportlern im Allgemeinen, um Sportverletzungen vorzubeugen?
Besonders wichtig ist es, sich vor dem Sport aufzuwärmen und zusätzlich zu dehnen. Damit kann man schon einmal viele Muskel- und Weichteilverletzungen mit hoher Wahrscheinlichkeit vermeiden. Allgemein gilt natürlich, dass wenn ich beispielsweise nachts im Dunkeln jogge, das Risiko für eine Verletzung weitaus höher ist, als wenn ich das Ganze bei Tageslicht mache. Es sind häufig ganz banale Dinge, die eigentlich jeder nachvollziehen kann: wenn ich eine gute Sicht habe, wenn ich gut vorbereitet bin, wenn ich eine gute Ausrüstung habe, dann ist das Risiko mich zu verletzen natürlich geringer als mit einer schlechten Ausrüstung und einer schlechten Vorbereitung.
Bei Profisportlern ist es natürlich unheimlich wichtig, dass sie nicht nur ihren Beruf, also ihre eine Sportart ausüben, sondern außerdem ein sehr ausgewogenes Begleittraining machen, um auch andere Muskelgruppen aufzubauen. Für Profisportler ist es zudem wichtig, engmaschig von ihrem Sportmediziner und von ihrem Physiotherapeuten begleitet zu werden, damit es gar nicht erst zu Überlastungsschäden kommt.
Welche modernen Therapiemöglichkeiten gibt es bei Sportverletzungen heute, z.B. im minimal-invasiven Bereich, um Langzeitschäden zu verhindern und eine schnelle Wiederaufnahme der sportlichen Betätigung zu ermöglichen?
Also im Allgemeinen ist zu sagen: je schneller eine Verletzung endgültig behandelt werden kann, umso schneller beginnt die Regenration. Nehmen wir beispielsweise Sportverletzungen im Knie- oder Schultergelenk: diese werden heute vor allem über eine Gelenkspiegelung, also komplett arthroskopisch minimal-invasiv behandelt. Nur in seltenen Fällen müssen hier zusätzlich durch eine Miniarthrotomie, also eine ganz kleine Gelenköffnung, bestimmte Verletzungsfolgen behandelt werden. Neben solchen modernen Therapiemöglichkeiten bei den Gelenkverletzungen, gibt es heute außerdem auch minimal-invasive Methoden um Knochenbrüche zu stabilisieren. Diese gibt es am Schlüsselbein, am Sprunggelenk und zum Teil auch am Handgelenk. Das heißt allerdings nicht, dass die minimal-invasive Therapiemöglichkeit immer die beste ist. Es kommt hierbei immer ganz auf die jeweilige Verletzung an. Wenn man durch eine solche Operation weniger Weichteilschaden verursacht, so ist es natürlich von Vorteil, die Verletzung minimal-invasiv behandeln zu können.
Auch im Hinblick auf Langzeitschäden, wie zum Beispiel bei Läufern oder Fahrradfahrern, deren Hüftgelenk nach langjähriger sportlicher Betätigung abgenutzt ist, gibt es derzeit bereits minimal-invasive Möglichkeiten, um etwa Hüftprothesen zu implantieren. Hier gibt es mittlerweile sehr gute Verfahren, die es möglich machen, dem Patienten mit einer sehr schnellen Regeneration wieder zur Sportfähigkeit zurück zu verhelfen. Damit können Patienten heute auch nach Implantation eines solchen Kunstgelenks – in einem vernünftigen Maße – wieder Sport treiben.
Demzufolge bedeutet auch eine schwerere Sportverletzung heute kein endgültiges Aus mehr für die sportliche Betätigung?
Das muss man von Fall zu Fall entscheiden, aber es bedeutet sicher kein definitives Aus. Betrachtet man beispielsweise Profisportler wie Skirennläufer, so gibt es da nur noch sehr wenige, die schon lange dabei sind und noch mit dem eigenen Kreuzband fahren. Sehr viele haben hier schon einen Kreuzbandersatz hinter sich – die vordere Kreuzbandruptur ist eine der typischen Verletzungen beim Skifahren. Aber auch bei Fußballern oder anderen Kontaktsportarten ist es eine nicht untypische Verletzung, die recht häufig vorkommt, und die meisten von ihnen spielen danach auch wieder Fußball.
Heutzutage sind immer mehr Menschen sportlich aktiv, nicht zuletzt auch wegen moderner Trendsportarten, die permanent neu aufkommen. Wie beeinflussen diese neuen Sportarten die Sportmedizin und die Häufigkeit von Sportverletzungen?
Es ist definitiv zu beobachten, dass neue Sportarten immer auch ganz spezifische Verletzungen mit sich bringen und natürlich schnellt dann auch die Verletzungshäufigkeit erst einmal in die Höhe. Mit dem Aufkommen der Rollerblades waren es vor allem Verletzungen der Schulter, welche wir in dieser Form überhaupt noch nicht kannten. Wir hatten damals zahlreiche Patienten mit schwersten Schulterverletzungen, die wir so sonst nur bei sehr alten Patienten mit schwerer Osteoporose gesehen haben. Alle anderen Gelenke sind beim Rollerbladen durch die entsprechenden Schützer relativ gut gesichert, prallt man allerdings mit dem meist ungeschützten Schultergelenk mit hoher Geschwindigkeit auf den Asphalt, so kann dies schwere Verletzungen nach sich ziehen. Diese beobachten wir mittlerweile auch zunehmend bei aktiven Mountainbikern, die häufig auch einmal von ihrem Fahrrad über den Lenker „absteigen“ und sich dann insbesondere Verletzungen des Akromioklavikulargelenks, also des Schultereckgelenks zuziehen. Beim Skifahren ist die typische Verletzung wie bereits erwähnt die vordere Kreuzbandruptur. Früher war es noch der „einfache“ Bruch des Schienbeins, aber da die Skistiefel immer höher geworden sind, geht das Trauma nun nicht mehr auf das Schienbein, sondern direkt auf das Kniegelenk. Auch durch die neue Formgestaltung der Ski, zum Beispiel bei den Carving-Ski, kommt es gerade auch im Breitensport zu viel mehr Verletzungen als früher. Jede neue Sportart bringt für die Unfallchirurgie und die Sportmedizin somit neue Herausforderungen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Anne Faulmann.
Bild: Prof. Dr. Alexander Beck (Quelle: Stiftung Juliusspital Würzburg)
Impressionen vom Lauftreff am 22.10.2015 im Tiergarten
”TOGETHER WE RUN/WALK FOR CHARITY!” hieß die Devise des diesjährigen DKOU Lauftreff, der heute von 7.15 – 8.30 Uhr im Großen Tiergarten stattgefunden hat. Neben einer Laufgruppe waren auch Nordic Walker mit am Start. Der Erlös des Laufs kommt komplett dem Babeluga e.V. zu Gute, der von Adipositas betroffene Kinder, Jugendliche und ihre Familien unterstützt.
Interview: „IV-Verträge bieten die Möglichkeit, die Struktur und Qualität der Patientenversorgung zu verbessern“
Integrierte Versorgung (IV), sektorübergreifende Zusammenarbeit und Selektivverträge – diese Stichworte werden in der Orthopädie und Unfallchirurgie im Kontext einer Optimierung der Patientenversorgung und besseren Honorierung der fachärztlichen Leistungen zunehmend diskutiert, so auch auf dem diesjährigen DKOU. BVOU.net sprach im Vorfeld des Kongresses mit Dr. Johannes Flechtenmacher, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie und Präsident des BVOU, über die Vorteile integrierter Versorgungsformen, bereits vorhandene Selektivverträge im Bereich Orthopädie und Unfallchirurgie und die Hürden des derzeitigen Gesundheitssystems.
BVOU.net: Dr. Flechtenmacher, die individuelle, interdisziplinäre und sektorübergreifende Versorgung von Patienten gewinnt zunehmend an Bedeutung, auch in der Orthopädie und Unfallchirurgie. Welche Hürden gibt es dafür allerdings derzeit noch im Gesundheitssystem und welche Möglichkeiten existieren, um eine solche Versorgung zu realisieren, Stichwort IV-Verträge?
Dr. Johannes Flechtenmacher: Das zentrale Problem, das wir derzeit haben, ist die Ausrichtung des Gesundheitssystems auf Akutkrankheiten, Stichwort „Cure statt Care“. Zudem ist unser Versorgungssystem ein fragmentiertes, mit Kooperationsproblemen belastetes System, das gekennzeichnet ist durch Informationsdefizite und häufige Doppeluntersuchungen. Demgegenüber haben wir in der Gesellschaft allerdings die Erwartung, dass die Patienten mit einer sehr hohen Qualität und nach Möglichkeit evidenzbasiert behandelt werden sollen. Möchte man nun diese drei Problempunkte angehen, so muss man sich fragen, ob das bisherige Versorgungssystem und die darin verwendeten Kollektivverträge dafür der richtige Weg sind.
IV-Verträge bieten hier die Möglichkeit, Kooperationsformen und deren Schwerpunkte klar zu definieren und damit die Struktur und Qualität der Patientenversorgung zu verbessern. Als Fachgruppe, die sich um muskuloskelettale Erkrankungen, wie Rückenschmerzen, Arthrose, Osteoporose und Rheuma sowie Unfallverletzungen kümmert, haben die Orthopäden und Unfallchirurgen hierbei natürlich einen sehr wichtigen Auftrag. Denn diese Erkrankungen und Verletzungen kosten die Gesellschaft viel Geld und müssen dementsprechend in Angriff genommen werden.
Inwiefern finden sektorübergreifende Versorgungsformen und IV-Verträge in der Orthopädie und Unfallchirurgie derzeit bereits Anwendung?
Man muss hier verschiedene Formen der integrierten Versorgung im Sinne von Selektivverträgen unterscheiden. Hierbei gibt es beispielsweise die sogenannten 140a-Verträge nach dem Sozialgesetzbuch 5, die das Ziel haben, die ambulante und die stationäre Versorgung zu verzahnen. Dies sind Verträge, die auf bestimmte Versorgungsformen oder Diagnosen abzielen, zum Beispiel ambulante Operationen oder Schmerztherapie. Diese 140a-Verträge kommen auch im Fach Orthopädie und Unfallchirurgie zur Anwendung.
Eine weitere Form sind die sogenannten 73c-Verträge, also fachärztliche Verträge, im Sozialgesetzbuch 5. Hier wird die Versorgung für einen bestimmten Versorgungsbereich, in unserem Fall Orthopädie und Unfallchirurgie, komplett geregelt. Leider ist der 73c-Vertrag in Deutschland der einzige Vertrag für die komplette fachärztliche Versorgung und diesen gibt es nur in Baden-Württemberg. An dieser Vertragsform, die in dem Bundesland sehr erfolgreich ist, beteiligen sich über 500 Orthopäden, Unfallchirurgen und Chirurgen.
Inwiefern profitieren die teilnehmenden Ärzte und Patienten von solchen Vertragsformen?
Die Patienten profitieren, da diese Versorgungsverträge, zum Beispiel der 73c-Vertrag, so strukturiert sind, dass sich der Arzt mehr Zeit für die Beratung seiner Patienten nehmen kann. Wir alle wissen, dass Ärzte sehr wenig Zeit haben und die Kommunikation mit dem Patienten sehr häufig unter diesem Zeitmangel leidet. Diese Verträge sind deshalb so angelegt, dass insbesondere die Beratungsfunktion des Arztes honoriert wird und letztendlich der Patient und dessen Behandlung davon profitieren.
Bei den 140a-Verträgen werden vor allem operative Leistungen besser bezahlt. Auch dies hat klare Vorteile für den Patienten, da auf diese Weise viele Operationen, die üblicherweise nur im Krankenhaus gemacht werden, auch ambulant durchgeführt werden können. Dies hat den Vorteil, dass die Versorgung schneller funktioniert und der Patient deshalb auch schneller wieder auf die Beine kommt. Somit sind beide Vertragsformen vorteilhaft für den Patienten und letztendlich auch für den Arzt, dessen Leistungen besser honoriert werden.
Was müsste aus Ihrer Sicht noch passieren, um solche Vertragsformen deutschlandweit besser zu implementieren?
Es fehlt leider das Verständnis über die Notwendigkeit solcher Vertragsformen, vor allem bei Krankenkassen. Es ist natürlich schwer, eingefahrene Verwaltungsstrukturen zu verändern. Viele verbleiben hier einfach in ihrer Denkweise, möglichst nichts an den etablierten Strukturen zu verändern und erkennen zudem meist nicht die Möglichkeiten zur Verbesserung der Patientenversorgung durch solche Vertragsformen. Nichts desto trotz gibt es allerdings auch positive Beispiele, wie das aus Baden-Württemberg, bei dem sowohl Patienten wie auch Ärzte und Krankenkassen davon profitieren. Die AOK Baden-Württemberg hat hier viel eindeutigen Zuspruch von den Patienten erhalten und hat dadurch auch zahlreiche neue Mitglieder gewinnen können.
Wie sieht die sektorenübergreifende Arbeit dann konkret in der Praxis aus du welche Rolle kommt dem Facharzt aus O&U dabei zu?
Also die 73c-Verträge zum Beispiel bauen auf den sogenannten Hausarztverträgen auf. Diese Vertragsformen sind so strukturiert, dass es eine ganz enge Kommunikation zwischen dem hausärztlichen und dem fachärztlichen Sektor gibt. Hierbei werden Schnittstellen und Versorgungsbereiche definiert, um zu klären, wer was zu tun hat und eben auch nicht zu tun hat. Also beispielsweise: wer das Labor abnimmt, wann man das Labor abnimmt, wann eine Überweisung zu erfolgen hat und wie genau die Kommunikation von Hausarzt zu Facharzt und umgekehrt zu erfolgen hat. So kann letztendlich die Behandlung der Patienten effektiv verbessert werden. Es geht hierbei also vordergründig um eine Strukturierung der gemeinsamen Arbeit.
Von Seiten der Orthopädie und Unfallchirurgie geht es bei diesen Versorgungsformen vor allem um die großen orthopädischen Erkrankungen Rückenschmerz, Arthrose, Osteoporose und Rheuma. Hierbei kommt im Speziellen der Beratungsfunktion des Orthopäden und Unfallchirurgen gegenüber dem Patienten eine besondere Bedeutung zu.
Welche Rolle könnten dabei außerdem Verträge zur ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung (ASV) zukünftig spielen?
Das ist eine Versorgungsform, die gerade erst in der Entstehung begriffen ist. Hier wissen wir noch relativ wenig darüber, in welcher Form Orthopädie und Unfallchirurgie eingebunden werden können. Wir sind der Meinung, dass zumindest im Hinblick auf die entzündlichen Gelenkerkrankungen die Orthopäden und Unfallchirurgen einen beträchtlichen Beitrag leisten könnten. Allerdings muss man hier erst einmal abwarten, wie sich das Ganze weiter entwickelt.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Anne Faulmann.
Bild: Dr. Johannes Flechtenmacher (Quelle: privat)
DKOU 2015: Kliniken entlassen Patienten immer früher in die Reha
BERLIN – Akut-Kliniken verlegen ihre Patienten nach einer Operation aus Kostengründen immer früher in Rehabilitations-Kliniken. Diese versorgen die Neuankömmlinge mit Schmerzmitteln und Antibiotika und übernehmen mit dem Wundmanagement zunehmend Aufgaben analog zum Krankenhaus. Die Rahmenbedingungen für Reha-Leistungen bedürfen daher dringend einer Neuordnung, forderten Experten im Rahmen einer Pressekonferenz am 22. Oktober auf dem DKOU 2015.
Jede dritte genehmigte Reha-Maßnahme bezieht sich auf orthopädische Erkrankungen, etwa um Schmerzen nach einer Rücken-, Schulter-, Hüft- oder Knieoperation zu mindern. „Für viele Senioren ist eine Reha die einzige Chance, wieder in ihr altes Leben zurückzukehren“, so Dr. Hans-Jürgen Hesselschwerdt, einer der Kongresspräsidenten des DKOU 2015. Und nicht nur der Patient profitiert davon: Einer Studie des Prognos-Instituts zufolge erhält die Volkswirtschaft für jeden in die Rehabilitation investierten Euro fünf Euro zurück.
Bedingt durch das deutsche Gesundheitssystem kämpfen Reha-Einrichtungen jedoch zunehmend mit Problemen. „Immer häufiger entlassen Akut-Kliniken ihre Patienten zu früh“, warnt Hesselschwerdt. Besonders häufig handele es sich dabei um betagte Patienten, die ein neues Hüft- oder Kniegelenk bekommen haben. Ihr durchschnittlicher Aufenthalt in der Akut-Klinik hat sich zwischen 2003 und 2011 um etwa fünf Tage reduziert. Dieser Trend setzt sich fort, wie aktuelle Zahlen des Barmer GEK Krankenhausreports 2015 zeigen.
Den falschen Anreiz für die frühe Klinikentlassung schaffen nach Meinung der Orthopäden und Unfallchirurgen die Fallpauschalen, nach denen Klinikleistungen vergütet werden. Die Konsequenzen tragen die Patienten und Reha-Kliniken: „Etwa jeder vierte Patient benötigt ein umfangreiches medizinisches Monitoring in engem Austausch mit dem Operateur. Vereinzelt sind auch Rückverlegungen bei Komplikationen notwendig“, sagt Hesselschwerdt, Chefarzt der Theresienklinik in Bad Krozingen, einer Reha-Klinik. „Auf diesen erhöhten medizinischen und pflegerischen Aufwand sind wir eingestellt, er wird jedoch nicht in den Reha-Sätzen abgebildet“, kritisiert Hesselschwerdt und fordert verbindliche Kriterien zur Festlegung der Reha-Fähigkeit frisch operierter Patienten: „Wir brauchen einen Index, der den Zustand der Patienten erfasst und der an einen bestimmten Reha-Satz gekoppelt ist, analog dem neurologischen Phasenmodell.“
2012 haben die Krankenkassen in Deutschland etwas mehr als eine Million medizinische Reha-Maßnahmen finanziert, knapp 700.000 Anträge wurden abgelehnt. Die Kassen geben nur 2,9 Prozent der gesamten Gesundheitsausgaben für Rehabilitations-Leistungen aus – ein Zehntel der Kosten, die sie für Krankenhausbehandlungen ausgeben. „Ein unausgeglichenes Verhältnis“, finden die DKOU-Präsidenten. „Vor allem wenn man bedenkt, dass wir in der Reha einmalig etwa 4.000 Euro benötigen, um einen älteren Patienten wieder fit zu bekommen, wohingegen ein Jahr stationäre Pflege 40.000 Euro kostet.“