Weiterbildung nicht als Qualitätsrisiko diskriminieren – Sorge um künftige Medizinergenerationen
Der BVOU Vorstand wird das zum 1. Januar 2016 in Kraft tretende Krankenhausstrukturgesetz in seinen Auswirkungen prüfen. Dazu hat der Vorstand aus Sicht des Faches Orthopädie und Unfallchirurgie kritische Punkte herausgearbeitet, deren Auswirkungen auf die Versorgungsqualität geprüft werden, stellt BVOU Präsident Dr. med. Johannes Flechtenmacher fest.
Zu den kritischen Punkten im Gesetz zählen:
- Portalpraxen
- Qualitätssicherung
- Auswirkungen auf die Weiterbildung
Portalpraxen für den ärztlichen Notdienst
Portalpraxen sollen nicht das Einfallstor der Kliniken ggf. von Klinikkonzernen in die ambulante Versorgung sein, von manchen Skeptikern wird aber genau das befürchtet. Sowohl die Honorierung wie auch die Zulassungsvoraussetzungen für solche Institutionen sind geeignet das Verhältnis zwischen ambulant und stationär tätigen Kolleginnen und Kollegen erheblich zu stören. Nach Vorstellungen der Gesetzgeber sollen Portalpraxen ein zusätzliches Instrument sein, die Notdienstversorgung sicherzustellen.
„Wir verstehen die Sorgen unserer Mitglieder in diesem Punkt. Die ambulant tätigen Kolleginnen und Kollegen fürchten erneut ein Teil Ihrer Vergütung abgeben zu müssen, die in Krankenhäuser tätigen Kolleginnen und Kollegen befürchten, dass noch mehr Arbeit auf sie zukommt. Zu beiden Situationen kann es sehr wohl kommen. Der Name ‚Portalpraxen‘ ist mehr als unglücklich gewählt und lädt zu den Spekulationen und Befürchtungen ein. Gerade deshalb ist es geboten, sich mit der nötigen Sachlichkeit mit diesem Thema zu beschäftigen. Wir werden die Entwicklung der Portalpraxen beobachten, ob sie tatsächlich ausschließlich für den Zweck eingesetzt werden, den der Gesetzgeber vorgesehen hat: als mögliche Auffanglösung dort, wo kein Notdienst seitens der Niedergelassenen zustande kommt“, erklärt Johannes Flechtenmacher.
Es liegt in erster Linie an den KVen und ihren Vertreterversammlungen, den Notdienst zu organisieren. Hier bittet der BVOU auf KV-Ebene tätige Mitglieder engagiert zu bleiben und den Vorstand zu informieren.
Damoklesschwert Qualitätssicherung
Das Krankenhausstrukturgesetz konkretisiert die bereits seit längerem geltenden Mindestmengenregelungen und rückt Qualitätssicherung weiter in den Focus der Kliniken. Die Sanktionen bei Nichteinhaltung der Qualitätsvorgaben und Mindestmengenregelungen wurden verschärft.
Im Gesetz wird damit kein Maßstab für mehr Qualität, sondern für ein Mehr an Qualität und Quantität gesetzt. Es besteht die Befürchtung, dass dies nicht zur Qualitätsverbesserung einer Klinik, sondern im Einzelfall zu deren Schließung führen könnte.
Die Kliniken stehen nach den Vorgaben des Krankenhausstrukturgesetzes bald verstärkt unter dem Druck der Mindestmengen sowie eines Leistungsverbots bei Nichterfüllung. Wird bei einer planbaren Leistung, die erforderliche Mindestmenge nicht erbracht, kann ein Verbot der Leistungserbringung ausgesprochen werden.
Neben den Kliniken sollen zukünftig auch Operateure Mindestoperationszahlen nachweisen. „So wird aus Sicht des BVOU das Thema ‚Qualität‘ weiter negativ aufgeladen“, kritisiert Flechtenmacher.
Negative Auswirkungen auf die Weiterbildung
Die Folgen auf die Weiterbildung sind für den BVOU-Vorstand absehbar: „Die Weiterbildung darf durch das Krankenhausstrukturgesetz nicht als Qualitätsrisiko diskriminiert werden. Gute Weiterbildung heute ist die Qualität der Medizin von morgen. Die Weiterbildung künftiger Ärzte ist ein wesentliches Qualitätsmerkmal eines Krankenhauses und unseres Gesundheitssystems. Dieser hohe Standard wird durch die Reform gefährdet“, kritisiert BVOU-Präsident Dr. med. Johannes Flechtenmacher. „Ich meine die öffentliche Hand und die Krankenversicherungen müssten, so wie in anderen Ländern auch, die Weiterbildung der Assistenten finanzieren oder zumindest teilfinanzieren. Somit wäre eine definierte und qualifizierte Fortbildung unabhängig von Finanzierungs- und Leistungsangeboten einer Klinik möglich.“
In der Praxis könnten junge Mediziner in Warteschleifen geraten, bis erfahrene Operateure ihre Zahlen erfüllt haben und die Mindestmengen bestimmter Leistungen im Jahr gesichert sind. Je nach Häufigkeit eines Krankheitsbildes in der Klinik kann es sein, dass ein angehender Orthopäde oder Unfallchirurg kaum Fertigkeiten bei bestimmten Eingriffen erlangen kann. Die geplanten Mindestmengen- und Qualitätsanforderungen sichern damit weder die Weiterbildung, noch die Qualität von morgen.
„Einschränkungen in der Weiterbildung werden nicht nur auf die Zukunft der Kliniken durchschlagen, sondern genauso in der niedergelassenen Praxis negative Folgen haben. Hier wird die Versorgung auf allen Ebenen gefährdet“, so Dr. Flechtenmacher. Der BVOU-Vorstand warnt auch davor, dass die Qualitätsvorstellungen auf Ebene der Kliniken bald auf die ambulante Versorgung übertragen werden könnten: „Nicht nur in den Kliniken führen diese Forderungen zu Einschränkungen; sie träfen über kurz oder lang auch die ambulanten Operateure.“
Der BVOU-Vorstand wird den vorliegenden Gesetzentwurf eingehend prüfen und nach Klärung einiger Detailfragen Anfang nächsten Jahres ausführlich Position beziehen. Diese wird gemeinsam mit der DGOU formuliert und die Sicht des Faches Orthopädie und Unfallchirurgie mit einer Stimme nach außen tragen.