Bereits seit vielen Jahren kommen die mitteldeutschen Orthopäden und Unfallchirurgen einmal jährlich zusammen, um die neuesten Erkenntnisse ihres Fachs zu diskutieren und fachliche Kontakte zu knüpfen. Basis dafür ist der Arbeitskreis Mitteldeutscher Orthopäden und Unfallchirurgen (AMOU), der in diesem Jahr sein 20-jähriges Jubiläum feiert. Vom 17. bis 18. März lädt der diesjährige Veranstalter, die Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Plastische Chirurgie des Universitätsklinikums Leipzig, zum gemeinsamen Austausch über die Zukunft von O&U in den Kubus nach Leipzig ein. Im Interview berichtete Prof. Dr. Andreas Roth, Bereichsleiter Endoprothetik/Orthopädie in Leipzig und einer der diesjährigen Tagungspräsidenten, von den Themen und Neuheiten der 20. AMOU-Tagung.
20 Jahre Vernetzung und fachlicher Austausch
Der AMOU, ursprünglich Arbeitskreis Mitteldeutscher Orthopädischer Universitätskliniken, wurde 1996 von den vier mitteldeutschen orthopädischen Hochschulkliniken Jena/Eisenberg, Leipzig, Magdeburg und Halle initiiert. Im Jahr 2004 wurde der Arbeitskreis dann noch um die Orthopädische Universitätsklinik Dresden erweitert. „Hintergrund dieses Zusammenschlusses war es, in Zeiten starker Veränderungen Standards zu formulieren“, erklärt Roth.
So laden die Chefärzte der jeweiligen Kliniken seit 20 Jahren abwechselnd führende Sprecher aus der Orthopädie zu sich ein, um ausgewählte Themen und innovative Methoden zu diskutieren und einen praktischen Erfahrungsaustausch anzuregen. „Es geht zum einen um eine fachliche Verbesserung unserer Arbeit und zum anderen natürlich auch um das persönliche Kennenlernen – die Möglichkeit, sich untereinander auszutauschen im Sinne eines Netzwerkes“, so Roth zu den Zielen des Arbeitskreises, der immer wieder auch die Veränderungen des Fachgebiets aufgenommen und in seine Arbeit integriert hat.
Dazu gehört auch die Zusammenlegung der Fachgebiete Orthopädie und Unfallchirurgie, die seit 2005 sowohl fachlich als auch berufspolitisch immer weiter vorangeschritten ist. „So kam auch bei der AMOU die Frage auf: Wie holt man nun die Unfallchirurgen mit zu den Orthopäden ins Boot?“, erinnert sich Roth. „Deshalb wurde das O und U in AMOU erst einmal von den Orthopädischen Universitätskliniken abgekoppelt und mit Orthopädie und Unfallchirurgie belegt.“ Neben der Erweiterung des Fachs um die Unfallchirurgie sei es in den letzten Jahren insgesamt zu einer zunehmenden Spezialisierung gekommen, so Roth. Dies spiegle sich auch immer mehr im wissenschaftlichen Programm der Tagung wider.
Vielfältiges wissenschaftliches Programm
In diesem Jahr stehen insbesondere die Themen Trauma, Wirbelsäule, Sportorthopädie und Endoprothetik im Mittelpunkt. „Im Bereich Trauma wird es unter anderem um die fehlverheilte Fraktur gehen und darum, ob, wann und wie diese am besten korrigiert werden kann“, berichtet Roth. „Beim Sport werden neben Schulterverletzungen bei Sportlern und Leistungssportlern auch die Entwicklungen im Bereich der Knorpeltransplantation ein wichtiges Thema sein.“ Darüber hinaus hat auch der Bereich Wirbelsäule zwei Sitzungen im Programm. „Hier werden insbesondere auch viele konservative Behandlungsmöglichkeiten angesprochen werden, beispielsweise das Thema manuelle Therapie der Halswirbelsäule“, so Roth. In allen vier Themenbereichen spielen zudem verschiedene Techniken der Plastischen Chirurgie eine zentrale Rolle.
Einen der „Brennpunkte“ im Bereich Endoprothetik bildet das Thema Endoprothesenzentren. „Hier werden zwei sehr engagierte Redner das Für und Wider darlegen und damit sicher für eine spannende Diskussion sorgen, denn beide Standpunkte sind durchaus nachvollziehbar“, sagt Roth. Auch die Leipziger Uniklinik befinde sich derzeit im Bewerbungsprozess für die Zertifizierung zum Endoprothesenzentrum der Maximalversorgung, berichtet der Orthopäde. Die Befürworter einer solchen Zertifizierung sehen hier insbesondere die Qualitätsförderung im Mittelpunkt: „Die Zertifizierungsvorgaben sind quasi ein Handwerkszeug, eine Orientierungshilfe, um die Voraussetzungen für eine moderne und erfolgreiche Endoprothetik zu schaffen“, sagt Roth. Die Gegner allerdings, sprechen von einer zunehmenden Zertifizierungswut in allen Bereichen der Medizin, die den Patienten und dessen Bedürfnisse und Wohlergehen in den Hintergrund rücken lässt.
Workshops: Taping, Orthesen und Endoprothetik
Neben den verschiedenen Sitzungen des wissenschaftlichen Programms wird es außerdem drei Workshops geben, die verschiedene Techniken aus der konservativen und operativen Therapie demonstrieren. Hierzu zählen neben einem Workshop zur Knieendoprothetik außerdem ein Orthesen-Workshop sowie ein weiterer Kurs, der verschiedene Taping-Techniken präsentiert. „Das Taping ist ein hochinteressantes Thema, weil man hier wirklich sehr viel machen kann“, betont Roth. So könne beispielsweise eine postoperative Schwellung am Bein, die gerade bei älteren Patienten das Risiko einer Thrombose oder Wundheilungsstörung birgt, mittels des Taping sehr gut behandelt werden.
Der Nachwuchs kommt zu Wort: „Von Assistenten für Assistenten“
Erstmals in diesem Jahr bietet die AMOU auch den Assistenten der verschiedenen Universitätskliniken die Möglichkeit, eine eigene Sitzung zu gestalten. „Wir haben viele engagierte junge Kollegen, die sehr interessiert daran waren, selbst etwas zum Programm beizutragen“, erklärt Roth. Acht verschiedene Assistenten sprechen hierbei über ihre neuesten wissenschaftlichen Arbeiten aus Themenbereichen wie degenerative Wirbelsäulenerkrankungen, Polytraumamanagement oder proximale Femurfrakturen.
Podiumsdiskussion mit der Industrie: Neue Perspektiven für O&U
Die am Donnerstag stattfindende Podiumsdiskussion zum Thema „Industrie – Quo vadis O&U?“ ist eine weitere Neuheit auf der diesjährigen Tagung. Hier werden führende Vertreter aus der Medizintechnik die Zukunft des Fachs aus Sicht der Industrie untereinander und gemeinsam mit den Teilnehmern diskutieren. „Auf diese Weise soll eine Plattform für neue – zunächst vielleicht ungewöhnliche – aber innovative Ideen geschaffen werden“, sagt Roth. Diese Ideen betreffen nicht nur die Entwicklung neuer Materialien, beispielsweise in der Endoprothetik, sondern ebenso die Implementierung innovativer logistischer Lösungen für ein wirtschaftlicheres Arbeiten in Kliniken. „Indem wir die Perspektive der Industrie einbeziehen, wollen wir den Blick unserer Kollegen öffnen und die Neugier und das Engagement unserer Assistenten anregen, unser Fach aktiv mit weiterzuentwickeln“, so Roth.
Berufspolitik: Zusammenrücken mit den Niedergelassenen
Außerhalb des offiziellen Programms plant der AMOU darüber hinaus auch mit seinen niedergelassenen Kollegen ein Gespräch über die Zukunft des Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie. Gemeinsam mit dem Präsidenten des BVOU, Dr. Johannes Flechtenmacher, und den BVOU-Landesvorsitzenden Dr. Jörg Panzert (Sachsen), Dr. Ronny Jaekel (Sachsen-Anhalt) und Dr. Jens Krannich (Thüringen) soll eine Diskussion über mögliche Kooperationen angeregt werden.
„Die Problematik ist hier insbesondere, dass in den kommenden 15 bis 20 Jahren zahlreiche niedergelassene Orthopäden und Unfallchirurgen aus dem aktiven Berufsleben ausscheiden“, so Roth. Dies betrifft dann indirekt auch die Kliniker, die viele ihrer Patienten durch Überweisung von Niedergelassenen erhalten. „Deshalb müssen wir auch innerhalb der Kliniken Konzepte entwickeln, um die Kollegen zu unterstützen, die sich gerne niederlassen möchten“, sagt Roth. Gemeinsam mit dem BVOU und insbesondere den regionalen Landesverbänden soll deshalb über mögliche Anknüpfungspunkte nachgedacht werden: „Gäbe es zum Beispiel die Möglichkeit, Assistenten zur Hospitation auch in die Niederlassung zu schicken?“, beschreibt Roth eine der möglichen Ideen.
Weitere Informationen zur 20. AMOU-Tagung, dem Programm und der Registrierung finden Sie unter: www.amou-tagung.de.
Anne Faulmann