Nachdem die bisherige Rechtsprechung zu Arztbewertungen im Internet aufgrund der Meinungsfreiheit und des Datenschutzes zumeist zu Gunsten des Portalbetreibers und damit zum Nachteil der Ärzte urteilte, wurde die Entscheidung des VI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (BGH) am 01.03.2016 (VI ZR 34/15) mit Spannung erwartet. Dieser urteilte nun, dass Betreiber von Bewertungsportalen künftig umfassendere Prüfpflichten zu erfüllen haben.
Im konkreten Fall klagte ein Zahnarzt gegen die Portalbetreiberin des Bewertungsportals Jameda auf Unterlassung des Verbreitens oder Verbreitenlassens einer anonymen Bewertung. In dieser anonymen Bewertung gab der Nutzer an, dass er den Kläger nicht empfehlen könne und erteilte für die Kategorien „Behandlung“, „Aufklärung“ und „Vertrauensverhältnis“ jeweils die Note 6, sodass sich in der Gesamtnote eine 4,8 ergab. Der klagende Zahnarzt bestritt jedoch, dass er den Bewertenden behandelt hatte.
Außergerichtlich forderte der Kläger Jameda deshalb zur Löschung der Bewertung auf. Zwar übersandte Jameda seinem Nutzer die Beanstandung des Zahnarztes. Die Weiterleitung der hierauf erfolgenden Antwort des Nutzers an den Zahnarzt verweigerte sie jedoch aus datenschutzrechtlichen Gründen. Eine Löschung der Bewertung erfolgte nicht.
In der Vorinstanz war die Klage zunächst erfolgreich, die hiergegen durch Jameda eingelegte Berufung führte allerdings zur Abweisung der Klage durch das Oberlandesgericht. Der Zahnarzt legte deshalb Revision ein und zog vor den Bundesgerichtshof.
Der VI. Senat des BGH stellte zunächst fest, dass eine Haftung der beklagten Portalbetreiberin für die von ihren Nutzern abgegebenen Bewertungen nur dann in Betracht komme, wenn sie zumutbare Prüfungspflichten verletzt habe. Für deren Umfang seien die Umstände des Einzelfalls maßgeblich. Hierbei seien sowohl das Gewicht der beanstandeten Rechtsverletzung, die Erkenntnismöglichkeiten des Providers als auch die Funktion des vom Provider betriebenen Dienstes zu berücksichtigen. Es dürften deshalb keine Prüfungspflichten aufgebürdet werden, die zu einer wirtschaftlichen Gefährdung des Geschäftsmodells oder zu einer unverhältnismäßigen Erschwernis der Tätigkeit des Portalbetreibers führen würden.
Andererseits, so der BGH, bergen solche Bewertungsportale an sich ein größeres Risiko von Persönlichkeitsverletzungen, einerseits durch die Anonymität bzw. Pseudonymisierung der Bewertungen und andererseits durch die hierdurch erschwerten Möglichkeiten eines direkten Vorgehens gegen den Nutzer. Zum letzten Punkt ist zu sagen, dass der BGH mit Urteil vom 1.07.2014 – VI ZR 345/13 bereits entschieden hatte, dass ein Arzt von einem Bewertungsportalbetreiber keine Auskunft über die bei ihm hinterlegten Anmeldedaten des Bewertenden verlangen kann.
Aus diesen Gründen hat der BGH den Bewertungsportalbetreibern nun weitergehende Prüfungspflichten auferlegt und diese konkretisiert. Dementsprechend sei der Portalbetreiber verpflichtet, die Beanstandung des Arztes an den Bewertenden zu übersenden und diesen aufzufordern, den behaupteten Behandlungskontakt detailliert darzustellen und konkrete und möglichst umfassende Belege dafür zu liefern. Beispielhaft nannte der BGH hier Bonushefte, Rezepte oder sonstige Indizien. Des Weiteren sei der Betreiber zur Weiterleitung derjenigen Informationen und Unterlagen an den Arzt verpflichtet, die ohne Verstoß gegen § 12 Abs. 1 TMG übermittelt werden können.
Kommentar des BVOU-Justitiars
Mit diesem Urteil hat der BGH somit erfreulicherweise endlich einmal ein positives Zeichen für die Ärzteschaft gesetzt. Aufgrund der gesteigerten Prüfpflichten der Portalbetreiber sollten für Ärzte nun wesentlich bessere Abwehrmöglichkeiten gegen nicht gerechtfertigte, objektiv nachprüfbare Tatsachenbehauptungen bestehen. Denn nunmehr muss der Portalbetreiber diesen Nachweis durch Belegvorlage führen. Dies gilt insbesondere, wenn fraglich bzw. streitig ist, ob überhaupt eine Behandlung stattgefunden hat. Gelingt dem Portalbetreiber dieser Nachweis nicht, besteht grundsätzlich ein Löschungsanspruch des Arztes.
Mit der auferlegten Pflicht zur Weiterleitung von Informationen und Unterlagen wird aber nach Meinung des Verfassers nach wie vor kein Anspruch auf Herausgabe des Namens des Bewertenden begründet. Denn gemäß § 12 Abs. 1 TMG ist eine Weiterleitung von personenbezogenen Daten, die zur Bereitstellung des Telemediums erforderlich waren, unzulässig. Hierunter fallen in der Regel die im Nutzerprofil des Bewertungsportals gespeicherten Daten und somit grundsätzlich der Name und die sonstigen Anmeldedaten des Bewertenden. Diese dürfen folglich auch zukünftig nicht an den Arzt weitergeleitet werden.
Problematisch – und damit Gegenstand neuer gerichtlicher Entscheidungen – könnte es in Zukunft jedoch werden, wenn dem Portalbetreiber der Nachweis einer stattgefundenen Behandlung gelingt.
Fraglich ist zudem, wie weit die Prüfpflichten des Betreibers gehen, wenn die Behauptung eines angeblichen Behandlungsfehlers in der Bewertung im Raum steht. Nach Meinung des Verfassers müsste aufgrund der aktuellen BGH-Entscheidung dem Portalbetreiber auch hier die Nachweispflicht auferlegt werden. Immerhin kommt einer solch beanstandeten Rechtsverletzung erhebliches Gewicht zu, sodass dies bei Prüfung des Umfangs der zumutbaren Prüfpflichten von entscheidender Bedeutung sein muss. Welche konkreten Anforderungen an die Erfüllung der Nachweispflicht im Falle einer Behandlungsfehlerbehauptung zu stellen sind, wird letztendlich einer gerichtlichen Klärung vorbehalten bleiben.
Nach derzeitiger Auffassung des Verfassers dürfte ein solcher Nachweis eigentlich nur bei Vorliegen eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens bzw. eines entsprechenden Gerichtsurteils im konkreten Fall als ausreichend angesehen werden. Es bleibt damit für diesen Fall abzuwarten, welche Ansicht eine zukünftige Rechtsprechung vertreten wird.
Dr. Jörg Heberer
Justitiar BVOU Berlin
Rechtsanwalt und
Fachanwalt für Medizinrecht
München