Archiv für den Monat: Juni 2016

BMG-Entwurf sieht bundesweiten Test der „Blankoverordnung“ vor

Berlin – Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) plant, allen Heilmittelerbringern wie Physiotherapeuten und Ergotherapeuten in Modellvorhaben flächendeckend die Möglichkeit einzuräumen, selbstständiger als bisher über eine Therapieform und ihre Dauer zu entscheiden. Dies geht aus dem Referentenentwurf eines „Gesetzes zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung“ hervor, der dem BVOU vorliegt. Bislang wird diese „Blankoverordnung“ erst in zwei Modellprojekten mit Physiotherapeuten erprobt.

Zur Begründung heißt es, die Zwischenergebnisse der laufenden Modellprojekte würden unterschiedlich bewertet. Um aber entscheiden zu können, ob eine solche Versorgungsform für die Regelversorgung in der Gesetzlichen Krankenversicherung geeignet ist, sei „eine verlässliche, breitere Informationsgrundlage zu schaffen“. Deshalb soll zukünftig „in jedem Land und für alle Heilmittelerbringer des Sozialgesetzbuchs (SGB) V ein Modellvorhaben durchgeführt werden, mit dem die Heilmittelerbringer größere Handlungsspielräume erhalten“. Modellvorhaben könnten sich dabei auch über mehrere Bundesländer erstrecken. Details sollen in einem Paragrafen 64 d des SGB V geregelt werden.

Grundlage der Versorgung bleiben ärztliche Diagnose und Indikationsstellung

In der Begründung zu dem vorgesehenen neuen Paragrafen heißt es: „Gegenstand des Modellvorhabens ist die mit dem Begriff der Blankoverordnung bezeichnete Versorgungsform. Diese ist dadurch gekennzeichnet, dass der Heilmittelerbringer selbständig über die Auswahl und die Dauer der Therapie sowie die Frequenz der Behandlungseinheiten bestimmt. Grundlage ist aber nach wie vor die Diagnose eines Arztes und die von ihm festgestellte Indikation für eine Heilmittelbehandlung.“

Da im Rahmen solcher Modellvorhaben „die Verantwortung für die Versorgung des Versicherten in gewissem Umfang vom Arzt auf den Heilmittelerbringer verlagert wird“, hätten die Vertragspartner auch zu beraten, „welche Konsequenzen sich daraus ergeben“. Dies gelte im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeitsverantwortung und notwendige Qualifikationen. Die bereits laufenden Modellvorhaben könnten fortgesetzt werden.

Spitzenverband der Heilmittelverbände fordert Direktzugang

Dem Spitzenverband der Heilmittelverbände (SHV) geht dies nicht weit genug. In einer Stellungnahme zum Entwurf schreibt der SHV, der Referentenentwurf weiche noch „von der einstimmigen Forderung der Landesgesundheitsministerien ab, die eindeutig den Direktzugang auch für Patienten der Gesetzlichen Krankenversicherung erproben wollen.“ Hier erwarte man Nachbesserungen. „Wir Heilmittelerbringer wollen und können nachweisen, dass sich die Behandlungsergebnisse verbessern, wenn wir losgelöst von der ärztlichen Heilmittelverordnung selbst über die Therapie der Wahl entscheiden“, so der SHV.

Krankenkassen: Direktzugang ist verfrüht, Nutzen vieler Maßnahmen gehört geprüft

Das Thema Modellversuche wird auch auf der Gesundheitsministerkonferenz der Länder behandelt, die heute in Rostock begonnen hat. Anfang Juni hatte der Verwaltungsrat des GKV-Spitzenverbandes Positionen für eine verbesserte und zugleich finanzierbare Versorgung mit Heilmitteln beschlossen. Auch das Thema Blankoverordnung/Direktzugang wurde dabei aufgegriffen. Aktuelle Forderungen nach eigenverantwortlichen Therapieentscheidungen durch Heilmittelerbringer im Rahmen einer Blankoverordnung oder gar eines Direktzugangs „erscheinen verfrüht, da die hierfür erforderlichen berufsrechtlichen Voraussetzungen derzeit nicht gegeben sind“, so das Krankenkassengremium. Auch seien wesentliche Fragen der Patientensicherheit sowie der Effektivität und Wirtschaftlichkeit eigenverantwortlicher Therapieentscheidungen durch Heilmittelerbringer noch völlig ungeklärt.

„Aus Sicht der Krankenkassen müssten die Berufsgesetze zunächst zwingend um Kenntnisse in der eigenständigen Indikationsstellung und Therapieplanung erweitert werden. Dabei sollten auch die noch ausstehenden Ergebnisse aus den bereits laufenden Modellvorhaben mit einbezogen werden“, so das Positionspapier. Zudem hatte der Verwaltungsrat angemerkt, trotz des hohen Stellenwertes der Heilmittel in der Patientenversorgung sei der therapeutische Nutzen der im Heilmittel-Katalog enthaltenen Maßnahmen bis heute nur unzureichend geklärt.

Referentenentwurf: mehr Qualität, mehr Geld, mehr Systematik

Der Referentenentwurf zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung sieht über die Regelung zu flächendeckenden Modellvorhaben unter anderem Folgendes vor:

  • Das System der Preisfindung im Heilmittelbereich wird weiter flexibilisiert. Dafür wird der Grundsatz der Beitragssatzstabilität aufgehoben.
  • Qualitätsaspekte sind bei der Hilfsmittelversorgung stärker zu berücksichtigen. Bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit im Rahmen von Ausschreibungen zu Hilfsmitteln sind neben dem Preis zu mindestens 40 Prozent Kriterien wie zum Beispiel Qualität, Zweckmäßigkeit, Kundendienst oder Betriebskosten heranzuziehen.
  • Schiedsverfahren sollen beschleunigt werden, Vergütungserhöhungen schneller bei den Heilmittelerbringern ankommen.
  • Der GKV-Spitzenverband muss bis 2019 Produktgruppen des Hilfsmittelverzeichnisses, die seit 30.6.2015 nicht mehr grundlegend aktualisiert wurden, systematisch analysieren und anpassen. Außerdem muss er bis 2018 grundsätzlich regeln, wie Hilfsmittel in das Hilfsmittelverzeichnis aufgenommen werden und dieses fortgeschrieben wird.
  • Die Krankenkassen werden verpflichtet, die Leistungserbringung bei Verträgen zur Hilfsmittelversorgung konsequenter als bisher zu prüfen und zu überwachen.
  • Beratungs- und Informationsrechte der Versicherten sollen gestärkt werden.

Sabine Rieser

KV-Wahl: Für feste Preise und gute ambulante Strukturen

Ostfildern – Dr. Burkhard Lembeck hat in Baden-Württemberg den Selektivvertrag Orthopädie mit auf den Weg gebracht. Das war sein Einstieg in die Berufspolitik. Die Kandidatur für die Vertreterversammlung (VV) der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Baden-Württemberg ist für ihn die logische Fortsetzung.

7 Fragen an Dr. Burkhard Lembeck


BVOU.net:
Warum kandidieren Sie für die Vertreterversammlung (VV)?
Lembeck:
Das ist die konsequente Fortsetzung meines bisherigen berufspolitischen Engagements.

BVOU.net: Wofür steht Ihre Liste?
Lembeck:
Medi steht für die Zusammenarbeit von Haus-und Fachärzten, für Selektivverträge, für feste Preise, für eine Zukunft der selbständigen Ärzte.

BVOU.net: Wofür wollen Sie sich engagieren, wenn Sie gewählt werden?
Lembeck:
Die ärztliche Selbstverwaltung muss wieder Antworten liefern, Gegenmodelle und Gegenentwürfe zu den tagespolitischen Ad-hoc-Entscheidungen, eine Vorstellung von einer besseren Versorgung. Wir Ärzte müssen sagen, wie wir uns die medizinische Versorgung vorstellen. Das Feld haben wir der Politik und den Kassen überlassen – da haben wir komplett versagt.

BVOU.net: Welches Versorgungsthema wollen Sie dann vor allem vorantreiben?
Lembeck:
Eine gute ambulante Versorgung sorgt für geringe Folgekosten im stationären Sektor, bei den Medikamenten, Heil- und Hilfsmitteln. Daher gehört diese ambulante Versorgung gut strukturiert, die Zusammenarbeit von Haus- und Fachärzten verbessert. Das erfordert auch unpopuläre Entscheidungen.

BVOU.net: Und welches Honorarthema wollen Sie vorantreiben?
Lembeck:
Feste Preise.

BVOU.net: Wie wollen Sie es schaffen, Zeit für die Arbeit in der VV zu erübrigen?
Lembeck:
Ich habe einen lieben Kollegen in der Gemeinschaftspraxis, der vieles abfängt. Besten Dank auf diesem Weg!

BVOU.net: Wie motivieren Sie sich, wenn Sie einmal gar keine Lust auf Berufspolitik haben?
Lembeck:
Ich gehe mit den Söhnen und der Tochter mountainbiken im Sommer und auf Skitouren im Winter. Für einen Themenwechsel sorgen Theatergänge, die Mitarbeit im Bürgerverein und anderes. Ich kann also auch ohne Berufspolitik…

Das Interview führte Sabine Rieser. Der BVOU veröffentlicht zurzeit regelmäßig Interviews mit Orthopäden und Unfallchirurgen, die für die KV-Wahlen kandidieren.

Weiterführende Informationen:

KV-Wahlen 2016: Alle wichtigen Informationen im Überblick

Weitere Interviews:

KV-Wahlen 2016: Die Kandidaten aus O und U im Gespräch

Bild: Dr. Burkhard Lembeck (Quelle: privat)

Finanzen der Kassen: Spifa fordert „Raum für Innovationen“

Berlin – Der Spitzenverband Fachärzte Deutschlands e.V. (SpiFa) hat die Krankenkassen aufgefordert, ihre Überschüsse auch in die Erprobung alternativer Versorgungsmodelle außerhalb des Kollektivvertragssystems zu investieren. Hintergrund: Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) hat am 22. Juni mitgeteilt, die Kassen hätten im I. Quartal 2016 einen Überschuss von 406 Millionen Euro erzielt. „Dabei verzeichneten sämtliche Kassenarten ein positives Finanzergebnis. Die Finanzreserven der Krankenkassen stiegen bis Ende März 2016 damit auf 14,9 Milliarden Euro“, so die weiteren Informationen aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG). Die Ausgaben je Versicherten stiegen um 3,2 Prozent.

Bessere fachärztliche Versorgung für Schwerkranke und Chroniker

Spifa-Hauptgeschäftsführer Lars F. Lindemann erklärte daraufhin: „Der Innovationsfonds ist ein Weg, Innovationen ins System zu bringen. Es besteht für die Krankenkassen jedoch die Möglichkeit – und aus Sicht der Fachärzteschaft auch die Notwendigkeit –, über selektives Kontrahieren Versorgungsformen außerhalb des Kollektivsystems zu etablieren.“ Patienten mit chronischen oder schweren Krankheitsverläufen könne man so Möglichkeiten einer abgestimmten, zielgenauen und damit besseren Versorgung anbieten. „Die solide Finanzlage der Krankenkassen würde das offenbar auch hergeben“, befand Lindemann.

Medienberichte: GKV-Finanzergebnisse sind Schönfärberei

In verschiedenen Medien wurde die Interpretation der jüngsten Finanzergebnisse der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) jedoch als Schönfärberei eingeordnet, die dem langsam beginnenden Wahlkampf geschuldet ist. So wird in der BMG-Pressemitteilung nicht erwähnt, dass zu Jahresbeginn die kassenindividuellen Zusatzbeiträge durchweg gestiegen sind, die jeder Versicherte zahlen muss. Dies entspricht Zusatzeinnahmen von rund 3,5 Milliarden Euro. Ein Teil dieser Zusatzeinnahmen stammte allerdings vor dem Jahr 2015 aus dem regulären Krankenkassenbeitrag.

Gröhe hat zudem bereits angekündigt, im nächsten Jahr die Liquiditätsreserve im Gesundheitsfonds anzuzapfen und 1,5 Milliarden Euro zu entnehmen. Offizielle Begründung dafür sind Ausgaben für die medizinische Versorgung von Flüchtlingen. Aber in der gesundheitspolitischen Szene ist es kein Geheimnis, dass schon seit Jahren für bestimmte Gruppen in der GKV keine ausreichend hohen Beiträge bezahlt werden, darunter für Arbeitslose. Jüngst hat der Landesverband Bayern der Betriebskrankenkassen vorgerechnet, dass die gesundheitliche Versorgung der Empfänger von Arbeitslosengeld II rund 200 Euro im Monat kostet, der Staat aber nur 90 Euro davon finanziert.

Woher mehr Geld kommt? „Keine Ahnung.“

Hinzu kommt, dass die Große Koalition zahlreiche Leistungsverbesserungen auf den Weg gebracht und weitere angekündigt hat. Diese werden die Versorgung ebenfalls verteuern. Nur ein Beispiel: Vor kurzem hat Gröhes Ministerium einen Referentenentwurf vorgelegt, mit dem für das Personal in psychiatrischen und psychosomatischen Krankenhäusern ein verbindlicher Stellenschlüssel vorgegeben werden soll. Auf die Frage, wie dies zu finanzieren sei, antwortete bei einer Veranstaltung der Bundespsychotherapeutenkammer ein Kassenvertreter: „Gute Frage – darauf habe ich keine Antwort.“

Sabine Rieser

Evonik

Evonik erforscht bioresorbierbare Implantatmaterialien

Birmingham – Ob für Stents, Nahtmaterialien oder Implantate – der Einsatz bioresorbierbarer Materialien, die sich im Körper nach gewisser Zeit auflösen, wird in der Medizintechnik bereits seit einigen Jahren erforscht. Auch der internationale Chemiekonzern Evonik Industries ist in diesem Bereich aktiv und arbeitet an neuartigen, abbaubaren Composite-Materialien, die künftig Implantate aus Metall bei der Versorgung von Knochenbrüchen ersetzen können.

Das Forschungsprojekt ist ein Vorhaben des Evonik-Projekthauses Medical Devices in Birmingham, Alabama in den USA. Ziel der Forscher ist es, leistungsfähige, bioresorbierbare Implantatmaterialien zu entwickeln, die Knochen nach Brüchen stabilisieren können. Der Markt für solche Materialien ist groß: Osteoporose allein verursacht jährlich mehr als 8,9 Millionen Knochenbrüche weltweit, Tendenz steigend. „Langfristig haben wir die regenerative Medizin im Blick: Wir wollen Bioimplantate schaffen, um geschädigtes Gewebe im Körper durch gesundes ersetzen zu können. Unsere aktuellen Arbeiten an den bioabbaubaren Composites sind hierfür ein erster Schritt“, sagt Dr. Andreas Karau, Leiter des Projekthauses.

Die Basis für diese Composite-Materialien sind Polymere auf Polymilchsäurebasis. Diese werden im Körper komplett zu Kohlenstoffdioxid und Wasser abgebaut. Die Abbauzeit lässt sich durch Zusammensetzung, Kettenlänge und Kristallisationsgrad des Polymers gezielt steuern. Sie kann zwischen wenigen Wochen und etlichen Monaten betragen.

Die von Evonik entwickelten und unter dem Namen RESOMER vermarkteten Polymere werden derzeit bereits in der Herstellung von bioabbaubaren Schrauben, Stiften und kleinen Platten eingesetzt. Sie stabilisieren gerissene Bänder im Knie- oder Schultergelenk und werden zum Teil auch in der Versorgung von Brüchen kleinerer Knochen in Fingern oder im Gesichtsschädel angewendet.

„Für die Anwendung bei großen, tragenden Knochen fehlt es den derzeit verfügbaren Materialien allerdings noch an Festigkeit“, erklärt Karau. Deshalb testen die Forscher den Einsatz anorganischer Substanzen, wie zum Beispiel Derivate von Calciumphosphat, zur Verstärkung der bioabbaubaren Polymere. Diese sollen die Materialien nicht nur härter machen, sondern auch ihre Biokompatibilität verbessern. „Calcium und Phosphat können beim allmählichen Abbau des Polymers zur Bildung von Knochenmaterial verwendet werden“, beschreibt Karau die Idee.

„Langfristig denken wir auch daran, Polymermatrizes zu schaffen, die mit lebenden Zellen besiedelt werden können, also echte biologische Implantate.“ Damit ließe sich dann zum Beispiel Knorpelgewebe erneuern. Aber vorher müsse vor allem die Biokompatibilität der Materialien verbessert werden, so Karau.

Bild:
Ein Mitarbeiter des Projekthauses Medical Devices in Birmingham befüllt einen Extruder mit Polymergranulat.

Quelle: Evonik Industries AG

Dr.Träger

KV-Wahl: Die Freiberuflichkeit nicht noch weiter beschneiden

Neubrandenburg – Faire Bezahlung fürs ambulante Operieren, Ausbau sinnvoller Selektivverträge – dafür will sich Dr. Matthias Träger unter anderem einsetzen, falls er zum zweiten Mal in die Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Mecklenburg-Vorpommern gewählt wird. Der Inhaber einer Einzelpraxis in Neubrandenburg engagiert sich vielfältig berufspolitisch: Er ist nicht nur in der KV tätig, sondern auch stellvertretender BVOU-Landesvorsitzender und stellvertretender Vorsitzender des NAV-Virchowbunds in Mecklenburg-Vorpommern.

7 Fragen an Dr. Matthias Träger


BVOU.net:
Warum kandidieren Sie für die Vertreterversammlung (VV)?
Träger:
Zum einen bin ich überzeugt: Wer aufgibt, hat schon verloren. Durch die aktive Mitarbeit in der KV haben wir die Möglichkeit, der Politik die Stirn zu bieten. Zum anderen finde ich es immer gut, über den eigenen Tellerrand zu schauen und sich zu engagieren. Die Selbstverwaltung muss stark sein und braucht aktive Kollegen, um sich gegen politische Strömungen und die Krankenkassen behaupten zu können.

BVOU.net: Wofür steht Ihre Liste?
Träger: Unsere gemeinsame Liste ist eine fachübergreifende Liste. Wir wollen uns zusammen dagegen wehren, dass die Freiberuflichkeit durch die Gesetzgebung weiter beschnitten wird.  Viele Gesetze wirkten sich zuletzt auch zu Lasten der Fachärzte aus. Hier muss weiterhin ein deutlicher Gegenpol geschaffen werden, damit wir nicht geopfert werden.

BVOU.net: Wofür wollen Sie sich engagieren, wenn Sie gewählt werden?
Träger: Es gibt eine Vielzahl von Entscheidungen und Abstimmungen in der KV, insbesondere zur Honorarverteilung. Wichtig erscheint mir vor allem die Arbeit in den Ausschüssen, da dort zum großen Teil die Weichen für Anträge in der VV gestellt werden. Weiterhin stehe und engagiere ich mich für eine gute Öffentlichkeitsarbeit.

BVOU.net: Welches Versorgungsthema wollen Sie dann vor allem vorantreiben?
Träger: Ich bin ambulanter Operateur und will mich dafür einsetzen, dass tatsächlich gilt: ambulant vor stationär, und zwar in der Praxis. Das ambulante Operieren dort muss allerdings fair bezahlt werden. Außerdem will ich Selektivverträge vorantreiben, beispielsweise Osteoporose-Verträge wie den mit der Barmer GEK.

BVOU.net: Und welches Honorarthema wollen Sie vorantreiben?
Träger: Die Honorarverteilung in Mecklenburg-Vorpommern hat in den letzten Jahren eine positive Entwicklung genommen. Dieser Trend soll durch unsere aktive Mitarbeit weiter vorangetrieben werden.

BVOU.net: Wie wollen Sie es schaffen, Zeit für die Arbeit in der VV zu erübrigen?
Träger: Zeit für die Berufspolitik muss ich mir schaffen. Das geht nur durch den Rückhalt in der Familie. Meine Familie hat Verständnis für meine Arbeit und hält mir hier auch den Rücken frei.

BVOU.net: Wie motivieren Sie sich, wenn Sie einmal gar keine Lust auf Berufspolitik haben?
Träger: Erfolge in der Berufspolitik motivieren zum Weitermachen.

Das Interview führte Sabine Rieser. Der BVOU veröffentlicht zurzeit regelmäßig Interviews mit Orthopäden und Unfallchirurgen, die für die KV-Wahlen kandidieren.

Weiterführende Informationen:

KV-Wahlen 2016: Die Termine für ganz Deutschland

Weitere Interviews:

KV-Wahlen 2016: Die Kandidaten aus O und U im Gespräch

Bild: Dr. Matthias Träger (Quelle: privat)

Sport-Radfahrer

Experten fordern Wachsamkeit bei Gehirnerschütterungen

Berlin – Gehirnerschütterungen bei Sportlern werden vielfach nicht erkannt und zudem oft bagatellisiert. In dieser Einschätzung waren sich Ärzte und Vertreter des Bundesinstituts für Sportwissenschaft (BISp) einig. Der Sportausschuss des Deutschen Bundestags hatte die Experten Mitte Juni zu einem nicht-öffentlichen Fachgespräch eingeladen. Vor den Abgeordneten sprachen sie sich dafür aus, eine Sensibilisierung für die Problematik bei Sportlern, aber auch bei Ärzten zu schaffen und regionale Vorsorgekonzepte zu entwickeln.

Gehirnerschütterung erhöht allgemeines Verletzungsrisiko

Wer eine Gehirnerschütterung hat und zu schnell wieder spielt, trage ein hohes Risiko, sich eine zweite Gehirnerschütterung zuzuziehen, sagte der Neurologe Dr. Andreas Gonschorek vom Berufsgenossenschaftlichen Unfallkrankenhaus Hamburg. Er forderte, in keinem Fall den Sportler selber darüber entscheiden zu lassen, ob er weiterspielen könne. Abgesehen von eventuellen Spätfolgen erhöhe eine Gehirnerschütterung auch das allgemeine Verletzungsrisiko, weil dem Sportler die Reaktionsfähigkeit fehle.

Es gebe in dem Bereich einen hohen Wissensbedarf, sagte Ingo Schmehl vom Unfallkrankenhaus Berlin. Wie seine eingeladenen Kollegen engagiert sich der Neurologe bei der Hannelore Kohl Stiftung im Projekt “Schütze Deinen Kopf”. Dr. Claus Reinsberger, Leiter des Sportmedizinischen Instituts der Universität Paderborn, beklagte, dass es im deutschen Spitzensport keinen Behandlungspfad bei Kopfverletzungen gebe. Die Versorgung des Sportlers hänge davon ab, ob der jeweilige Arzt die oft nicht leicht zu erkennenden Symptome einer Gehirnerschütterung erkenne.

Quelle: „heute im bundestag“

KV-Wahl: Start als ein Politikneuling

Bitterfeld – „Nur abnicken und zur Kenntnis nehmen reicht nicht“, findet Dr. Olaf Dieball. Er kandidiert zum ersten Mal für die Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen-Anhalt – und will die Perspektive der jungen Kollegen einbringen. Selbst ist er mit zwei Kollegen in einer Berufsausübungsgemeinschaft niedergelassen.

7 Fragen an Dr. Olaf Dieball


BVOU.net:
Warum kandidieren Sie für die Vertreterversammlung (VV)?
Dieball:
Weil wir uns als Fachärzte und insbesondere Orthopäden und Unfallchirurgen nur Gehör verschaffen, wenn wir in den entsprechenden Gremien vertreten sind und unsere Interessen hörbar kundtun.

BVOU.net: Wofür steht Ihre Liste?
Dieball: Für die Interessenvertretung für den Fortbestand einer soliden ambulanten fachärztlichen Versorgung, welche durch politische Entscheidungsgremien zunehmend in Frage gestellt wird. Den Erhalt der Möglichkeit der „freien Arztwahl“ im wohnortnahen Umfeld, auch mit der Option einer krankenhausunabhängigen Facharztbehandlung.

BVOU.net: Wofür wollen Sie sich engagieren, wenn Sie gewählt werden?
Dieball: Als Vertreter der nächsten Generation und junger niedergelassener Facharzt möchte ich mich besonders für den Generationswechsel und für eine Steigerung der Attraktivität der Niederlassung stark machen. Gerne würde ich mich für eine bessere interkollegiale Kommunikation zwischen Haus- und Fachärzten einsetzen wie auch für eine bessere Vernetzung von stationärer und ambulanter Versorgung.

BVOU.net: Welches Versorgungsthema wollen Sie dann vor allem vorantreiben?
Dieball: Der Anteil der Allgemeinärztinnen und -ärzte geht immer weiter zurück. Die damit verbundene Verlagerung von Versorgungsaufgaben von allgemein- in fachärztliche Praxen, verbunden mit zunehmendem Alter und Morbidität der Patienten, muss bei Planungen zum Thema Honorare, Mengenbegrenzungen und der Versorgungssituation nachhaltig kommuniziert werden.

BVOU.net: Und welches Honorarthema wollen Sie vorantreiben?
Dieball: Gerade junge Fachärzte brauchen bei einer Neuniederlassung eine planbare und angemessene Honorierung ihrer Leistungen. Sonst werden wir bald keinen Nachwuchs mehr rekrutieren können. Budgets, Fallzahl-Höchstmengen oder auch drohende Regresse, gerade für Heilmittel, sind wenig hilfreich und als Drohkulisse abzuschaffen.

BVOU.net: Wie wollen Sie es schaffen, Zeit für die Arbeit in der VV zu erübrigen?
Dieball: Eine gutes Arbeits- und Zeitmanagement in unserer gut organisierten Dreierpraxis sollte Zeitfenster für die Beschäftigung mit berufspolitisch wichtigen Themen schaffen.

BVOU.net: Wie motivieren Sie sich, wenn Sie einmal gar keine Lust auf Berufspolitik haben?
Dieball: Als Politikneuling im Rahmen meiner Erstkandidatur hoffe ich, mit meiner Stimme konstruktiv Einfluss nehmen und mitbestimmen zu können. Nur Abnicken und zur Kenntnis nehmen reicht nicht. Für Ausgleich sorgen meine Familie, Fahrrad fahren, wandern und Freunde aus dem nichtmedizinischen Kontext.

Das Interview führte Sabine Rieser. Der BVOU veröffentlicht zurzeit regelmäßig Interviews mit Orthopäden und Unfallchirurgen, die für die KV-Wahlen kandidieren.

Weiterführende Informationen:

KV-Wahlen 2016: Die Termine für ganz Deutschland

Weitere Interviews:

KV-Wahlen 2016: Die Kandidaten aus O und U im Gespräch

Bild: Dr. Olaf Dieball (Quelle: privat)

Hüftimplantate: Metallabrieb schädigt knochenbildende Zellen

Berlin – Künstliche Hüftgelenke, bei denen sowohl Kugelkopf als auch Gelenkpfanne aus Kobalt-Chrom-Molybdän-Legierungen bestehen (sogenannte Metall-Metall-Gleitpaarungen) können im menschlichen Körper unter Belastung Metallionen freisetzen. Ärzte und Wissenschaftler der Charité – Universitätsmedizin Berlin und des DRK Klinikums Westend konnten jetzt nachweisen, dass eine Freisetzung von Chrom und Kobalt zum implantatnahen Knochenverlust beiträgt: die Metallionen schädigen die Vorläufer knochenaufbauender Zellen.

Etwa 220.000 Hüftendoprothesen werden jährlich in Deutschland eingesetzt. Heute werden in der Regel Implantate mit Metall-Polyethylen- oder Keramik-Keramik-Gleitpaarung eingesetzt. Bei Implantaten mit Metall-Metall-Paarung sind vermehrt Osteolysen festgestellt worden, was eine frühzeitige Wechseloperation erforderlich macht. Einige Implantathersteller haben Produkte dieser Art deshalb bereits vom Markt genommen.

Gelöste Metallionen schädigen mesenchymale Stammzellen

Die Berliner Wissenschaftler haben jetzt Veränderungen in gelenknahem Gewebe, in der Gelenkflüssigkeit und im Knochenmark analysiert, die durch eine Chrom- und Kobaltbelastung ausgelöst werden. Dabei hat sich gezeigt, dass nicht nur Abriebpartikel, sondern auch gelöste Metalle eine entscheidende Rolle bei der Gesamtbelastung spielen. Die gelösten Bestandteile erreichen das Knochenmark und schädigen dort die Vorläuferzellen von knochenmineralisierenden Osteoblasten, die sogenannten mesenchymalen Stammzellen (MSCs).

Die Studie verdeutlicht, dass MSCs, die aus dem Knochenmark von metallbelasteten Patienten isoliert wurden, ihr Potential zur Differenzierung zu Osteoblasten und somit zum Knochenaufbau vollständig eingebüßt haben. Diesen Effekt konnten die Forscher anhand von Zellkulturen unbelasteter Patienten bestätigen, indem sie relevante Mengen gelösten Chroms und Kobalts in der Zellkultur aussetzten, mit identischem Resultat.

Erforschung der Ursachen und Auswirkungen des Metallabriebs

„Die Freisetzung von Abrieb- und Korrosionsprodukten hat unseren Untersuchungen zufolge mehrere Ursachen. Neben den Materialeigenschaften spielen auch biomechanische und anatomische Gegebenheiten des einzelnen Patienten eine zentrale Rolle. Deshalb benötigen wir systematische Ansätze, um die tatsächliche Belastung durch die in der Endoprothetik eingesetzten Metalle abschätzen zu können“, sagt Janosch Schoon, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Julius Wolff Institut für Biomechanik und Muskuloskeletale Regeneration der Charité.

Tatsache ist: Gelenkprothesen halten immer länger. Auch treten Komplikationen wie die sogenannte aseptische Lockerung inzwischen deutlich seltener auf. „Für den langfristigen Erfolg einer Prothese über 15 Jahre hinaus müssen wir die biologischen Auswirkungen der implantierten Materialien, vor allem der Metalle, noch besser verstehen“, erklärt Prof. Dr. Carsten Perka, Ärztlicher Direktor des Centrums für Muskuloskeletale Chirurgie.

Optimierung künftiger Implantatmaterialien

Das Fazit der aktuellen Studie, die in der Fachzeitschrift Biomaterials veröffentlicht wurde: Risiken, die von Metall-Metall-Gleitpaarungen ausgehen, übersteigen deren Nutzen. Ihr Einsatz sollte auf das medizinisch begründbare Maß begrenzt bleiben, folgern die Forscher. Langfristiges Ziel der Charité-Wissenschaftler ist es, mithilfe der gewonnenen Erkenntnisse zukünftige Endoprothesendesigns und -materialien zu optimieren und somit zu bestmöglicher Patientensicherheit beizutragen.

Quelle: Charité – Universitätsmedizin Berlin

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Notfalldatensatz auf eGK unterstützt Ärzte in Notfällen

Berlin – Die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie e.V. (DGU) sieht im geplanten Ausbau der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) einen erheblichen Nutzen für die künftige Patientenversorgung. Laut Gesetzgeber soll im Zuge eines bundesweiten Notfalldaten-Managements (NFDM) unter der Verantwortung der Bundesärztekammer (BÄK) zum 1. Januar 2018 auf der eGK der sogenannte Notfalldatensatz (NFD) eingeführt werden.

Derzeit befindet sich der Notfalldatensatz im Praxistest. Er enthält alle notfallrelevanten medizinischen Informationen zur Patientengeschichte: Diagnosen, Medikation, Allergien und Unverträglichkeiten. „Der schnelle Zugriff auf Notfalldaten ist wichtig für die Behandlung eines Schwerverletzten“, betont DGU-Generalsekretär Professor Reinhard Hoffmann.

Das gilt beispielsweise für die Einnahme von Medikamenten, die die Blutgerinnung beeinflussen. Für die zügige Notfallversorgung und medizinische Vernetzung im Sinne einer modernen elektronischen Kommunikation habe der geplante Notfalldatensatz daher eine immense Bedeutung. „Die Möglichkeit zu Teleradiologie und Telekonsultation ist schon jetzt eine Anforderung an jedes zertifizierte Traumazentrum. Den telemedizinischen Zugriff auf Notfalldaten erachten wir als sinnvolle Ergänzung“, sagt Hoffmann.

Noch bis November durchläuft der NFD einen ersten halbjährigen Praxis-Test, bei dem die Anlage des NFD untersucht wird. „Wir hoffen auf einen erfolgreichen Verlauf dieser Forschungsphase, so dass der Notfalldatensatz bundesweit schnell zur Anwendung kommen kann“, erläutert Hoffmann. Denn häufig liegen den Unfallchirurgen im Notfall wichtige Informationen über Vorerkrankungen und Medikationen nicht vor. Auch angesichts der stetigen Zunahme von älteren Sturzpatienten hat die Einführung des NFD einen hohen Wert: Ältere Menschen leiden oftmals an unterschiedlichen Vorerkrankungen und nehmen zahlreiche Medikamente ein. „Die notfallrelevanten Daten helfen uns, schnell die richtige Entscheidung zu treffen und einen ungünstigen Krankheitsverlauf infolge gefährlicher Wechselwirkung von Medikamenten abzuwenden“, erklärt Professor Michael Johannes Raschke, Direktor der Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie am Universitätsklinikum Münster (UKM), die von der DGU als Überregionales Traumazentrum zertifiziert ist.

Mit der ab 2018 gesetzlich vorgeschriebenen Einführung des Notfalldaten-Managements (NFDM) kann der Hausarzt künftig auf Wunsch des Versicherten den Notfalldatensatz sowie den Datensatz „Persönliche Erklärungen“ (Angaben zu einer vorhandenen Patientenverfügung, Organspende-Ausweis, Vorsorgevollmacht) auf der elektronischen Gesundheitskarte speichern. Der Patient entscheidet auf freiwilliger Basis, ob er einen NFD für sich anlegen lässt. Im Notfall können Ärzte oder Notfallsanitäter somit die lebensrettenden Informationen einlesen.

Derzeit wird der Notfalldatensatz (NFD) im Rahmen des Forschungsprojekts „NFDM-Sprint“ unter realen Bedingungen des Gesundheitswesens am Universitätsklinikum Münster erprobt. Seit Mai 2016 legen Ärzte aus der Region Münster für rund 4.000 Patienten Notfalldatensätze und auf Wunsch der Patienten auch den Datensatz „Persönliche Erklärungen“ an. „Ziel des Pilotprojekts ist es, den Prozess der Anlage von Notfalldaten zu analysieren und dabei für den zukünftigen Einsatz zu optimieren“, erläutert Dr. Christian Juhra, DGU-Mitglied und Chirurg am UKM sowie verantwortlich für das NFDM-Sprint-Forschungsprojekt am UKM. Auftraggeber und Leiter des Projekts NFDM-Sprint ist die Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte mbH (gematik) in Berlin zusammen mit der Bundesärztekammer (BÄK).

KV-Wahl in Nordrhein

Vom 2. Juli bis 3. August wählen die Mitglieder der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein eine neue Vertreterversammlung. Der BVOU hat für Sie eine Übersicht der kandidierenden Ärzte aus O + U in Nordrhein zusammengestellt. Außerdem finden Sie hier sämtliche Interviews mit den Kandidaten sowie ergänzende Infos.

Wahlempfehlungen der BVOU-Landesobleute:

Dr. Andreas Waubke, Dr. Roland Tenbrock (beide Liste Versorgerfachärzte)

Gewählt aus O + U in die Vertreterversammlung: Dr. Wolfgang Bartels, Dr. Andreas Waubke, Dr. Roland Tenbrock

Kandidaten im Interview mit dem BVOU:

Dr. Roland Tenbrock: Einfluss geht nur von innen

Dr. Andreas Waubke: … denn wer nichts bewegt, wird bewegt …

Weitere Informationen:

Wahlergebnisse in Nordrhein

Informationen der KV Nordrhein zur Wahl

Wahlaufruf Nordrhein: „Versorgerfachärzte“ Liste Nr. 4

Wahlaufruf zur KV Wahl in Nordrhein von Roland Tenbrock

Ein Überblick über alle KVen:

KV-Wahlen 2016: Alle wichtigen Informationen im Überblick