Berlin – Dr. Günther Jonitz, Berliner Ärztekammerpräsident und Vorsitzender des Ausschusses „Qualitätssicherung“ bei der Bundesärztekammer (BÄK), hat die Art und Weise geärgert, wie der Medizinische Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS) das Thema Behandlungsfehler in der Öffentlichkeit darstellt. Anlass war die Pressekonferenz des MDS am 30. Mai. Im Gespräch mit dem „Deutschen Ärzteblatt“ (DÄ) begründete Jonitz seine Kritik.
Hintergrund: Nach den Angaben des MDS zur jüngsten Behandlungsfehlerstatistik ist 2016 die Zahl der Behandlungsfehlervorwürfe im Vergleich zum Vorjahr gestiegen, während die Zahl der festgestellten Behandlungsfehler gesunken ist. 15.094 fachärztliche Gutachten zu vermuteten Behandlungsfehlern haben die Medizinischen Dienste der Krankenversicherung (MDK) demnach 2016 erstellt. In knapp jedem vierten Fall (3.564) bestätigten die Fachärzte des MDK den Verdacht der Patienten. Dr. Stefan Gronemeyer, Leitender Arzt und stellvertretender Geschäftsführer des MDS, kommentierte dies so: „Diese Zahl ist im Vergleich zum Vorjahr leicht gesunken. Leider bedeutet das jedoch nicht, dass sich das Risiko, einen Behandlungsfehler zu erleiden, generell verringert hätte. Denn Daten zu Behandlungsfehlern liegen in Deutschland nur punktuell vor.“
Ärzte müssen sich dem Thema angstfrei nähern können
Jonitz betonte gegenüber dem DÄ: „In den letzten Jahren ist es in Deutschland gelungen, den Umgang mit Behandlungsfehlern positiv und lösungsorientiert zu besetzen. Das hat dazu geführt, dass sich Ärzte und Patienten diesem Thema angstfrei nähern. Auch dadurch ist dieses gute Ergebnis überhaupt erst zustande gekommen. Beim MDS scheint das noch nicht angekommen zu sein. Er besetzt das Thema Behandlungsfehler negativ. Das ist absolut kontraproduktiv.“
Jonitz kritisierte zudem, dass der MDS eine Meldepflicht gefordert habe: „Eine Meldepflicht wird aber kein Licht bringen, um die Dunkelziffer zu erhellen. Es geht um einen offenen Umgang mit Fehlerursachen und deren aktive Bekämpfung. Es geht um die Stärkung der Sicherheitskultur. Die entwickelt sich aber nicht über autoritäres Verhalten, sondern über Führung und Kooperation. Es ist der ganz falsche Weg, den der MDS vorschlägt.“
Erst mit den Ärzten sprechen, dann mit der Presse
Jonitz schlug vor, der MDS solle seine Daten und Erkenntnisse offenlegen und mit den Fachverbänden besprechen: „Wir Ärzte interessieren uns sehr für diese Daten, weil wir gerne aus ihnen lernen würden. Statt mit den Orthopäden oder Internisten zuerst mit der Presse zu sprechen, ist kein guter Stil.“ Der MDK Berlin-Brandenburg führe ärztliche Fortbildungen zum Thema Behandlungsfehler durch, auch vor Ort: „So stelle ich mir eine Zusammenarbeit zum Wohle der Patienten vor.“
Der MDS hat in seiner Jahresstatistik die Vorwürfe, verteilt auf die Fachgebiete, analysiert. Demnach bezogen sich 33 Prozent aller Behandlungsfehlervorwürfe auf Orthopädie und Unfallchirurgie, 12 Prozent auf die Innere Medizin und Allgemeinmedizin, weitere 9 Prozent auf die Allgemeinchirurgie, ebenfalls 9 Prozent auf die Zahnmedizin, 7 Prozent auf die Frauenheilkunde und 4 Prozent auf die Pflege. „Eine hohe Zahl an Vorwürfen lässt jedoch nicht auf eine hohe Zahl an tatsächlichen Behandlungsfehlern schließen. Häufungen spiegeln vielmehr wider, dass Patienten in manchen Bereichen eher selbst erkennen können, wenn eine Behandlung fehlerhaft verlaufen sein könnte und in anderen nicht“, erklärte Prof. Dr. Astrid Zobel, Leitende Ärztin des MDK Bayern.