Archiv für den Monat: Juni 2017

Jonitz kritisiert Gutachten zu Behandlungsfehlern

Berlin – Dr. Günther Jonitz, Berliner Ärztekammerpräsident und Vorsitzender des Ausschusses „Qualitätssicherung“ bei der Bundesärztekammer (BÄK), hat die Art und Weise geärgert, wie der Medizinische Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS) das Thema Behandlungs­fehler in der Öffentlichkeit darstellt. Anlass war die Pressekonferenz des MDS am 30. Mai. Im Gespräch mit dem „Deutschen Ärzteblatt“ (DÄ) begründete Jonitz seine Kritik.

Hintergrund: Nach den Angaben des MDS zur jüngsten Behandlungsfehlerstatistik ist 2016 die Zahl der Behandlungsfehler­vorwürfe im Vergleich zum Vorjahr gestiegen, während die Zahl der festgestellten Behandlungsfehler gesunken ist. 15.094 fachärztliche Gutachten zu vermuteten Behandlungsfehlern haben die Medizinischen Dienste der Krankenversicherung (MDK) demnach 2016 erstellt. In knapp jedem vierten Fall (3.564) bestätigten die Fachärzte des MDK den Verdacht der Patienten. Dr. Stefan Gronemeyer, Leitender Arzt und stellvertretender Geschäftsführer des MDS, kommentierte dies so: „Diese Zahl ist im Vergleich zum Vorjahr leicht gesunken. Leider bedeutet das jedoch nicht, dass sich das Risiko, einen Behandlungsfehler zu erleiden, generell verringert hätte. Denn Daten zu Behandlungsfehlern liegen in Deutschland nur punktuell vor.“

Ärzte müssen sich dem Thema angstfrei nähern können

Jonitz betonte gegenüber dem DÄ: „In den letzten Jahren ist es in Deutsch­land gelungen, den Umgang mit Behandlungsfehlern positiv und lösungsorientiert zu beset­zen. Das hat dazu geführt, dass sich Ärzte und Patienten diesem Thema angstfrei nähern. Auch dadurch ist dieses gute Ergebnis überhaupt erst zustande gekommen. Beim MDS scheint das noch nicht angekommen zu sein. Er besetzt das Thema Behand­lungsfehler negativ. Das ist absolut kontra­produktiv.“

Jonitz kritisierte zudem, dass der MDS eine Meldepflicht gefordert habe: „Eine Meldepflicht wird aber kein Licht bringen, um die Dunkelziffer zu erhellen. Es geht um einen offenen Umgang mit Fehlerursachen und deren aktive Bekämpfung. Es geht um die Stärkung der Sicherheitskultur. Die entwickelt sich aber nicht über autoritäres Verhalten, sondern über Führung und Kooperation. Es ist der ganz falsche Weg, den der MDS vorschlägt.“

Erst mit den Ärzten sprechen, dann mit der Presse

Jonitz schlug vor, der MDS solle seine Daten und Erkenntnisse offenlegen und mit den Fachverbänden bespre­chen: „Wir Ärzte interessieren uns sehr für diese Daten, weil wir gerne aus ihnen lernen würden. Statt mit den Orthopäden oder Internisten zuerst mit der Presse zu sprechen, ist kein guter Stil.“ Der MDK Berlin-Brandenburg führe ärztliche Fortbildungen zum Thema Behandlungsfehler durch, auch vor Ort: „So stelle ich mir eine Zusammenarbeit zum Wohle der Patienten vor.“

Der MDS hat in seiner Jahresstatistik die Vorwürfe, verteilt auf die Fachgebiete, analysiert. Demnach bezogen sich 33 Prozent aller Behandlungsfehlervorwürfe auf Orthopädie und Unfallchirurgie, 12 Prozent auf die Innere Medizin und Allgemeinmedizin, weitere 9 Prozent auf die Allgemeinchirurgie, ebenfalls 9 Prozent auf die Zahnmedizin, 7 Prozent auf die Frauenheilkunde und 4 Prozent auf die Pflege. „Eine hohe Zahl an Vorwürfen lässt jedoch nicht auf eine hohe Zahl an tatsächlichen Behandlungsfehlern schließen. Häufungen spiegeln vielmehr wider, dass Patienten in manchen Bereichen eher selbst erkennen können, wenn eine Behandlung fehlerhaft verlaufen sein könnte und in anderen nicht“, erklärte Prof. Dr. Astrid Zobel, Leitende Ärztin des MDK Bayern.

Kooperationen stoßen in der Praxis auf Probleme

Berlin – Wenn man die Gesundheitsversorgung in Deutschland so kooperativ organisieren will, wie es im neuen Gutachten des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland (Zi) skizziert ist, stößt man angesichts des Antikorruptionsgesetzes schnell an Grenzen. Hier ist viel mehr Klarheit notwendig. Denn wenn man sehr schnell den Staatsanwalt im Haus hat, verlieren alle Beteiligten das Interesse an Kooperationen.

Diese Auffassung hat Boris Velter bei einer Zi-Tagung zur Vorstellung des Gutachtens vertreten. Velter ist Staatsekretär in der Berliner Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung und Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten im Gesundheitswesen.

Das Zi-Gutachten trägt den Titel „Wege zu einer effektiven und effizienten Zusammenarbeit in der ambulanten und stationären Versorgung in Deutschland“. Als Lösungsvorschläge nennen die Gutachter unter anderem einen Ausbau und neue Kombinationen von Angeboten wie Praxiskliniken, Belegabteilungen, Medizinischen Versorgungszentren, Portalpraxen. Sie schlagen zudem vor, einen staatlichen Strukturfonds zur Förderung einer kooperativen ambulanten und stationären Versorgung aufzulegen, der mit zehn Milliarden Euro für zehn Jahre gefüllt werden soll. Auch für eine sektorenübergreifende Bedarfsplanung setzen sie sich ein.

Ulrich Orlowski, Abteilungsleiter im Bundesgesundheitsministerium, kritisierte, das Gutachten liefere zwar eine Gesamtschau der Probleme. Es konzentriere sich aber bei den Lösungsvorschlägen zu stark auf die ambulante Perspektive. Der Einschätzung, dass das Ministerium in den letzten Jahren eine stark krankenhausfreundliche Politik gemacht habe, widersprach Orlowski: „Es gibt nichts, was durch das Zi-Gutachten korrigiert werden muss. Wenn man strukturelle Probleme lösen will, muss man beide Versorgungsbereiche in den Blick nehmen.“

Cannabis als Schmerzmedizin ist kein Wundermittel

Berlin – Der Präsident der Deutschen Schmerzgesellschaft e.V., Prof. Martin Schmelz, hat in der Umsetzung des Gesetzes „Cannabis als Medizin“ Augenmaß gefordert. Cannabis solle man nicht als „Wundermedizin“ betrachten. Es könne aber auch nicht sein, dass Patienten, die bisher schon eine Ausnahmegenehmigung zum Konsum vom zuständigen Bundesamt hatten, schlechter gestellt würden.

Das Gesetz, das im März 2017 in Kraft getreten ist, regelt den Einsatz von Cannabisarzneimitteln als Therapiealternative bei einzelnen Patienten mit schwerwiegenden Erkrankungen. Bedingung dafür ist, dass diese Mittel nach Einschätzung des behandelnden Arztes den Krankheitsverlauf spürbar positiv beeinflussen oder dessen Symptome lindern. Dies kann zum Beispiel in der Schmerztherapie oder bei bestimmten chronischen Erkrankungen wie etwa Multipler Sklerose der Fall sein.

Schmelz äußerte sich aus Anlass des bundesweiten Aktionstags gegen den Schmerz am 6. Juni. An diesem Tag fanden nach Angaben der Schmerzgesellschaft Aktionen an rund 200 Standorten statt. Erste Ergebnisse einer Umfrage unter Pflegefachkräften zu Versorgungsbrüchen in der Betreuung von Schmerzpatienten wurden veröffentlicht. In Apotheken waren „Schmerzthemen“ wie Tipps gegen Schmerzmittelmissbrauch Thema.

Berend Groeneveld, Patientenbeauftragter und Vorstandsmitglied im Deutschen Apothekerverband, sagte, die Apotheker seien beim Thema Schmerzmittel ganz klar in der Beratungspflicht. So passiere es oft, dass beispielsweise vom Arzt hochdosiert Ibuprofen verordnet werde, der Patient dies nicht erkenne und es sich selbst noch dazu kaufen wolle. Für Patienten, die regelmäßig Medikamente brauchen, wäre es nach Groenevelds Meinung sinnvoll, sich in einer Apotheke einzuschreiben, um regelmäßig Medikamente und Begleitmedikation prüfen zu lassen.

Die Neuregelung zu Cannabis begrüßte der Apothekerverband-Vorstand. Allerdings gebe es ein kleines Problem mit der Verordnungsgenauigkeit, die sich nur schwer herstellen lasse. Auch sei Cannabis nicht das erste Mittel der Wahl gegen Schmerz. Es sei eine Alternative, wenn alle anderen Methoden nicht gewirkt hätten. Eine Datenlage zu Cannabis in der Medizin, auch was Wechsel- und Nebenwirkungen mit anderer Medikamenten anbelange, sei noch nicht da.

Training im Sportstudio

Bundesbürger treiben nicht genug Sport

Berlin – Das Bewegungsverhalten der Bundesbürger lässt nach Ansicht der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) zu wünschen übrig. Nur jeder Vierte treibt nach eigener Einschätzung täglich mindestens eine halbe Stunde Sport. Das ergab eine repräsentative Telefonbefragung, die die ABDA zum Thema Prävention von infas vornehmen ließ. Anlass ist der „Tag der Apotheke“ am 7. Juni. Eine ähnliche Befragung hatte die ABDA bereits 2008 in Auftrag gegeben. Viele Angaben haben sich seitdem kaum verändert.

Auch Männer und Frauen unterscheiden sich in ihren Antworten zu Sportaktivitäten kaum. Von den 16- bis 29-Jährigen gaben fast 40 Prozent an, sich (fast) täglich sportlich zu betätigen, von den Senioren im Alter von 65 Jahren aufwärts 24 Prozent. Ein Drittel dieser Altersgruppe macht nie Sport. Bei den 16- bis 29-Jährigen sind es nur acht Prozent. „Die Brandenburger bewegen sich weniger, die Norddeutschen sind am sportlichsten“, erläuterte ABDA-Präsident Friedemann Schmidt ein weiteres Ergebnis.

Deutlich weniger Menschen als noch 2008 geben mittlerweile an, in einem Sportverein zu sein. Dieser Wert sank von 23 auf 14 Prozent. Dass sie Sport im Fitnessstudio zu machen, teilten 17 Prozent mit. 2008 waren es noch zehn Prozent. Insgesamt sind die Befragten mit ihrer Gesundheit zufrieden: Mehr als zwei Drittel schätzten ihren Gesundheitszustand als sehr gut, gut oder sogar ausgezeichnet ein.

Quelle: Umfrage im Auftrag der ABDA

Symbol für Kooperation

Sektorenübergreifende Versorgung nicht gefährden

Berlin – Das Antikorruptionsgesetz hat zu einer starken Verunsicherung bei vielen niedergelassenen Fachärztinnen und Fachärzten geführt, die seit langem mit Krankenhäusern kooperieren und so zur gewünschten sektorenübergreifenden Versorgung beitragen. Dies geht aus Online-Umfragen hervor, die der Berufsverband der Deutschen Chirurgen e.V. (BDC) und der Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie e.V. (BVOU) durchgeführt haben. Den Antworten zufolge werden vielfach bewährte Kooperationsverträge zwischen Niedergelassenen und Kliniken dahingehend überprüft, ob sie mit den Bestimmungen des Antikorruptionsgesetzes kompatibel sind. Doch statt zu größerer Sicherheit führt dieses Vorgehen nicht selten zu mehr Unsicherheit über die künftige korrekte Vertragsgestaltung und in nahezu allen Fällen zu einer schlechteren Bezahlung der Niedergelassenen.

BDC und BVOU hatten im November 2016 beziehungsweise im Februar 2017 ihre sektorenübergreifend tätigen Mitglieder angeschrieben und um anonyme Auskunft gebeten. Vor allem Kooperationsärzte verwiesen auf Probleme. Kooperationsärztinnen und -ärzte sind Niedergelassene, die auf vertraglicher Basis in Nebentätigkeit regelmäßig Leistungen am Krankenhaus erbringen, entweder auf Honorarbasis oder als Teilzeit-Angestellte.

Beim BDC antworteten insgesamt rund 400 Kollegen, beim BVOU 300. Positiv wird in den Antworten vermerkt, dass das gemeinsame Arbeitsverhältnis mit den Kolleginnen und Kollegen in der Klinik im Regelfall als sehr gut oder gut einschätzt wird. Die Umfragen zeigen aber auch die Verunsicherung vieler der Antwortenden. Rund die Hälfte von ihnen gab an, aufgrund des Antikorruptionsgesetzes seien Verträge geprüft worden beziehungsweise würden derzeit geprüft. Von denjenigen, deren Verträge mittlerweile angepasst wurden, ergänzten rund 90 Prozent, ihr Honorar sei gesenkt worden – im Schnitt um 20 Prozent.

Dies ist aus Sicht von BDC und BVOU ein falsches Signal. Ihre gemeinsame Kritik: Statt sektorenübergreifende Kooperationsformen zu fördern, werden sie durch Rechtsunsicherheit infolge des Antikorruptionsgesetzes sowie eine unattraktive Bezahlung geschwächt. Dies betrifft vor allem Kooperationsärzte.

BDC und BVOU fordern vor diesem Hintergrund stabile und attraktive Rahmenbedingungen für kooperativ tätige Ärztinnen und Ärzte. Diese leisteten zur Überwindung der Sektorengrenzen einen wichtigen Beitrag. Bestehende Verträge mit Kliniken im Sinne der Rechtssicherheit zu überprüfen und anzupassen, sei ein angesichts des Antikorruptionsgesetzes sinnvolles Vorgehen. Es dürfe jedoch nicht dazu missbraucht werden, Honorare willkürlich zu senken und langjährig bewährte Arbeitskooperationen in Misskredit zu bringen.

„Wir brauchen klare Regeln, um uns nicht in Grauzonen zu begeben und so das Arbeitsmodell der Kooperationsärzte zu gefährden“, betonten die Arbeitsgemeinschaft der Beleg- und Kooperationsärzte des BDC (AG BeKo) sowie der Arbeitskreis für niedergelassene Operateure des BVOU. Beide fordern seit längerem einen Honorarzuschlag für Kooperationsärzte, die als Selbständige ein unternehmerisches Risiko tragen und die laufenden Kosten für den eigenen Betrieb, verschiedene Versicherungen und die eigene soziale Absicherung abzudecken haben. Für eine besondere ärztliche Expertise sollten ebenso Zuschläge möglich sein, da diese auch dem Krankenhaus in der Außendarstellung zugutekäme.

Kontakt für Rückfragen:

Sabine Rieser
Leitung Kommunikation und Pressearbeit
Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie e.V. (BVOU e.V.)
Akademie Deutscher Orthopäden (ADO)
Straße des 17. Juni 106 – 108 | 10623 Berlin
Fon 030 / 797 444 51 | Fax 030 / 797 444 45
Mobil 0171 / 9935 394
sabine.rieser@bvou.net | www.bvou.net

Julia Weilbach
Berufsverband der Deutschen Chirurgen e.V. (BDC)
Fon: 030/28004-200
Fax: 030/28004-108
E-Mail: Weilbach@bdc.de