Berlin – Viele Ärzte warten mit dem Anschluss an die Telematikinfrastruktur (TI) noch ab, da der notwendige Konnektor nach wie vor nur von einem Hersteller angeboten wird. Andere haben den Schritt bereits gemacht und die neue Technik in ihrer Praxis installieren lassen. Einer davon ist BVOU-Mitglied Dr. Peter Kalbe, niedergelassener Facharzt für Chirurgie sowie Orthopädie und Unfallchirurgie in einer Gemeinschaftspraxis in Niedersachsen. Im Interview berichtet er von seinen Erfahrungen und erklärt, was Kolleginnen und Kollegen beachten sollten.
Herr Dr. Kalbe, warum haben Sie sich dazu entschlossen, sich bereits frühzeitig an die TI anzuschließen?
Dr. Peter Kalbe: Grundsätzlich sind wir bei neuen Technologien immer früh dabei gewesen, um sie zu testen und ihre Vorteile nutzen zu können. Wir haben frühzeitig eine EDV eingeführt und sind seit langem eine papierlose Praxis. Auch den Anschluss an die TI sehe ich vor allem als Einstieg in eine neue Technologie, die uns künftig eine einfachere und sicherere Kommunikation ermöglichen kann, gerade zum Beispiel über den eArztbrief. Dieser wäre für uns vor allem auch für die Kommunikation mit dem Krankenhaus vor Ort, mit dem wir kooperieren, von großem Vorteil. So könnten wir endlich von dem veralteten Kommunikationsmittel Fax-Arztbrief wegkommen.
Außerdem wollte ich nicht in den Pulk von Installationen geraten, der jetzt zu erwarten ist. Denn je weiter das Jahr voranschreitet, desto schwieriger wird es sicher werden, noch Termine für den Anschluss zu bekommen. Ein weiteres Argument ist natürlich auch die finanzielle Förderung. Nach der jetzt gültigen Finanzierungsvereinbarung ist es ja so, dass die Erstattungsbeträge ab dem dritten Quartal 2018 deutlich absinken werden. Zwar plant die KBV, hier nochmals nachzuverhandeln. Aber man kann nicht sicher sein, dass sie damit auch erfolgreich sein wird.
Wie sind Sie vorgegangen und wie lange hat es bei Ihnen insgesamt gedauert – vom Einholen eines Angebots bis zur Installation in Ihrer Praxis?
Kalbe: Es war ein kontinuierlicher Prozess, der sich über das letzte Jahr hingezogen hat, seit wir die ersten Informationen erhalten haben. Aber die definitive Entscheidung ist im Spätsommer letzten Jahres gefallen. Wir haben uns für ein Komplettpaket zu einem Festpreis entschieden, wobei uns vertraglich zugesichert wurde, dass tatsächlich nur die Kosten berechnet werden, die auch von den Kassen refinanziert werden, sofern eine eventuelle Verzögerung in der Verantwortung des Anbieters liegt. Das kann ich jedem nur empfehlen. Zu diesem Zeitpunkt haben wir auch bereits einen festen Installationstermin erhalten, der für den 20. Dezember angelegt wurde. Das heißt, es waren also einige Monate Vorlauf.
Die SMC-B-Karte habe ich dann, sobald es möglich war, bei der Bundesdruckerei beantragt. Das war ungefähr Anfang Dezember und damit schon etwas zeitkritisch. Denn die Karte und die zugehörige PIN mussten pünktlich zum Installationstermin in der Praxis sein. Beides wurde allerdings nicht zusammen, sondern einzeln nacheinander zugeschickt. Leider kam der PIN-Brief dann auch nicht pünktlich zum 20. Dezember in unserer Praxis an, sodass die Installation an dem Tag nicht komplett abgeschlossen werden konnte. Unser Techniker musste sich danach noch einige Male per Fernwartung zuschalten, um noch die Softwareangleichung und alles Weitere vorzunehmen.
So konnten wir den ersten Stammdatenabgleich leider auch nicht mehr wie geplant im alten Jahr durchführen, sondern erst am 2. Januar 2018. Dadurch hätten wir im Grunde einige hundert Euro an Fördergeldern für den Konnektor verloren. Faktisch waren wir durch unseren Vertrag abgesichert und mussten nur das bezahlen, was uns von den Kassen zum Zeitpunkt des ersten Stammdatenabgleichs erstattet wurde.
Wie lange hat die eigentliche Installation bei Ihnen gedauert? Und hat sie den Praxisbetrieb beeinträchtigt?
Kalbe: Wir haben eine große Praxis mit einer zusätzlichen Zweitpraxis. Dadurch war es etwas aufwendiger, weil wir in zwei Betriebsteilen installieren mussten. So haben wir insgesamt einen knappen Arbeitstag gebraucht. Aber in einer normalen Praxis ist wohl ein Zeitraum von etwa zwei bis drei Stunden das normale Maß, wie ich auch von anderen Kollegen aus orthopädischen Praxen gehört habe. Außerdem muss man natürlich bedenken, dass wir uns bereits sehr früh für einen Anschluss entschieden haben und damit auch noch einige technische Schwierigkeiten hatten. So ist das bei einem solchen neuen System nun einmal. Deshalb kann man unsere Praxis hier auch nicht unbedingt als Benchmark heranziehen. Die Kollegen, die jetzt installieren, berichten mir, dass bei ihnen alles problemlos läuft.
Der Praxisbetrieb wurde durch die Installation eigentlich nicht beeinträchtigt. Da die EDV nicht komplett heruntergefahren werden muss, kann alles nebenher installiert werden. Das ist also problemlos während des laufenden Betriebes möglich.
Sind Sie mit der neuen Technik gut zurechtgekommen? Gab es Dinge, die für Sie neu waren oder vielleicht zunächst nicht ganz klar?
Kalbe: Sowohl bei den neuen E-Health-Kartenterminals als auch bei der SMC-B-Karte war uns zunächst nicht ganz klar, wie viele wir brauchen würden, da wir mehrere Ärzte sind und zwei Betriebsteile haben. Gerade bei den SMC-B-Karten gab es am Anfang sehr unterschiedliche Angaben. Wir hatten aufgrund einer falschen Information für jeden Betriebsteil dann eine solche Karte bestellt. Das brauchten wir aber eigentlich gar nicht, denn die Regel ist: pro Betriebsstätten-Nummer (BSNR) eine SMC-B-Karte.
Es kann natürlich sein, dass man bei verschiedenen Betriebsteilen, die jeweils ein eigenes Netz haben, dann auch zwei Konnektoren braucht. Aber bei uns laufen beide Betriebsteile über einen Server. Dementsprechend haben wir auch nur einen Konnektor und brauchen dafür auch nur eine SMC-B-Karte. Diese wird dann in ein E-Health-Kartenterminal eingesetzt und der Zugang zum TI-Netzwerk damit freigeschaltet. Es können dann mehrere Kartenlesegeräte darüber mit eingebunden werden.
Wir haben zunächst nur ein Kartenlesegerät pro Betriebsteil bestellt, um zu testen, ob das ausreichend ist, und im Moment kommen wir damit sehr gut hin. Denn das Gerät kann auch von mehreren Plätzen aus angesteuert werden, weil es anders als früher nicht mehr direkt an einen Computer angeschlossen, sondern zentral in das gesamte Netzwerk eingebunden ist. Auch das war uns am Anfang einfach noch nicht klar. Deshalb war es in gewisser Hinsicht auch ein bisschen Learning by doing.
Lief die Technik bei Ihnen bisher reibungslos? Oder gab es am Anfang im Praxisbetrieb technische Schwierigkeiten?
Kalbe: Ja, die gab es. Anfangs mussten wir das System teils neu hochfahren, weil noch nicht alles zuverlässig funktioniert hat. Aber das kommt bei einer solchen neuen Technik, die im großen Rahmen ausgerollt wird, auch nicht ganz unerwartet. Wir haben hier aber immer schnell Hilfe erhalten, da wir einen direkten Ansprechpartner haben und die Probleme schnell beseitigt werden konnten. Mittlerweile läuft das System stabil.
Es kursiert derzeit die Information, dass der verfügbare Konnektor technisch bereits wieder veraltet sei und hier demnächst ein Update notwendig würde. Ist Ihnen das bekannt und hat Sie Ihr Anbieter dazu bereits informiert?
Dieses Gerücht – und mehr ist es ja auch nicht – habe ich auch vernommen. Der Hersteller sowie auch die gematik, als zulassende Institution für alle TI-Komponenten, haben das mittlerweile als haltlos bezeichnet. Die diskutierte Größe des Hauptspeichers (RAM) des Konnektors sei kein behindernder Faktor für die zukünftigen Anwendungen. Dies kann ich als Anwender natürlich nicht beurteilen. Sollte es später durch einen zu kleinen Hauptspeicher des Konnektors tatsächlich zu Problemen kommen, setze ich auf die Kulanz des Anbieters bei einem eventuell notwendigen Austausch.
Wie hat sich die tägliche Arbeit in Ihrer Praxis seit dem Anschluss verändert? Nimmt der Stammdatenabgleich mehr Zeit in Anspruch?
Kalbe: Nein, bei den modernen Karten ist der Abgleich in einigen Sekunden erledigt. Für gewöhnlich wechselt man ja ohnehin ein paar Worte mit dem Patienten. In dieser Zeit können problemlos die Stammdaten abgeglichen werden. Das bedeutet, wie ich ganz klar sagen muss, überhaupt keine Beeinträchtigung des Praxisbetriebes.
Kleinere Probleme gab es allerdings dadurch, dass relativ viele Patienten noch die alten Gesundheitskarten der ersten Generation bei sich haben und man ihnen zunächst erklären muss, dass diese nicht mehr gültig sind und sie eine neue Karte beantragen müssen. Aber die KV Niedersachsen hat für diesen Fall ein hilfreiches Informationsblatt entworfen, das man dem Patienten aushändigen kann.
Was sollten Ärzte beachten, die den TI-Anschluss noch vor sich haben?
Kalbe: Ich würde auf jeden Fall raten, jetzt aktiv zu werden und sich ernsthaft mit dem Thema zu beschäftigen. Ich denke, die Beobachtungsphase ist vorbei. Wir hören auch, dass viele andere Kollegen den Anschluss jetzt beantragt und sich Termine gesichert haben.
Wenn man ein gutes Angebot von einem Hersteller erhält, spricht meines Erachtens nichts dagegen, dieses auch wahrzunehmen. Wichtig dabei ist, dass einem vertraglich zugesichert wird, dass man nur das bezahlen muss, was auch refinanziert wird. Am besten sollte man, wenn möglich, eine Pauschale vereinbaren. Denn es ist völlig unwägbar, welche technischen Schwierigkeiten in der eigenen Praxis-Konstellation vielleicht auftreten können. Außerdem ist es aus strategischen Gründen sinnvoll, alles über einen Anbieter laufen zu lassen. Dann hat man auch einen eindeutigen Ansprechpartner, wenn Probleme oder Fragen auftreten sollten. Wenn man zum Beispiel gute Erfahrungen mit dem eigenen Systemhaus und dessen Partnern hat – mit denen man ja meistens auch schon längere Zeit zusammenarbeitet, dann kann man sich durchaus auch dafür an sie wenden, wenn es entsprechende Angebote gibt.
Das ist natürlich leicht gesagt, aber auch nicht immer einfach. Denn nach meinen Informationen bieten noch nicht einmal alle Anbieter von Praxisverwaltungssystemen das entsprechende Software-Update für die TI an. Außerdem gibt es auch nach wie vor nur einen zertifizierten Konnektor, obwohl mehrere weitere angekündigt sind.
Aufgrund dieser technischen Schwierigkeiten steht die TI nach wie vor oft in der Kritik. Viele Ärzte bleiben zögerlich. Denken Sie, dass sich bis zum Ende des Jahres alle Arztpraxen an die TI anschließen können und werden?
Kalbe: Ich halte es aus organisatorischer Sicht für eher unrealistisch, dass sich bis zum Ende des Jahres alle anschließen können. Gleichzeitig halte ich es für nicht tragbar, wenn die Ärzte, nur weil sie vielleicht nicht mehr rechtzeitig einen Termin für den Anschluss bekommen haben, dann auf den Kosten sitzen bleiben oder sogar mit Honorareinbußen zu rechnen haben, weil sie ab dem 1. Januar 2019 noch keinen Stammdatenabgleich durchführen können.
Die Ärzteschaft setzt sich auf vielen Ebenen für eine weitere Fristverlängerung ein und dafür, dass auch die Erstattungsbeträge erneut nachverhandelt werden, damit die Kolleginnen und Kollegen nicht auf den Kosten sitzen bleiben. Aber gerade deshalb sollten nun auch die Ärzte selbst aktiv werden und zeigen, dass sie sich dieser neuen Technik nicht verschließen. Nur so kann man auch sinnvoll gegenüber der Politik argumentieren.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Anne Faulmann.