Berlin – Die Ärzteschaft hat in den letzten Jahren vielfältige Maßnahmen entwickelt, um Qualität und Sicherheit von Behandlungen zu erhöhen. Darauf hat Dr. Andreas Crusius bei der Vorstellung der jüngsten Behandlungsfehlerstatistik der Bundesärztekammer (BÄK) hingewiesen. Das Engagement der Ärzteschaft in diesem Bereich belegten unter anderem „Qualitätszirkel, Peer-Reviews, aber auch Konsile, Tumorkonferenzen oder Morbiditäts- und Mortalitätskonferenzen sowie anonyme Fehlermeldesysteme“, sagte er: „Sie gehören in medizinischen Einrichtungen längst zum Alltag.“ Crusius ist Vorsitzender der Ständigen Konferenz der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der BÄK.
Knapp ein Drittel der Vorwürfe wurden bejaht
Die ärztlichen Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen haben im Jahr 2017 bundesweit 7.307 Entscheidungen zu mutmaßlichen Behandlungsfehlern getroffen, etwas weniger als im Vorjahr (7.639). Die Zahl der Anträge lag 2017 bei 11.100. Das hatte Anfang April Kerstin Kols berichtet, Geschäftsführerin der Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der norddeutschen Ärztekammern. Was die 2017 entschiedenen Fälle betraf, so wurde in 2.213 Fällen, also knapp einem Drittel, ein Behandlungsfehler bejaht. Die häufigsten Diagnosen, die zu Behandlungsfehlervorwürfen geführt hatten, waren Knie- und Hüftgelenksarthrosen sowie Unterschenkel- und Sprunggelenkfrakturen. Bei Gonarthrose und Koxarthrose wurden 2017 jeweils 262 Anträge auf einen Behandlungsfehler bestätigt – von 1.783 als begründet eingestuften. Bei Unterschenkel- und Sprunggelenksfrakturen waren es 167. Es folgten bestätigte Behandlungsfehlervorwürfe im Zusammenhang mit Unterarmfrakturen (165) und lumbalen Bandscheibenschäden (149).
Zahlen liegen im Promillebereich
Gemessen an der enormen Gesamtzahl der Behandlungsfälle liege die Zahl der festgestellten Fehler Gott sei Dank im Promillebereich, hatte Crusius betont. Das gelte im Übrigen auch für die von Seiten der Krankenkassen ermittelten Daten, deren Präsentation 2018 noch aussteht. Dr. Jörg Ansorg, BVOU-Geschäftsführer, hatte bereits im vergangenen Jahr kritisiert, dass die sehr niedrige Zahl an Behandlungsfehlern von den Krankenkassen nicht korrekt vermittelt werde. Damals belegten die Zahlen des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS) für 2016, dass die Zahl der Behandlungsfehlervorwürfe zwar leicht gestiegen war, die der festgestellten Fehler jedoch gesunken. „Im Jahr 2015 waren es noch ca. 500 Schäden mehr“, rechnete Ansorg damals vor. „Das ist ein Rückgang um immerhin 12 Prozent, was auch auf die gesteigerten Maßnahmen zur Risikoreduktion und Schadenprävention zurückzuführen ist.“
Ecclisia und DKG bestätigten die niedrigen Quoten
Damals hatten auch der Ecclesia Versicherungsdienst GmbH und die Deutsche Krankenhausgesellschaft Daten zu Behandlungsfehlern vorgelegt. Die Ecclesia zählt zu den führenden Versicherungsmaklern im Klinikbereich. Für die Jahre 1996 bis 2014 verzeichnete sie bei rund 330 Millionen erfassten Behandlungen 116.000 Entschädigungen. Dies entsprach einer Quote von 0,36 Promille. Die Antragsquote im Bereich Orthopädie war im Vergleich von 2000 mit 2010 von 2,09 Promille auf 3,71 Promille gestiegen. Der damalige Ecclesia-Hauptgeschäftsführer Manfred Klocke hatte vermutet, dieser Anstieg gehe wahrscheinlich auf die stetig steigende Zahl der orthopädischen Behandlungen zurück.
Lernen von der Luftfahrt
Über einen weiteren Ansatz im Fachgebiet O und U, die Sicherheit in der Behandlung zu erhöhen, hat kürzlich das Deutsche Ärzteblatt berichtet. Der Klinikverbund der gesetzlichen Unfallversicherung (BG Kliniken) kooperiert mit dem Lufthansa Aviation Training (LAT), um von den Pilotentrainings und der Sicherheitskultur der Luftfahrt zu lernen. Die BG Kliniken wollen in den kommenden drei Jahren mehr als 1.000 Mitarbeiter aus dem ärztlichen Dienst und der Pflege im Lufthansa-Trainingszentrum schulen lassen. Basis ist ein Konzept, das LAT und die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) bereits 2015 zu einem Kursformat entwickelt haben.
Prof. Bertil Bouillon, Chefarzt der Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Sporttraumatologie der Kliniken Köln, betonte im „Deutschen Ärzteblatt“, dass sich der Blick über den Tellerrand der Medizin lohne – trotz medizineigener Ansätze wie CIRS, dem Critical Incident Reporting System und Team Time Out: „Sowohl die Medizin als auch die Luftfahrt haben kritische Bereiche. Beide sind hochtechnisiert, es besteht ein gewisses Risikopotenzial, und es können Notfälle eintreten. Also haben wir uns gefragt: Wo gibt es Analogien, wo können wir lernen?“
Es müsse jedem bewusst werden, dass er bessere Ergebnisse erziele, wenn er alle Ressourcen nutze: „Viele Kollegen empfinden sich als Einzelkämpfer. Wir müssen uns aber im Team aufeinander verlassen können und die gleiche Sprache sprechen. Pflege, Assistenzärzte und Oberärzte müssen sich gegenseitig auf Probleme aufmerksam machen können und Lösungsmöglichkeiten entwickeln.“