Archiv für den Monat: Juni 2018

Kritik an Knie-OPs: „Weckruf“ für Gesundheitspolitik

Berlin – In der am 19. Juni 2018 von der Bertelsmann-Stiftung veröffentlichten Studie unter dem Titel „Knieprothesen – starker Anstieg und große regionale Unterscheide“ werfen die Autoren die Frage auf: „Wird vorschnell operiert?“ Dazu beziehen die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU), die Deutsche Gesellschaft für Endoprothetik (AE), die Deutsche Kniegesellschaft (DKG) und der Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU) mit einer Pressemitteilung Stellung.

Der Anstieg für den Ersatz eines künstlichen Kniegelenkes seit 2009 liegt mit acht Prozent im internationalen Durchschnitt. Die Fachgesellschaften erwarten aufgrund des demografischen Wandels jedoch noch höhere Zahlen: Denn Deutschland befindet sich beim Altersdurchschnitt der Bevölkerung weltweit in einer Spitzengruppe. Daher verstärken die Fachgesellschaften DGOU, AE, DKG und BVOU seit Jahren ihre Maßnahmen im Bereich der Kniegelenkerkrankungen – sowohl  für die qualitätsgesicherte chirurgische Versorgung durch die Initiative EndoCert® zur Zertifizierung von endoprothetischen Versorgungszentren als auch für gelenkerhaltende Behandlungsmaßnahmen. „Diese Strategie kann aber nur dann noch erfolgreicher sein, wenn die Qualität und konservative Behandlung zukünftig wieder besser vergütet werden“, sagt Professor Dr. Carsten Perka, DGOU-Vizepräsident und AE-Präsidiumsmitglied.

Im Interview sprechen DGOU-Experte Professor Dr. Klaus-Peter Günther und BVOU-Präsident Dr. Johannes Flechtenmacher über die Gründe der Mengensteigerung bei Knie-Operationen, regionale Unterschiede, Maßnahmen der Fachgesellschaften und des Berufsverbandes und die Studie, die sie auch als Weckruf an die Gesundheitspolitik verstehen.  

Wie werten Sie die Studie der Bertelsmann-Stiftung?

Günther: Der erschienene Bertelsmann-Report zur Entwicklung der Knie-Endoprothetik in Deutschland wird in weiten Teilen von den Fachgesellschaften unterstützt. Leider weisen die Autoren nicht darauf hin, dass das Verfahren der regionalen Bestimmung von Operationsraten in der Endoprothetik bereits vor Jahren mit Unterstützung der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC) und des AOK-Bundesverbands etabliert wurde. Damals schon wiesen diese Institutionen auf eine auffällige Ungleichverteilung von Operationsraten in den einzelnen Bundesländern hin. Vor allem die Fachgesellschaften haben seither eine Reihe von Maßnahmen entwickelt, die eine patientengerechte operative Versorgung unterstützen.

Welche Gründe gibt es für die Mengenentwicklung aus Sicht der Fachgesellschaften?

Günther: Betrachtet man den Anstieg der Endoprothesenzahlen nicht nur in den letzten drei Jahren, sondern – wie im Bericht der Bertelsmann-Stiftung eigentlich dargestellt – im Gesamtverlauf seit 2009, fällt die Steigerungsrate deutlich moderater aus und liegt mit etwa acht Prozent im internationalen Durchschnitt. Die wichtigste Ursache dafür ist der demografische Wandel. Hier würden eigentlich noch höhere Zahlen zu erwarten sein, denn Deutschland liegt im Altersdurchschnitt der Bevölkerung weltweit in einer Spitzengruppe.

Vor allem aber sind die Ergebnisse in der Knie-Endoprothetik in den letzten Jahren nochmals deutlich verbessert worden, wovon nicht nur ältere, sondern auch jüngere Patienten mit hohem Leistungsanspruch profitieren. Die besseren Ergebnisse führen auch zu einer verstärkten Nachfrage nach dieser Versorgung auch in dieser Altersgruppe, verbunden mit dem Ziel, wieder voll funktionstüchtig zu werden. Konservative Maßnahmen wie Physiotherapie, medikamentöse Therapie und Injektionen können dies in dieser Altersgruppe meist nicht im gewünschten Umfang leisten.

Welche Gründe gibt es für die Mengensteigerung, die im Vergütungssystem begründet liegen?

Günther: Der Bericht weist zu Recht auf wichtige Faktoren hin, die in der Mengenentwicklung von künstlichen Kniegelenken eine zentrale Rolle spielen. Dazu gehört in erster Linie das im Gegensatz zu anderen Ländern exzessiv betriebene Refinanzierungssystem mit DRG-Fallpauschalen. Seit Jahren wird die alternative konservative Behandlung unzureichend vergütet. Wenn ärztliche Beratung und konservative Maßnahmen nicht angemessen honoriert werden, ist die frühere Entscheidung zum Kunstgelenkersatz keine Überraschung. Auch ist nach wie vor die Zahl der Einrichtungen, in denen der Kniegelenkersatz angeboten wird, zu groß.

Flechtenmacher: Eine konservative Behandlung zur Abwendung einer Operation braucht Zeit. Patienten mit Arthrose muss man intensiv beraten: Wie wichtig ist es abzunehmen? Welche Begleiterkrankungen sind zu beachten, bevor man Schmerzmittel empfiehlt? Warum ist Bewegung wichtig? Die Zeit dafür fehlt in den stark frequentierten Praxen, sie wird auch nicht vergütet. Und die Budgets erlauben es nicht, so engmaschig wie manchmal nötig Krankengymnastik zu verordnen.

Geht es auch anders, zum Beispiel mit einer intensivierten konservativen Therapie?

Flechtenmacher: Das funktioniert aktuell leider vor allem in Selektivverträgen. Darüber kann dann beispielsweise eine Option „Alternative konservative Behandlung bei drohenden Operationen“ angeboten und finanziert werden. Ein gutes Beispiel ist der gemeinsam von BVOU und der Deutschen Arzt AG verhandelte Selektivvertrag für Versicherte von DAK, Barmer und einigen Betriebskrankenkassen. Bei diesem Modell arbeiten Orthopäden und Physiotherapeuten eng mit dem Patienten zusammen, um unter anderem durch eine hohe Frequenz an Krankengymnastik und eventuell einem Gerätetraining eine Operation hinauszuzögern oder zu vermeiden. So schöpfen Patienten oft erst wieder Hoffnung, mit ihren Beschwerden und Schmerzen gut leben zu können – auch ohne eine Operation. Aber selbst die Patienten, bei denen eine Operation unumgänglich ist, profitieren von dem Angebot. Sie werden intensiv darauf vorbereitet und sind nach der OP rascher wieder mobil.

Auch der erfolgreiche Orthopädie-Facharztvertrag von AOK Baden-Württemberg, MEDI und dem BVOU ist ein gutes Bespiel für eine strukturierte und intensivierte ambulante Betreuung mit dem Fokus auf einer leitlinienorientierten konservativen Therapie bei Knie- und Hüftarthrosepatienten. Leider sind das bisher zu wenige regionale Leuchtturm-Ansätze. Die Schlussfolgerungen der Bertelsmann-Stiftung zeigen aber, wie notwendig die Implementierung und Finanzierung konservativer Therapiekonzepte ist. Das sollte als Appell an die Kostenträger verstanden werden.

Muss die Gesundheitspolitik an dieser Stelle wirksamer werden?

Flechtenmacher: Hochwertige Medizin ist sowohl in der konservativen Therapie als auch in der Endoprothetik nicht zum Billigtarif zu haben. Im Vergleich zu den von den Fachgesellschaften und vom Berufsverband bereits eingeleiteten Maßnahmen bleiben die Steuerungsmöglichkeiten der Gesundheitspolitik aktuell noch deutlich zurück – zum Beispiel hinsichtlich Qualitätsverträgen und Zentrumszuschlägen. Die umfassenden Möglichkeiten der ambulanten konservativen Therapie werden derzeit vom GKV-System nur über Selektivverträge vergütet und stehen damit weder flächendeckend noch für alle Versicherten gleichermaßen zur Verfügung.

Günther: Die jetzt beobachtete Mengensteigerung muss auch als starker Weckruf an die Gesundheitspolitik verstanden werden. Die Fachgesellschaften arbeiten seit Jahren an qualitätsfördernden Maßnahmen im Bereich der Endoprothetik. Dazu gehört in erster Linie die EndoCert-Initiative der DGOOC gemeinsam mit der AE und dem BVOU. Dort werden hohe Qualitätsstandards gefordert – insbesondere auch für die Indikationsstellung. Aktuell wird in allen EndoCert-Kliniken und darüber hinaus die ebenfalls mit Unterstützung von DGOOC und AE erstellte AWMF-Leitlinie für die Entscheidung zum Kunstgelenkersatz eingeführt. Diese Initiative soll sicherstellen, dass durch eine ausführliche ärztliche Beratung die Entscheidung zur Operation nicht zu früh getroffen wird und zuvor eine angemessene konservative Behandlung erfolgt ist.

Gleiches gilt für den Mehraufwand, den zertifizierte Kliniken in der Patientenfürsorge betreiben. Seit Jahren verstärken Fachgesellschaften wie die AE und die DKG gerade im Bereich der Kniegelenkerkrankungen die Schulung in gelenkerhaltenden Behandlungsmaßnahmen. Sollte nach allen ausgeschöpften gelenkerhaltenden Maßnahmen dann aber das Kunstgelenk notwendig werden, muss sichergestellt sein, dass die Behandlung in Einrichtungen mit ausreichend hohen Fallzahlen und geprüften Behandlungsstandards erfolgt. Beides sind entscheidende Voraussetzungen für den Behandlungserfolg, wie mittlerweile nicht nur international, sondern auch an deutschen Daten  nachgewiesen werden konnte: im EndoCert-Verfahren wie auch dem von der DGOOC etablierten Deutschen Prothesenregister EPRD.

Hier ist zu wünschen, dass einige der im Bertelsmann-Bericht gezogenen Schlussfolgerungen auch gehört werden.

Zu den Personen:

Professor Dr. Carsten Perka ist Ärztlicher Direktor des Centrums für Muskuloskeletale Chirurgie, Charité – Universitätsmedizin Berlin.

Professor Dr. Klaus-Peter Günther ist Geschäftsführender Direktor des Universitätscentrums für Orthopädie & Unfallchirurgie, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden.

Er hat als Mitautor an der 2013 erschienenen Publikation „Knieoperationen – Regionale Unterschiede und ihre Einflussfaktoren“ aus der Reihe Faktencheck Gesundheit der Bertelsmann-Stiftung mitgearbeitet.

Dr. Johannes Flechtenmacher ist niedergelassener Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie am Ortho-Zentrum in Karlsruhe.

 Weitere Informationen:
www.dgou.de
https://www.ae-germany.com/
http://deutsche-kniegesellschaft.de/
https://www.bvou.net/

Kontakt für Rückfragen:

Susanne Herda, Swetlana Meier
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) e.V.
Straße des 17. Juni 106-108, 10623 Berlin
Telefon: +49 (0)30 340 60 36 -06 oder -00Telefax: +49 (0)30 340 60 36 01
E-Mail: presse@dgou.de

Sabine Rieser
Kommunikation und Pressearbeit
Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie e.V. (BVOU e.V.)
Straße des 17. Juni 106-108, 10623 BerlinTelefon: +49 (0)30 797 444 55Fax +49 (0)30 797 444 45E-Mail: sabine.rieser@bvou.net

Knieverletzungen: Prävention durch Aufwärmübungen

Berlin – Auch für Freizeitsportler gilt: vor dem Fußballspielen aufwärmen. Mit speziellen Aufwärmprogrammen lässt sich das Verletzungsrisiko von Knieverletzungen um bis zu 50 Prozent reduzieren. Denn aufgrund der spieltypischen Sprung- und Abbremsbewegungen kommen Kreuzbandrupturen im Ballsport besonders häufig vor. Darauf weist die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie e.V. (DGOU) im Vorfeld der Fußball-Weltmeisterschaft hin. Geeignet ist ein 20- bis 30-minütiges Zirkeltraining mit Lauf-, Balance-, Sprung- und Kraftübungen. Mit einem Sprungtest können Sportler zudem klären, ob bei ihnen eine funktionelle X-Bein-Stellung vorliegt und damit das  Risiko für eine Knieverletzung erhöht ist. Der Sprungtest und die Präventionsübungen werden in der neuen Broschüre „Stop X“ der DGOU-Sektion Deutsche Kniegesellschaft (DKG) ausführlich beschrieben. Das 30-seitige Programm zur Prävention von Sportverletzungen am Kniegelenk steht kostenfrei zum Download auf der DGOU-Website zur Verfügung. „Prävention im Sport muss noch eine viel größere Beachtung bekommen. Denn damit können Verletzungen deutlich reduziert werden“, sagt DGOU-Präsident Professor Dr. Dr. Werner Siebert.

Eine Verletzung am Knie ist der Alptraum eines jeden Profi-Kickers. Ist das Knie verdreht, das Kreuzband gerissen oder der Meniskus verletzt, hat das weitreichende Folgen: Operation, monatelange Reha, Trainingsausfall und die Ungewissheit, ob und wann das Comeback gelingt. Um Knieverletzungen zu reduzieren, enthält das Training beim Profifußball daher auch immer Aufwärmübungen zur Verletzungsprävention. Beim Amateurfußball sieht das noch anders aus: „Der Verletzungsprävention wird in Deutschland bisher leider noch zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet“, sagt Prof. Dr. Wolf Petersen, DKG-Vizepräsident und Mitautor der Broschüre „Stop X“. Dabei ist eine schwere Knieverletzung, egal ob beim Profi oder beim Hobbysportler, eine lebensverändernde Erfahrung – viele Verletzungen wären vermeidbar.

Das DKG-Programm „Stop X“ zur Prävention von Sportverletzungen am Kniegelenk vereint verschiedene internationale wissenschaftlich etablierte Präventionsprogramme und enthält auch Elemente aus dem Aufwärmprogramm der FIFA mit dem Titel „11+“. Studien zeigen, dass Verletzungen des Kniegelenkes durch regelmäßig durchgeführte Aufwärm- und Präventionsprogramme um 27 Prozent und Rupturen des vorderen Kreuzbandes um 51 Prozent reduziert werden können. Daher betont Professor Dr. Thomas Tischer, Incoming-Präsident der Gesellschaft für Orthopädisch-Traumatologische Sportmedizin (GOTS) und Leiter der neugegründeten GOTS-Kommission für Prävention: „Wer mit kalten Muskeln an den Ball geht, der riskiert ein Eigentor für seine Gesundheit.“

Oft treten Knieverletzungen beim Landen nach einem Sprung oder bei Drehbewegungen auf: Ist das Knie dabei nach innen geknickt – in der sogenannten X-Bein-Position – und der Körperschwerpunkt befindet sich hinter dem Knie, kommt es zu einer starken Anspannung des Streckmuskels im Oberschenkel. Diese Kraft kann dann zur Ruptur des vorderen Kreuzbandes führen. Das Einbrechen des Kniegelenks nach innen wird begünstigt, wenn Hüft- und Rumpfmuskulatur ungenügend trainiert sind.

Daher raten die Experten von DGOU, DKG und GOTS, es den Profis gleich zu tun und geben folgende Tipps zur Verletzungsprävention:

Sprungtest: Bei einem Sprungtest lässt sich feststellen, ob der Sportler aufgrund einer X-Bein-Position ein erhöhtes Risiko für Knieverletzungen hat. Dazu springt der Sportler von einem Kasten, landet und springt dann mit maximaler Kraft in die Höhe. Beim Landen wird die Stellung der Beine analysiert:

  • X-Bein: Risiko
  • Gerades Bein: geringes Risiko
  • O-Bein: geringes Risiko

Liegt eine X-Bein-Stellung vor, sollte der Patient versuchen, dieses Risiko mit Hilfe eines Präventionsprogrammes auszuschalten.

Folgende Übungen eignen sich für Aufwärmübungen:

Beachte: Alle folgenden Übungen müssen so ausgeführt werden, dass Hüfte, Knie und Fußgelenk in einer Linie stehen – die X-Bein-Stellung wird vermieden.

  1. Für Laufübungen eignen sich: Geradeauslaufen, Laufen mit Hüftdrehung nach außen, Laufen mit Richtungswechsel, Laufen mit Hoch-Weit-Sprüngen
  2. Für Balanceübungen eignen sich: Einbeinstand mit Ball, Einbeinige Balanceübung auf dem Wackelbrett, Einbeinige Balanceübungen auf einem Balancekissen mit gegenseitigem Zuwerfen eines Balles
  3. Für Sprungübungen eignen sich: Sprung auf Weite, Sprung auf Höhe
  4. Für Kraftübungen eignen sich: Kniebeuger, Statischer Unterarmstütz, Dynamischer Unterarmstütz mit wechselndem Anheben der Beine, Seitlicher Unterarmstütz, Abspreizen der Hüfte gegen einen Widerstand, Kniebeugen auf einem Bein mit Partner, Kniebeugen im Ausfallschritt

Alle Übungen werden in der Broschüre ausführlich beschrieben und mit Bildern erklärt.

Referenzen:
1) Wolf Petersen et al., Prävention von Knieverletzungen und VKB-Rupturen, Deutscher Ärzteverlag, Orthopädische und Unfallchirurgische Praxis, 2016;5 (10)
2) Thomas Stoffels, Andrea Achtnich, Wolf Petersen, Prävention von Knieverletzungen – besteht Evidenz?, Elsevier, Sports Orthopaedics and Traumatology 33, 344-352 (2017)

Quelle: DGOU

Zi-Analyse zur Versorgung bei rheumatoider Arthritis

Berlin – Mit welchen Medikamenten werden Patienten behandelt, bei denen erstmals eine rheumatoide Arthritis (RA) festgestellt wurde? Dieser Frage gingen Autoren für eine Studie des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland (Zi) zum ersten Mal für ganz Deutschland nach.

Entzündungshemmende Medikamente aus der Wirkstoffgruppe der DMARDs (engl. disease-modifying antirheumatic drugs) nehmen eine Schlüsselrolle bei der Therapie ein. Die Zi-Studie mit Daten aus den Jahren 2009 bis 2015 zeigt, dass bei etwa 44 Prozent der RA-Patienten im ersten Jahr nach Diagnosestellung DMARDs eingesetzt werden. Jüngere Patienten erhalten diese dabei in knapp 53 Prozent der Fälle, während ältere Patienten bevorzugt Glukokortikoide erhalten. Bei gemeinsamer Betreuung neu erkrankter RA-Patienten durch Rheumatologen und Hausärzte wird eine sehr hohe Versorgungsrate mit DMARDs von fast 80 Prozent erreicht. Dies zeigt: Je früher ein Rheumatologe in die Behandlung eingebunden wird, desto eher kommen DMARDs zum Einsatz.

Regionale Unterschiede bei der Verordnung, beispielsweise in Hamburg


Die Analyse geht auch der Frage regionaler Unterschiede im Verordnungsverhalten nach. Hierzu schreiben die Autoren unter anderem: „Mit 29 beziehungsweise 2,4 Prozent fanden sich die nied­rigsten Verordnungsanteile von Rheumatologen in Schleswig-Holstein und Hamburg. Hamburg zeichnete sich insgesamt durch ein auffallend anderes Verordnungsmuster von DMARDs aus. Knapp die Hälfte aller DMARD-Verordnungen (47 Prozent) stammte von Hausärzten oder hausärzt­lichen Internisten, und im Gegensatz zu allen anderen KV-Bereichen spielten andere Fachinternisten als Rheumatologen (27 %) sowie Orthopäden (17 %) eine nennenswerte Rolle bei der Verschreibung von DMARDs.“

Zur Erklärung wird ergänzt: „Neben Hausärzten, die in Hamburg vorwiegend die Basistherapie bei RA verantworten, gibt es hier Fachinternisten und Orthopäden, die mit rheumatologischem Schwerpunkt, aber ohne offizielle Facharzt- beziehungsweise Zusatzbezeichnung einer Ärztekammer arbeiten. Diese Schwerpunkttätigkeit lässt sich in den Arzneiverordnungsdaten jedoch nicht … ableiten, und die Ärzte werden nach ihrer ursprünglichen Facharztbezeichnung gruppiert. Dass dennoch eine spezialisierte Behandlung stattfindet, wird durch die in Hamburg vergleichsweise hohe Ver­ordnungsprävalenz von DMARDs gesamt wie auch bDMARDs unterstützt.“

Keine Informationen zu konservativen Behandlungsmethoden

Auch mit weiteren therapeutischen Optionen befasst sich die Studie. Hierzu heißt es: „Da der Datenkörper keine Informa­tion zu konservativen Behandlungsmethoden wie Physio- oder Ergotherapie enthält, konnte die Bedeutung dieser Therapiemaßnahmen bei Patienten mit inzidenter RA nicht unter­sucht werden. Bei einem Teil der Patienten ohne DMARD-Verordnung könnten diese kon­servativen Behandlungsmethoden jedoch zunächst die Therapie der Wahl gewesen sein, wenn in Einklang mit der Leitlinie zunächst keine DMARD-Verordnung notwendig war.“

Quelle: Zi/ Versorgungsatlas

Kein Zeitplan für DMP Rheumatoide Arthritis

Berlin – Zwar hat das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) Ende 2017 eine Leitliniensynopse für ein DMP Rheumatoide Arthritis vorgelegt. Doch erfahrungsgemäß wird es noch etliche Zeit dauern, bis ein solches Chronikerprogramm Patienten in Deutschland zur Verfügung steht.

Im April 2017 hatte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) das IQWiG beauftragt, seine Leitlinienrecherchen zu rheumatoider Arthritis und Osteoporose zu aktualisieren. Die Beratungen über diese Chronikerprogramme sollten möglichst im September 2017 wiederaufgenommen werden, hieß es damals. Mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz wurde der G-BA seinerzeit beauftragt, zunächst Anforderungen an die DMP Rückenleiden und Depressionen zu beraten. In der Folge mussten die Beratungen zum DMP Rheumatoide Arthritis und Osteoporose zurückgestellt werden.

Rheumahand

RhefO-Kursreihe: Rechtzeitig anmelden

Berlin – Die Orthopäden werden in ihrer täglichen Praxis auch von Patienten mit entzündlich rheumatischen Beschwerden aufgesucht. Auch wenn diese nur einen Anteil von 5 – 10 Prozent ausmachen, ist es besonders wichtig, diese Erkrankungen früh zu erkennen, zu diagnostizieren und früh zu behandeln, um spätere Schäden zu vermeiden.

Die Rheumatologie hat sich in der Diagnostik und Therapie in den letzten Jahren erheblich verändert. Aktuelle Erkenntnisse vermittelt die Akademie Deutscher Orthopäden (ADO) in Form einer speziellen Fortbildungsreihe:

I – Früherkennung rheumatischer Erkrankungen

II – Frühbehandlung rheumatischer Erkrankungen

III – Komplexe Behandlung entzündlicher rheumatischer Erkrankungen

Nachdem alle drei Fortbildungskurse erfolgreich absolviert haben und die Zusatzleistungen in der Rheumatologie erbracht haben, werden Sie nach bestandenen Prüfungen eine Zertifizierung über die ADO erhalten, die Sie berechtigt, die Bezeichnung „rheumatologisch fortgebildeter Orthopäde“ zu führen. Die Kurse laufen das ganze Jahr über in verschiedenen Regionen:

Rheuma I Stuttgart 08.09.2018
Rheuma I Berlin 15.09.2018
Rheuma II DKOU Berlin 26.10.2018
Rheuma III DKOU Berlin 27.10.2018
Rheuma I Frankfurt/Main 24.11.2018

 

Rheumatoide Arthritis: IQWiG-Bericht zu Biologika

Berlin – Bereits zum zweiten Mal legt das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) eine umfangreiche Nutzenbewertung für eine Substanzklasse in der Rheumatherapie vor, die Biologika. Während 2013 nur der Einsatz in der Zweitlinientherapie untersucht wurde, geht es diesmal auch um die Erstlinie. Außerdem wurden Biologika untereinander verglichen. Das Ergebnis des jetzt veröffentlichten Vorberichts: Für drei der im Bericht unterschiedenen Therapiesituationen lassen sich Anhaltspunkte für Vor- oder Nachteile einzelner Wirkstoffe gegenüber anderen Biologika ermitteln, allerdings nur in wenigen patientenrelevanten Endpunkten.

Zur medikamentösen Behandlung werden unter anderem erkrankungsmodifizierende Antirheumatika (Disease-Modifying Antirheumatic Drugs, DMARD) eingesetzt, die anders als Entzündungshemmer in den Erkrankungsmechanismus selbst eingreifen. Biotechnologisch hergestellte DMARD (bDMARD), sogenannte Biologika, werden aus Zellkulturen gewonnen. Sie greifen an verschiedenen Stellen des Entzündungsprozesses an. Die meisten hemmen den sogenannten Tumornekrosefaktor(TNF)-α, der das Entzündungsgeschehen beeinflusst.

Für drei Therapiesituationen Fazit gezogen

Bereits 2013 hat das IQWiG eine Nutzenbewertung von neun Biologika für Fälle vorgelegt, in denen eine vorangegangene Therapie nicht den gewünschten Erfolg brachte oder gar nicht wirkte. Allerdings gab es kaum Studien, in denen mehrere Biologika direkt miteinander verglichen wurden. Seit der Zulassung der ersten Biologika sind etwa 18 Jahre vergangen. Daher hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) das IQWiG mit einer Nutzenbewertung von Biologika im Vergleich untereinander beauftragt, und zwar in der Erstlinientherapie und in weiteren Therapielinien.

Dazu wurden 120 relevante Studien ausfindig gemacht. Für vier von sieben Therapiesituationen ist die Datenlage dennoch unzureichend. Da es nach wie vor kaum Studien gibt, in denen Biologika direkt miteinander verglichen werden, hat das Institut zahlreiche indirekte Vergleiche angestellt, bei denen der Nutzen und Schaden der Biologika über die jeweiligen Vergleichstherapien der Einzelstudien zueinander in Beziehung gesetzt wird. „Doch auch noch so akribische indirekte Vergleiche können Langzeitstudien und direkte Vergleiche nicht vollständig ersetzen“, erklärt Beate Wieseler, Leiterin des Ressorts Arzneimittelbewertung im IQWiG. „Wenn man bedenkt, wie häufig Rheuma ist, wie sehr die Betroffenen unter der Krankheit leiden und wie lange diese Wirkstoffe nun schon auf dem Markt sind, ist dieser Mangel nicht nachzuvollziehen.“ Weitere Informationen:

Quelle: Pressemitteilung IQWiG

Abmahnung

Union: Abmahnkosten bei Datenschutzverstößen aussetzen

Berlin – Unseriöse Verbände und Kanzleien sprechen bereits Abmahnungen aufgrund von Verstößen gegen die neue EU-Datenschutz-Grundverordnung aus. Das gehört nach Ansicht der rechts- und verbraucherschutzpolitischen Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Elisabeth Winkelmeier-Becker, unterbunden.

„Bei der Umstellung auf die Erfordernisse des neuen Datenschutzrechts sind für kleine und mittlere Unternehmen ohne Rechtsabteilung oder Vereine ungewollte Regelverstöße nicht immer auszuschließen. Dies darf nicht für eine teure Abmahnwelle missbraucht werden“, betonte Winkelmeier-Becker. Durch eine kurzfristige gesetzliche Regelung könnte ihrer Auffassung nach die Kostenerstattung für Abmahnungen wegen Verstößen gegen die Datenschutzgrundverordnung für eine Übergangszeitraum von zum Beispiel einem Jahr ausgeschlossen werden: „Dadurch entfällt der wirtschaftliche Anreiz für Abmahnvereine und -kanzleien, und die Unternehmen haben Zeit, neuen Anforderungen durch die Datenschutzgrundverordnung umzusetzen, ohne sofort mit Abmahngebühren belastet zu werden.”

 

Hauptstadtkongress

Vernetzung muss beim Patienten beginnen

Berlin – „Patienten verlangen nach der digitalen Normalität im Gesundheitswesen. Das heißt: Sie wollen von den Vorteilen der Digitalisierung, die sie etwa beim Onlineshopping im Alltag als selbstverständlich wahrnehmen, auch im Gesundheitswesen profitieren.“ Darauf hat Frank Hüppelshäuser, Vorstandsmitglied von AXA, auf dem Hauptstadtkongress in einer Diskussionsrunde hingewiesen, wie der „Tagesspiegel“ berichtet.

„Wenn wir den Wunsch der Patienten nach einem individuellen und flexiblen Gesundheitsmanagement nicht erfüllen, werden sich die Patienten daher anderen Playern zuwenden“, ergänzte Hüppelshäuser. „Damit geht es auch um die Zukunft der medizinischen Versorgung in Deutschland.“

Alle Referenten waren sich einig, dass jegliche Vernetzung beim Patienten beginnen muss. Seine Erwartungen änderten sich grundlegend. Wie wichtig Partnerschaften im Gesundheitswesen sind, um die Chancen der Digitalisierung bestmöglich zu nutzen, betonte in der Diskussionsrunde auch Dr. Karsten Neumann, Senior Advisor des Competence Center Digital der Roland Berger Holding GmbH: „Die Rollen im Ökosystem Gesundheit werden sich dramatisch verschieben. Das verlangt von allen Beteiligten Kooperationsbereitschaft und neue Kompetenzen im Management von Netzwerken.“

Hier nahm Dr. Klaus Reinhardt, Mitglied des Vorstands der Bundesärztekammer und Vorsitzender des Hartmannbundes – Verband der Ärzte Deutschlands e. V. die Ärzte in die Pflicht: „Es gibt eine große grundsätzliche Bereitschaft der Ärztinnen und Ärzte, sich den neuen digitalen Möglichkeiten zu öffnen. Jetzt muss die Ärzteschaft den vielfältigen Einsatz von E-Health aktiv weiter mitgestalten, um die Versorgung der digitalen Entwicklung entsprechend zu optimieren.”

Das Unternehmen AXA nutzt nach eigenen Angaben längst die Chancen der digitalen Vernetzung. Es bietet in Kooperation mit Partnern aus dem Gesundheitsmarkt unter anderem digitale Angebote wie Online-Sprechstunden sowie Online-Therapien und -Coachings bei Depressionen, Asthma, Diabetes oder Bluthochdruck. Über einen weiteren Service wird die digitale Vernetzung von Arzt, Patient und Versicherer hergestellt.

Quelle: Tagesspiegel

Telematikinfrastruktur: Neue Eckpunkte für Erstattung

Berlin – Für die Kostenübernahmen rund um Komponenten der Telematikinfrastruktur (TI) hat es vor kurzem unter der Moderation des Vorsitzenden des Bundesschiedsamtes für die vertragsärztliche Versorgung, Werner Nicolay, eine Einigung gegeben. Die Eckpunkte umfassen Folgendes:

  • Die Berechnungsgrundlage für die Erstausstattungspauschale bildet im dritten Quartal 2018 der um zehn Prozent reduzierte Konnektorenpreis aus dem Vorquartal. Dies ergibt einen ab dem dritten Quartal geltenden Preis in Höhe von brutto 1.719 Euro. Dieser Preis wird ab dem vierten Quartal um weitere zehn Prozent gesenkt auf dann brutto 1.547 Euro.
  • Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und GKV-Spitzenverband gehen davon aus, dass es in den nächsten Monaten mehrere Anbieter von Konnektoren geben wird. Dies sollte zu einer Senkung der Angebotspreise führen. Ein zusätzlicher Anbieter ist das österreichische Technologieunternehmen RISE.
  • Sobald der Konnektor dieses Unternehmens am Markt grundsätzlich für alle Arztpraxen verfügbar ist, werden GKV-Spitzenverband und KBV innerhalb einer Frist von zwei Wochen vor dem Hintergrund der dann aktuellen Marktsituation die geltende Vereinbarung überprüfen und gegebenenfalls ab dem Folgequartal anpassen.

Quelle: KBV

Adrianus den Hertog

Bremen: Den Hertog neuer Landesvorsitzender

Bremen – Seit dem 8. Mai 2018 steht Dr. Adrianus den Hertog an der Spitze des BVOU-Landesverbandes Bremen. Der Facharzt für O und U ist in einer Gemeinschaftspraxis niedergelassen und löst seinen Vorgänger Dr. Manfred Neubert ab. Ich wünsche ihm ein glückliches Händchen bei der Führung des Landesverbandes, begrüßte Neubert den Hertog zum neuen Landeschef, der im Interview über Ziele und anstehende Themen spricht.

Herr Dr. den Hertog, was bedeutet Ihnen persönlich die Ernennung zum Landesvorsitzenden?

Dr. Adrianus den Hertog: Die Ernennung zum Landesvorsitzenden bedeutet für mich persönlich eine neue berufspolitische Herausforderung, auch wenn ich als stellvertretender Landesvorsitzender in den vergangenen zwei Jahren bereits Einblicke in den Aufgabenbereich gewonnen habe. Ich möchte meine neue Position nutzen, um einerseits das Bild von unserem Berufsstand und unsere Identität in der Politik und in der Gesellschaft mitzugestalten. Andererseits will ich die Anregungen und Nöte der BVOU-Mitglieder im Landesverband aufgreifen und transportieren.

Was möchten Sie in der kommenden Amtsperiode erreichen?

Den Hertog: Ein konkretes Ziel habe ich mir nicht gesetzt. Als übergeordnetes Ziel möchte ich die Wahrnehmung von Fachärztinnen und Fachärzten für Orthopädie und Unfallchirurgie verändern helfen. Viele glauben immer noch, wir seien porschefahrende Golfspieler, die wenig Zeit in Praxis oder Klinik verbringen. Dabei sind die Kolleginnen und Kollegen hoch qualifiziert, engagiert und versuchen, mit Liebe zum Beruf und einem Ohr für ihre Patienten gut zu versorgen.

Welche Themen möchten Sie gern aufgreifen?

Den Hertog: Das sind ganz verschiedene, in Stichworten: Datenschutz: Was ist nötig, was brauchen wir nicht? Weiterbildung: Gemeinsame Ermächtigungen in Klinik und Praxis forcieren. Zukunft des Berufs: Hat die konventionelle Praxis eine Zukunft? Berufsbild: Wo liegen unsere Kernkompetenzen? Inwiefern sind Orthopäden Grundversorger? Berufspolitik: Wie sollen wir mit der Lobby der Physiotherapeuten umgehen?

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Janosch Kuno.