Archiv für den Monat: November 2020

Spezialisierte Hüft-PhysioZentren als Zukunftsmodell?

Neue Erkenntnisse und immer differenziertere Behandlungsalgorithmen haben auch im Bereich der Hüft- und Leistenpathologien zu Zentrumsbildungen geführt. International haben sich diese Modelle bereits erfolgreich etabliert.

So wird die Hüft- und Leistenschmerzsprechstunde der Sportklinik „Aspetar“ in Doha von einem multidisziplinären Team bestehend aus Orthopäde, Leistenchirurg und Physiotherapeut durchgeführt. Spezialisierte Hüft-Physiozentren wie z.B. das englische „Physio cure“ (Leeds) haben sich in der Versorgungslandschaft Großbritanniens bereits etabliert. Interdisziplinäre Kooperationen wie z.B. das „Wiener Hüftnetzwerk“ gewinnen zunehmend an Bedeutung. In Deutschland wird vergleichbaren Modellen bisher (noch) recht wenig Beachtung geschenkt. Gründe können hier sowohl in einer vielfach „veralteten“ Ausbildungsstruktur der Physiotherapie zu suchen sein, wie auch in einer häufig noch verbesserungswürdigen Kooperation zwischen Orthopädie/Unfallchirurgie und der Physiotherapie.

Ein Aufbau derartiger Kompetenzzentren in Deutschland könnte die nationale Versorgungsqualität von Hüftpatienten möglicherweise spürbar verbessern. Im Folgenden werden die Chancen dieser Modelle aufgezeigt.

Synergismen zwischen Arzt und Physiotherapeut

Mit wachsender Erfahrung und Expertise auf dem Gebiet der Hüft- und Leistenchirurgie werden die operativen Indikationsstellungen immer differenzierter. Ein verlässlicher physiotherapeutischer Qualitätsstandard ist dabei von nicht zu unterschätzender Bedeutung. So ist die Wertigkeit einer erfolgten physiotherapeutischen Intervention in der ärztlichen Sprechstunde häufig schwer einzuschätzen. Frage: „Ist der Patient wirklich konservativ austherapiert?“. Andersherum besteht bei einigen Physiotherapeuten eine gewisse Skepsis gegenüber operativen Therapieoptionen. Frage: „Ist die Entscheidung zur OP nicht doch zu schnell gefallen? Kennt der Operateur überhaupt alle konservativen Behandlungsalternativen?“.

Ein spezialisiertes Hüft-Physiozentrum erleichtert einen interdisziplinären Austausch und etabliert verbindliche Ansprechpartner. Dieses kann eine gewisse Anonymität abbauen und Transparenz zwischen allen Beteiligten schaffen. Nur so wird eine überzeugende und klare Kommunikation gegenüber dem Patienten möglich. Das resultierende Vertrauen wird zu einer besseren Therapieadhärenz und höheren Therapieergebnissen führen.

Inhaltliche Aspekte:

Einer der größten Vorteile stellt der inhaltliche  Wissens- und Erfahrungsaustausch zwischen spezialisierten Ärzten und Physiotherapeuten dar. Gleiche Krankheitsbilder werden zum Teil aus sehr unterschiedlichen Perspektiven beurteilt. Aus der Erfahrung der Autoren wird dabei häufig unterschätzt, wie differenziert die Herangehensweise der jeweils anderen Seite tatsächlich ist.

Die interdisziplinäre Diskussion der verschiedenen Ansätze verbessert die klinischen Fähigkeiten aller Beteiligten. Davon profitiert letztendlich wiederum der Patient. Der fachliche Austausch setzt allerdings eine ehrlich interessierte und wertschätzende gegenseitige Kommunikation zwischen beiden Berufsgruppen voraus. Einen wichtigen Meilenstein stellte die Einladung von entsprechenden Experten zur aktiven Mitarbeit in den jeweiligen Fachgesellschaften dar.

Berufspolitische Aspekte:

Auch aus berufspolitischer Sicht bietet eine „gelebte“ Kooperation zwischen spezialisierten Physio-Zentren und Ärzten große Chancen. Allen voran sollte die Ärzteschaft das „Zuweisungs-Potential“ eines solchen Zentrums nicht unterschätzen. Ein spezialisiertes Zentrum sieht ein großes Volumen vorselektierter Patienten.

Zudem entwickelt sich zwischen Patient und Physiotherapeut im Laufe der Zeit ein großes Vertrauensverhältnis und der Empfehlung des Physiotherapeuten kommt oftmals eine besondere Bedeutung zu. Anders herum profitiert die Physiotherapie vielfach von einer ärztlichen Empfehlung. All diese Aspekte lassen die verschiedenen Versorgungsbereiche (ambulante und klinik-tätige Operateure, Physiotherapeuten, konservative Orthopäden und Rehamediziner) enger zusammenwachen.

Optimierung der physiotherapeutischen Expertise

Ein spezialisiertes Hüft-Physiozentrum gewährleistet eine hohe fachliche xpertise und stellt somit eine optimale physiotherapeutische Behandlung der betroffenen Patienten sicher.

Die meisten Physiotherapeuten verfügen in der Nachbehandlung von klassischen orthopädischen Eingriffen (z.B. Rekonstruktionen der Rotatorenmanschette) über viel Routine. Im Gegensatz dazu fehlt vielen Therapeuten die Erfahrung im Umgang mit den modernen und immer differenzierteren Behandlungsstrategien von Hüftpathologien. Dieses gilt insbesondere für Patienten mit einem hohen Leistungsanspruch. Die aktuell unkoordinierte Verteilung der betroffenen Patienten auf diverse Praxen und Zentren erschwert die Entwicklung einer klinischen Expertise zusätzlich. Aus physiotherapeutischer Sicht führt dieses häufig zu einer Verunsicherung im Umgang mit diesen Krankheitsbildern, welche sich auch auf den Patienten übertragen kann. Die eingeschränkte klinische Erfahrung führt schnell zu Unter- oder Überforderungen in der Rehabilitation. Verzögerte Heilungsverlaufe und schlechtere klinische Outcomes sind mögliche Konsequenzen.

Ein entsprechend spezialisiertes Kompetenzzentrum würde auch als Anlaufpunkt für Komplexpatienten mit therapieresistenten Beschwerden dienen. Aspekte wie „Yellow Flags“ und Chronifizierung setzen besondere „Softskills“ im Management dieser Patienten voraus.

Die Physiotherapie verbringt viel Zeit mit dem Patienten, daher kommt ihr bei der Patientenführung eine besondere Rolle zu. Diese Anforderungen können insbesondere nicht-spezialisierte Therapeuten an Ihre Grenzen bringen.

Wissenschaftliches Arbeiten

Klar strukturierte physiotherapeutische Zentren ermöglichen eine engmaschige prä- und postoperative Anbindung der Patienten. Dieses stellt eine Grundvoraussetzung für eine wissenschaftliche Evaluation verschiedener Therapieansätze dar.

Standardisierte Behandlungsregime ermöglichen die Durchführung klar definierter Fachbehandlungskonzepte einschließlich einer kriterien-basierten Rehaprogression sowie eines regelmäßigen Monitoring (Fragebögen, klinische Untersuchungen und funktionelle Testungen).

Renommierte internationale Kliniken nutzen derartige Synergien um Ressourcen zu bündeln und die klinische Patientenversorgung mit der Forschung zu verbinden. Der wissenschaftliche Output dieser Zentren (z.B. „Sports Surgery Clinic“ in Dublin oder „Aspetar“ in Doha) spricht dabei für sich selbst.

Welche Patienten profitieren von diesen Kompetenzzentren?

Der therapeutische Schwerpunkt eines derartigen Zentrums umfasst das gesamte Spektrum der akuten und chronischen Hüft- und Leistenpathologien einschließlich der Rehabilitation nach entsprechenden operativen Eingriffen. Dazu zählen unter anderen:

  • Symphysitis/„Weiche Leiste“/Osteitis pubis
  • Greater Trochanteric Pain Syndrome
  • Impingement-Syndrome (Cam, Pincer, Subspine, Ischiofemoral)
  • Hüftarthroskopische Eingriffe und MiniOpen OPs
  • Hüftdysplasie
  • Korrigierende Osteotomien (z.B. PAOs, Derotationsosteotomien)
  • Coxarthrose
  • Hüftendoprothetik und Wechseloperationen
  • Proximale Femur- und Beckenfrakturen
  • Hüftgelenksnahe Muskelverletzungen (z.B. proximale Hamstringavulsionen, Adduktorenverletzungen)
  • Coxa Saltans interna und externa
  • Hüfterkrankungen des Kindes- und Jugendalters
  • Unklarer Leistenschmerz
  • Kombinierte Pathologien in der Lenden-Becken-Hüftregion

Das Patientenklientel erstreckt sich somit vom Kind über den Leistungssportler bis hin zum Senioren. Dieses ermöglicht perspektivisch die jahrzehntelange Begleitung eines Patienten und seiner Hüftgelenkserkrankung.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass spezialisierte Physiotherapiezentren und interdisziplinäre Hüftkompetenzzentren viele Vorteile bieten. Sie erhöhen die fachliche Expertise und bündeln Synergismen zwischen Ärzten und Physiotherapeuten. Zusätzlich schaffen sie interessante Rahmenbedingung für wissenschaftliche Projekte. Insgesamt wird die Versorgungsqualität der Patienten verbessert und die Ressourcenverteilung im Gesundheitssystem optimiert. Perspektivisch könnte eine Zertifizierung für interdisziplinäre Hüftzentren einen nationalen Qualitätsstandard gewährleisten.

Frakturen von Beckenund proximalem Femur: Was gibt es Neues?

Während die Behandlungsstrategien von hochenergetischen Becken- und proximalen Femurfrakturen beim jungen Unfallverletzen in den letzten Jahren wenig gänzlich neue Aspekte aufzeigen, werden die Versorgungsalgorhythmen des häufig niedrigenergetischen „Bagatelltraumas“ beim älteren Patientenkollektiv durchaus kontrovers diskutiert.

Eine große Bedeutung kommt hierbei vor allem dem perioperativen Management zu. Mit steigender Tendenz sind bereits jetzt über 95% der Patienten älter als 60 Jahre und mehr als die Hälfte aller Patienten über 80 Jahre alt. Dieses selektive Patientenkollektiv weist regelhaft Begleiterkrankungen auf, die vielfach ein umfangreiches präoperatives Management erfordern. Zu nennen sind hierbei vor allem die präoperative Gerinnungsoptimierung bei wachsender Frequenz zur „multi“-Antikoagulation und/oder die vielfach notwendige kardiale Konditionierung bei einem hohem Anteil kardialer Vorerkrankungen. Nicht unproblematisch stellt sich hier die vom Gesetzgeber eingeforderte operative Versorgung innerhalb von 24 Stunden dar.

Alterstraumazentren

Der Problematik der Multimorbidität wird aktuell mit einer wachsenden Zahl von Alterstraumazentren begegnet, in denen eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Geriatrie und Unfallchirurgie stattfindet. So können chronische Nebenerkrankungen besser mitbehandelt, Medikamente optimal angepasst und häufig auftretende Komplikationen vermieden werden.

Überarbeitung der AO-Klassifikation

Die operative Therapie der per- und vor allem der subtrochantären Frakturen ist die klare Domäne der osteosynthetischen Versorgung, wobei sowohl intra- wie auch extramedulläre Verfahren angewendet werden. Als Neuerung ist hier eine Überarbeitung der AO-Klassifikation von 2018 zu nennen, die auch geringe Änderungen bei der Einteilung der proximalen Femurfrakturen erbracht hat. Dies betrifft vor allem die Bewertung der lateralen Wand als Klassifikationskriterium. Konsequenterweise wird die ehemalige AO 31 A2.1 Fraktur nunmehr als „einfachere“ AO 31 A1.3 Fraktur klassifiziert.

Bei stabilen A1 Frakturen ist die dynamische Hüftschraube (DHS) das Verfahren der Wahl. Teilweise kontrovers wird die Anwendung der extramedulären Verfahren im Vergleich zum Marknagel bei pertrochantären A2 Frakturen diskutiert. In der Regel wird hier der Marknagel bevorzugt. Kommt die DHS zur Anwendung sollten ausgeprägte Frakturzonen am Trochanter major oder laterale Wandfragmente immer mit einer additiven Trochanterabstützplatte versorgt werden.

Pertrochantäre A3 und subtrochantären Frakturen werden mit klarer Empfehlung intramedullär versorgt. Die primär endoprothetische Versorgung ist nur bei unkomplizierten A1 Frakturen mit begleitender Koxarthrose zu empfehlen. Bei A2 Frakturen gestaltet sich diese Versorgungsstrategie vielfach durchaus anspruchsvoll. Bei zum Teil extrem geminderter Knochenqualität -gerade des hochbetagten Patientenkollektivs- oder nicht mehr sinnvoll zu reponierenden Frakturen, bleibt eine primäre Endoprothese vielfach eine gute mögliche „Rettungsoption“ auch bei sehr komplexen Frakturmustern. Die Komplikationsrate kann bei dieser Versorgungsart jedoch nicht unerheblich ansteigen.

Aufgrund der Altersverteilung der Patienten mit Schenkelhalsfrakturen dominiert hier die primär endoprothetische Versorgung. Auch bei biologisch deutlich vorgealterten Patienten mit dislozierter Schenkelhalsfraktur (Garden 3+4) sollte der endoprothetische Ersatz der Vorzug gegenüber der Osteosynthese gegeben werden. Gleichwohl muss hier diskutiert werden, welcher Patient von einer Hüfttotalendoprothese (HTEP) und welcher von einer Duokopfprothese profitiert. Untersuchungen haben gezeigt, dass vor allem „aktive Senioren“ von einer HTEP profitieren. Bei über 80-jährigen Patienten sollte hingegen der Duokopfprothese der Vorzug gegeben werden, da die funktionellen Ergebnisse besser, die Luxationsrate niedriger und die Mortalitätsraten vergleichbar zur HTEP sind. Bei den unter 80-jährigen liegen die Komplikationsraten der Duokopfprothese in vergleichbarer Weise wie bei der HTEP etwas höher, jedoch erreichen die mit einer HTEP versorgten Patienten im Verlauf ein deutlich besseres funktionelles Ergebnis.

Im Fall von jungen Patienten und/oder nicht dislozierten Frakturen (Garden 1+2) wissen wir, dass die Osteosynthese mittels DHS der 3-fach-Verschraubung überlegen ist. Es muss hierbei jedoch bedacht werden, daß die Mehrzahl der Schenkelhalsfrakturen durch Sinterung in Verkürzung ausheilen und entsprechende funktionelle Einschränkungen damit einhergehen können.

Bei den Azetabulumfrakturen besteht eine gute Evidenz zur osteosynthetischen Versorgung junger Patienten über etablierte Standardzugänge (mod. Stoppa, Ilioinguinal, Kocher-Langenbeck). Ziel ist es immer eine möglichst anatomische Rekonstruktion zu erreichen, da hierdurch die funktionellen Ergebnisse deutlich steigen und die Rate an posttraumatischen Arthrosen sinkt. Zunehmende Beliebtheit erlangt aktuell der Pararectus Zugang, da dieser verschiedene Vorteile der vorderen Zugänge vereint und eine gute Alternative zu den Standardzugängen darstellt.

Da auch bei den Azetabulumfrakturen das Durchschnittsalter der Patienten kontinuierlich steigt und sich dadurch sowohl die Frakturtypen wie auch die Knochenqualität ändern, rückt auch hier die primär endoprothetische Versorgung in den Fokus. Bei der Kombination verschiedener altersspezifischer radiologischer Zeichen (imprimierte Domfragmente, Frakturen der quadrilateralen Fläche, schlechte Knochenqualität) wissen wir, dass das Risiko der rasant progredienten Koxarthrose (<12 Monate) nach Osteosynthese sehr hoch ist. Hinzu kommt, dass eine notwendige Teilbelastung von betagten Patienten häufig nicht umgesetzt werden kann. Verschiedene Ansätze unter Verwendung von Systemen der Revisionsendoprothetik (Abstützschalen, Zapfen, Augmente) – mit oder ohne additive Osteosynthese – oder die Kombination aus Osteosynthese und press-fit Pfannen werden diskutiert und zunehmend wissenschaftlich ausgewertet. Für valide Aussagen sind die bisherigen Untersuchungszeiten jedoch noch zu kurz.

Waren die Beckenringfrakturen des jüngeren Patientenkollektivs über Jahrzehnte der Inbegriff der Hochrasanzverletzungen und als sogenannte „killing-fractures“ gefürchtet, finden sich diese heutzutage zunehmend bei einem geriatrischen Patientenkollektiv mit eher niedrigenergetischen Traumamechaninsmus. Aus diesem Grund findet die von Rommens und Hofmann vorgestellte Klassifikation der „Fragility Fractures of the Pelvis“ (FFP) eine zunehmende Verwendung. Einigkeit besteht zwischenzeitlich darin, bei den sogenannten „Fragilitätsfrakturen“ in der Diagnostik direkt auf das CT zurückzugreifen. Hierbei kann vor allem die vollständige Frakturmorphologie am hinteren Beckenring erfasst und eine geeignete Therapiestrategie festgelegt werden.

Immobilisation vermeiden

Bei den Behandlungsstrategien muss immer die Vermeidung einer Immobilisation zielführend sein, da es gilt assoziierte Komplikationen bestmöglich zu verhindern. Ist die Indikation zur operativen Versorgung gestellt (ca. 25% der betreffenden Patienten in der Datenbank der AG Becken III DGU) variieren die verwendeten Verfahren teilweise doch recht deutlich und die Evidenz zur „optimalen“ operativen Therapie ist gering. Verschiedenste Ansätze werden diskutiert und zwischenzeitlich auch publiziert: Zu nennen sind die „360° Versorgung“ (Stabilisierung des vorderen und hinteren Beckenrings), die möglichst perkutane Versorgung (Kriechschrauben, transsakral, transiliosakral, supraazetabuläre LC-Schrauben, lumbopelvine Stabilisierungen, ilioiliakale Verfahren, ggf. Augmentation der Implantate, sowie interne und externe Fixateure. Ziel der operativen Versorgung sollte immer die mögliche zügige und schmerzreduzierte Vollbelastung sein.

Nachbehandlungsschema sowie Kontrolluntersuchungen

Einen nicht unwesentlichen Teil der erfolgreichen Therapie stellen definierte Nachbehandlungsschema sowie  Kontrolluntersuchungen dar. Gerade Fragilitätsfrakturen des Beckenrings können vor allem bei konservativer, aber auch nach operativer Therapie durchaus noch höhere Instabilitäten entwickeln. Ausbleibende Frakturheilung oder zusätzliche Insuffizienzfrakturen an anderen Stellen des Beckens müssen rechtzeitig detektiert und konsequent behandelt werden. Bei persistierenden oder progredienten Beschwerden sollte die Indikation zur erneuten Bildgebung mittels CT daher eher großzügig gestellt werden.

Allen Fakturen vor allem des geriatrischen Patienten ist eine verminderte Knochenqualität und die entsprechend notwendige adäquaten Abklärung und Therapie nach den Leitlinien der DVO gemein. Ebenfalls essentiell ist eine gute Rehabilitation der Patienten mit ausreichender physiotherapeutischer Beübung. Zu empfehlen ist in den meisten Fällen eine stationäre geriatrische Komplexbehandlung. Ein besonderes Augenmerk sollte immer auch auf eine adäquate Patientenschulung hinsichtlich einer Sturzprophylaxe gelegt werden, um das Risiko weiterer Frakturen zu minimieren.

Update Hüftgelenksersatz – Was gibt es Neues, wo geht es hin?

Moderne Hüftgelenksendoprothetik ist durch weit überwiegend gute und sehr gute Ergebnisse gekennzeichnet, so dass Änderungen der OP-Technik oder der verwendeten Implantate im Regelfall zu prozentual nur noch geringfügigen Verbesserungen führen und Marketingaspekte häufig im Vordergrund stehen. Folgende aktuelle Trends sind hervorzuheben.

Im perioperativen Management ist die lediglich einmalige präoperative Antibiotikagabe inzwischen Standard. Zusätzlich etabliert hat sich die Applikation von Tranexamsäure. Strittig ist dabei lediglich die Art der Gabe der Tranexamsäure. Im Moment gibt es keinen eindeutigen Beleg, ob die orale, die lokale oder die parenterale Gabe überlegen sind. Die Eigenblutspende spielt heute keine Rolle mehr, da der Blutverlust weitestgehend
reduziert werden konnte. Sie wird nur noch in Einzelfällen durchgeführt. Die Thromboseprophylaxe wird in Deutschland im Gegensatz zu den meisten europäischen Ländern und den weltweiten Trends weiterhin entsprechend der Leitlinie für 35 Tage mit einem niedermolekularen Heparin oder zunehmend mit einem oralen Antikoagulans (NOAK) durchgeführt. International etabliert ist mittlerweile die Verwendung von ASS auch in der Thromboseprophylaxe aufgrund der Eigenschaft als Thrombozytenaggregationshemmer. Der Einsatz von Robotern spielt in der Hüftendoprothetik aktuell keine Rolle.

Bezüglich des operativen Zugangs wird national und auch international in den letzten Jahren der direkt vordere Zugang verstärkt beworben und eingesetzt. Die klinischen Daten zeigen bisher keine generelle Überlegenheit dieses Zugangs. Überwiegend wird über eine schnellere Rehabilitation berichtet, wobei dieser Zugang oftmals in sog. „Rapid recovery-Konzepten“ eingesetzt wird. Andererseits zeigen einige Studien eine etwas höhere Infektionsrate, was möglicherweise mit der verstärkten bakteriellen Besiedelung im Bereich der Leiste im Gegensatz zum seitlichen und hinteren Oberschenkel zusammenhängt. Am häufigsten verwendet wird in Deutschland noch der anterolaterale Zugang (OCM-Zugang), weltweit der hintere Zugang. Die Zugänge existieren  gleichberechtigt nebeneinander. Reduziert worden im letzten Jahrzehnt ist lediglich die Anwendung des transglutealen Zugangs aufgrund der Gefahr der Schädigung des M. gluteus medius.

Die Pfannenkomponente wird weltweit inzwischen nahezu ausschließlich als Press fit-Variante verwendet. Schraubpfannen spielen keine Rolle mehr. Wesentliche Unterscheidung im Aufbau der Implantate ist, dass für die Verwendung von Keramikinlays dickwandigere Pfannen verwendet werden müssen, deren primäre Fixation etwas schwieriger ist. Die zusätzliche Verschraubung der Pfanne, die insbesondere in Nordamerika und Großbritannien üblich ist, spielt in Deutschland dagegen keine Rolle. Im Gegensatz zu den Prothesenschäften haben sich Hydroxylapatitbeschichtungen an der Pfanne nicht durchgesetzt.

Bezüglich der Gleitpaarung wird in Deutschland heute weit überwiegend ein Keramikkopf mit einem hochvernetzten Polyethylen verwendet. Die in vielen Ländern sehr viel häufiger angewendete Keramik-Keramik-Gleitpaarung spielt in Deutschland aktuell nur eine geringe Rolle (kleiner  10% der Anwendungen), was im Wesentlichen durch den deutlich höheren Preis zu erklären ist. Klinische Probleme mit Keramik-Keramik-Gleitpaarungen werden weltweit kaum noch berichtet. Die Eigenschaften von Keramik-Keramik-Gleitpaarungen lassen sie für junge Patienten optimal erscheinen. Stark zurückgegangen und immer kritischer diskutiert wird die Anwendung von Metallköpfen. Neben der erhöhten Korrosionswahrscheinlichkeit zwischen Metallkopf und Implantatkonus ist das Problem der Metallionenfreisetzung zu sehen. Möglicherweise beeinflusst dies auch die Infektionsrate. In Deutschland werden aktuell weniger als 10% der Hüfttotalendoprothesen mit einem Metallkopf versorgt. Die aktuellen Zahlen des deutschen Endoprothesenregisters (EPRD) zeigen zudem eine deutlich erhöhte Revisionswahrscheinlichkeit, wenn Metallköpfe eingesetzt werden. Die Ursachen dafür sind jedoch wahrscheinlich multifaktoriell und nicht nur auf das Material zurückzuführen, dennoch bedarf dieses Ergebnis der weiteren Auswertung. Nicht nur in Risikosituationen wird jedoch immer häufiger auf den Einsatz von sog. Double mobilityImplantaten (tripolaren Pfannen) zurückgegriffen. Sie stellen heute in immer mehr Kliniken die erste Wahl bei allen Patienten mit neuromuskulären Erkrankungen, Gangunsicherheiten, Versteifungen des Wirbelsäulen-Becken-Übergangs und anderen Luxationsrisiken dar. Ihr Anteil ist jährlich ansteigend, zumal auch die potentiellen Komplikationen bisher de facto nicht beobachtet werden konnten.

Bei der Schaftkomponente nehmen zementfreie Prothesenschäfte in Deutschland einen immer größeren Raum ein. Der Anteil zementfreier Implantate übersteigt prozentual den weltweit verwendeten Anteil deutlich. Ein zunehmender Anteil von zementfreien Schäften ist heute mit einer Hydroxylapatitverbindung oder Hydroxylapatit-TitanAuflage beschichtet. Grund dafür ist die einfache Handhabbarkeit und die mit modernen Implantaten mögliche hohe Primärstabilität mit der Umsetzung der Sofortbelastung. Bevorzugt werden dabei insbesondere Implantate, welche eine kurvierte Einführung des Prothesenschaftes zum Schutz der Muskulatur und des Trochanter major ermöglichen, insbesondere zu nennen sind hier auch Kurzschaftprothesen. Deren Anteil mit etwas über 15% ist in Deutschland weit höher als in anderen Ländern der Welt. Es existieren mittlerweile gute mittelfristige Daten, und auch die in Deutschland verwendeten Kurzschaftprothesen zeigen im Endoprothesenregister keinerlei Auffälligkeiten. Eine Zunahme des Einsatzes dieser einfacher zu implantierenden Prothesen erscheint daher wahrscheinlich. Zementierte Prothesen werden überwiegend bei der Versorgung von Schenkelhalsfrakturen und bei älteren Patienten (auch über 80 Jahre) eingesetzt. Die immer wieder diskutierte Gefahr einer durch das Zementieren bedingten Embolie wird in Einzelfällen diskutiert, der generelle Nachweis dafür kann jedoch nicht erbracht werden. Im deutschen Endoprothesenregister ist die Morbidität und Mortalität nach zementierten Eingriffen nach ½ Jahr erhöht, die genaue Ursachenevaluation fehlt jedoch an dieser Stelle noch.

Gegenstand der aktuellen Diskussion ist weiterhin die optimale Pfannenpositionierung. Hier haben aktuelle Arbeiten gezeigt, dass selbst wenn die Pfanne sich in der sog. Safe zone nach Lewinnek befindet (Inklination ca. 40°, Anteversion ca. 15°), dennoch eine Luxation resultieren kann. Deshalb wird diese Zone heute als „target zone“ (Zielzone) bezeichnet. Eine individuellere Anpassung der Pfanneneingangsebene wird empfohlen, wobei insbesondere die intraoperative Funktionstestung eine Rolle spielt. Im Zweifelsfall sollte hier die tripolare Pfanne ebenfalls zum Einsatz kommen.

Ebenfalls diskutiert wird die Möglichkeit der schnellen postoperativen Rehabilitation. Während dies von einigen Kliniken stark forciert wird, erscheint die Mehrzahl der Patienten in Deutschland derzeit noch nicht bereit, diesen Weg zu gehen. Hauptursache ist hier, dass die in skandinavischen Ländern oder auch in den Niederlanden verfügbaren Möglichkeiten der krankenhausnahen Pflege und ambulanten Rehabilitation in diesem Umfang in Deutschland nicht existieren. Der Weg über eine postoperative Anschlussheilbehandlung stellt daher immer noch den am häufigsten gewählten Behandlungspfad dar.

Moderne konservative Therapie der Koxarthrose

Es ist davon auszugehen, dass in den westlichen Industrieländern ca. 15 bis 20% der Menschen über 65 Jahren an einer Koxarthrose leiden. Im Rahmen des demographischen Wandels wird dieser Anteil noch deutlich zunehmen. Aktuelle Aspekte zu Diagnose und Therapie finden sich in der Leitlinie Koxarthrose7 der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC).

Diese Leitlinie stellt wie andere internationale Leitlinien3, 4, 6 die nicht-operativen Behandlungsoptionen in den Vordergrund und betont die Einbeziehung des Patienten in therapeutische Entscheidungen im Sinne der partizipativen Entscheidungsfindung. Zu den nicht-operativen Verfahren zählen Patientenschulung, nicht-medikamentöse
Therapiemaßnahmen und die medikamentöse Behandlung.

Patientenschulung

Leitlinien3, 4, 6, 7 messen der Schulung und Information des Patienten über Krankheit, den Krankheitsprozess, Behandlungsoptionen und Notwendigkeit von Bewegung unter Vermeidung von Überlastung einen hohen Stellenwert bei. Die Motivation zur Gewichtsreduktion bei übergewichtigen Patienten wird im Hinblick auf die Koxarthrose anders als bei der Gonarthrose nicht einheitlich empfohlen.

Bewegungstherapie

Neben einem günstigen Nutzen-Risiko-Profil konnten in den letzten Jahren in mehreren randomisierten, kontrollierten Studien klinisch relevante Effekte insbesondere für aktive Therapieansätze nachgewiesen werden.1, 5, 8, 9 Insbesondere bewegungstherapeutische Interventionen in Form von Kraft-, Ausdauer-, Beweglichkeits- und Aquatraining haben sich in der Behandlung degenerativer Gelenkerkrankungen als Kernelement konservativer Behandlungsstrategien etabliert. Mit ihrer vielfältigen funktionell-somatischen, aber auch psychosozialen Wirkung wird die Bewegungstherapie dazu eingesetzt, die  Pathophysiologie und Symptomatik geschädigter Körperfunktionen und -strukturen positiv zu beeinflussen, Bewegungsfertigkeiten zu verbessern und eine nachhaltige
Gesundheitskompetenz durch Bindung an regelmäßige und angepasste körperliche Aktivität aufzubauen. Das Training sollte zunächst durch einen bewegungstherapeutisch erfahrenen Therapeuten angeleitet werden, um für weitere selbständig durchgeführte Maßnahmen eine hohe Compliance zu erzielen. Gerade bei einer Koxarthrose kommt es im Krankheitsverlauf häufiger zu einer Abnahme der allgemeinen körperlichen Belastungsfähigkeit, was für die Bewältigung alltäglicher Aufgaben und die Selbständigkeit vor allem älterer Menschen eine grundlegende Bedeutung hat. Aktive Therapien beugen hier nicht nur einem Funktionsverlust vor, sondern fördern die soziale Teilhabe und Lebensqualität und können den Zeitpunkt für einen operativen Gelenkersatz hinauszögern.

Bei der Auswahl und Trainingsintensität der einzelnen Therapieverfahren sollten immer nachfolgende Faktoren berücksichtigt werden:

  • Ursache
  • Schweregrad und Symptomatik der Erkrankung
  • Alter und Aktivitätsgrad des Patienten
  • Begleiterkrankungen und Allgemeinzustand
  • Lebensqualität, berufliche Situation und Erwartungshaltung.

Obwohl körperliches Training nach jetzigem Wissensstand zwar keinen direkten Einfluss auf die pathophysiologischen Veränderungen der Hüftarthrose hat und eine weitere Schädigung des hyalinen Knorpels nicht aufhalten kann, hat Bewegung einen nachweisbaren positiven Einfluss auf die Schmerzsymptomatik, Gelenkbeweglichkeit, Kraft, Gleichgewichtsfähigkeit und die allgemeine Aktivität mitsamt der von Patienten hierdurch selbst wahrgenommenen Behinderung. So können auch Low Impact Sportarten Schmerzen bei beginnender Arthrose reduzieren, Beweglichkeit und Kraft der gelenkstabilisierenden Muskulatur verbessern und den Gelenkstoffwechsel ökonomisieren.

Da es etwa ab der sechsten Lebensdekade zu einer beschleunigten Abnahme der Maximalkraft kommt, die sich in der achten Dekade nochmals steigert, ist zum Erhalt der Mobilität und auch der Fähigkeit, sich im Alltag selbst zu versorgen neben koordinativen und kardiopulmonal wirksamen Trainingsinhalten ein angepasstes muskuläres Krafttraining sinnvoll. Je inaktiver der Lebensstil, desto frühzeitiger zeigen sich altersbedingte degenerative Veränderungen. Krafttraining führt gerade auch bei älteren Menschen durch Erhöhung des Muskelvolumens zu einer Zunahme der Muskelkraft und Optimierung der Rekrutierung motorischer Einheiten, wodurch sich die Gangsicherheit und Ganggeschwindigkeit verbessert. Das Ausmaß der Anpassung bei älteren Menschen über 60 Jahre ist dabei mit dem von Jüngeren durchaus vergleichbar.

Systematische Untersuchungen und Aussagen zur Dosierung der Häufigkeit, Dauer, Intensität und Bewegungsform körperlicher Aktivität bei Arthrose gab es in der Vergangenheit allerdings nur wenige. Unabhängig davon stellen eine selbst gewählte moderat-intensive Belastungsintensität  und langsame Belastungssteigerung verbunden mit einer schmerzfreien Bewegungsausführung die wichtigsten Trainingsprinzipien dar. Häufigere kürzere Trainingseinheiten (3×30 Minuten/Woche) scheinen sinnvoller zu sein als längere wenige Einheiten und werden von der WHO empfohlen. Einzelne Therapiearten weisen gegenüber anderen keine Überlegenheit auf, so dass die Therapien anhand individueller Präferenzen zusammen mit den Therapeuten ausgewählt und aktive Behandlungsverfahren durch passive Therapiemaßnahmen (Thermotherapie, Manuelle Therapie, physikalische Anwendungen) ergänzt werden können. Der Einsatz alternativer Therapieverfahren wie Magnetfeld, Phyto- und Aromatherapie kann nicht generell
empfohlen werden, da die Studienlage aufgrund der mangelnden Qualität zu inkonsistent ist. Akupunktur kann einen zusätzlich positiven Einfluss auf Funktion und Lebensqualität haben, obwohl die Studienlage auch hier nicht einheitlich ist.

Medikamentöse Therapie

Zur Reduktion von Schmerz und Entzündung stellt die medikamentöse Therapie einen wichtigen Bestandteil im konservativen Behandlungsregime der Arthrose dar. Bei der Auswahl der Schmerzmedikation müssen aber mit zunehmendem Alter immer mehr individuelle Risiken durch die mitunter bestehende Multimorbidität (wie z. B. Leber- und Niereninsuffizienz, Herzinfarkt, Schlaganfall, Allergien etc.) berücksichtigt werden. Eine oftmals vorhandene Co- und Multimedikation kann zusammen mit der im Alter  eränderten Pharmakodynamik und -kinetik zu einem deutlich erhöhten Risiko für das Auftreten unerwünschter Arzneimittelwirkungen (UAW) führen.

Der orale Einsatz von tNSAR und Coxiben bei der Arthrose ist weit verbreitet. Er sollte sich aber auf Schmerz- und Entzündungsperioden beschränken, d. h. so kurz und niedrig dosiert wie möglich erfolgen. Mitunter kommen größere Schwankungen in der individuellen Verfügbarkeit und Halbwertzeit vor, so dass sich die einzelnen Substanzen interindividuell in Bezug auf ihren Wirkeffekt und das Nebenwirkungspotential unterscheiden. Im Vordergrund der UAW stehen vor allem gastrointestinale, kardiovaskuläre, hepatische und renale Komplikationen sowie Wirkungen auf das Gerinnungssystem mit einem erhöhten Blutungsrisiko. Daher sollte die Indikation für eine Behandlung mit tNSAR bei älteren Patienten immer streng gestellt werden. Zum Schutz des oberen Gastrointestinaltraktes ist eine begleitende Therapie mit einem Protonenpumpeninhibitor indiziert. Ein erhöhtes Blutungsrisiko zeigt die Kombination von tNSAR und Antidepressiva aus der Gruppe der selektiven Serotonin-Reuptake-Inhibitoren (SSRI).

Die Kombination von Ibuprofen und ASS führt bei  zeitgleicher Einnahme zu einem Ausbleiben der irreversiblen thrombozyten-aggregationshemmenden Wirkung von ASS, da beide Substanzen um die Rezeptorbindung an den Thrombozyten konkurrieren. Unter der Therapie mit tNSAR sollte besonders auch der Effekt auf die Nierenfunktion beachtet werden. Speziell die gemeinsame Verordnung von tNSAR und ACE-Hemmern bzw. Sartanen ist problematisch, da beide Substanzgruppen die Autoregulation der Nieren beeinflussen und ein Nierenversagen induzieren können. Die Einnahme von tNSAR und Coxiben kann zu einer Blutdrucksteigerung und einer verminderten Wirkung antihypertensiver Substanzen wie ß-Blocker und Diuretika führen. TNSAR können zudem in Kombination mit Sulfonylharnstoffen das Risiko einer Hypoglykämie steigern.

Der Einsatz von Paracetamol war vor Jahren noch Goldstandard, hat aber heute keine wesentliche Bedeutung mehr. Insgesamt wird von der Anwendung sogar eher abgeraten. Metamizol hat zwar eine gute analgetische und antipyretische, aber keine antiphlogistische Wirkung und ist für die Behandlung einer Arthrose nicht zugelassen. Soweit aber Kontraindikationen gegenüber anderen Substanzen bestehen, kann Metamizol bei akuten oder chronischen starken Schmerzen versuchshalber eingesetzt werden. Haupt-UAW ist die Agranulozytose, die auch von der Dosis und zeitlichen Einnahme sowie genetischen Faktoren abhängt und besondere Anforderungen an eine dokumentierte Aufklärung stellt. Bei gleichzeitiger Einnahme von ASS können Interaktionen im Hinblick auf die thrombozytenaggregationshemmende Wirkung von ASS bestehen.2

Eindeutige Studien mit Opioiden zur schmerztherapeutischen Behandlung der Arthrose fehlen. Opioide sollten daher nur kurzfristig und in der niedrigsten Dosierung dann zum Einsatz kommen, wenn andere Maßnahmen wie die Gabe von NSAR nicht möglich sind oder Komorbiditäten keine andere Wahl lassen. Ihr Einsatz ist gerade bei älteren Patienten aufgrund von Nebenwirkungen nicht unumstritten. Nachteilig sind vor allem die zentralnervösen Effekte mit der Gefahr für Schwindel, Gleichgewichtsstörungen und eines damit erhöhten Sturzrisikos. Für Opioide gibt es keine Standarddosen, daher gilt das Motto: start low (schwache Opioide), go slow. Prophylaktisch sollte gegen eine opioidinduzierte Obstipation für die Dauer der Therapie eine osmotisch wirksame Substanz und gegen eine opioidinduzierte Nausea oder Übelkeit ein Antiemetikum gegeben werden. Bei gleichzeitiger Einnahme von Benzodiazepinen, Antidepressiva, Phenothiazinen, Hypnotika und Antihistaminika mit sedativer Wirkung kann die sedierende Wirkung verstärkt werden. Einige Opioide (Tapentadol, Fentanyl, Buprenorphin) können ein Serotoninsyndrom (paradoxe Unruheoder gar Angstzustände) verursachen, vor allem in Kombination mit Medikamenten aus der SSRIGruppe und z.B. Triptanen und CYP-3A4-Inhibitoren wie Verapamil, Diltiazem, Amiodaron, Erythromycin oder Cimetidin, da diese ebenfalls Einfluss auf den Serotoninspiegel haben. Bei eingeschränkter Nierenfunktion und fortgeschrittener Leberinsuffizienz sollte Hydromorphon bevorzugt werden.

Die Datenlage für eine chondroprotektive bzw. analgetische und funktionsverbessernde Wirkung der sogenannten SYSADOA (Symptomatic Slow Acting Drugs in OsteoArthritis: Glucosaminsulfat, Glucosamin-Hydrochlorid und Chondroitinsulfat) ist in der Literatur aufgrund methodischer Unzulänglichkeiten der einzelnen Studien widersprüchlich. Liegen Anwendungsbeschränkungen bzw. Kontraindikationen für den Einsatz anderer Medikamente vor (höheres Lebensalter, Begleiterkrankungen) kann die Gabe von Glucosamin gemäß deutscher Leitlinie aber in Erwägung gezogen werden. Auch Hyaluronsäurepräparate werden zur Behandlung symptomatischer Arthrosen eingesetzt. Trotzdem ist die Wirksamkeit weiter umstritten, so dass in internationalen Leitlinien unterschiedliche Empfehlungen für den Einsatz gegeben werden, zumal sich die einzelnen Hyaluronsäure-Substanzen erheblich voneinander unterscheiden. Auch die Datenlage zu intraartikulär applizierten Corticosteroiden ist different, so dass die Injektion auf den individuellen Fall beschränkt sein sollte. Gleiches gilt für die Behandlung mittels PRP, zumal Wirkmechanismus und Beeinflussung der arthrotischen Veränderungen sich auch aufgrund unterschiedlicher Herstellungsverfahren und damit möglicherweise einhergehender differenter Produkteigenschaften nicht beurteilen lassen.

Literatur

  1. Abbott JH, Robertson MC, Chapple C et al. Manual therapy, exercise therapy, or both, in addition to usual care, for osteoarthritis of the hip or knee: a randomized controlled trial. 1: clinical effectiveness. Osteoarthr Cartil 21: 525–534; 2013
  2. Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft: „UAW-News International“, Kann Metamizol die Wirkung von ASS auf die Thrombozytenaggregation behindern? – hinsichtlich klinischer Relevanz und Empfehlungen bleiben Fragen offen, Dt Ärzteblatt 115: A897–A898; 2018
  3. Bannuru RR et al., OARSI guidelines for the non-surgical management of knee, hip, and polyarticular osteoarthriris, Osteoarthritis and Cartilage 27: 1578-1589; 2019
  4. Geenen R et al., EULAR recommendations for the health professional’s approach to pain management in inflammatory arthritis and osteoarthritis, Ann Rheum Dis 77: 797–807; 2018
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  6. Kolasinski SL et al., 2019 American College of Rheumatology/Arthritis Foundation Guideline for Management of Osteoarthritis of the hand, Hip, and Knee, Arthritis Rheumatology 72: 149-162; 2020
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  8. Pinto D, Robertson MC, Abbott JH et al. Manual therapy, exercise therapy, or both, in addition to usual care, for osteoarthritis of the hip or knee. 2: economic evaluation alongside a randomized controlled trial. Osteoarthr Cartil 21: 1504–1513; 2013
  9. Vad V, Adin D, Solomon J. Knee osteoarthritis. Critical reviews in physical and rehabilitation medicine. Rehabilitation Medicine 16: 211–212; 2004

Wann Gelenkerhalt, wann Gelenkersatz in der Hüftchirurgie – Wie kann ich entscheiden?

Die Entscheidungsfindung für oder gegen operative Maßnahmen am Hüftgelenk gestaltet sich vielfach nicht einfach. Bei jüngeren Patienten mit symptomatischen Veränderungen der Hüftgelenksmechanik (u.a. Dysplasie, FAI, acetabuläre Versions- und femorale Torsionsfehler) zeigen sich die Vorzüge der gelenkerhaltenden operativen Techniken zwischenzeitlich nahezu ebenso deutlich, wie die sehr guten Ergebnisse des Gelenkersatzes beim älteren Patienten mit fortgeschrittener Arthrose.

Als besonders anspruchsvoll gestaltet sich die Indikation zur gelenkerhaltenden Operation im Kollektiv der jungen -zum Teil nur mäßig schmerzgeplagten- Patienten, der stetig wachsenden Gruppe der hochaktiven „best ager“ (Alter um die 50) sowie in Grenzfällen (Borderline-Dysplasie) bzw. Kombinationspathologien. Hier gilt es, die Effekte gelenkerhaltender Verfahren in Hinblick auf die Invasivität des Eingriffs, der erwartbaren langfristigen Beschwerdefreiheit und den möglichen Komplikationen, gegenüber rein konservativen Maßnahmen bzw. dem primären Gelenkersatz sorgfältig abzuwägen.

Zwischenzeitlich liegen einige guten Arbeiten zu gelenkerhaltenden operativen Verfahren mit einem Langzeit „follow-up“ von bis zu 30 Jahren vor (Abb. 1 & 2). Diese lassen durchaus Rückschlüsse auf die Erfolgsaussichten gelenkerhaltender Eingriffe zu. Grundsätzlich fällt auf, dass sich die prognoserelevanten Faktoren für oder gegen den Gelenkerhalt weniger in den zugrundeliegenden Indikation (z.B. Dysplasie, FAI) und/oder der Operationstechnik (Osteotomien vs. Hüftarthroskopie) finden lassen, sondern vielmehr in Fragen zum aktuellen Zustand des schmerzenden Gelenkes verbergen.

Als prognoserelevant haben sich hierbei u.a. das Patientenalter, die Dauer und die Intensität des Schmerzes, der Bewegungsumfang sowie die Funktion des Gelenkes, prä-operative funktionelle Scores, der Degenerationsgrad bei den bildgebenden Verfahren (konventionelles Röntgen/ MRT) sowie individuelle patientenspezifischen Faktoren (u.a. Geschlecht, Gewicht, Nebendiagnosen) erwiesen.

Hinsichtlich der Operationsindikation nimmt das Femoroacetabuläre Impingement (FAI) -neben der klassischen Dysplasie- bei den gelenkerhaltenden Operationsindikationen eine immer größere Rolle ein. Bei den operativen Techniken hat, neben den klassischen Osteotomien, die Hüftgelenksarthroskopie zwischenzeitlich einen festen Stellenwert zur Behandlung intraartikulärer Pathologien erlangt.

Folgende Tendenzen lassen sich in Bezug auf prädiktive Faktoren für oder gegen einen gelenkerhaltenden Eingriff angeben:

Das Patientenalter zum OP Zeitpunkt scheint einen maßgeblichen Einfluss auf die Resultate gelenkerhaltender Maßnahmen zu haben. Unabhängig von OP Indikation und OP Technik, sinken mit steigendem Patientenalter die Erfolgsaussichten gelenkerhaltender Verfahren teilweise sehr deutlich. Zwar können vielfach durchaus Besserungseffekte gesehen werden, die „Erfolgsdauer“ des Eingriffs (Endpunkte: Konversion zur Endoprothese oder erneute Symptome) sinkt jedoch mit zunehmendem Alter merklich. Ein gewisses „cut-off“ Alter scheint hier zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr zu liegen. Je höher die Invasivität, umso zurückhaltender sollte die Indikation gewählt werden.

Ab dem 55. Lebensjahr erscheinen gelenkerhaltende operative Eingriffe nur im Einzelfall gerechtfertigt, insbesondere auch im Hinblick auf die exzellenten Langzeitergebnisse der Hüftprothetik. In Einzelfällen wurden bei höherem Patientenalter auch negative Effekte gelenkerhaltender Maßnahmen beschrieben.

Die Dauer und Intensität der prä-operativ vorhandenen Schmerzen stellt ein negatives prognostisches Kriterium dar. Übereinstimmend zeigen entsprechende Studien, daß eine sehr lange Beschwerdedauer (über mehrere Jahre) und eine prä-operativ hohe Schmerzintensität zu deutlich schlechteren Ergebnissen nach gelenkerhaltenden Eingriffen führen. Auch die Angabe von Anlauf-, und/oder Nachtschmerz gilt als prognostisch eher ungünstiger Faktor, da die Ursache der Beschwerden in diesem Fall oft nicht rein mechanisch bedingt ist.

Ist prä-operativ die „Steifheit“ des Gelenkes im „roll Test“ deutlich erhöht und liegt zudem ein konsekutiv stark verminderter Bewegungsumfang vor (z.B. pos. Drehmann Zeichen), finden sich eher ungünstige follow-up Ergebnisse. Als ein möglicher Grund wird hier eine bereits fortgeschrittene Entzündungsreaktion des Gelenkes mit Verdickung und Kontraktur der Gelenkkapsel angenommen.

Abb. 4 39-jähriger Patient mit Schmerzen seit 1–2 Jahren und deutlicher CAM Deformität. Das Faux Profile nach Lequesne zeigt eine Dezentrierung des Hüftkopfes nach superolateral und eine Gelenkspaltverschmälerung unter 2 mm im ventralen Gelenkbereich.
Abb. 5 Teppichphänpmen mit Ablösung des Knorpels vom Knochen im Traktions-Arthro MRT (courtesy Dr. Meiners; Lübeck)

Die prognostische Wertigkeit der klassischen Röntgenbildgebung, welche idealerweise eine korrekt zentrierte Beckenübersicht im Liegen, eine seitliche Aufnahme (Lauenstein, Dunn, cross-table) und ggf. ein Faux Profile nach Lequesne umfasst, ist hoch. Ein Gelenkspalt kleiner/gleich 2 mm stellt ein ungünstiges prognostisches Kriterium dar (Abb. 3). Ab einem Arthrosegrad über 1 in der Klassifikation nach Tönnis ist eine Zurückhaltung bei gelenkerhaltenden Eingriffen angezeigt. Eine vor allem im Faux Profile nach Lequesne darstellbare Dezentrierung des Hüftkopfes ist als ungünstiges prognostisches Kriterium zu werten (Abb. 4). Ist der Hüftkopf bereits dezentriert und in die knorpelige Defektzone migriert sind gelenkerhaltende Maßnahmen in der Regel nicht mehr erfolgversprechend.

Lässt sich im normalen MRT der acetabuläre Gelenkknorpel nicht sicher beurteilen, kann ein subchondrales Ödem ein Hinweis für einen höhergradigen Knorpelschaden sein. Hier zeigen aktuelle Studien den vorteilhaften Effekt des TraktionsArthro-MRT des Hüftgelenkes auf. Durch Herausziehen des Hüftkopfes aus der Pfanne kann die acetabuläre Knorpeldicke vielfach besser beurteilt werden und zusätzliche Pathologien (Labrumeinund abrisse, acetabuläre Knorpelschäden mit (Abb. 5) und ohne Teppichphänomen, Lig. capitis Rupturen) kommen ebenfalls besser zur Darstellung. Bei den patientenspezifischen Faktoren ergibt sich ein eher uneinheitliches Bild. Einige Studien berichten von schlechteren Ergebnissen bei übergewichtigen Patienten, andere Arbeiten zeigen tendenziell schlechtere Ergebnisse bei schlanken Frauen. Frauen scheinen insgesamt etwas schlechtere Ergebnisse aufzuweisen als Männer, wobei die Ursachen bislang nicht geklärt sind. Wie in den meisten Arbeiten im orthopädisch/unfallchirurgischen Fachgebiet, erhöht ein Nikotinabusus die Komplikationsraten vor allem bei den Osteotomien
erheblich.

Die Ergebnisse bei der Behandlung der symptomatischen residuellen Hüftgelenksdysplasie sind in den letzten Jahren durch eine präzisere Diagnostik, Zentrenbildung und Anwendung standardisierter, moderner Techniken weiter verbessert worden. In Deutschland hat sich neben der Dreifachbeckenosteotomie nach Tönnis auch die periacetabuläre Osteotomie nach Ganz zur operativen Behandlung der Dysplasie zwischenzeitlich etabliert.

Beim FAI sind die Behandlungsergebnisse der isolierten CAM-Deformität deutlich günstiger einzuschätzen als die operative Intervention bei der globalen PINCER-Deformität. Offene OP Techniken (chirurgische Hüftgelenksluxation) zeigen bei der Behandlung des FAI im Langzeitverlauf vergleichbare Ergebnisse zu minimalinvasiven Techniken (Hüft-Arthroskopie), jedoch sind die Rehabilitationszeit und die Komplikationsrate im direkten Vergleich höher.

In der Ergebnisevaluation hat sich gezeigt, dass dem Labrumerhalt bzw. der Rekonstruktion beim symptomatischen FAI ein hoher Stellenwert zukommt. Zumindest mittelfristig angelegte Arbeiten konnten zeigen, dass der Labrumerhalt der Labrumresektion klar überlegen ist.

Knorpelchirurgische Techniken (Mikrofraktur, AMIC, MACT, ACT) kommen, vergleichbar zum Knie- und Sprunggelenk, zwischenzeitlich auch im Hüftgelenk zum Einsatz und werden im Knorpelregister der DGOU wissenschaftlich ausgewertet. Für eine abschließende Einschätzung ist die Studienlage noch nicht ausreichend.

An konservativen Behandlungsmethoden bei fehlender Indikation zur gelenkerhaltenden operativen Intervention finden sich aktuell keine wegweisenden neuen  Behandlungsformen. Angewendet werden die Patientenaufklärung mit  Aktivitätsmodifikation, oral analgetisch/antiphlogistische Medikation, physikalische und physiotherapeutische Maßnahmen (Traktion, Abduktionstraining) und die Applikation intraartikulärer sogenannter „knorpelprotektiver“ Substanzen (z.B. Hyaluron, PRP). Die diagnostisch/therapeutische Infiltration des Gelenkes kann in unklaren Fällen wertvolle Hinweise zur Ätiologie von Beschwerden geben. Von einer rein therapeutischen der Injektion mit Kortikoiden beim arthrotischen Gelenk ist abzuraten. Das Intervall zwischen einer Kortikoid-Injektion und dem Zeitpunkt einer endoprothetischen Versorgung wird je nach Studie mit bis zu 3 Monaten angegeben.

Literatur: Beim Verfasser.

 

Gelenkerhaltende Behandlungsoptionen der Hüfte – Strategie ist die Behandlung der präarthrotischen Deformität

Die Ursache von chondrolabralen Schäden der Hüfte sind überwiegend präarthrotische Deformitäten wie das femoroacetabuläre Impingement (FAI), die Dysplasie oder Torsionspathologien des proximalen Femurs. Die Dysplasie und femorale Torsionspathologien werden durch Korrekturosteotomien am Acetabulum oder proximalen Femur behandelt. Die Therapie des FAI ist die Domäne der Hüftarthroskopie, ein Verfahren, dass sich vor allem in den letzten 10–15 Jahren hinsichtlich Verständnis und technischer Ausführung stetig weiterentwickelt hat.

Die Behandlung der Folgeschäden an Labrum und Knorpel sind technisch herausfordernd, insbesondere das Ausmaß der Knorpeldegeneration nimmt direkten Einfluss auf das postoperative Ergebnis. Behandlungsoptionen sind stadienabhängig die Refixation von chondrolabralen Ablösungen („SCART“), knochenmarkstimulierende Verfahren mit oder ohne Biomaterialien, „Minced Cartilage“ oder die matrixassoziierte autologe Chondrozytentransplantation (ACT). Die über das Ergebnis vor allem entscheidende Therapie von Knorpel- und Labrumschäden ist jedoch die vollständige Korrektur der zugrundeliegenden Deformität.

Femoroacetabuläres Impingement

Die Hüftarthroskopie hat sich durch das zunehmende Verständnis des FAI zu einem standardisierten und komplikationsarmen Eingriff entwickelt, der jedoch eine flache Lernkurve hat. In jüngst publizierten randomisiert kontrollierten Studien zeigte sich die arthroskopische Therapie des FAI der konservativen Behandlung signifikant überlegen. Dies scheint logisch, da die Therapie einer strukturellen Deformität funktionell nur unzureichend erfolgen kann oder nur geringgradige Deformitäten funktionell kompensiert werden können. Bei der orthopädischen Abklärung ist die pathologische Ante- bzw. Retroversion der Gelenkpfanne sowie die zu ausgeprägte Torsion des proximalen Femurs als Impingementursache auszuschließen. Diese Deformitäten sind am Ort der Pathologie, d. h. über die Beckenosteotomie bzw. Derotationsosteotomie zu korrigieren. Auch im Rahmen der Hüftarthroskopie muss die fokale Cam- oder
Pincer-Deformität obligat korrigiert werden.

Das FAI zeigt eine hohe Inzidenz von chondrolabralen Schäden der Hüfte in den Registerdaten.

Beim Pincer-Impingement (Beisszangenimpingement) kommt es ferner meist zu einer Schädigung des Labrum acetabulare mit dessen Fibrosierung und im weiteren Verlauf zur Ossifikation/Degeneration mit labralen Zysten und Ganglien. Rupturen des Labrum acetabulare sollten soweit möglich refixiert werden, da hierdurch die Abdichtung des Gelenkes mit besserer Druckverteilung erhalten wird und das klinische Outcome signifikant besser ist.

Insbesondere das Cam-Impingement (Nockenwellenimpingement) ist mit großen acetabulären Knorpelschäden hauptsächlich im anterosuperioren Anteil des Acetabulums (Zone 2 und 3 nach Ilizaliturri) assoziiert. Bei einer verzögerten Diagnosefindung des FAI von über 9,5 Monaten sind Knorpelschäden zu erwarten, bei über 23,5 Monaten ist das klinische Ergebnis nach Hüftarthroskopie signifikant schlechter.

Bei koexistierenden chondrolabralen Schäden ist das klinische Ergebnis überwiegend von der Therapie des Knorpelschadens abhängig. Die Lokalisation, Größe und Morphologie des Knorpelschadens bestimmt letztlich, welches Therapieverfahren Anwendung findet, wobei die im Folgenden aufgeführten zur Verfügung stehen.

Knochenmarkstimulierende Verfahren mit und ohne Biomaterial (MFx, AMIC, Abrasion, SCART)

Die Mikrofrakturierung (MFx) und die Abrasion waren bei vollschichtigen Knorpelschäden bis ca. 2 cm2 die klassischen Therapieoptionen. Bei der Abrasion bleibt die subchondrale Grenzlamelle erhalten, bei der Mikrofrakturierung wird sie perforiert. Wie am Kniegelenk zeigt die Mikrofrakturierung auch am Hüftgelenk eine zunehmende Verschlechterung der Ergebnisse über die Zeit und sollte daher keine Anwendung mehr finden. Mehrere Arbeiten wiesen eine signifikant höhere Reoperationsrate sowie Konversionsrate zur HüftTEP im Vergleich zur autologen matrixinduzierten Chondrogenese (AMIC) nach. Bei der AMIC wird die MFx mit einem Biomaterial (z.B. Membran oder Gel) kombiniert. Das Biomaterial scheint den sog. „Superclot“ (Blutkoagel aus subchondralem Blut) gegen biomechanische Einflüsse zu schützen und soll eine Mikroumgebung schaffen, die der Adhäsion, dem Zellwachstum und der Zelldifferenzierung zuträglich ist. Eine aktuell publizierte Studie zeigt gute bis sehr gute Ergebnisse der AMIC bei Knorpelschäden >2cm2 8 Jahre nach Operation. Im Rahmen des Cam-Impingements kommt es aufgrund von Scherbelastungen zum tapetenartigen Ablösen des Knorpels vom subchondralen Knochen oder im Frühstadium zu einem „Wave Sign“ (Abb. 1). Bleibt hierbei der Knorpel-Labrum-Komplex intakt und lässt sich dieser mit Aussicht auf Erfolg refixieren, kann dies durch eine „subchondral cartilage regeneration therapy“ (SCART) erfolgen. Es handelt sich dabei um eine Therapieoption, die weiterer wissenschaftlicher Evaluation bedarf. Wegen geringer Erfolgschance ist bei vollständiger Knorpelablösung, chondrolabraler Separation oder avitalen Knorpelsequestern eher Abstand davon zu nehmen. Eine Refixation von tapetenartigen Knorpellappen mit Fibrinkleber ist nicht zu empfehlen.

Autologe Chondrozytentransplantation

Durch die Weiterentwicklung der autologen Chondrozytentransplantation zu injizierbaren Transplantaten der 3. Generation der ACT (polymerisierende Hydrogele als Träger oder kultivierte Chondrozyten in Form von dreidimensionalen Sphäroiden, MACT) sind die technischen Vorrausetzungen für die arthroskopische Anwendung an der Hüfte gegeben (Abb. 2).

Die MACT stellt einen zweizeitigen Eingriff dar und sollte nach Empfehlung der Arbeitsgemeinschaft „Klinische Geweberegeneration“ der DGOU und des Hüftkomitees der AGA ab einer Defektgröße von 1,5–2 cm2 angewendet werden. Im Vergleich zum einfachen Debridement ist die ACT im 5 Jahresergebnis bei einer Defektgröße von 2,6 cm2 signifikant überlegen. Im gleichen Nachuntersuchungszeitraum ergaben sich zwischen einem Transplantat der 2. ACT- Generation und der AMIC bei 2,8 cm2 Defektgröße keine Unterschiede im postoperativen Ergebnis. Studien im Vergleich zu anderen Knorpelersatzverfahren bei größeren Defekten stehen noch aus.

Minced Cartilage

Unter „Minced Cartilage“ versteht man die einzeitige mechanische Zerschneidung und Transplantation ortstypischer Knorpelzellen in den Knorpeldefekt. Ein interessantes Verfahren, zu dem an der Hüfte aktuell jedoch noch keine Studien vorliegen.

Dysplasie und Torsionsfehler des proximalen Femurs

Trotz Screeninguntersuchungen im Säuglingsalter ist die Dysplasie neben dem FAI weiterhin eine der häufigsten Ursachen der sekundären Coxarthrose. Etwa 50% der unbehandelten Dysplasien zeigen im Alter von 50 Jahren eine fortgeschrittene Coxarthrose, bei vorzeitiger Subluxation ist eine sekundäre Coxarthrose in 100% vorherzusagen. Die mangelhafte Überdachung (Containment) des Hüftkopfes führt zur Überlastung des Pfannenrandes mit sekundärer chondrolabraler Schädigung („acetabular rim syndrome“). Die physiologisch kompensatorische Hypertrophie des Labrums kann der lokalen Überbelastung nicht langfristig standhalten, es degeneriert und rupturiert. In 40% der Fälle liegt begleitend zur Dysplasie noch eine Aspherizität des Kopf-Schenkelhalses vor. Rotationsfehlstellungen des proximalen Femurs koexistieren sogar in 60–80% der Fälle und müssen in der Therapieplanung berücksichtigt werden.

Die Korrektur der Dysplasie sollte unter Erhaltung des Drehzentrums erfolgen. Moderne Beckenosteotomien wie die Dreifach Beckenosteotomie nach Tönnies und Kalchschmidt (DFO, „Triple“ OT) und die periacetabuläre Ostetomie nach Ganz („PAO“) gewährleisten eine dreidimensionale Reorientierung der Pfanne (Überdachung und Pfannenversion). In geübter Hand sind die Komplikationsraten gering und die langfristigen Ergebnisse der Beckenosteotomie (bis 30 Jahre) exzellent. Die Beratung zum „watchful waiting“ mit Endstrecke einer Hüft-TEP sollte daher überdacht werden. Viele negative Prädiktoren sind hervorragend wissenschaftlich aufgearbeitet, so dass unter entsprechender präoperativer Beachtung die Erfolgsaussichten und Patientenzufriedenheit hoch ist.

 

Abb. 4 Häufigkeit kombinierter Fehlformen durch acetabuläre Versions- bzw. femoraler Torsionsfehler aus Tannast et al. 2018 Abb. 5 Graphische Darstellung eines anterioren intra- und extraartikulären Impingements aus Lerch et al. 2020

 

Neben der korrekten acetabulären Überdachung spielt auch die korrekte Einstellung der Pfannenversion in Abstimmung mit der Schenkelhalsdrehung eine entscheidende Rolle für den Operationserfolg. Der McKibbin Index (Summe von acetabulärer Anteversion und femoraler Antetorsion) gilt als verlässlicher Prädiktor für gute Ergebnisse.

Eine gleichzeitige Offsetverbesserung bei additiver Cam-Deformität mit eingeschränkter Innenrotation nach azetabulärer Reorientierung verbessert die Langzeitprognose relevant. Die vermehrte femorale Antetorsion scheint einen signifikanten Risikofaktor für das Auftreten einer Koxarthrose bei Hüftdysplasie darzustellen und ist von der Cam-Deformität zu unterscheiden. Häufig tritt sie auch als eigene Entität auf. Genauere dreidimensionale Analysen sowie dynamische 3-D-Rekonstruktionen bestätigen, dass bei etwa jedem sechsten Patienten mit einer Hüftpathologie eine relevante femorale Torsionspathologie vorliegt.

Pathomorphologisch führt eine reduzierte femorale Antetorsion zu einem Impingement vom Pincer-Typ. Neben einem intraartikulären Impingement verursachen relevante femorale Rotationspathologien auch extraartikuläre Impingementformen, wie das ischiofemorale Impingement, welches zunehmend Beachtung findet. Hierdurch ist eine Renaissance der Derotationsosteotomien des proximalen Femurs zu beobachten. Bei der Indikationsstellung bedarf es viel Erfahrung, inwieweit die Pathologie durch eine klassische subtrochantäre und intertrochantäre Osteotomie oder durch eine intraartikuläre Korrektur der Aspherizität des Hüftkopfes und des Kopf-Schenkelhals-Übergangs erfolgen kann. Die Entwicklung sicherer Klingensetzinstrumentarien bzw. winkelstabiler Plattensysteme im Vergleich zur klassischen Winkelplatte werden dazu beitragen, die Durchführung der intertrochantären Osteotomie sicherer zu machen, insbesondere bei zusätzlich varisierenden oder valgisierenden Korrekturen.