Die Handgelenksarthroskopie ist ein inzwischen gut etabliertes und sinnvolles Verfahren für die Diagnostik und Therapie von Verletzungen sowie degenerativen Veränderungen des Handgelenks und der Handwurzel. Bei gutem Training, das u. a. in verschiedenen Kursen absolviert werden kann, ist es ein komplikationsarmes Verfahren.
Für verschiedene akute/subakute Verletzungen im Bereich des Handgelenks und der Handwurzel soll hier Stellung genommen werden. Ebenso soll auch eine Einschätzung bzgl. einer Notwendigkeit der arthroskopischen Diagnostik und Versorgung dieser Strukturen diskutiert werden. Als häufigstes Beispiel sei hier die distale Radiusfraktur genannt, welche die häufigste Fraktur überhaupt darstellt. Die Inzidenz liegt bei Patienten > 35 Jahre: 0,37% Frauen, 0,09% Männer. Bei Patienten > 50 Jahre liegt bei Frauen das Risiko eine Radiusfraktur zu erleiden bei 15%, bei Männern bei 2% (in Europa und den USA).1
Bereits 1921 wurden in Europa die ersten Versuche der Arthroskopie großer Gelenke durch den Schweizer Eugen Bircher beschrieben. In den 1970er Jahren wurde durch die Entwicklung der Winkeloptik ein weiterer wichtiger Meilenstein bei der Arthroskopie gesetzt. Mit der Möglichkeit der Produktion immer feinerer Optiken wurde die Arthroskopie ab Mitte der 1980er Jahre auch am Handgelenk möglich. Seit der Einführung der Handgelenksarthroskopie erschließen sich durch die rasanten Entwicklungen auf diesem Gebiet immer mehr Möglichkeiten – von einem zunächst im Wesentlichen diagnostischem Verfahren zu einem Verfahren mit heute sehr vielen Therapieoptionen; das immer wieder mit Neuerungen aufwartet.
Dies ist nicht zuletzt auch der technischen Entwicklung zu verdanken, die feinere Instrumente, besser Optiken und Videodarstellungen hervorgebracht hat. In erster Linie führt aber auch die wachsende Zahl der Anwender zur Entwicklung von neuen Methoden. Parallel dazu erfolgt ein Training der Kollegen in vielfach angebotenen Kursen weltweit; führend ist hier unter anderem die European Wrist Arthroscopy Society (EWAS, heute International IWAS).
Bei der diagnostischen Arthroskopie sollten für die vollständige Untersuchung eines Handgelenkes das Radiokarpal- sowie das Mediokarpalgelenk begutachtet werden. Ausnahme hiervon sind nur ganz spezielle Fragestellungen. Beispielsweise eine SL- oder LT-Bandläsion lässt sich von radiocarpal nicht ausreichend beurteilen, mit Ausnahme einer Komplettruptur, welche ein „drive through sign“ von radio- nach mediocarpal ermöglicht. Es gelten die Standardportale 3/4 und 4/5 oder 6R für das Radiocarpalgelenk sowie RMC (radiomediocarpal) und UMC (ulno-) für das Midcarpalgelenk.
Der dynamische Teil der Untersuchung besteht aus dem Trampolin-Test (Elastizität und Oberflächenspannung) und dem Hook-Test (Prüfung des fovealen Ansatzes) zur Beurteilung des triangulären fibrocartilaginären Complexes (TFCC) oder auch die Aufweitung des SL- und LT-Spaltes (scapholunär, lunotriquetral) von mediocarpal.
Hilfreich ist zusätzlich zur Foto-/Videodokumentation ein Einzeichnen der Läsionen in eine schematische Darstellung zur späteren Beurteilung (Abb. 1). Es wurden in den vergangenen Jahren auch immer wieder Klassifikationen zur Standardisierung der Einschätzung der Läsionen und Vergleichbarkeit der Ergebnisse der Techniken
ein- oder fortgeführt.
Hinreichend bekannt ist die Geissler-Klassifikation für die SL- Instabilität,2 eine neuere und etwas detailliertere Variante ist die EWAS-classification.3 Die Einteilung der TFCC-Läsionen nach Palmer sind ebenfalls bekannt.4
TFCC-Läsion
Bei traumatischen Läsionen kann im Falle von distalen Läsionen und partiellen Läsionen eine Weichteilfixierung des TFCC an die Kapsel in Insideout oder Outside-in-Technik durchgeführt werden. Hierfür eignen sich auch verschiedene industrielle
Nahthilfen.
Auch die All-inside-Methode, mit der einen Reizung durch den Knoten des Nahtmaterials vermieden werden soll, wurde beschrieben.5 Zusätzlich besteht bei proximalen Läsionen
mit einer Instabilität des distalen Radio-UlnarGelenkes die Option der offenen oder arthroskopisch (assistierten) TFCC-Fixierung, ggf. mit einem Knochenanker oder mit einer transossären Fixierung durch die Ulna.6
SL-Band-Läsion
Zur Diagnostik der SL-Bandläsion (scapholunär) ist die Handgelenksarthroskopie weiterhin der Gold-Standard, um die dynamische Aufweitung des Spaltes, die Stufenbildung und die Stabilität zu beurteilen. Dies geschieht selbstverständlich unter zusätzlicher Einbeziehung von Standardröntgenaufnahmen, ggf. dynamischen Röntgenaufnahmen sowie eventuell auch MRT-Untersuchungen. Bei frischen knöchernen Verletzungen des Radius oder der Handwurzel ist heute eine CT-Untersuchung das Standardverfahren. Je nach Lage der intraartikulären Anteile der Radiusfraktur, liegt eine Vermutung auf eine zusätzliche SL-Bandläsion nahe. Jedoch auch eine frische Sacphoidfraktur schließt eine zusätzliche Bandläsion nicht aus.7 Der Anteil der zusätzlichen Bandläsionen ist wie folgt beschrieben. Bei akuten SL-Läsionen kommt im Anschluss ein Pinning mit K-Drähten und/oder bei größeren Instabilitäten zusätzlich eine arthroskopisch (assistierte) oder offene Reinsertion des Bandes oder Kapsulodese in Frage.
Distale Radiusfraktur
Bei der Versorgung der distalen intraartikulären Radiusfraktur kann die Arthroskopie sowohl diagnostisch, als auch therapeutisch eingesetzt werden. Sie eignet sich zur Evaluation zusätzlicher intraartikulärer Bandverletzungen sowie deren eventuell notwendige operative Versorgung oder auch zur Entscheidung über eine postoperative Ruhigstellung bei zusätzlichen ligamentären Verletzungen trotz stabiler Versorgung mit einer winkelstabilen Platte. Je nach Frakturtyp liegen in Summe bei bis zu 68%8 aller Radiusfrakturen zusätzliche intraartikuläre Bandverletzungen (SL, LT, TFCC) vor (Abb. 1). Die Handgelenksarthroskopie eignet sich aber auch zur Reposition und Ausschluss der intraartikulären Schraubenlage nach Radiusfrakturen. Hierzu ist ein Zugang sowohl von palmar, als auch von dorsal möglich.9 Eine aktuelle Publikation zur Indikation und Technik ist zuletzt von der Innsbrucker Universitätsklinik im 2/2020 erschienen.10 Auch bei frühen Korrekturen (nach postoperativer CT-Kontrolle) kann mit entsprechenden Hilfsmitteln wie Meißel oder Haken eine Reposition und entsprechend die Reosteosynthese durchgeführt werden.
Skaphoidfraktur und andere Handwurzelfrakturen
Die Arthroskopie bei Skaphoidfrakturen kann zum Ausschluss von zusätzlich vorliegenden SL-Bandläsionen oder anderen Weichteilverletzungen eingesetzt werden, die noch ein weiteres Pinning oder zumindest Ruhigstellung erfordern würden. Immerhin zeigen bis zu 75% der Skaphoidfrakturen eine (partielle) SL-Bandläsion.11 Zusätzlich ist die Arthroskopie zur Prüfung der regelrechten Implantatlage und Ausschluss einer Malrotation hilfreich. (Abb. 2)
Komplikationen
Jedes zusätzliche Verfahren birgt auch Komplikationen. Nach dem Grundsatz „primum non nocere“ sollte hier auch jedes zusätzliche Verfahren abgewägt werden: Vor- und Nachteil einer weiteren Versorgung oder übersehene zusätzliche Verletzung.
Eine systematische Befragung der EWASMitglieder hat ergeben, dass die Komplikationsrate sehr von der Erfahrung des Arthroskopeurs abhängt, das heißt, je größer die absolute Zahl der Handgelenksarthroskopien, aber auch der Arthroskopien pro Jahr, desto weniger Komplikationen treten auf. Typische Komplikationen sind unter anderem Knorpelläsionen und die mögliche Verletzung der Weichteilstrukturen (Sehne, Nerv, Gefäß).
Fazit
Die Handgelenksarthroskopie ist ein inzwischen etabliertes und gutes Verfahren für die Diagnostik und Therapie von Verletzungen und degenerativen Veränderungen von Handgelenk und Handwurzel. Bei gutem Training ist es ein komplikationsarmes Verfahren. Bei Versorgung einer frischen Verletzung in der Notfallsituation (im Dienst) ist es gut möglich die Arthroskopie bei entsprechendem Verdacht auf zusätzliche intraartikuläre Verletzungen auch im Anschluss in den folgenden Tagen durch den Geübten durchzuführen. Insbesondere im Fall der SL-Bandläsion ist es unverändert so, dass diese akut mit besseren Ergebnissen zu versorgen ist. Die TFCC-Läsion lässt sich etwas besser auch später versorgen. Aber eine akute/subakute Versorgung lässt immer eine bessere Heilung zu. Die noch ungeklärte Frage ist wann und in welchem Ausmaß die Notwendigkeit der Versorgung der zusätzlichen partiellen Verletzungen bei den Frakturen des distalen Radius oder der Handwurzel besteht. Aus meiner Sicht kann in jedem Fall in der postoperativen Nachbehandlung darauf Rücksicht genommen werden, beispielsweise in einer nachfolgenden adäquaten Ruhigstellung.
Literatur auf Anfrage bei der Redaktion