Hannover – Carpe bossu ist eine seltene, mitunter symptomatische knöcherne Protrusion am dorsalen Handgelenk typischerweise an der Basis des 2. oder 3. Mittelhandknochen. Sie ist differenzialdiagnostisch von einem Strecksehnenganglion der M. extensor digitorum communis Sehne im 4. Strecksehnenfach zu unterscheiden. Diese Differenzierung gelingt sowohl sonografisch als auch mit der 3-D-Schnittbildgebung des digitalen Volumentomographen der SCS MedSeries® H22 Klasse. Die Extensor carpi radialis brevis Sehne (ECRB) hat ihren Ansatz an der Basis des 3. Metakarpale.
Embryologisch scheint es sich um einen neunten Handwurzelknochen zu handeln. Aber auch eine traumatische Genese der dorsalen Handgelenkskapsel und weitere Genesen werden seit mehr als 90 Jahren diskutiert. Fiolle[1] erscheint im Jahr 1931 als Erstbeschreiber dieser knöchernen Protuberanz, die er initial als kindliche Frakturfolge erklärte[2]. Rupturen des dorsalen Ligaments[3], eine kongenitale Anlage[4] oder auch ein Os styloideum[5] sind alternative Erklärungsversuche.
Sie erscheint nach wie vor selten[6,7]. Eine Übersicht von 44 Patienten berichtet von 21 Patienten, die sich einer Operation wegen persistierenden Schmerzen unterziehen mussten[8]. Die chirurgische Resektion wird in einer französischen Studie mit 25 Patienten über einen Achtjahreszeitraum empfohlen[9]. Mittlerweile ist auch eine endoskopische Resektionstechnik beschrieben[10]. Konservative Optionen wie beispielsweise die extrakorporale Stoßwellentherapie (ESWT) sind in diesem Zusammenhang bislang nicht beschrieben.
Die radiologische Darstellung in der konventionellen 2-D-Bildgebung kann herausfordernd sein durch die Überlagerung der distalen Handwurzelreihe sowie metakarpal. Bei seitlicher Aufnahme in palmarer Flexion kann in 2-D die Aufnahmequalität erhöht werden. Jüngst zeigte eine finnische MRT-Untersuchung, dass ein dorsaler Handgelenksschmerz in 75 % der Fälle mit einem Knochenödem des carpal boss auftritt[11]. Die 3-D-Schnittbildgebung erscheint gerade für diese Indikation als eine strahlungsarme und zielführende Diagnostikoption.
Fallbeispiel
Ich beschreibe hier den Fall einer 26-jährigen Tischtennisspielerin, die coronabedingt wegen Hallenschließungen auf Tennis ausgewichen ist und streckseitige Handgelenksschmerzen entwickelt hat. Die dreidimensionale Aufnahme illustriert das carpe bossu. Die Sonografie zeigt die begleitende milde Inflammation der ECRB Sehne im 2. Strecksehnenfach.
Erschienen in SCS Magazin 01-2021
Quellen:
[1] Fiolle J. Le carpe bossu. Bull Mere Soc Natl Chir 1931.
[2] Hermann B, v. Torklus D. Handrückenhöcker – carpe bossu. Z Orthop Unfall 1991;129(1):28-30.
[3] Menegaux G, Deux cas de carpe bossu: Rev Orthop 1934;21:231-3.
[4] Imbert R. A propos du carpe bossu. Consideration pathologeniques. Soc Chir Marseille 1932;9:337-8.
[5] Hultgren T, Lugnegaard H. Carpal boss. Acta Orthop Scand 1986;57(6):547-50.
[6] Dorosin N, Davis JG. Carpal boss. Radiology 1955:66(2). doi: 10.1148/66.2.234
[7] Conway WF, Destouet JM, Gilula LA, Bellinghausen HW, Weeks PM. The carpal boss: an overview of radiographic evaluation. Radiology 1985;156(1):doi. 10.1148/radiology.156.1.3923555
[8] Lenoble E, Foucher G. Le carpe bossu. Annales de Chirurgie de la Main et du Membre Superieur. 1992;11/(1):46-50.
[9] Roulet S et al. Surgical treatment of carpal boss by simple resection: Results in 25 cases at a mean 8 yers follow-up. Hand Surg Rehabil 2017;36:109-112.
[10] Lui TH, Liang ZC. Endoscopic resection of carpometacarpal boss and synovectomy of the second carpometacarpal joint. Arthrosc Tech 2019;8(3):e231-235.
[11] Nevalainen MT, Roedl JB, Morrison WB, Zoga AC. MRI of a painful carpal boss: variations at the extensor carpi radialis brevis insertion and imaging findings in regional traumatic and overuse injuries. Skeletal Radiol 2019;48(7):1079-85.