Köln – Ein Klassiker erschien nun in der 7. Auflage, 7 Jahre nach der letzten Version und 43 Jahre nach der 1. Auflage. Neu hinzugekommen ist ein 3. Herausgeber, der Rechtsanwalt und Leiter des Institutes für Rechtsmedizin an der Universität Witten Herdecke Prof. Gaidzik. Der Umfang hat gegenüber der letzten Auflage um circa 90 Seiten abgenommen, dennoch ist dieses Buch nach wie vor ein „Wälzer“ mit über 800 Seitenumfang. Neu hinzugekommen ist eine Online-Version, durch welchen man sich nach Freischaltung mit einem persönlichen Zugangscode eine elektronische Ausführung auf seinem Smartphone, Tablet oder Rechner nutzen kann.
Einige Kapitel wurden überarbeitet, andere Kapitel wurden neu verfasst, am äußeren Erscheinungsbild hat sich gegenüber den vorherigen Ausgaben nicht viel geändert. Das Design entspricht modernen Ansprüchen mit Zweispaltendruck, farblichen Absetzungen von Tabellen, Grafiken und Überschriften, mit einem insgesamt sehr angenehm Druckbild. Praktisch auch die farbliche Absetzung am rechten Buchrand zum raschen Aufschlagen der Insgesamt 36 Kapitel. Inhaltlich gliedert sich das Buch in 7 Teile. Im Teil A werden die rechtlichen Grundlagen der Begutachtung in 6 Einzelkapiteln besprochen, es folgt der Teil B mit einem Kapitel über die medizinischen Grundlagen der Begutachtung, der Teil C mit einem Kapitel über die ICF und der Teil D mit 7 Kapiteln zu Gutachten in verschiedenen Rechtsgebieten wie zum Beispiel Sozialversicherung, Beamtenrecht oder Wehrdienst. Es folgt der umfangreiche Teil E mit 16 Kapiteln zu speziellen Fragestellungen wie Osteoporose, technische Orthopädie oder organspezifische Kapitel zu Wirbelsäule, Schulter, Hand und Knie. Abgeschlossen wird das Buch durch einen kürzeren Teil F mit formalen Aspekten unter anderem zum Aufbau, zur Abrechnung und zur Qualitätssicherung und der letzte und sehr nützliche Teil G mit Tabellen zur Einschätzung einzelner Symptomatiken nach dem Schwerbehindertenrecht, nach der gesetzlichen Unfallversicherung und Anderem. Durch den großen Umfang findet man hier sehr vieles (aber auch nicht immer alles), was man in der gutachterlichen Praxis benötigt. Das Buch erscheint geeignet für diejenigen, welche regelmäßig gutachterlich tätig sind, und sich auf dem Laufenden halten möchten, hier ist es ein sinnvoll zu nutzendes Nachschlagewerk.
Für Besitzer vorheriger Auflagen erscheint die Neuanschaffung nach der letzten Ausgabe als ein „Kann“ und für ältere Auflagen als ein „Muss“. Für Einsteiger in die gutachterliche Tätigkeit oder diejenigen, welche sich nur gelegentlich mit gutachterlichen Fragestellungen beschäftigen, erscheint dieses Buch dagegen zu umfangreich. Hier empfehlen sich andere und kürzere Bücher, welche dann den Bedürfnissen eher entsprechen dürften. Grundsätzlich erscheint aus eigener über 20-jähriger gutachterlicher Erfahrung als zweites Standbein neben der kassenärztlichen Tätigkeit eine zumindest grundlegende Beschäftigung mit den gutachterlichen Fragestellungen für alle in der Praxis und in der Klinik sinnvoll. Damit könnte die Anzahl der aus gutachterlicher Sicht fragwürdigen oder auch unsinnigen ärztlichen Äußerungen und den daraus resultierenden falsch erweckten Hoffnungen bei Patientinnen und Patienten sowie unnötige Rechtsstreite reduziert werden. Ein positiver Nebenaspekt könnte hier auch die daraus potentiell resultierende Verkürzung der Verfahrensdauern sein.
Dr. S. Grüner, Arzt für Orthopädie, Sportmedizin, Chirotherapie, spezielle Schmerztherapie
Orthopädische Praxen Dr. Grüner, Köln
Bewerbung bis zum 28.07.2021 für 30 Plätze Summer School 2021: Anmeldung für Schnupperkurs in Orthopädie und Unfallchirurgie läuft
Berlin, 25.06.2021: Medizinstudierende können sich bis zum 28. Juli für die Summer School 2021 der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie e. V. (DGOU) und des Berufsverbandes für Orthopädie und Unfallchirurgie e. V. (BVOU) anmelden. Bei dem „Schnupperkurs“ vom 22. bis zum 24. September 2021 in Ulm bekommen angehende Mediziner und Medizinerinnen auch in diesem Jahr wieder Gelegenheit, einen Blick in ihre mögliche berufliche Zukunft zu werfen. Auf dem Programm der 13. Summer School stehen neben Diskussionsrunden zur Motivation und Begeisterung für das Fach Orthopädie und Unfallchirurgie vielfältige Workshops, beispielsweise zu den Bereichen Schwerverletztenversorgung, Osteosynthese, Techniken der Arthroskopie, Manuelle Medizin, Sonografie sowie Endoprothetik, auf dem Programm.
Die Auswahl der Teilnehmenden der Summer School wird jedes Jahr vom Jungen Forum O und U organisiert, um dem medizinischen Nachwuchs einen Einblick in das spannende und hochinteressante Fach zu geben. In dem zweitägigen Intensivprogramm lernen die Studierenden Inhalte der Disziplin praxisnah kennen und erfahren einiges über das Berufsleben von in O und U tätigen Medizinern. Die wissenschaftliche Leitung der Summer School übernehmen die Vorstandsmitglieder und Präsidenten der Fachgesellschaften und des Berufsverbandes für das Jahr 2022, Prof. Dr. med. Andreas Halder (DGOOC), Prof. Dr. med. Benedikt Friemert (DGU) und Dr. med. Wolfgang Willauschus (BVOU).
Gemeinsam mit weiteren Chef- und Oberärzten, Hochschuldozenten sowie jungen Ärzten in der Weiterbildung berichten sie aus ihrem Arbeitsalltag und vor allem darüber, welche Motivation wichtig ist, um sich diesem sehr breiten und fordernden Fachgebiet mit gleichbleibender Begeisterung zu widmen. Im engen Austausch bringen sie den Studierenden die vielfältigen Arbeitsbereiche von Orthopädie und Unfallchirurgie näher, beleuchten die gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen und sprechen über die beruflichen Zukunftsaussichten im Fach.
Studierende aller klinischen Semester können sich noch bis zum 28. Juli 2021 für einen der 30 Plätze der Summer School 2021 bewerben. In einem strukturierten Verfahren wählt das Junge Forum dann die Kandidatinnen und Kandidaten aus, die kostenfrei an der Summer School 2021 teilnehmen können. Auch die Unterbringungskosten sowie den Eintritt zur traditionellen Abendveranstaltung übernehmen DGOU und BVOU.
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Susanne Herda, Swetlana Meier
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie e.V. (DGOU)
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Telefax: +49 (0)30 340 60 36 01
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Janosch Kuno
Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie e.V. (BVOU)
Straße des 17. Juni 106-108, 10623 Berlin
Telefon: +49 (0)30 797 444 55
Fax +49 (0)30 797 444 45
E-Mail: presse@bvou.net
Berlin – Wenn ein operativer Eingriff ansteht, wünscht sich die große Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland, dass dieser in einer ambulanten OP-Einrichtung von einem Facharzt bzw. einer Fachärztin der eigenen Wahl durchgeführt wird. Dies geht aus einer bevölkerungsrepräsentativen Umfrage hervor, die der BAO im April 2021 über das Portal YouGov durchgeführt hat. Für diese erste Datenerhebung zur Akzeptanz des Ambulanten Operierens durch einen Berufsverband wurden 2.140 Erwachsene in Online-Interviews befragt.
Demnach sind die meisten Menschen über die Option einer ambulanten Operation informiert, weil sie entweder selbst einmal ambulant operiert wurden (47%) oder eine Person im näheren Umfeld kennen, die sich einer ambulanten Operation unterzogen hat (24%). Auch ohne derartige Eindrücke können sich 59% vorstellen, sich bei Bedarf ambulant operieren zu lassen. Beinahe die Hälfte (46%) der Befragten gaben an, eine ambulante Operation mit anschließender häuslicher Genesung sei die bessere Wahl für die meisten Patientinnen und Patienten. Das große Vertrauen in die ambulante operative Medizin kommt nicht von ungefähr: So wissen 81% der Befragten, dass beim praxisambulanten Operieren dieselben strengen gesetzlichen Auflagen – etwa in Bezug auf die Hygiene – wie Kliniken erfüllen müssen. Die Menschen wissen auch zu schätzen, dass sie im Zusammenhang mit einer ambulanten Operation durchgängig vom Arzt bzw. der Ärztin ihrer Wahl betreut werden. Besonders wichtig ist ihnen dies bei der Aufklärung und Beratung zur Operation (63%) und am Tag der Operation (57%). Die Frage, ob das Ambulante Operieren auch für Kinder und Senioren ausgebaut werden sollte, wurde von 61% der Befragten bejaht (nein = 15%, weiß nicht = 24%). Noch mehr (66%) von ihnen fänden eine verstärkte Förderung ambulanter OP-Zentren durch die Krankenkassen sinnvoll (nein = 14%, weiß nicht = 20%).
Die Umfrageergebnisse bestätigen den BAO in seinen politischen Forderungen. So erklärte BAO-Präsident Dr. Axel Neumann: „Auch unabhängig von der Corona-Pandemie gehen Menschen einfach ungern ins Krankenhaus. Sie vertrauen den operativ tätigen niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten und möchten sich nach einem Eingriff – getreu unserem Verbands-Motto ‚Gesund werden zu Hause’ – am liebsten in ihren eigenen vier Wänden erholen.“ Daraus ergibt sich ein klarer Auftrag an die Politik: „Im Sinne der Menschen in diesem Land müssen die ambulante Medizin allgemein und das Ambulante Operieren im Besonderen deutlich stärker gefördert werden“, betonte Dr. Neumann.
Die vollständigen Ergebnisse der Online-Befragung finden Sie hier.
Der BAO vertritt mit den assoziierten Verbänden der Zukunftsgruppe Ambulantes Operieren 2022 zirka 3.000 Fachärztinnen und Fachärzte.
Oberwesel – Schmerzerkrankungen des Bewegungssystems sind häufig multifaktoriell bedingt und werden in ihrem Verlauf von vielfältigen Faktoren beeinflusst. Bei hoher Komplexität, anhaltend starker Beeinträchtigung oder hoher Krankheitsintensität stoßen ambulante Behandlungsoptionen häufig an Grenzen. In diesem Fall können interdisziplinäre stationäre Behandlungskonzepte wirksam werden, die in der Regel über erweiterte diagnostische Möglichkeiten verfügen und interdisziplinäre multimodale Behandlungsansätze anbieten.
Die klinische Praxis zeigt allerdings, dass es bei multifaktoriell bedingten Schmerzstörungen ohne „Red Flag“-Symptomen keine harten Kriterien gibt, welche Patientinnen und Patienten eine stationäre Diagnostik und Behandlung ihrer zumeist chronischen Schmerzen benötigen. Zudem besteht die Verpflichtung zu prüfen, ob das Behandlungsziel nicht auch durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann, so § 39 SGB V.
Die Empfehlung zur stationären Schmerzbehandlung sollte durch ambulante Ärztinnen und Ärzte erfolgen, die ihre Patientinnen und Patienten gut kennen und den individuellen Verlauf der Erkrankung nachvollziehen können. So ist eine stationäre Behandlung sinnvoll bei Patientinnen und Patienten mit unklaren Befundkonstellationen, somatischen oder psychischen Komorbiditäten oder nach erfolgloser konservativer, interventioneller oder operativer Therapie. Hier besteht die Notwendigkeit einer erweiterten interdisziplinären Diagnostik, einschließlich Verlaufsdiagnostik und komplexer multimodaler Behandlung, was unter ambulanten Bedingungen in der notwendigen Therapiedichte und Methodenkombination häufig nicht möglich ist. Ein weiteres wichtiges Kriterium ergibt sich bei signifikanter Beeinträchtigung der Alltagsfunktionalität, Lebensqualität oder Arbeitsfähigkeit oder bei ambulant nicht mehr beherrschbaren Schmerzexazerbationen. Die Notwendigkeit des Einsatzes der besonderen Mittel des Krankenhauses, insbesondere kontinuierliche ärztliche und pflegerische Behandlung muss erfüllt sein. Das wiederum muss bei stationärer Aufnahme genau geprüft werden und ist ein wichtiges Kriterium in Abgrenzung zu rehabilitativen Behandlungsansätzen.
Drei klinische Behandlungspfade nach dem ANOA-Konzept
Die Arbeitsgemeinschaft nicht operativer orthopädischer manualmedizinischer Akutkliniken (ANOA e.V.) bietet in ihrem Behandlungskonzept ANOA 2.0 einen Zugang zu einer erweiterten interdisziplinären Diagnostik und einer Behandlung in indikationsspezifischen klinischen Pfaden. Zielgruppe für alle Komplexbehandlungen sind Patienten mit multifaktoriell bedingten muskuloskelettalen Schmerzen. Die ANOA Pfade orientieren sich an den OPS-spezifischen Prozeduren für stationäre Komplexbehandlungen und umfassen jeweils unterschiedliche Diagnostik- und Therapieschwerpunkte unter besonderer Berücksichtigung funktionspathologischer Befunde des Bewegungssystems. Jeder Behandlungspfad bildet eine subgruppenspezifische Methodenkombination mit definierter Behandlungsintensität und Behandlungsdauer ab. Die Behandlung ergibt sich durch eine befundgerechte Individualisierung auf der Grundlage des strukturierten klinischen Pfades.
Multimodal-nichtoperative Komplexbehandlung des Bewegungssystems (OPS 8-977)
In der Gruppe der Struktur- und Funktionserkrankungen des Bewegungssystems sind morphologische Befunde und komplexe Funktionsstörungen Hauptfaktoren der Erkrankung. Struktur- und Funktionsstörungen müssen deshalb im Mittelpunkt der Behandlung stehen. Komorbidität, psychische und psychosoziale Faktoren haben häufig einen zusätzlichen Einfluss im Krankheitsgeschehen und müssen diagnostiziert und mitbehandelt werden.
Multimodale Schmerztherapie (OPS 8-918)
Bei chronischen Schmerzerkrankungen des Bewegungssystems handelt es sich in der Regel um ein komplexes Bedingungsgefüge aus morphologisch-strukturell bedingten Störungen, komplexen Funktionsstörungen, somatischer und psychischer Komorbidität und anderen psychischen Einflussfaktoren, häufig verbunden mit schmerzrelevanten psychosozialen Kontextbedingungen und ausgeprägten Chronifizierungsprozessen. Patienten mit diesen Störungen benötigen eine auf die Behandlung des Bewegungssystems abgestimmte, interdisziplinäre multimodale Schmerztherapie mit individueller Schwerpunktsetzung.
Rheumatische Erkrankungen mit hoher Krankheitsintensität führen häufig zu komplexen Struktur- und Funktionsstörungen des Bewegungssystems. Diese Störungen stehen im Mittelpunkt der rheumatologischen Komplexbehandlung. Auch hier müssen Komorbidität, psychische und psychosoziale Einflussfaktoren mit berücksichtigt werden.
Diagnostik, Verlaufsdiagnostik und Behandlung bilden eine Einheit. Das Erreichen therapeutischer Zielstellungen und die akutmedizinische Behandlungsnotwendigkeit werden während der Komplexbehandlung fortlaufend evaluiert. Die Behandlung erfolgt multimodal im interdisziplinären therapeutischen Team unter ärztlicher Leitung. Die Anwendung des ANOA-Konzeptes lässt klinikspezifische Schwerpunktsetzungen zu.
Welches Konzept passt zu welchem Patienten?
Während sich die Indikation zur rheumatologischen Komplexbehandlung in der Regel recht klar aus der zugrundeliegenden Erkrankung ergibt, ist die Unterscheidung zwischen den beiden anderen Komplexbehandlungen schwieriger.
So steht die multimodale Schmerztherapie neben Patienten mit muskuloskelettalen Schmerzen auch Patienten mit anderen Schmerzerkrankungen wie Kopf- und Gesichtsschmerzen oder CRPS offen. Indiziert ist die Behandlung vor allem bei hoch chronifizierten Schmerzsyndromen und erheblicher Komorbidität. Dabei können sowohl psychische als auch schwere somatische Komorbiditäten eine Rolle spielen.
Demgegenüber steht die Multimodal-nichtoperative Komplexbehandlung des Bewegungssystems. Diese ist indiziert, wenn bei der Schmerzerkrankung die strukturell-morphologischen oder funktionspathologischen Befunde des Bewegungssystems Hauptfaktoren der Schmerzstörung sind und damit Schwerpunkt der Behandlung sein sollten.
Die Abgrenzung beider Komplexbehandlungen kann im Einzelfall schwierig sein, da auch in der multimodal-nichtoperativen Komplexbehandlung des Bewegungssystems Patientinnen und Patienten behandelt werden, die nicht nur akute, sondern auch chronifizierungsgefährdete und chronische Schmerzen aufweisen.
Beide Komplexbehandlungen greifen relevante psychische oder psychosoziale Einflussfaktoren der Schmerzstörung auf. Sie unterscheiden sich jedoch in Aufwand und Intensität der schmerzpsychotherapeutischen Behandlungsanteile. In der Patientengruppe mit Struktur- und Funktionserkrankungen (ANOA Pfad 1 – OPS 8-977) finden sich häufig Patientinnen und Patienten mit Störungen der Entspannungsfähigkeit, mit chronischem Bewegungsmangel, psychosozialem Stress oder dysfunktionalem Schmerzverhalten. Diese Faktoren beeinflussen als Yellow Flags der Chronifizierungsgefährdung die vorliegenden strukturellen und funktionspathologischen Befunde. Im ANOA-Pfad 1 – Anwendung des OPS 8-977 werden sie über Informationen zur Entstehung und zum Umgang mit Schmerz, mit Psychoedukation zur Schmerz- und Stressbewältigung und durch die Anwendung von Entspannungsverfahren mitbehandelt.
Im ANOA-Pfad 2, Anwendung des OPS 8-918 (Interdisziplinäre Multimodale Schmerztherapie), weisen Patientinnen und Patienten in der Regel psychische oder psychosoziale Einflussfaktoren auf, die im Zusammenwirken mit somatischen (strukturellen und funktionellen) Befunden zu einem komplexen Bedingungsgefüge der Schmerzstörung geworden sind. Hier finden sich „Yellows flags“ in bereits verfestigtem dysfunktionalem Einfluss, häufig in Kombination mit ausgeprägter Angst vor Schmerz und anhaltender Vermeidung potentiell schmerzauslösender Bewegung und Belastung (vgl. Fear Avoidance Modell chronischer Rückenschmerzen), aber auch schmerzrelevante psychische Komorbiditäten wie Angststörungen, depressive Störungen oder Persönlichkeitsstörungen mit Somatisierungsanteilen. Auch hier bilden Psychoedukation und Entspannung einen Zugang zu der Problematik, werden aber erweitert durch schmerzpsychotherapeutische Kleingruppenarbeit und psychotherapeutischen Einzelgesprächen. Dabei geht es häufig nicht um die Aufarbeitung komplexer psychischer Störungsmuster, sondern um die grundlegende Erfahrung einer hilfreich erlebten therapeutischen Beziehung, die den Zugang zu schmerzrelevanten Gedanken, Gefühlen und Erlebnissen ermöglicht.
Die Aufnahme der rheumatologischen Komplexbehandlung in das ANOA-Konzept 2.0
Die Orthopädische Rheumatologie erfährt in den letzten Jahren eine richtungsweisende Neuorientierung. Traditionellerweise werden in Deutschland unter dem Begriff Rheumatologie die entzündlich rheumatischen Erkrankungen, insbesondere der Gelenke zusammengefasst. Neben den entzündlichen Gelenkerkrankungen rücken auch die degenerativen Veränderungen des Bewegungsapparates und die Funktionserkrankungen zunehmend in den Blickpunkt. Die sich in den jeweiligen Landes-Ärztekammern in Umsetzung befindliche Zusatz-Weiterbildung „Orthopädische Rheumatologie“ trägt dem Rechnung. Neben den operativen Inhalten spielen nun auch Aspekte aus der speziellen Schmerztherapie, der Physikalischen Therapie und Balneologie, der Manuellen Medizin, der Osteologie, der Rehabilitationsmedizin und der Technischen Orthopädie eine große Rolle. Für Orthopäden ergibt sich dabei eine große Chance, in der Rheumatologie wieder mehr Fuß zu fassen. Wenn bei Patienten mit rheumatologischen Erkrankungen eine hohe Krankheitsintensität vorliegt und das ambulante Setting an seine Grenzen stößt, besteht die Möglichkeit zur stationären multimodalen rheumatologischen Komplexbehandlung. Die Behandlungsleitung findet durch einen Facharzt statt, der einen rheumatologischen Schwerpunkt bzw. die neue Zusatzweiterbildung „Orthopädische Rheumatologie“ besitzt.
Während multidisziplinär bedeutet, dass Ärzte und Therapeuten zwar am Problem desselben Patienten arbeiten, sich jedoch nicht engmaschig untereinander bezüglich ihres Behandlungskonzeptes abstimmen, bedeutet multimodal, dass ein Team verschiedener Fachrichtungen nach einem abgestimmten Behandlungskonzept mit einer einheitlichen Zielrichtung in enger Abstimmung arbeitet. Dazu ist ein prozessorientiertes Behandlungsmanagement mit standardisierter Befunderhebung erforderlich. Der therapeutische Input ist hoch. Es müssen mindestens elf Stunden Therapie pro Woche durchgeführt werden. Dazu müssen mindestens drei verschiedene Therapiebereiche aus der Krankengymnastik, der physikalische Therapie, der Ergotherapie, der Schmerztherapie, der Psychotherapie und der Verhaltenstherapie so angesetzt sein, dass sie den individuellen Bedürfnissen des jeweiligen Patienten gerecht wird. Um die Krankheitsintensität beurteilen zu können, werden je nach rheumatologischer Grunderkrankung verschiedene Beurteilungsinstrumente eingesetzt, wie zum Beispiel DAS-28 (Disease Activity Score 28) oder der BASDAI (Bath Ankylosing Spondylitis Diseases Activity Index). Unterteilt ist dieser OPS in eine Behandlungsdauer von 7-13, 14-20 und mehr als 21 Tage. Mit diesem Instrument der Multimodalen Rheumatologischen Komplexbehandlung steht eine sehr interessante Therapieoption für Patienten mit einer hohen Krankheitsintensität zur Verfügung.
Zusammenfassung:
Schmerzerkrankungen des Bewegungssystems sind häufig multifaktoriell bedingt und werden in ihrem Verlauf von vielfältigen Faktoren beeinflusst. Bei hoher Komplexität, anhaltend starker Beeinträchtigung oder hoher Krankheitsintensität kommen ambulante Behandlungsoptionen häufig an die Grenzen des Machbaren. In diesem Fall können interdisziplinäre stationäre Behandlungskonzepte wirksam werden. Der Artikel diskutiert multimodale Behandlungsansätze im Krankenhaus, die im ANOA-Konzept akutmedizinischer Komplexbehandlungen für Schmerzstörungen des Bewegungssystems beschrieben sind.
Dr. Jan Holger Holtschmit
Chefarzt Marienkrankenhaus St. Wendel
und Präsident der ANOA
Dr. Jens Adermann
Chefarzt Klinik für Manuelle Therapie Hamm
und 2. Vizepräsident der ANOA
Dipl.-Psych. Wolfgang Ritz
Psychologischer Psychotherapeut Sana Kliniken Sommerfeld
und Schriftführer der ANOA
In der täglichen Praxis eines Unfallchirurgen und Orthopäden stellt die Versorgung von Patienten mit Verletzungen an der Hand und des Handgelenkes – oft Frakturen – einen großen Teil der täglichen Arbeit dar.
Schon im Rahmen der Erstversorgung von frischen Verletzungen sind Schnittbilder des Handgelenkes und der Handwurzel, oftmals aber auch des Mittelhandknochens oder bei Gelenkbeteiligung schon eines Fingers unabdingbar, um eine korrekte und umfassende Diagnose stellen zu können. Neben der Anwendung des SCS MedSeries® H22 (nachfolgend DVT genannt) in der Primärdiagnostik ist im Rahmen der weiteren Behandlung (Ruhigstellung und/ oder nach einer Operation) häufig eine weitere Schnittbildgebung zur Kontrolle erforderlich. Überwiese man die Patienten hierzu zum Radiologen, liegen die Bildergebnisse in der Regel erst mehrere Tage später dem behandelnden Orthopäden und Unfallchirurgen zur weiteren Beurteilung vor.
Diese Erfahrungen aus dem Praxisalltag mit dem Resultat einer deutlich verzögert möglichen Therapieplanung bzw. -anpassung für den Patienten sind obsolet, wenn man als niedergelassener Unfallchirurg oder Orthopäde über die Möglichkeit zur eigenständigen Durchführung einer 3-D-Schnittbildgebung in der eigenen Praxis verfügt. In diesem Fall ist man innerhalb von ca. 5 min in der Lage, selbst die Diagnostik durchzuführen und die Bilder zur Beurteilung vorliegen zu haben. Zusätzlich zu dem großen zeitlichen Vorteil wird man bei Nutzung des DVT in die Lage versetzt, unabhängig von der Lagerung der Hand oder der Finger immer perfekt ausgerichtete Schnittbilder zu erstellen, da diese automatisiert computergesteuert rekonstruiert und dadurch in multiplanarer Ansicht inkl. 3-D-Darstellung vom System bereitgestellt sowie frei in allen Dimensionen und Winkeln (z.B. streng dorsopalmar) analysiert werden können. Wird im Zuge dessen eine Ansicht nach Bedarf in Ihrer Ausrichtung eingestellt, werden alle anderen Ansichten jeweils orthogonal zur ersten Ansicht automatisiert orientiert. Derartige Veränderungen der Achseinstellung für die Ausrichtung aller Bilder sind nicht nur im 2-D-Röntgen, sondern auch mit einem durch ein MS (Multi Slice) CT erstellten Datensatz in aller Regel unmöglich.
Hinzu kommt, dass man natürlich an jeder beliebigen Stelle des untersuchten Körperabschnittes die Achsen erneut ausrichten kann, z. B. dann, wenn aufgrund von Schmerzen oder Verbildungen die Finger gar nicht gestreckt gelagert werden können. Möchte man beispielsweise die mit der Hand zusammen aufgenommenen Bilder der um 90° zur Handlängsachse gebeugt stehenden Fingerendgelenke richtig betrachten, können auch hier wieder, ausgehend von nur einem, z. B. dem sagittalen Schnitt, die beiden anderen Ebenen mitausgerichtet werden, sodass man weiterhin ohne Anschnittphänomene von einer korrekten koronaren oder axialen Bilddarstellung profitieren kann. Dies macht die Diagnostik nicht nur einfacher, sondern auch sicherer. Die Klärung der Frage nach einer Operationsnotwendigkeit gelingt dadurch rasch, genau und zuverlässig.
Wer vermutet, die genannten Vorteile der Schnittbilderstellung mit dem DVT könnten nur durch eine massive Ausweitung der Strahlendosis erkauft werden, irrt. Im Gegensatz zu einem herkömmlichen CT sind die angewandten Strahlendosen bei diesem um bis zu 90 % geringer [1] und können auf Wunsch mit nur einer einfachen Einstellung in den Bereich des 2-D-Röntgen in 2 Ebenen verlagert werden.[2]
Zusammenfassend hat der Anwender der dreidimensionalen SCS Bildgebung ein technisch hoch entwickeltes, diagnostisches System zur Hand, mit dem er in seinen eigenen Praxisräumen schnell und qualitativ hochauflösende Schnittbilder (mit einer Schichtdicke und Voxelgröße von jeweils nur 0,2 mm) anfertigen, selbst bearbeiten und nach seinem Belieben sichten kann. Mit der grundsätzlich gegebenen Möglichkeit, hochauflösende 3-D-Rekonstruktionen berechnet und dargestellt zu bekommen, erhält er zusätzlich eine enorm mächtige Bilddarstellung, um plastisch und sehr übersichtlich die Skelett- oder auch Weichteilanteile als Hochkontrastdarstellung des zu untersuchenden Körperabschnittes im Raum und im Bezug zu den umliegenden anatomischen Strukturen bewerten zu können. Durch die Möglichkeit, in der 3-D-Darstellung Teile der abgebildeten Knochenstrukturen virtuell zu entfernen ist ein ungehinderter Blick bspw. auf die Gelenkflächen der distalen Tibia im OSG oder des Radius im Handgelenk möglich. Dieser Einblick entspricht auf Basis der multiplanaren Darstellung einer weiteren, sehr wichtigen Information zur sicheren Analyse des vorliegenden Falls, welche mit einem 2-D-Röntgen nicht zu erhalten ist und Einblick gibt, ob z. B. eine operative Intervention zur Rekonstruktion von Gelenkstrukturen angezeigt ist oder nicht. Durch den plastischen 3-D-Bezug kann einerseits sicher nachvollzogen werden, ob hier überhaupt noch eine gegenüberliegende Gelenkfläche vorhanden ist, da auch die Kongruenz der zueinander gehörenden Gelenkflächen sicher kontrolliert und bewertet werden kann. Als weiteres Beispiel ist es mit der 3-D-Ansicht bei Aufnahmen der Finger, die aufgrund der Verletzung oder auch der Schmerzen wegen nur in gebeugter Stellung erfolgen können, möglich, Verletzungen von Gelenkflächen und direkt angrenzender Bereiche sicher zu beurteilen. Weitere wichtige Einsatzbereiche für diese Schnittbildtechnik sowie der 3-D- Bilddarstellung sind natürlich die Verletzungen von Handwurzelknochen oder die Basen der Mittelhandknochen, die kaum ausreichend mit der 2-D-Röntgentechnik diagnostiziert werden können. Hinzu kommt, dass hier im 2-D-Röntgen durch schräge Aufnahmen oder z. B. eine Kahnbeinserie rasch im Vergleich zum DVT ein Vielfaches an Strahlendosis notwendig ist, bei trotzdem noch höchstgradig weniger Informationsgehalt der dann geschaffenen Bilder. Wir Ärztinnen und Ärzte wissen, wie schwer es oftmals ist, eine Kahnbeinfraktur sicher auszuschließen und wie häufig es gerade hier zum Übersehen von Frakturen kommt. Wer einmal mit der multiplanaren Darstellung sowie den 3-D-Rekonstruktionen gearbeitet hat, wird deren umfängliche Informationsdichte nicht mehr missen wollen.
Nachfolgend werden anhand dreier Beispiele die Überlegenheit der Schnittbilddiagnostik sowie 3-D-Rekonstruktion des DVT zur radiologischen Untersuchung und nachfolgender Bewertung von Verletzungen oder Verletzungsfolgen an der Hand aufgezeigt.
Distale Radiusfraktur mit Gelenkbeteiligung und Abriss Proc. sytl. Ulnae
86-jähriger Mann, Sturz auf die ausgestreckte rechte Hand. Mäßige Schwellung mit deutlichem DS über dem dorsalen Radius. Primäre Diagnostik mittels 3-D-Bildgebungssystem des Handgelenkes einschl. Daumengrundgelenk. Die Radiusfraktur hätte hier bspw. im lateralen 2-D-Röntgen durch die dorsale Knickbildung der Kortikalis erahnt werden können, jedoch wäre die zusätzliche Gelenkbeteiligung unerkennbar geblieben, weshalb die SCS Bildgebung zur Reduktion der insgesamt angewendeten Strahlendosis als Primärdiagnostik erfolgt ist. Im gleichen Durchgang war es auch möglich, eine OP-Indikation auszuschließen. Es bestehen keine Gelenkflächenstufen oder sonderliche Spaltbildungen. Diese sind max. 0,4 mm breit. Nebenbefundlich zeigen besonders die 3-D-Rekonstruktionen die ausgeprägte Sklerose der A. radialis et ulnaris.
Prä- und postoperative Schnittbilder einer dist. Radiusfraktur mit DRUG-Beteiligung
61-jährige Frau, Sturz von einem Hocker auf die linke Hand. Primärdiagnostik im KH. 2-D-Röntgen liegt im Rahmen der Vorstellung zur Einholung einer Zweitmeinung am nächsten Tag in meiner Praxis nicht vor. Die Patientin kann nach Baycast-Abnahme das Handgelenk zwar 30- 0-30° Extension/Flexion bewegen, jeder Supinations-/Pronationsversuch schmerzt aber sofort massiv. Weitere Abklärung mittels der dreidimensionalen Schnittbildgebung des linken Handgelenkes. Dabei zeigt sich eine distale quer durch den Radius verlaufende Fraktur mit Teleskopieren der dorsalen Kortikalis, Abkippen der Radiusgelenkfläche nach dorsal und, hier besonders wichtig und relevant, mit Versatz nach daumenseitig am proximalen Rand des DRUG um 2 mm. Hierdurch steht die radiale Vorwölbung der distalen Ulna genau an dieser Kante, wodurch bei erhaltender Stabilität des DRUG jetzt die ulnare Kortikalis an der Bruchkante des Radius liegt und hier sperrt. Die multiplanare Darstellung sowie die 3-D-Rekonstruktion des DVT zeigen die eindeutige Indikation für eine technisch schwierige Operation, die von palmar aus im weiteren Verlauf im Universitätsklinikum erfolgte. Spätere Kontrollen mittels DVT zeigen die perfekte Stellung der Fraktur, was erneut mit der multiplanaren Darstellung sowie der 3-D-Rekonstruktion sehr übersichtlich und plastisch möglich ist. Hinweis: Die dichte Struktur im Os lunatum ist kein Metall, sondern eine hochdichte Kompaktainsel.
Sperrende und schmerzende Knochenfragmente im Bereich des ehemaligen DRUG li. bei Z.n. RSL-Teilarthrodese
57-jähriger Mann, der 05/2014 eine distale gelenkbeteiligende Radiustrümmerfraktur links durch Sturz von einem Gerüst aus 2 m Höhe erlitt, die damals offen reponiert und mit einer dorsal liegenden Platte versorgt worden war. Es entwickelte sich innerhalb kurzer Zeit eine massive Radiocarpalarthrose sowie Arthrose im DRUG, weshalb schon im Januar 2015 eine RSL-Teilarthrodese des linken Handgelenkes mit Beckenkamm-Spongiosa und distaler Polresektion am Scaphoid notwendig wurde. Dabei wurden auch Osteophyten am DRUG entfernt und der TFCC mit einem Mitekanker refixiert. Nachdem 2019 erneut zunehmende Schmerzen bestanden, wurde eine DVT Untersuchung des linken Handgelenkes durchgeführt, die zum einen die komplette Durchbauung der Teilarthrodese und zum anderen einige große, im DRUG liegende Knochenfragmente zeigte, die dann im Rahmen einer offenen Exploration 02/2020 entfernt wurden. Dabei waren gerade die 3-D-Aufnahmen, die sehr plastisch und perfekt die Lage der Knochenfragmente in Bezug auf die Elle, das nur noch in Teilen vorhandene DRUG sowie die Handwurzelknochen zeigten, sehr hilfreich für die Operationsplanung.
Erschienen in: SCS Magazin 01-2021
Quellen:
[1] Fiebich M: Maximale Strahlenhygiene und Emp- findlichkeit mittels DVT, Orthopädie und Unfallchirurgie 2019; 09(3), Springer Verlag, pp. 32-33
[2] Neubauer J, Benndorf M, Reidelbach C, Krauß T, Lampert F, Zajonc H, Kotter E, Langer M, Fiebich M, Goerke S. (2016): Comparison of Diagnostic Accuracy of Radiation Dose-Equivalent Radiography, Multidetector Computed Tomography and Cone Beam Computed Tomography for Fractures of Adult Cadaveric Wrists. PLoS ONE 11(10): e0164859. doi:10.1371/journal.pone.0164859
Berlin – Das Einholen einer Zweitmeinung ist jetzt auch im Rahmen einer Videosprechstunde möglich. Der Gemeinsame Bundesausschuss hatte die Richtlinie zum Zweitmeinungsverfahren im März zudem um die Indikation der Amputation bei diabetischem Fußsyndrom ergänzt. Für beide Änderungen wurde nunmehr die Vergütung zum 1. Juli im EBM geregelt.
Bislang erfolgte die Zweitmeinung während eines persönlichen Gesprächs vor Ort. Erfolgt die ärztliche Zweitmeinung nunmehr im Rahmen einer Videosprechstunde (Anlage 31b BMV-Ärzte) sind zu den jeweiligen arztgruppenspezifischen Versicherten-, Grund- oder Konsiliarpauschalen die Gebührenordnungspositionen 01444 (10 Punkte / 1,11 Euro) und 01450 (40 Punkte / 4,45 Euro) berechnungsfähig. Es gelten die gleichen Abrechnungsbestimmungen, wie sie für die Abrechnung der Videosprechstunde außerhalb des Zweitmeinungsverfahrens vorgesehen sind.
Zweitmeinung für fünf Indikationen
Gesetzlich Versicherte haben vor bestimmten planbaren Eingriffen einen Anspruch auf eine zweite ärztliche Meinung als Kassenleistung. Damit soll die Anzahl bestimmter „mengenanfälliger“ Eingriffe, die nicht immer medizinisch geboten sind, verringert werden.
Mit der Ergänzung der Richtlinie zum Zweitmeinungsverfahren um die Amputation bei diabetischem Fußsyndrom ist eine qualifizierte ärztliche Zweitmeinung bei insgesamt fünf Indikationen möglich: Gebärmutterentfernungen, Mandeloperationen, Schulterarthroskopien, Implantationen von Knieendoprothesen sowie künftig Amputationen beim diabetischen Fuß.
Neue Indikation: Amputation bei diabetischem Fußsyndrom
Das neue Zweitmeinungsverfahren bezieht sich auf planbare Minoramputationen (bis unterhalb des Knöchels) oder Majoramputationen (bis oberhalb des Knöchels) bei Diabetikern.
Diese können sich bei einem qualifizierten Zweitmeiner zur Notwendigkeit einer Amputation oder zu alternativen Behandlungsmöglichkeiten ohne Amputation beraten lassen. Notfallmäßige Amputationen, zum Beispiel aufgrund einer akut drohenden Sepsis, sind von der Zweitmeinung ausgenommen.
„Zweitmeiner“ benötigen Genehmigung
Um eine Zweitmeinung abrechnen zu können, benötigen Ärzte eine Genehmigung, die sie bei ihrer Kassenärztlichen Vereinigung beantragen. Der Arzt, der die Zweitmeinung abgibt, rechnet für den Patienten seine jeweilige arztgruppenspezifische Grund- oder Konsiliarpauschale ab. Die Vergütung ist für alle Zweitmeinungsverfahren unabhängig vom jeweiligen Eingriff gleich. Sie erfolgt extrabudgetär.
„Erstmeiner“ müssen über mögliche Zweitmeinung aufklären
Nunmehr können auch Fachärzte, die ihren Patienten zu einer Amputation beim diabetischen Fußsyndrom raten, die Gebührenordnungsposition 01645 (75 Punkte / 8,34) für die Aufklärung und Beratung abrechnen. Denn indikationsstellende Ärzte sind verpflichtet, Patienten vor einem solchen Eingriff über die Möglichkeit einer Zweitmeinung aufzuklären und nötige Unterlagen für den Zweitmeiner bereitzustellen.
Gesetzgeber plant weitere Indikationen
Die Richtlinie zum Zweitmeinungsverfahren wird in Zukunft durch weitere Indikationen ergänzt. Der Gesetzgeber misst dem Thema nach wie vor eine sehr hohe Bedeutung bei. Im geplanten Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetzes (GVWG) soll festgelegt werden, dass der Gemeinsame Bundesausschuss mindestens zwei weitere Eingriffsthemen pro Jahr beschließen muss. Damit haben künftig noch mehr Vertragsärzte die Möglichkeit, sich aktiv als „Zweitmeiner“ zu beteiligen.
Berlin – Aus der Praxis in die App und von dort zur Apotheke – das elektronische Rezept soll nach und nach das Papierrezept ablösen. Los geht es mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, die von der gesetzlichen Krankenversicherung bezahlt werden. Im siebten Teil der Serie TI-Anwendungen erläutern die PraxisNachrichten, wie das funktioniert und wann es startet.
Mit dem elektronischen Rezept (eRezept) wird nach der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung die nächste Massenanwendung über die Telematikinfrastruktur (TI) laufen. Da das Muster 16 bisher viele verschiedene Verordnungsarten und Kostenträger bedient, wird das eRezept in mehreren Schritten eingeführt.
Start mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln zulasten der GKV
Zunächst geht es ausschließlich um die Verordnung von apothekenpflichtigen Arzneimitteln, die von der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bezahlt werden. Diese müssen Vertragsärzte ab dem 1. Januar 2022 als eRezept verordnen. Auch für Patienten ist das eRezept dann Pflicht. Bei Haus- und Heimbesuchen sowie bei technischen Problemen nutzen Ärzte jedoch weiterhin das Papierrezept.
Um die Abläufe in den Praxen und Apotheken zu erproben, geht der Einführung eine Testphase in ausgewählten Praxen der Region Berlin-Brandenburg voraus. Dieser startet am 1. Juli 2021. Alle anderen Praxen können das eRezept noch nicht nutzen. Ab dem 1. Oktober 2021 sollen alle Ärztinnen und Ärzte bundesweit auf freiwilliger Basis in die Nutzung des eRezepts einsteigen können, sofern sie dies wünschen und die technischen Voraussetzungen vorliegen.
Weitere Verordnungen freiwillig oder erst später möglich
Nicht verpflichtend, aber möglich ist das eRezept schon zum Start für apothekenpflichtige Verordnungen für GKV-versicherte Selbstzahler sowie für Verordnungen zulasten der Berufsgenossenschaften und Unfallkassen, sofern die Verordnungssoftware diese Funktionen anbietet. In diesen Fällen ist alternativ weiterhin das Muster 16 verwendbar.
Mehrfachverordnungen können noch nicht adäquat abgebildet werden. Aus diesem Grund sollten diese bis auf Weiteres nicht verordnet werden.
Zukünftig sieht der Gesetzgeber die Digitalisierung weiterer Verordnungen vor. Das betrifft das Ausstellen von T-Rezepten, das Verordnen von Betäubungsmitteln, Hilfsmitteln, Sprechstundenbedarf sowie von sonstigen nach Paragraph 31 SGB V einbezogenen Produkten wie Verbandmittel und Teststreifen sowie von Digitalen Gesundheitsanwendungen.
Nicht möglich ist das eRezept zudem bis auf Weiteres bei Verordnungen, die für Versicherte von Sonstigen Kostenträgern ausgestellt werden. Die Praxen nutzen wie bisher jeweils das entsprechende Papierrezept.
Ersatzverfahren mit Muster 16 nur noch in wenigen Fällen erlaubt
Mit der Einführung des eRezepts ist das Muster 16 bei Verordnungen apothekenpflichtiger Arzneimittel zu Lasten der GKV nur noch in bestimmten Fällen einsetzbar. Das gilt für Haus- oder Heimbesuche sowie in Fällen, in denen die TI, das Internet, der eHBA oder notwendige Soft- oder Hardware nicht verfügbar oder defekt sind. In diesen Fällen können Ärzte auf das Muster 16 zurückgreifen. Gleiches gilt für Verordnungen, bei denen die Versichertennummer im Ersatzverfahren nicht bekannt ist.
Erstellung mit der Praxissoftware
Ärzte stellen für das eRezept wie gewohnt die Verordnungsdaten in ihrer Verordnungssoftware zusammen. Anschließend signieren sie den Datensatz qualifiziert elektronisch und laden ihn auf den eRezept-Server.
Ärztinnen und Ärzte sollten nun bei ihren Patientinnen und Patienten nachfragen, ob sie die eRezept-App nutzen. Ist das der Fall, ist das Ausstellen des eRezepts abgeschlossen. Dann können sie bei der Apotheke ihrer Wahl vorab ein Arzneimittel anfragen, eine Verordnung zuweisen oder einen Data-Matrix-Code erzeugen. Mit dem Abscannen des Codes in der Apotheke ist diese berechtigt, die eRezept-Daten über die TI vom Server abzurufen und die verordneten Arzneimittel auszugeben.
Patientinnen und Patienten, die die App nicht nutzen, benötigen jedoch einen Patientenausdruck, um ihre Arzneimittel in der Apotheke zu erhalten. Den Ausdruck erstellen Ärztin oder Arzt per Knopfdruck direkt aus der Verordnungssoftware. Er muss nicht unterschrieben oder gestempelt werden. Der Ausdruck erfüllt gegenüber der Apotheke die Funktion der App: Die Apotheke scannt den Data-Matrix-Codes des Ausdrucks ab, erhält so Zugang zu den eRezept-Daten auf dem Server und kann die Arzneimittel abgeben.
Elektronische Signatur notwendig
Das eRezept benötigt – analog zum Papier-Rezept – eine Unterschrift des Arztes. Dafür wird die sogenannte qualifizierte elektronische Signatur (QES) genutzt, ein besonders sicheres Verfahren. Da das Stecken des elektronischen Heilberufsausweises in das Lesegerät und die PIN-Eingabe im Praxisalltag zu viel Zeit benötigen, konnte die KBV die Komfortsignatur durchsetzen. Hier geben Ärzte für einen bestimmten Zeitraum jeweils bis zu 250 Signaturen frei. Es können auch mehrere Dokumente in einem Vorgang signiert werden, etwa mehrere Verordnungen für einen Patienten. Für die Komfortsignatur benötigen Ärzte jedoch ein weiteres Software-Update aufbauend auf dem ePA-Konnektor, das diese Funktion unterstützt (PTV4+-Konnektor). Dies soll ab Juli verfügbar sein.
Die Stapelsignatur, ein anderes sicheres Signaturverfahren, das bereits mit dem E-Health-Konnektor funktioniert, ist für das eRezept weniger geeignet, da Patienten ihr Rezept in der Regel sofort erhalten wollen. Hier würden Ärztinnen und Ärzte zu einem bestimmten Zeitpunkt einen vorbereiteten Dokumentenstapel auf einmal signieren und dafür ihre PIN eingeben.
Praxen benötigen weitere Technik
Neben dem Anschluss an die TI mit einem ePA-Konnektor, der die Komfortsignatur beherrscht, benötigen Praxen für das eRezept ein Update des PVS. Hier sind die Anbieter unterschiedlich weit. Weitere Informationen können Praxen bei ihrem PVS-Hersteller einholen. Daneben ist ein eHBA für die Signatur notwendig. Praxen erhalten eine Erstattung für die Technikkosten (siehe Infokasten).
Patientinnen und Patienten benötigen für die Nutzung des eRezepts via App eine elektronische Gesundheitskarte (mit CAN und PIN), die die sogenannte Near Field Communication (NFC) ermöglicht. Die Ausgabe dieser Karten hat erst begonnen.
Weitere Informationen zum eRezept
Auf ihrer Themenseite informiert die KBV detailliert und aktuell zum eRezept. Neben einer ausführlichen Praxisinformation stehen dort auch häufige Fragen und Antworten zum eRezept bereit. Ein Video folgt in den nächsten Wochen.
Berlin – Die nachfolgenden Abrechnungsempfehlungen im Rahmen der COVID-19-Pandemie wurden erneut verlängert:
Verlängerung der gemeinsamen Abrechnungsempfehlung von BÄK, PKV-Verband und der Beihilfekostenträger für die Erfüllung aufwändiger Hygienemaßnahmenim Rahmen der COVID-19-Pandemie: Bis zum 30.09.2021
Verlängerung der gemeinsamen Abrechnungsempfehlung von BÄK, BPtK, PKV-Verband und der Beihilfekostenträger für telemedizinische Erbringung von psychiatrischen und psychotherapeutischen Leistungen und interdisziplinäre und/oder multiprofessionelle Videokonferenz im Rahmen der COVID-19-Pandemie: Bis zum 30.09.2021
Die Beteiligten vertreten die Sichtweise, dass die Empfehlung zur Hygieneziffer voraussichtlich letztmalig verlängert wurde. Sollte sich die Dynamik des Infektionsgeschehen wider Erwarten negativ entwickeln, treten die Beteiligten zeitnah in den Austausch.
Berlin – Der Infobrief 2 2021 ist erschienen! Dieser Infobrief informiert Sie über die Fortschritte der regenerativen Medizin in der Orthopädie. Die Beiträge zeigen, dass wir gerade eine zunehmende Biologisierung der Therapien erleben. Dieser Trend ist die radikalste Antwort auf die enormen Herausforderungen durch die vielen altersbedingten muskuloskeletalen Erkrankungen, mit denen wir tagtäglich konfrontiert werden. Wir helfen unseren Patientinnen und Patienten am besten, wenn wir ihre Knorpelschäden frühzeitig reparieren oder durch kluge Prävention dafür sorgen, dass erst gar keine Knorpelschäden auftreten. Eine kurative und präventive Medizin ist immer besser als eine rein symptombezogene Medizin. Beides ist allerdings nicht so einfach. Die Zeitschrift informiert BVOU-Mitglieder wie immer auch über Themen aus Verbandsarbeit, Berufspolitik und O&U.
Den Infobrief erhalten BVOU-Mitglieder in diesen Tagen zugeschickt. Lesen Sie hier das Heft online.
Nachdem im Jahr 2016 eine intensive Diskussion um Korruption im Gesundheitswesen begann, haben sich die Arbeitsbedingungen auch im ärztlichen Dienst verändert. Die §§ 299 a,b StGB führten zu einer Anpassung von Honorararzttätigkeiten mit veränderten Verträgen zwischen Ärzten und anderen Gesundheitsdienstleistern. Viele Krankenhäuser kündigten langjährige Verträge oder verhandelten veränderte Konditionen.
Fünf Jahre nach dem Beginn der öffentlichen Auseinandersetzung möchte das Referat Wirbelsäulegemeinsam mit dem BDNC und BVOU durch diese Umfrage Bilanz ziehen. Wir wollen auswerten, wie Kollegen mit dem Thema umgegangen sind, die freiberuflich in eigener oder Gemeinschaftspraxis arbeiten und zusätzlich in Krankenhäusern an der Wirbelsäule operieren.
Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie als niedergelassener Arzt an dieser anonymen Umfrage teilnehmen.