Laut der Global-Burden-of-Disease-Studie zählen muskuloskelettale Schmerzen zu den führenden Ursachen einer beeinträchtigten Gesundheit [GDB 2019]. Der typische Arthrosepatient ist älter als 45 Jahre, hat mehr als eine Komorbidität, nimmt in der Regel multiple Medikationen und hat darüber hinaus noch andere altersbedingte muskuloskelettale Veränderungen.
Nicht-Opioid-Analgetika (NOPA)
Paracetamol: Paracetamol wird in Leitlinien nicht mehr empfohlen wird. Die analgetische Wirkung ist zu gering und die freie Verfügbarkeit für den Patienten führt schnell dazu, dass der Patient mit seiner Dosierung in einen hepatotoxischen Bereich kommt.
Metamizol: Metamizol ist gut verträglich und ein sehr verbreitetes Präparat zur Schmerzlinderung. Es ist als Schmerzmittel im Bereich von O&U weit verbreitet, hat jedoch kein Label für die Erstanwendung bei der Arthrose. Die primäre Indikation liegt im Bereich der perioperativen Schmerztherapie sowie bei Schmerzzuständen, die anders schon frustran gehandelt wurden. Daneben ist dringend eine Risiko- und Sicherungsaufklärung zu beachten (Jerosch et al. 2017).
NSAR: NSAR stellen eine weitgehend heterogene Gruppe dar, welche eine nicht-selektive und reversible Hemmung der Cyclooxygenasen (COX-1 und COX-2) bewirken. Hierbei unterscheiden sie sich von den Coxiben, die hoch-selektiv COX-2 hemmen. Gastrointestinale sowie kardiovaskulären Nebenwirkungen von sind jedoch von erheblicher Relevanz [Pelletier et al. 2016]. Hierbei wurde die Hemmung von COX-2 mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko assoziiert [Rao et al. 2008], weshalb diese bei erhöhtem kardiovaskulärem Risiko kontraindiziert sind. Hier bietet die topische Applikation von NSAR in Form von Gelen oder Pflastern eine sehr gute Alternative. Aufgrund der zu erwartenden geringeren systemischen Exposition gegenüber einer oralen Gabe ist das Risiko für unerwünschte Nebenwirkungen bei dieser Applikationsform deutlich verringert bei vergleichbarer Wirksambarkeit [Derry et al. 2016].
Wichtig ist, dass NSAR und COX-Hemmer niemals kombiniert werden, da sich die Nebenwirkungen dabei ebenfalls addieren. Zu Dosierungen und Kontraindikationen für einige der wichtigen NOPA siehe Tab.1.
Tab.1: Risikoprofil von NOPAs (Freys S, Pogatzki-Zahn E, 2020)
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Verabreichungsform |
Dosierungen bei (gesunden) Erwachsenen* |
Kontraindikationen |
Diclofenac
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p.o.
supp.
i.m./s.c. |
3 x 50 mg/d
retard: 2 x 75mg/d
25-100 mg 2-3x/d
75-150 mg einmaligMaximale Tagesdosis:
200 mg (2 mg/kg) |
Allergie, Asthma, COPD,
Ulzera im Gastrointestinaltrakt, Anamnese chronischer Magen-Darm-Beschwerden,
koronare Herzerkrankung und Herzinsuffizienz (NYHA II-IV),Z.n. Herzinfarkt oder Apoplex,akute oder chronische Niereninsuffizienz (Kreatininclearance < 30 ml/min), schwere Leberfunktionsstörungen (Albumin < 25 g/l),
Volumenmangel, Schock,
Porphyrie, Schwangerschaft und Stillzeit |
Parecoxib |
i.v. |
2 x 20–40 mg/d
Maximale Tagesdosis:
80 mg |
Allergie, Asthma,
aktives peptisches Ulkus oder akute gastrointestinale Blutung,
koronare Herzerkrankung und Herzinsuffizienz (NYHA II-IV),
Z.n. Herzinfarkt oder Apoplex,
akute oder chronische Niereninsuffizienz (Kreatininclearance < 30 ml/min), schwere Leberfunktionsstörungen (Albumin < 25 g/l),
Schwangerschaft, Stillzeit,
nicht eingestellter Hypertonus (relativ) |
Ibuprofen
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p.o.
supp.
i.v./s.c. |
2-3 x 200-800 mg/d
retard: 2-3 x 800 mg/d2-4 x 600 mg/d
2-3x/400-600 mg
Maximale Tagesdosis:
2400 mg |
Allergie, Asthma, COPD,
Ulzera im Gastrointestinaltrakt, Anamnese chronischer Magen-Darm-Beschwerden,
schwere Leber-, Nieren- oder Herzinsuffizienz,
Volumenmangel, Schock,
Schwangerschaft (3. Trimenon) und Stillzeit (bei unreifen Neugeborenen bzw. ductusabhängigen Vitien) |
Metamizol
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p.o.
supp.
i.v. |
4 x 500-1000 mg/d
3-4 x 20-40 Trpf.
20 Trpf. = 500 mg
3-4 x 1000 mg
1 g/ 2,5 gMaximale Tagesdosis:
5 – 6 g |
Allergie, Asthma,
Volumenmangel, Schock
Hämatopoesestörungen (Leuko-, Granulozytopenie),
Porphyrie,
Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenasemangel,Schwere Leber- und Niereninsuffizienz
Schwangerschaft, Stillzeit |
Paracetamol
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p.o.
supp.
i.v. |
3-4 x 500-1000 mg
Maximale Tagesdosis:
4 g |
Bekannte Unverträglichkeit,
schwere Leber- und Niereninsuffizienz,
Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel,
Alkoholabusus, chronische Mangelernährung |
*Bei älteren Patienten ggf. reduzieren
Insoweit NSAR nicht ausreichend wirksam sind, kontraindiziert sind oder das Risiko für unerwünschte Wirkungen erhöht sind, wird nach der AWMF-Gonarthroseleitlinie die Verwendung von Glucosamin oral, Hyaluronsäure oder Corticosteroiden intraartikulär empfohlen.
Glucosamine: Die orale Gabe von Glucosaminen oder vergleichbaren Nahrungsergänzungsmitteln wirkt sehr langsam und zeigen erst nach 4-8 Wochen einen eventuell positiven Effekt (Bruyere et al. 2004, Clegg et al. 2005, Kahan et al. 2008).
Intraartikulare Corticoidgabe: Corticosteroide haben den raschesten Wirkeintritt und sind für etwa 3 Monate wirksam (Jerosch/Heisel 2010, Jerosch 2015). Bei Patienten, bei denen ein entzündlicher Schub einer Gonarthrose (aktivierte Arthrose) im Vordergrund steht, kann die intraartikuläre Applikation eines Steroids in Betracht gezogen werden.
Die Kombination Corticosteroid/Hyaluronsäure kann zu einer schnellen Linderung der Beschwerden führen. Eine Metaanalyse von Bannuru et al. (2015) konnte zeigen, dass die alleinige Injektion von Corticosteroid bis zu 4 Wochen hinsichtlich Schmerzreduktion effektiver war, als die Injektion von Hyaluronsäure alleine. Zwischen der 4. und 8. Woche waren die Ergebnisse vergleichbar und nach der 8. Woche zeigte die alleinige Applikation von Hyaluronsäure eine größere Effektivität.
Intraartikulare Hyaluronsäure (HA): HA wird seit mehreren Jahrzehnten bei der symptomatischen Behandlung von Arthrosen eingesetzt. Trotz einer Vielzahl an wissenschaftlichen Untersuchungen ist die Wirksamkeit dieser Therapieform in der Literatur nach wie vor umstritten. Eine klinisch relevante Schmerzhemmung wird in neueren und hochwertigen Metaanalysen beschrieben.
Die ESCEO-Gruppe formuliert eine praxisorientierte Argumentation und beschreibt Patienten, die besonders von einer HA-Therapie profitieren können. Die intraartikuläre Applikation von HA stellt aufgrund anderer Nebenwirkungen eine Behandlungsalternative zu NSAR dar, insbesondere bei Patienten, für die es Kontraindikationen für NSAR gibt. Auch kann die intraartikuläre HA Applikation zu einem verminderten Verbrauch an NSAR führen. Während Rutjes et al. (2012) relevante Nebenwirkungen bei der Verwendung von HA sahen, stellten Bannuru et al. (2015) weniger Studienabbrüche bei HA aufgrund von unerwünschten Wirkungen im Vergleich zu oralen Therapien (NSAR, Paracetamol) fest. Auch hat die intraartikuläre HA Applikation andere unerwünschte Wirkungen als die oralen Behandlungsoptionen wie beispielsweise NSAR, Opioide und Paracetamol. So sind Gelenkreaktionen nach intraartikulärer HA Applikation normalerweise mild und moderat mit nur geringem Knieschmerz, welcher durch Schonung, Eis und Analgetika gut zu behandeln ist. Die Beschwerden dauern üblicherweise nur wenige Tage an. Eine lokale oder allgemeine Überempfindlichkeitsreaktion ist selten.
HA-Präparate haben eine Wirkdauer von 6-12 Monaten. Die Effektgröße hinsichtlich Schmerz in Metaanalysen liegt zwischen 0,34 (0,22 – 0,46) und 0,63 (0,36 – 0,88); Effektgröße nach 4 Wochen ist besser als bei anderen pharmakologischen Behandlungen (Cox-2, NSAIDs, i.a. Corticoid und Paracetamol) (Henrotin et al. 2015). Insgesamt gibt es mehr als 100 vermarktete HA-Produkte weltweit. Diese differieren erheblich hinsichtlich des Ursprungs (tierische oder bakterielle Fermentation), des Molekulargewichtes (von 0,7 bis 3 MDa), der molekularen Struktur (linear, cross-linked, mixed oder beides), der Methode der cross-link Konzentration (0,8 bis 30 mg/ml), dem rheologischen Verhalten (Gel oder flüssig). Einige sind assoziiert mit anderen Molekülen (Mannitol, Sorbitol, Chondroitin Sulfat) mit unterschiedlichen Konzentrationen. Auf Grund dieser Rahmenbedingungen gibt es keine einzelne Klasse von HA-Produkten. Metaanalysen zeigen jedoch eine Überlegenheit von HA mit hohem Molekulargewicht (Vannabouathong et al. 2018, Hummer et al. 2019, Altman et al. 2016, Bhandari et al. 2017).
Durch eine gute Wahl des Injektionszeitpunktes, Berücksichtigung der Kellgren Lawrence Situation, der Co-Medikation sowie der Co-Therapie wird man den Effekt von Hyaluronsäuren auch optimieren können (Conrozier et al. 2020).
Während die oben genannten Therapieansätze rein als Schmerzreduktion anzusehen sind (SYSADOA) ergeben sich bei hochmolekularen Hyaluronsäuren durchaus auch Hinweise auf eine Beeinflussung der Knorpelstoffwechsel an sich (DMOAD). Insbesondere französische rheumatologische Arbeitsgruppen konnten zeigen, dass bei der intraartikulären Gabe von hochmolekularen Hyaluronsäuren eine Reduzierung des CTX-II nachweisbar ist und somit der Knorpelstoffwechsel an sich positiv beeinflusst wird (Henrotin et al. 2013, Conrozier et al. 2012). Der DMOAD Effekt wird in der Zukunft zunehmend interessanter werden (Henrotin et al. 2020). Aus den o.g. Gründen sind Hyaluronsäuren zwischenzeitlich in vielen internationalen Arthrose-Leitlinien als positiv bewertet worden.
PRP: Plättchenreiches Plasma (PRP) sowie vergleichbare Präparate (APC: Autologes Plättchenkonzentrat, ACS: Autologes konditioniertes Serum, BCS: blood clod secretom) werden im Rahmen der Injektionstherapie zunehmend im klinischen Alltag verwendet und in der Literatur evaluiert. Die Zubereitungsformen sind je nach Firma jedoch sehr unterschiedlich, sodass PRP nicht gleich PRP ist. PRP zeigt im Rahmen knorpelregenerativen Maßnahmen in Grundlagenarbeiten einen Vorteil bezüglich der Chondrozytenpoliferation und der Produktion von extrazellulärer Matrix. Ein fraglicher Effekt besteht auch in der klinischen Anwendung nach Mikrofrakturierung.
Ein Konsensuspapier der ESSKA (European Society of Sports Traumatology, Knee Surgery & Arthroscopy) von 2022 fasst die Ergebnisse von klinischen Studien der Stufen I und II sowie zusätzliche prospektive Studien zusammen (https://cdn.ymaws.com/www.esska.org/resource/resmgr/docs/consensus_projects/2203_orbit_brochure_spread.pdf). Es belegt die Wirksamkeit von PRP bei der Behandlung von Kniearthrose. Die Konsensusgruppe kommt zu dem Schluss, dass es genügend präklinische und klinische Belege gibt, um die Verwendung von PRP bei Kniearthrose zu empfehlen bzw. zu unterstützen. Die Überlegenheit von Präparaten einzelner Hersteller ist aufgrund der Datenlage noch nicht möglich.
Infiltrationskombinationstherapien
In der Literatur und im klinischen Alltag haben sich unterschiedliche Infiltrationskombinationstherapien entwickelt und teilweise bereits etabliert.
Cortison mit Lokalanästhesie: Diese Kombination führt aufgrund der Lokalanästhesiekomponente zu einer raschen Schmerzlinderung. Es hat sich jedoch gezeigt, dass Lokalanästhesie auch eine schädigende Wirkung auf Knorpelzellen haben, dieses insbesondere in experimentellen Studien. Durch das Cortison kommt es zu einer Reduktion der entzündlichen Komponente im Gelenk. Es ist jedoch auch ein schädigender Effekt auf Knorpelzellen bekannt.
Cortison mit Hyaluronsäure: Die Kombination von Cortison mit Hyaluronsäure wird im klinischen Alltag schon lange verwendet. In experimentellen und klinischen Studien zeigen sich hier vielversprechende Ergebnisse (Moser et. al.2021), sie konnten zeigen, dass bei kultivierten Knorpelzellen mit drei verschiedenen Lokalanästhetika (Lidocain, Bupivacain, Ropivacain), mit Cortison / Hyaluronsäure sowie der Kombination von Cortison und Hyaluronsäure, die Kombination mit der Hyaluronsäure zu einer geringeren Knorpelschädigung führt, als wenn Cortison und Lokalanästhetikum alleine verwendet wird. Bauer et al. (2016) zeigten in einer experimentellen Untersuchung, dass Cortison gemeinsam mit Hyaluronsäure sowohl einen antiinflammatorischen Effekt als auch gleichzeitig einen knorpelschonenden Effekt zeigt.
Hangody et al 2018 untersuchten in einer multizentrischen RCT den klinischen Effekt von Hyaluronsäure in Kombination mit Cortison bei der Gonarthrose. Als Placebo wurde Kochsalz verwendet. Hier zeigte sich, dass die Kombinationstherapie von Cortison und Hyaluronsäure dem Placebo in den ersten Wochen klinisch überlegen war.
Hyaluronsäure und PRP: Die Hyaluronsäure mit PRP zeigte in Metaanalysen, dass PRP gemeinsam mit Hyaluronsäure sowohl im WOMAC-Score als auch beim VAS-Score nach 12 Monaten bessere Ergebnisse zeigte als die alleinige Hyaluronsäuregabe (Karasavvidis et al. 2021, Bansal et al. 2021, Kim et al. 2021, Baria et al. 2022).
Opioide: Für Patienten mit chronischem Arthroseschmerz sind Opioide gemäß LONTS nur nach dem Versagen nicht-medikamentöser Therapie und/oder der Wirkungslosigkeit bzw. Kontraindikation anderer Analgetika und/oder einem nicht durchführbaren bzw. nicht gewünschten Gelenkersatz indiziert. Allgemein scheint jedoch gerade bei älteren Patienten eine Opioidgabe nur mit geringer analgetischer Wirkung und funktionaler Verbesserung bei gleichzeitig erhöhtem Nebenwirkungsrisiko beim Arthroseschmerz einherzugehen [Megale et al. 2018]. Schwach wirkende Opioide können bei nicht operablen Patienten oder Patienten, die für kurze Zeit bis zu einer Operation begleitet werden, sinnvoll sein. Hier muss jedoch auf eine adäquate Ko-Medikation geachtet werden, um unerwünschten Wirkungen der Opioide zu begegnen (LONTS Leitlinien).
Bisphosphonate: Bisphosphonate können eventuell einen positiven Effekt auf Schmerzen beim Knochenödem haben, jedoch keinen positiven Effekt auf den Gelenkknorpel (Cai et al. 2020).
Antikörper: Klinische Studien zeigten die Effektivität von monoklonalen Antikörpern gegen den Nervenwachstumsfaktor (NGF) für die Therapie von Arthroseschmerzen. Allerdings wurde dieser Therapie durch die FDA die endgültige Zulassung versagt, weil die sie in einzelnen Fällen mit einer rasch progredienten Arthroseentwicklung verbunden war. Dennoch werden in der Forschung derartige Konzepte weiter evaluiert (Schaible 2021).
Prof. Dr. med. Dr.h.c. Jörg Jerosch
Neuss
Literatur auf Anfrage bei der Redaktion.