Archiv für den Monat: September 2023

Stimmung in ambulanter Versorgung auf dem Tiefpunkt

Die Stimmung unter den 185.000 in Deutschland niedergelassenen Haus- und Fachärzt:innen sowie Psychotherapeut:innen ist auf einem historischen Tiefpunkt angelangt. Waren noch 2019 lediglich 30 Prozent der Befragten mit ihrer Situation in der Niederlassung unzufrieden, stieg dieser Wert in den beiden Folgejahren bereits auf 41 (2020) bzw. 45 Prozent (2021) an. Anfang 2023 haben schon 55 Prozent der Niedergelassenen ihre berufliche Situation als schlecht bzw. sehr schlecht eingeschätzt.

Die Bewertung der Rahmenbedingungen für die Berufsausübung fällt für die einzelnen Fachgebiete unterschiedlich aus. So schätzten die Praxisinhaber:innen in den Fachgebieten Psychotherapie sowie Psychosomatische Medizin und Psychotherapie ihre Lage vergleichsweise positiv ein. Von ihnen beschrieben nur 37 bzw. 45 Prozent ihre Situation in der Niederlassung als schlecht oder sehr schlecht. Im Gegensatz dazu kamen jeweils über 70 Prozent der Inhaber:innen gynäkologischer und orthopädischer Praxen zu einer negativen Bewertung. Im größten Fachgebiet der hausärztlichen Allgemeinmedizin und Inneren Medizin wurde die Lage von 60 Prozent der Niedergelassenen als schlecht bis sehr schlecht bewertet.

Das sind die Kernergebnisse einer Umfrage im Rahmen des Zi-Praxis-Panels (ZiPP), mit dem das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) die Stimmung in den knapp 100.000 Arzt- und Psychotherapiepraxen in Deutschland beleuchtet hat. An der jüngsten ZiPP-Erhebung nahmen 3.401 Praxisinhaber:innen teil.

„Unser Barometer zeigt ein besorgniserregendes Stimmungsbild in den ambulanten ärztlichen und psychotherapeutischen Praxen in Deutschland. Mehr als die Hälfte der Teilnehmenden bewertet die Rahmenbedingungen für ihren Praxisalltag zutiefst negativ. Das ist ein mehr als deutliches Warnzeichen. Kostensprünge und Bürokratielast zehren die Praxen aus. Mangelnde Wertschätzung durch die Politik und handfeste wirtschaftliche Nachteile demotivieren die Praxisinhaber:innen zunehmend. Diese äußert sich unter anderem in zahllosen Regressandrohungen, im Zwang eine dysfunktionale Telematikinfrastruktur implementieren zu müssen, die den Praxisbetrieb lahmlegt, und in der unzureichenden Weiterentwicklung der Finanzierung durch die Krankenkassen. Die Folge: Der medizinischen Versorgung werden die Praxen ausgehen. Wer aufhört, findet immer seltener Nachfolgende für die Praxis “, sagte der Zi-Vorstandsvorsitzende Dr. Dominik von Stillfried.

Unter Verweis auf den anstehenden Generationswechsel in den Praxen, forderte Stillfried, dass die Rahmenbedingungen für die Niederlassung attraktiver gestaltet werden müssten: „Schon jetzt sind bundesweit fast 6.000 Arztsitze unbesetzt, weil die Niederlassung im Vergleich zu anderen Möglichkeiten der ärztlichen Berufstätigkeit an Attraktivität eingebüßt hat. Von der Schließung sind auch Medizinische Versorgungszentren mit angestellten Ärztinnen und Ärzten bedroht. Denn die ambulante ärztliche Versorgung ist chronisch unterfinanziert. Aktuell besteht eine Finanzierungslücke von 1,8 Milliarden Euro. Und die Praxen werden immer weiter abgehängt: Während die Krankenkassen für ärztliche und psychotherapeutische Behandlungen im 1. Quartal 2023 nur um 1,6 Prozent mehr ausgegeben haben, schnellten die Ausgaben für Krankenhäuser mit 7,7 Prozent nach oben. In der Sorge um eine Existenzsicherung der Kliniken wird leider immer wieder übersehen, dass die Praxen das Fundament der medizinischen Versorgung in Deutschland sind. Sie behandeln weit mehr als das Zwölffache dessen, was Krankenhäuser ambulant leisten. Fallen die Praxen zunehmend aus, werden Lücken gerissen, die die jetzt schon völlig überforderten Krankenhäuser niemals werden füllen können. Die Politik kann das Ruder herumwerfen oder sehenden Auges in den Praxenkollaps steuern“, mahnte der Zi-Vorstandsvorsitzende.

Manuelle Medizin – mehr als bloßes Einrenken

Im Interview mit Dr. med. Hein Schnell berichtet der Experte über die faszinierende Welt der manuellen Medizin. Die sanfte Methode der Behandlung von Funktionsstörungen des Bewegungsapparates ermöglicht es, Rückenschmerzen, Gelenkprobleme und Verspannungen effektiv zu lindern. Doch wie lassen sich Kompetenzen auf dem Gebiet am besten vermitteln? Der Kursleiter des ADO-Workshops Manuelle Medizin am 25.10.23 in Berlin kennt darauf eine Antwort.

Welche manuellen Kompetenzen lehren Sie im DKOU Workshop, die nicht schon im Studium und der Weiterbildung vermittelt werden?
Dr. Hein Schnell: Gut, dass Sie das ansprechen. Manuelle Kompetenzen gehen leider in den letzten Jahren zusehends verloren und werden immer weniger vermittelt. Wichtig ist uns, dass die Teilnehmenden sensibilisiert werden für ihr eigenes Tastvermögen, viele sind sich dessen nämlich gar nicht bewusst. Die Teilnehmenden werden erstaunt sein, was man alles tasten kann.

Welche praktischen Übungen werden in dem DKOU-Workshop durchgeführt, um das palpatorische Empfinden zu schulen und anatomische Strukturen zu tasten?
Dr. Schnell: Wir werden sowohl an speziellen Haptik-Kits den Tastsinn schulen, als auch gegenseitig knöcherne und myofasziale Strukturen palpieren. Wichtig wird hierbei die anatomische Orientierung sowie auch das Detektieren feiner Nuancen in der Gewebetextur, die wir anfangen werden wahrzunehmen.

Wie unterstützt der Workshop das Verständnis des Tastens und der manuellen Diagnostik? Können Sie ein Beispiel für eine typische manualmedizinische Befundung nennen, die in diesem Workshop erlernt wird?
Dr. Schnell: Wir werden einen grundlegenden Algorithmus kennenlernen und verstehen, was eine segmentale Dysfunktion (vulgo: Blockierung) eigentlich ist. Und, die Teilnehmenden werden nach dem Workshop in der Lage sein, im Bereich der HWS-Nackenregion typische myofasziale Befundkonstallationen zu erkennen und zu behandeln.

Wie wird vermittelt, welche therapeutischen Wirkungen durch die manuelle Medizin erzielt werden können?
Dr. Schnell: Hierzu wird es einen interaktiven Vortrag geben, bei dem gemeinsam eine Schema-Skizze erarbeitet wird, aus der die neurophysiologischen Zusammenhänge klar werden. Auf diese Skizze werden wir in den praktischen Teilen dann immer wieder zurückkommen.

Gibt es spezifische Indikationen, die zur Durchführung manualmedizinischer Interventionen führen?
Dr. Schnell: Die Indikation zur manualmedizinischen Intervention ergibt sich immer aus dem Vorliegen einer Funktionsstörung. Diese kann mit und ohne, bzw. wegen einer Strukturpathologie auftreten.

Können Sie dafür ein Beispiel geben?
Dr. Schnell: Ja, ein Kniegelenk kann ohne jegliche Strukturpatholgie schmerzen und dysfunktional werden. Ein Arthroseknie entwickelt in der Regel ebenfalls Funktionsstörungen. In beiden Fällen hilft häufig die manuelle Therapie, auch wenn im Falle der Arthrose natürlich keine kausale Therapie stattfindet. Gleichwohl können Betroffene mit manueller Hilfe oft lange, teilweise über Jahre, einen operativen Eingriff hinauszögern, und das vollkommen risikofrei.

Herr Dr. Schnell, vielen Dank für das Gespräch. 

Das Interview führte Janosch Kuno, Pressearbeit

Kassen argumentieren weiter grob falsch: Praxisärzte erneuern 15-Prozent-Forderung

Berlin  – In der Diskussion um die aktuellen Finanzierungsgespräche für die Zukunft der ambulanten Versorgung in Deutschland erneuert der Virchowbund seine Forderung: Die Praxen müssen im nächsten Jahr mindestens 15 Prozent mehr GKV-Budget erhalten.

„Personalkosten sind mit rund 60 bis 70 Prozent der mit Abstand größte Kostenblock einer Arztpraxis“, erklärt Dr. Dirk Heinrich, Bundesvorsitzender des Virchowbundes. „Die deutlichen Tarifsteigerungen bei den Medizinischen Fachangestellten (MFA) in den letzten Jahren wurden bislang noch nicht gegenfinanziert. Viele Praxen wollen angesichts der Inflation ihren MFA das Gehalt aufstocken, können das aber wirtschaftlich nicht mehr leisten.“ Von 2018 bis 2021 nahmen die Personalaufwendungen um mehr als 22 Prozent zu.

Der Orientierungspunktwert (OPW) ist in den letzten 10 Jahren weit unter der Inflationsrate angestiegen. Um die Preisentwicklung – auch im Vergleich zum Krankenhaus-Sektor – aufzuholen, hat der Virchowbund errechnet, dass mindestens 15,4 Prozent mehr Mittel für die ambulante Versorgung notwendig sind. Auch der medizinische Bedarf durch Patienten steigt kontinuierlich, was mehr Arbeit und mehr Kosten für die Praxen verursacht.

Die aktuelle Interpretation der Krankenkassen der destatis-Zahlen zum Reinertrag ist „grob falsch und bewusst irreführend“, sagt Dr. Heinrich. „Die Zahlen suggerieren ein ärztliches Pro-Kopf-Einkommen. Der Reinertrag bemisst sich aber pro Praxis, muss also unter mehreren Ärzten aufgeteilt werden.“ Vom Reinertrag müssen außerdem Kranken- und Rentenversicherung zu 100 Prozent (anders als bei Angestellten) und Steuern in Höhe von rund 35 Prozent abgezogen werden. Dazu kommen Finanzierungskosten für die Praxis (z. B. Kredite) und Mittel für notwendige Investitionen. „Ertrag ist eben nicht dasselbe wie Einkommen.“

Zudem hält der Virchowbund-Bundesvorsitzende die Datenbasis des Statistischen Bundesamtes für fragwürdig: „Dort geht man von knapp 65.000 Arztpraxen aus, während die Kassenärztliche Bundesvertretung rund 100.000 verzeichnet. Gut möglich, dass destatis nur Daten jener Praxen hat, die groß genug sind, um sich einen Steuerberater zu leisten. Das würde die Zahlen zu den durchschnittlichen Erträgen natürlich grob verfälschen.“

Eine solide Datenbasis bieten die Berechnungen des Zentralinstituts für die Kassenärztliche Versorgung (Zi), das u. a. einen Nettostundensatz von 39 bzw. 45 Euro für niedergelassene Ärzte ermittelt hat. Einem Oberarzt im Krankenhaus bleiben nach Tariflohn 10 Prozent netto mehr.

„2021 hatten die Ärzte und Praxisteams durch die Pandemie und die Impfungen eine ungeheure Arbeitsbelastung, die sogar das normale Wochenpensum von durchschnittlich 49 Stunden noch einmal stark angehoben hat. Natürlich hat diese Mehrarbeit durch Impfungen, Testungen und Behandlungen auch zu mehr Umsatz geführt – aber auch zu mehr Kosten für Personal, Schutzkleidung etc.“

15 Prozent mehr Finanzmittel für die ambulante Versorgung kommen vor allem den Medizinischen Fachangestellten zugute. Diese demonstrieren am 8. September 2023 erneut u. a. für eine „vollumfängliche, staatliche Gegenfinanzierung der verhandelten Tariferhöhung“. Der Virchowbund hat seine Mitglieder dazu aufgerufen, die Demonstration zu unterstützen.

Quelle:  Virchowbund

Stürmischer Herbst steht bevor: Protestaktionen gegen die Gesundheitspolitik

Bundesweit protestieren Vertragsarztpraxen und Kliniken gegen die Gesundheitspolitik der Bundesregierung. Es mangelt an Wertschätzung und an einer tragfähigen Finanzierung der Versorgung – mit verheerenden Folgen, wie Praxis- und Klinikschließungen, Aufnahmestopps und längeren Wartezeiten auf Termine.

Hier eine Übersicht über die nächsten Proteste. Ausführliche Informationen auch im Downloadbereich.

Termin Ort Titel
8. September 2023 Berlin MFA-Protest: Rote Karte für die Gesundheitspolitik
13. September 2023 Lahnstein Koblenz LAHNSTEIN92 – Schluss mit Budgetierung und Bedarfsplanung
20. September 2023 Berlin Alarmstufe Rot – Kliniken im Protest
2. Oktober 2023 BUNDESWEIT Unter dem Titel „Praxis in Not“ sollen am 2. Oktober 2023 Arztpraxen sowie psychotherapeutische Praxen geschlossen werden, um auf die „alarmierende Situationin der ambulanten Versorgung“ hinzuweisen
Berlin gemeinsamer Spaziergang zum Bundesgesundheitsministerium und eine dortige symbolische Rückgabe von Arztkitteln
Nürnberg Von 13 bis 15 Uhr  gibt es einen Informationsstand auf dem Hallplatz, Initiator ist die Virchowbund-Landesgruppe Bayern. Wer mitmachen möchte, soll in ärztlicher Arbeitskleidung kommen.
6.12.2023 Bremen Lichthof der KV Bremen
27. -29. 12.23 bundesweit Praxis in Not: Virchowbund ruft zu Praxisschließungen im Dezember auf

Rote Karte für die Gesundheitspolitik: Aufwertung der Gesundheitsberufe und Fachkräftesicherung gefordert!

Berlin – Die Gesundheitspolitik schenkt derzeit der ambulanten Medizin zu wenig Beachtung, dies gilt insbesondere auch für die personelle Situation in Arztpraxen. Mit Verweigerung eines Corona-Bonus, Spargesetzen, die die ambulante Versorgung schwächen und einer weiterhin fehlenden effizienten Digitalisierung heizt sie den immensen Fachkräftemangel in der ambulanten Versorgung weiter an. Viele MFA verlassen ihren Beruf oder wandern ins Krankenhaus ab.

Dabei geht es ohne MFA nicht. Die Gesundheitsleistungen, die in einer Praxis angeboten werden, sind immer eine Teamleistung, hier kümmern sich Ärztinnen und Ärzte gemeinsam mit dem medizinischen und nicht-medizinischen Fachpersonal um die Patientenversorgung. Nach einer SpiFa-internen Umfrage beschäftigen drei Viertel der Facharztpraxen mindestens vier oder mehr nichtärztliche Fachkräfte.

Hierzu Dr. Dirk Heinrich, Vorstandsvorsitzender des SpiFa: „Unsere MFA leisten hervorragende, engagierte und auch schwere Arbeit. Das ist bewundernswert. Ich freue mich jeden Tag auf die sehr vertrauensvolle Zusammenarbeit mit meinen MFA. Diese Teamarbeit trägt mich durch den Tag. Im Übrigen sind leistungsfähige Praxen ohne unsere MFA nicht denkbar. Ein Beispiel: im Durchschnitt behandelt ein HNO-Arzt mit MFA bis zu 1.300 Patientinnen pro Quartal. Privatpraxen ohne MFA nur etwa 250.“

Aus Sicht von SpiFa und VMF muss die Gesundheitspolitik daher unbedingt ihren Fokus verlagern und für eine Förderung und Aufwertung der Gesundheitsberufe in der ambulanten Struktur sorgen. Dazu gehört auch ein deutliches Signal der Wertschätzung fernab von Lippenbekenntnissen.

Hierzu VMF-Präsidentin Hannelore König: „Deckel drauf und gut, funktioniert nicht. Das ambulante Gesundheitswesen steht vor dem Kollaps. Die Unzufriedenheit mit dem Gehalt ist laut unserer Umfrage vom Frühjahr 2022 zum Sommer 2023 von 58 auf 66 Prozent gestiegen. Die Schlussfolgerung lautet nicht selten: Raus aus der Praxis oder dem Job. In Zeiten des Fachkräftemangels wird so mancher Gedanke daran noch eher umgesetzt: Der Anteil derjenigen, die in den vergangenen zwölf Monaten mindestens mehrere Male im Monat daran gedacht, den Arbeitgeber zu wechseln bzw. ganz aus dem Job auszusteigen lag bei MFA bei knapp 40 Prozent.

Wir verlieren schon jetzt zu viele MFA an Kliniken und Pflegeeinrichtungen. Wenn MFA ab dem 1. März 2024 im öffentlichen Dienst mit einem Brutto-Stundenlohn von 17,34 Euro rechnen können oder ab 1. Mai 2024 der Mindestlohn für qualifizierte Pflegehilfskräfte auf 16,50 Euro angehoben wird bzw. MFA als qualifizierte Pflegehilfskraft nach TVÖD-P 17,71 Euro erhalten, fürchten wir eine weitere enorme Abwanderungswelle. Selbst die Krankenkassen, die bei den Honorarverhandlungen mit der Ärzteschaft auf Sparflamme schalten, zahlen bei ihren angestellten MFA mehr: Die AOK bietet aktuell 17,26 Euro/Stunde, die IKK 17,74 Euro als Einstiegsgehalt. Und selbstverständlich gibt es eine Inflationsausgleichsprämie, die vom Staat bzw. von den Sozialversicherungen finanziert werden.

Diese beträchtlichen Lohndifferenzen von mehr als 30 Prozent können wir als Tarifpartner nicht überwinden. Hier ist dringend eine staatliche Gegenfinanzierung notwendig. Die Bundesregierung muss endlich handeln und die Versprechen aus dem Koalitionsvertrag zur Stärkung und Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Gesundheitsberufe – auch für die Beschäftigten im ambulanten Gesundheitswesen – mit konkreten Maßnahmen auf den Weg bringen.

Es geht um die Gesundheit der Menschen in Deutschland und um die wohnortnahe Versorgung. Der Bundesgesundheitsminister sieht die Anhebung der Mindestlöhne für Pflege- und Betreuungskräfte als Zeichen der Anerkennung dafür, was sie täglich leisten. Der Beitrag unserer Berufsangehörigen ist keinen Deut geringer. Auch Sie brauchen eine faire Entlohnung und zwar jetzt!“

Der Verband medizinischer Fachberufe ruft in diesem Zusammenhang zu einer Protestaktion am kommenden Freitag, den 8. September 2023 in Berlin auf. Erwartet werden u.a. Vertreterinnen und Vertreter von kassenärztlichen Vereinigungen und Berufsverbänden sowie einzelne Sprecherinnen und Sprecher aus der Gesundheitspolitik. Mehr Informationen zur Aktion finden Sie unter https://www.vmf-online.de/mfa/mfa-aktionen/rote-karte oder https://spifa.de/rote-karte-gesundheitspolitik/.

Quelle:Gemeinsame Pressemitteilung von Spitzenverband Fachärzte Deutschlands (SpiFa) und Verband medizinischer Fachberufe e.V. (VMF)

Kinderorthopädie am wirtschaftlichen Abgrund: Investitionen dringender denn je

Berlin – Kinderorthopäden, Orthopäden und Unfallchirurgen setzen sich derzeit stark für den Erhalt einer guten kinderorthopädischen Versorgung ein. Diese ist bedroht, da der Aufwand für die kleinen Patientinnen und Patienten sehr hoch ist, die aufwändige medizinische Versorgung jedoch nicht bezahlt wird. Ein Minusgeschäft, weshalb Krankenhäuser ihre kinderorthopädischen Abteilungen schließen oder verkleinern. OP-Wartezeiten an spezialisierten Zentren von bis zu einem Jahr zur chirurgischen Therapie von Fehlstellungen kündigen die Verknappung der Ressourcen bereits jetzt schon alarmierend an. „Wenn gesundheitspolitisch nicht gegengesteuert wird, droht eine Unterversorgung im kinderorthopädischen Bereich“, sagt Prof. Dr. Maximilian Rudert, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU). Eine Analyse zeigt jetzt exemplarisch wie wichtig und gleichzeitig unterfinanziert eine gute kinderorthopädische Versorgung ist. Der Beitrag ist in der Fachzeitschrift „Die Orthopädie“ erschienen.

Die Prävention von Fehlstellungen und das Wiederherstellen eines gesunden Bewegungsapparates im Kindes- und Jugendalter sind unerlässlich für ein erfülltes Leben. „Die jungen Menschen haben noch ihr ganzes Leben vor sich. Sie haben es verdient, dass wir in ihre Zukunft investieren“, sagt Dr. Burkhard Lembeck, Präsident des Berufsverbandes für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU). Er bestätigt die finanzielle Misere für den niedergelassenen Bereich: Die Sonografie der Säuglingshüfte sei ein gutes Beispiel dafür. Diese Untersuchung erfordert viel Zeit, da das Baby während des Ultraschalls beruhigt werden muss und auch die Eltern eingebunden werden müssen. Solch eine ressourcenaufwändige Untersuchung wird aber mit nur 20 Euro vergütet.

Wie schwierig die Finanzierung ist, zeigt beispielhaft die aktuelle wissenschaftliche Arbeit mit dem Titel „Solidarität mit Kindern und Menschen mit Behinderung? Eine Wirtschaftlichkeitsanalyse hüftrekonstruierender Eingriffe in der Kinderorthopädie“. Sie beleuchtet die Versorgung von Kindern mit Schädigungen im zentralen Nervensystem. Die Kleinen leiden häufig unter Veränderungen in ihrer Muskelkraft und Koordination. Dadurch kommt es zu Instabilitäten im Hüftgelenk mit Bewegungseinschränkungen und Schmerzen im Alltag. Diese sogenannte „neurogene Hüftdezentrierung“ behindert bei den betroffenen Kindern Mobilität, Pflegefähigkeit und Lebensqualität. Mit einer speziellen Operationstechnik können orthopädische Chirurgen Hüftgelenke bereits im Wachstum wieder neu einstellen und dadurch Schmerzen verringern, Beweglichkeit verbessern und auch die frühzeitige Entstehung von Gelenkverschleiß verhindern.

Die Orthopädische Universitätsklinik Heidelberg ist eine der führenden Einrichtungen in Deutschland, die diese hochspezialisierten Operationen durchführt. Die Autorengruppe um Kinderorthopädin Dr. Katharina Gather hat die wirtschaftliche Bilanz dieser lebensverbessernden Operation wissenschaftlich aufgearbeitet. Dabei zeigt sich, dass derartige Versorgungen im DRG-System nicht kostendeckend durchführbar sind. Kliniken bleiben am Ende auf vielen hundert Euro an Kosten sprichwörtlich sitzen.

„Die finanzielle Benachteiligung am Beispiel von hüftrekonstruierenden Eingriffen bei Kindern im DRG-System ist äußerst besorgniserregend“, mahnt Prof. Dr. Tobias Renkawitz, Ärztlicher Direktor der Orthopädischen Universitätsklinik Heidelberg und BVOU-Vizepräsident. „Nötig ist eine grundsätzliche Neuberechnung der Prozeduren im Bereich der ambulanten und stationären Kinderorthopädie, die den tatsächlichen Aufwand der Einrichtungen realistisch abbildet. Die wissenschaftliche Auswertung aus Heidelberg zeigt dafür einen Ansatz. Anders wird man, trotz Umsetzung von Vorhaltepauschalen, nicht erreichen, dass Familien in unserem Land auch zukünftig Zugang zu einer adäquaten kinder- und jugendorthopädischen Versorgung erhalten.“

„Die Studie stellt ein Beispiel für viele andere kinderorthopädische Behandlungen dar, darunter beispielsweise auch Wirbelsäulendeformitäten, und zeigt auf, weshalb dieses Teilgebiet in Summe aller Leistungen einer kinderorthopädischen Abteilung inakzeptable Defizite anhäuft“, sagt Prof. Dr. Anna K. Hell, Präsidentin der DGOU-Sektion Vereinigung für Kinderorthopädie (VKO).

Referenzen:
1) Gather, K.S., Renkawitz T. et al. Solidarität mit Kindern und Menschen mit Behinderung? Die Orthopädie (2023).
https://doi.org/10.1007/s00132-023-04381-7

Hintergrund
DRGs („Diagnosis Related Groups”, auch diagnosebezogene Fallgruppen oder Fallgruppenpauschalen genannt) wurden 2003 in Deutschland eingeführt. Die Fallpauschale gibt der Krankheit eines Patienten einen Preis. In vielen Ländern gab es bei der Einführung des Fallpauschalensystems für die stationäre Behandlung von Kindern und Jugendlichen Ausnahmen. Nicht hingegen im deutschen Gesundheitswesen – mit fatalen Auswirkungen, wie sich mittlerweile zeigt.

Kontakt:

Janosch Kuno
Kommunikation und Pressearbeit
Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie e.V. (BVOU e.V.)
Straße des 17. Juni 106-108, 10623 Berlin
Telefon: +49 (0)30 797 444 55
Fax +49 (0)30 797 444 45
E-Mail: presse@bvou.net
www.bvou.ne

DKOU 2023: Rundum-Service am Stand des BVOU

Besucherinnen und Besucher des DKOU können sich in diesem Jahr vom 24. bis zum 27. Oktober auf ein neues Kongresserlebnis freuen: Der BVOU sowie die orthopädisch-unfallchirurgischen Fachgesellschaften DGOU, DGOOC, und DGU informieren Interessierte zu bewährten Themen, darunter aktuelle Entwicklungen in O und U, Serviceangebote, Weiter- und Fortbildungsmöglichkeiten sowie Kooperationen, allerdings an einem komplett neugestalteten Gemeinschaftsstand. Denn eine der größten Herausforderungen für medizinische Fachverbände und Gesellschaften besteht darin, ihre fachliche Gemeinschaft und Expertise auf einer öffentlichen Plattform zu präsentieren. Mit dem neuen Messeauftritt wird einmal mehr die enge Verbundenheit zwischen den Fachgesellschaften und dem Berufsverband verdeutlicht. Der Gemeinschaftsstand befindet sich in Halle 2.2. der Messe Berlin.

Kurse auf dem DKOU

Außerdem bietet auch die Akademie Deutscher Orthopäden (ADO) gemeinsam mit der Akademie für Orthopädie und Unfallchirurgie (AOUC) im Rahmen des Kongresses ein vielfältiges Kursprogramm. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.

Rundum-Service am BVOU-Stand

Sind Ihre Daten aktuell?

Ziel von Orthinform ist es, ein geschlossenes Gemeinschaftsbild zu vermitteln und das Leistungsspektrum deutscher Orthopäden und Unfallchirurgen in Praxis und Klinik umfänglich darzustellen, damit Patienten den passenden Arzt in Ihrer Nähe finden können. Deshalb ist es wichtig, dass jedes BVOU-Mitglied sein Orthinform-Profil ausfüllt und seine persönlichen Schwerpunkte gezielt auswählt. Mitglieder haben während des DKOU die Möglichkeit, die im Patientenportal hinterlegten Daten und Informationen mit Unterstützung der Mitarbeiter der Geschäftsstelle abzugleichen, zu aktualisieren, zu vervollständigen und Ihr Profil zum kostenfreien Profil+ upzugraden.

Digitalisierungsangebote mit einem Klick ergänzen

Außerdem können sich Interessierte über mehrere Digitalisierungsprojekte informieren, die der BVOU gemeinsam mit verschiedenen Partnern innerhalb von Orthinform realisiert. So erhalten Mitglieder die Möglichkeit, telemedizinische Anwendungen wie Videosprechstunde oder Online-Terminbuchung mit wenigen Klicks in ihrem Profil zu ergänzen und zu nutzen.

Rechtsberatung für Mitglieder

Der BVOU bietet dieses Jahr seinen Mitgliedern wieder eine unentgeltliche Rechtsberatung an: Verbandsjustiziar Dr. Jörg Heberer steht für Rechtsanfragen zur Verfügung am:

Donnerstag, den 26. Oktober von 13.00 Uhr bis 15.00 Uhr
Freitag, den 27. Oktober von 09.30 Uhr bis 11.30 Uhr

Interessenten können sich per E-Mail unter office@bvou.net für ein Beratungsgespräch anmelden.

Versicherungsberatung aus erster Hand

Der BVOU bietet seinen Mitgliedern seit vielen Jahren über seinen Kooperationspartner, den Funk Ärzte Service der Funk Hospital-Versicherungsmakler GmbH, einen im Mitgliedsbeitrag enthaltenen Beratungsservice mit dem Schwerpunkt Strafrecht und Haftung. Damit wird sichergestellt, dass ein Mitglied im „Fall der Fälle“ bestens betreut und vertreten wird. Die Funk-Versicherungsgruppe ist während des DKOU am Stand des Berufsverbandes präsent und die Vertreterinnen der FUNK-Gruppe, Nicola Främke und Sabine Stock, stehen den Verbandsmitgliedern für Beratung und Fragen zur Verfügung. In persönlichen Beratungsgesprächen können Mitglieder ihre Bedürfnisse zielgerichtet erfassen lassen und ein individuelles Angebot für verschiedene Versicherungslösungen erhalten.

Digitalisierung leicht gemacht: ZAVA-sprechstunde online GmbH

Zava ist der führende Anbieter telemedizinischer Leistungen für Patienten in Deutschland und Europa. Seit 2011 wurden knapp 5 Millionen Beratungen und Behandlungen für Patienten durchgeführt. Ärzte beraten und behandeln Patienten zeit- und ortsunabhängig per Internet, Telefon- und Video-Sprechstunde. Medikamente können per Versandapotheke zum Patienten nach Hause geschickt oder in der Apotheke vor Ort abgeholt werden. Machen Sie sich bei den Experten am BVOU-Stand selbst ein Bild und lassen Sie sich beraten.

Beratung: TI-Anschluss ohne lokalen Konnektor?

Das Thema TI-Konnektortausch beschäftigt momentan unsere Mitglieder, denn der Wechsel bedeutet zusätzliche Kosten und Zeitaufwand. Gleichzeitig bietet sich damit die einmalige Chance zur Komplexitätsreduktion.

Die Zukunftsperspektive der angekündigten TI 2.0, die ohne Konnektoren auskommen soll, können Sie bereits jetzt wählen: Verlagern Sie Ihren Konntektor ein deutsches Rechenzentrum – mit der Telematikinfrastruktur as a Service (TIaaS).

Die Firma slis – IT-Sicherheit und Telematikinfrastruktur ist am BVOU-STand vor ORt und berät Sie aus erster HAnd zum Thema.

Einladung zur BVOU-Mitgliederversammlung

Im Rahmen des DKOU 2023 lädt Präsident Dr. Burkhard Lembeck zur BVOU-Mitgliederversammlung am Freitag, den 27. Oktober von 11:45 bis 13:15 Uhr, in den Großen Saal auf dem DKOU-Gelände (Messe Süd, Berlin), ein: „Bitte merken Sie sich diesen Termin vor und nehmen Sie zahlreich an der BVOU-Mitgliederversammlung teil.“

Der #BVOU postet live vom #DKOU2023

Auch in diesem Jahr informiert der BVOU seine Mitglieder und Interessierte über die sozialen Netzwerk-Kanäle, Facebook und Twitter, während des Deutschen Kongresses für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU) 2023, über Neuigkeiten im Fach O und U. Unter dem Hashtag #DKOU2023 erhalten nicht nur Kongressbesucher außerdem Informationen über exklusive Serviceangebote, DKOU-Veranstaltungshinweise und Neuigkeiten vom Gemeinschaftsstand.

SSR, Röntgen

Änderungsdokumentation BÄK-QS-Leitlinie Röntgendiagnostik

Die Röntgen-Diagnostik ist ein unverzichtbares Werkzeug in der Orthopädie und Unfallchirurgie, daher ist es von großer Bedeutung, stets auf dem neuesten Stand zu sein. Aktualisierte Leitlinien sind dabei essentiell, um eine hochwertige medizinische Versorgung zu gewährleisten. Die im Dezember 2022 veröffentlichten neuen Leitlinien der Bundesärztekammer (BÄK) in der Röntgendiagnostik und in der Computertomographie wurden unter Beachtung der Empfehlungen der Strahlenschutzkommission nochmals aktualisiert und am 30. Mai 2023 im Deutschen Ärzteblatt und auf der Homepage der Bundesärztekammer veröffentlicht.

Auf der BÄK-Internetseite findet man ab sofort die Änderungsdokumentation zur BÄK-QS-Leitlinie Röntgen. Diese Dokumentation stellt die Veränderungen der aktuellen Röntgendiagnostik-Leitlinie vom 16.02.2023 im Vergleich zur bisher geltenden Leitlinie vom 15.09.2022 gegenüber. Das Dokument finden Sie unten im Downloadbereich und hier.

Die aktuellen Leitlinien ersetzen die bisherigen Leitlinien aus dem Jahr 2007. Seit der letzten Überarbeitung haben sich viele neue medizinische Anwendungen und technische Fortschritte ergeben sowie neue wissenschaftliche Erkenntnisse im Strahlenschutz, so dass eine Aktualisierung erforderlich war. Die Leitlinien enthalten im allgemeinen Teil A zusammengefasst wichtige Hinweise zur Dosisersparnis unter Beibehaltung einer hohen Bildqualität, zur Bilddokumentation, Archivierung und Bildweitergabe. Im Teil B finden sich umfassende Empfehlungen auch für spezielle Untersuchungen und Fragestellungen, die Sie für Ihre eigenen Arbeitsanweisungen (SOP) nutzen und zu Grunde legen sollten.

Die Änderungsdokumentation gibt Ihnen einen klaren Überblick über die Veränderungen, die in der aktuellen Leitlinie vorgenommen wurden. Dadurch können Sie schnell erkennen, welche Aspekte der Röntgen-Diagnostik möglicherweise angepasst wurden und welche Auswirkungen dies auf Ihre tägliche Praxis haben könnte.

Bei Fragen oder Anregungen steht Ihnen das BVOU-Referat Bildgebung selbstverständlich gerne zur Verfügung.