Berlin – 52 Millionen Stunden ihrer Arbeitszeit werden die niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten in Deutschland in diesem Jahr für sogenannte Bürokratie aufwenden müssen – und zwar nur für die Umsetzung von Vorgaben der Selbstverwaltung auf Bundesebene. Das entspricht einer Belastung von durchschnittlich 57 Arbeitstagen pro Praxis. Zählt man noch die Belastungen durch Bundes- und Landesgesetze hinzu, sind es noch rund 24 Millionen Stunden mehr.
Diese Zahlen gehen aus dem neuen Bürokratieindex (BIX) hervor, den die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) am 22. November gemeinsam mit der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Westfalen-Lippe und der Fachhochschule des Mittelstands vorgestellt hat.
„Zwar hat es an einigen Stellen Entlastungen gegeben“, sagte der KBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Andreas Gassen, „beispielsweise durch die Abschaffung der Auszahlscheine im Krankengeldfall. Aber es kommen auch immer neue Belastungen hinzu.“ Unter dem Strich ist der BIX zwar im Vergleich zu 2013 niedriger, statt 100 ist er auf 95,3 gesunken. „Doch 52 Millionen Stunden sind immer noch zu viel“, stellte Gassen klar.
Aufklärung der Patienten, AU-Bescheinigungen, Krankenbeförderungsformular – das kostet Zeit
Die größte neue Belastung seit 2013 ist nach den Analysen der Fachhochschule des Mittelstands die Aufklärung der Patienten bei Überschreitung der Festbetragsgrenze. Danach folgen Verordnungen für Krankenbeförderung und als drittes die Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit (AU) auf Muster 1 inklusive Prüfung.
Die wesentliche Entlastung ergibt sich rechnerisch durch weniger Überweisungen aufgrund des Wegfalls der Praxisgebühr. Es folgt als zweites die Entlastung bei AU-Bescheinigungen. Dies sei kein Widerspruch zum Vorherigen, hieß es bei der Vorstellung des BIX: Die Belastung ergebe sich durch ein neues Formular, was aber gleichzeitig zu einer größeren Entlastung führe aufgrund der Zusammenlegung zweier Formulare. Dritter Posten der Entlastung sei die Dokumentation im Bereich Qualitätsmanagement.
Mit dem BIX habe man nun ein Instrument, das die Entwicklung der Bürokratiebelastung im Verlauf sichtbar mache, sagte KBV-Vorstand Gassen. Doch man könne sich nicht ausruhen, man müsse weiter etwas tun. Die Bundesregierung habe mit dem Ziel der 25-prozentigen Entlastung der Wirtschaft schon vorgelegt. Auch KBV und die KVen sollten sich auf solch ein Ziel mit dem GKV-Spitzenverband verpflichten.
Ärzte sind keine freien Mitarbeiter der Krankenkassen
Während der Pressekonferenz zur Vorstellung des neuen BIX wurde Gassen gefragt, ob manches an Bürokratie nicht einfach auch zu den ärztlichen Aufgaben zähle. Manches sei Teil des ärztlichen Tuns, antwortete dieser. Aber Informationen zu Festbeträgen zum Beispiel dienten den Rabattierungen der Kassen und anderem. So werde der Arzt quasi zum freien Mitarbeiter der Kasse. Man müsse prüfen, was wirklich ärztliches Tun sei. Sei es Aufgabe des Vertragsarztes, Rabattverträge einzelner Kassen für den Patienten zu plausibilisieren? Nein. Hier würden in breitem Umfang Dinge verlagert, die im Dialog zwischen Arzt und Patient eigentlich nichts verloren hätten.