Berlin – Die neuerlichen Kürzungen bei der Leistungsvergütung im Bereich der sogenannten Diagnosebezogenen Fallgruppen (DRG) haben die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) und die Deutsche Gesellschaft für Endoprothetik (AE) am 8. Dezember im Rahmen einer Pressekonferenz in Berlin kritisiert. Die AE veranstaltete dort am 9. und 10. Dezember einen Jubiläumskongress aus Anlass ihres 20-jährigen Bestehens. Grund für die Kritik ist, dass Pauschalen für den Hüftgelenkersatz sowie im Bereich der Wirbelsäulenoperationen zum 1. Januar 2017 gesenkt werden sollen.
Warnung vor längeren OP-Wartezeiten und schlechterer Qualität
„Die Folgen der seit Jahren anhaltenden Abwärtsspirale in der DRG-Preispolitik werden wir ohne Qualitätseinbußen kaum noch kompensieren können“, warnte DGOU-Generalsekretär Prof. Dr. Reinhold Hoffmann. „Die Menschen werden sich wohl zukünftig auf weniger hochwertige und innovative Therapieangebote, längere OP-Wartezeiten, noch schnellere Entlassungen aus der Klinik sowie Prothesen mit einer möglicherweise geringeren Haltedauer einstellen müssen.“
Der DRG-Fallpauschalen-Katalog für 2017 sieht zahlreiche Kürzungen vor. So erhalten Kliniken beispielsweise für eine einfache Hüft-Total-Endoprothese 5,75 Prozent weniger an Vergütung als bisher. Für 2018 ist eine weitere Absenkung vorgesehen. Prof. Dr. Karl-Dieter Heller, AE-Generalsekretär und Vizepräsident des BVOU, warnte: „Insbesondere spezialisierte Kliniken, die die Kostenlücke über andere Fachbereiche nicht ausgleichen können, stehen damit mit dem Rücken zur Wand.“
Kliniken werden gezwungen, preiswertere Implantate zu wählen
Schon jetzt sei die Implementation einer hochwertigen Kurzschaftprothese mit einer Keramik-Keramik-Gleitpaarung nicht mehr kostendeckend möglich, so Heller. Angesichts der zukünftigen Kürzungen seien insbesondere spezialisierte Kliniken gezwungen, preiswertere Implantate auszuwählen. Damit sinke allerdings auch die mögliche Verweildauer im Körper. „Dies könnte in letzter Konsequenz langfristig eine deutlich erhöhte Rate an Revisionsoperationen zur Folge haben“, warnte Heller.
Die Experten gehen allesamt davon aus, dass Anlass für die Kürzungen vor allem Bestrebungen sind, die Zahl der Operationen zu senken. Nach Erkenntnissen im aktuellen Jahresbericht des Endoprothesenregisters Deutschland (EPRD) sind die endoprothetischen Implantationszahlen seit 2009 jedoch stabil geblieben. Zudem bedingt der demografische Wandel nach Auffassung von DGOU und AE heute schon, aber erst recht in Zukunft einen erhöhten Versorgungsbedarf im Bereich der Arthrosebehandlungen.
Infektionsrisiko: mehr Forschung, mehr Spezialisierung
Prof. Dr. Wolfhart Puhl, Sprecher der AE-Akademie, würdigte die Endoprothesenversorgung in Deutschland als Erfolgsgeschichte. Endoprothesen hätten vielen Menschen einen enormen Gewinn an Mobilität beschert, sagte Puhl. Wer immobil werde, sterbe deutlich früher. Sorgen bereiten ihm allerdings Statistiken, die nachweisen, dass das Infektionsrisiko bei endoprothetischen Operationen relevant ist. Hier müsse man forschen und diagnostizieren, und zwar mit Hilfe erfahrener Kollegen, forderte Puhl. Er persönlich halte zudem die Entstehung von mehr spezialisierten Abteilungen beziehungsweise Kliniken in diesem Bereich für notwendig im Sinne der Qualität.
In Deutschland setzen Operateure rund 400.000 künstliche Gelenke pro Jahr in Hüfte und Knie ein. Das EPRD arbeitet seit seiner Gründung Ende 2010 daran, eine verlässliche Datengrundlage zu schaffen, um langfristig die Qualität der verwendeten Produkte in diesem Bereich beurteilen zu können, das Ergebnis der medizinischen Behandlung zu sichern und die Zahl der unnötigen Wechseloperationen zu verringern. Der Aufbau des Registers geht auf eine Initiative der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie e.V. zurück. Vorangetrieben hat die Fachgesellschaft das EPRD gemeinsam mit dem AOK-Bundesverband, dem Verband der Ersatzkassen und dem Bundesverband Medizintechnologie.
Derzeit liefern nach Angaben von AE-Präsident Prof. Dr. Carsten Perka rund 650 Kliniken Daten, vor allem sehr große Einrichtungen. Etwa 700 engagieren sich für das EPRD. Noch seien nicht alle Softwareprobleme ganz gelöst, so Perka.
Initiative Endocert zur Qualitätssicherung
Die DGOOC hat zusätzlich gemeinsam mit der AE und dem BVOU eine Initiative zur Zertifizierung medizinischer Einrichtungen für den Gelenkersatz entwickelt, nämlich Endocert. Das Verfahren ist seit Oktober 2012 bundesweit freigegeben. Medizinische Einrichtungen können sich seither als EndoProthetikZentrum (EPZ) und als EndoProthetikZentrum der Maximalversorgung (EPZmax) zertifizieren lassen, wenn die Erfüllung der aufgestellten Anforderungen in einem Audit nachgewiesen wird.