Leipzig/Davos – Eingriffe an der Wirbelsäule zählen in Deutschland zu den am häufigsten durchgeführten Operationen. Um möglichst wenige Muskel- und Nervenstrukturen durch den Eingriff zu schädigen, erfolgen Operationen an der Wirbelsäule heutzutage oft minimalinvasiv. Wissenschaftler aus Leipzig haben für das Training solcher minimalinvasiven Techniken den Simulator RealSpine entwickelt. Die neueste Version des Trainingsgeräts konnten Chirurgen im Dezember bei einem Kurs in Davos in den Schweizer Alpen erstmals testen.
Der aus künstlichem Gewebe, Blut und Knochen anatomisch exakt nachgebaute Rücken soll es Ärzten ermöglichen, Operationen unter realistischen Bedingungen, aber ohne Risiko für einen echten Patienten zu trainieren. Entwickelt wurde RealSpine von Wissenschaftlern der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (HTWK Leipzig). „Das Konzept von RealSpine beruht auf einem realistischen haptischen Feedback, das einer lebensechten Operation extrem nahe kommt“, so Werner Korb, Professor für Simulation und Ergonomie in der operativen Medizin an der HTWK Leipzig, der den Simulator gemeinsam mit einer interdisziplinären Forschungsgruppe aus Ingenieuren, Ärzten und Designern entwickelt hat.
Simulationsbasiertes Training für mehr Patientensicherheit
„Bei Piloten ist simulatorbasiertes Training längst State of the Art, um Fliegen so sicher wie möglich zu machen“, sagt Korb. Die Komplexität von Flugzeugcockpit und modernem Operationssaal sei vergleichbar, ebenso die Verantwortung, die für das Leben anderer übernommen werde. „Deshalb sind wir überzeugt, dass simulatorbasiertes Training auch in der Chirurgie üblich werden wird, um die Patientensicherheit zu steigern.“ Um diese Vision voranzubringen, hat Korb 2015 gemeinsam mit seinem Kollegen Dr. Luis Bernal ein Spin-off der HTWK Leipzig gegründet. Seitdem führen die Wissenschaftler weltweit chirurgische Trainingskurse am Simulationssystem RealSpine durch.
Simulator für Eingriffe an Bandscheiben und Wirbelkanal
Bei einem Trainingskurs Mitte Dezember in Davos, veranstaltet von AO Spine, einer internationalen Fachgesellschaft für Wirbelsäulenchirurgie, stellten die Forscher die neueste Version des Simulators vor. Neben Bandscheiben-OPs konnten die teilnehmenden Chirurgen erstmals auch Operationen des Wirbelkanals an RealSpine trainieren. Dazu wurde auf Grundlage echter Patientendaten eine Spinalkanalstenose aus künstlichem Gewebe, Blut und Knochen nachgebildet.
Insgesamt trainierten in Davos 30 Teilnehmer aus 14 Ländern minimalinvasive Operationstechniken und den Umgang mit unerwarteten Komplikationen während einer Operation. Angeleitet wurden sie dabei von sechs renommierten Chirurgen aus den USA, der Schweiz, Deutschland und Spanien.
Effektiveres, standardisiertes Trainieren
Einer der Kursleiter war der Münchner Chirurg Dr. Andreas Korge. „Bis jetzt war das Training von minimalinvasiven Operationstechniken immer daran gebunden, dass anatomische Präparate von Tieren oder Verstorbenen zur Verfügung stehen. RealSpine ermöglicht jetzt, das ganze Training von Kadavern zu entkoppeln, zu standardisieren und so einen hohen operativen Trainingsstand zu erreichen“, erklärt der Chefarzt des Wirbelsäulenzentrums der Schön Klinik München.
Quelle: HTWK Leipzig