Berlin – Der Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie e.V. (BVOU) beurteilt die Einführung der sogenannten Blankoverordnung von Heilmitteln kritisch. Sie soll künftig in allen Bundesländern im Rahmen von Modellvorhaben zwischen Krankenkassen und Heilmittelerbringerverbänden erprobt werden. Das sieht das Gesetz zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung (HHVG) vor, das der Deutsche Bundestag am 16. Februar verabschiedet hat. Danach sollen Heilmittel zwar weiter von Ärztinnen und Ärzten verordnet werden. Doch die Heilmittelerbringer wie Physiotherapeuten, Logopäden oder Podologen sollen im Rahmen der Modellvorhaben Auswahl, Dauer und Abfolge der Therapie eigenverantwortlich bestimmen können.
„Eine Diagnose zu stellen und daran anschließend mit dem Patienten gemeinsam die Therapie zu planen, notwendige Heil- und Hilfsmittel wie zum Beispiel Physiotherapie zu verordnen und den Verlauf der Genesung zu kontrollieren und zu bewerten – all das zählt zu den ärztlichen Aufgaben“, betonte BVOU-Präsident Dr. Johannes Flechtenmacher. „Teile davon lassen sich nicht ohne Risiken auf andere Berufsgruppen wie zum Beispiel Physiotherapeuten übertragen.“
Flechtenmacher kritisierte, dass durch das neue Gesetz Intransparenz und Doppelstrukturen gefördert würden. „Die Ärzteschaft muss an den Modellvorhaben beteiligt werden“, sagte er. „Wir benötigen Transparenz darüber, wie und nach welchen Kriterien Physiotherapeuten die Therapie festlegen.“ Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) habe, so der BVOU-Präsident, zu Recht bereits im Sommer darauf hingewiesen, dass die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen im Übrigen die Verordnungsmenge festlegen müssten, solange sie auch die praxisbezogene Wirtschaftlichkeitsverantwortung trügen.
Insgesamt blieben rund um die Modellvorhaben und die Blankoverordnung viele Fragen zur juristischen Verantwortung und zur Finanzierung eigenständig agierender Physiotherapeuten offen, so Flechtenmacher. Dies gelte umso mehr, als dass nach dem HHVG für sie die engen Budgetvorgaben für gesetzlich krankenversicherte Patienten gelockert würden. Das neue Gesetz sieht unter anderem vor, dass in den Jahren 2017 bis 2019 Vergütungsvereinbarungen zwischen Krankenkassen und Verbänden der Heilmittelerbringer nicht an die Steigerung der Grundlohnsumme gebunden sein sollen.
Gerade im Bereich der Heil- und Hilfsmittel litten zudem alle, Ärzte wie Physiotherapeuten, unter umfangreichen bürokratischen Vorgaben, gab BVOU-Präsident Flechtenmacher zu bedenken. Hier seien Reformen, so am Heilmittelkatalog, überfällig. Auch sei im Bereich der Physiotherapie weniger eine Substitution ärztlicher Aufgaben wünschenswert als vielmehr eine noch engere Abstimmung über therapeutische Möglichkeiten. Wer diese befürworte, müsse aber auch bereit sein, allen Beteiligten den Aufwand dafür zu bezahlen. Das sei bislang weder für Ärzte noch für Physiotherapeuten vorgesehen.
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