Berlin – „Die Mindestmengenregelungen müssen zum Schutz der Patienten dringend auf weitere stationäre Leistungen ausgeweitet werden. Neben dem Hüftgelenkersatz sind dies beispielsweise Schilddrüsen- und Brustkrebsoperationen oder auch die Geburtshilfe.“ Das hat Martin Litsch, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes, bei der Vorstellung des „Krankenhausreport 2017“ gefordert. Ihn stellten der Verband und das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) vor kurzem vor.
Nur für sieben komplexe Leistungsbereiche gebe es bislang gesetzliche Mindestmengenregelungen, darunter Nierentransplantationen, Knieendoprothesen-Operationen sowie die Versorgung von Frühchen, monierte Litsch. Dabei würden Wissenschaftler und Fachgesellschaften weitergehende Mindestmengenregelungen empfehlen. Sie bezögen sich beispielsweise auf den Hüftgelenkersatz bei Arthrose, für den sich der Zusammenhang zwischen der Behandlungshäufigkeit und dem Behandlungsergebnis besonders deutlich zeige.
134.000 AOK-Patienten erhielten demnach in den Jahren 2012 bis 2014 in 1.064 Krankenhäusern bei Arthrose ein neues Hüftgelenk. In einem Fünftel der Kliniken, so die Pressemitteilung der AOK, fanden maximal 38 Operationen pro Jahr statt. Das Risiko für eine erneute Hüftoperation binnen Jahresfrist sei für Patienten dieser Häuser mehr als doppelt so hoch gewesen wie für die Patienten, die in dem Fünftel der Kliniken mit den höchsten Fallzahlen operiert wurden. In solchen Zentren fanden 211 oder mehr planbare Hüft-OPs statt.
Prof. Bauer sieht ebenfalls Lücken
„Wir brauchen Transparenz darüber, welche Kliniken die Mindestmengen nicht einhalten“, so Litsch weiter. Prof. Dr. Hartwig Bauer, ehemaliger Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie, sieht weitere Lücken: „Den positiven Zusammenhang zwischen Behandlungshäufigkeit und -ergebnis gibt es nicht nur auf Klinikebene, sondern auch bei der Spezialisierung des Chirurgen selbst“, sagte er. Seine Erfahrung zeige sich in kürzeren Operationszeiten und damit geringeren Komplikationsraten. Doch dieses Wissen werde in Deutschland nicht umgesetzt.
Der AOK-Bundesverband setzt sich seit Jahren für schärfere Mindestmengenregelungen ein. Bereits 2014 hatte er gefordert, im Rahmen der Qualitätssicherung Zentren stärker zu berücksichtigen als Häuser mit kleinen OP-Zahlen. Die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie hatte damals erklärt, sie berücksichtige viele im damaligen Report angesprochene Zusammenhänge bei ihren Maßnahmen der Qualitätssicherung. Beispielhaft verwies sie auf das Endoprothesenregister Deutschland sowie das Zertifizierungssystem Endocert mit der Etablierung von Schwerpunktzentren.
DRG-Kürzungen erschweren Arbeit von spezialisierten Kliniken
Der BVOU weist darauf hin, dass im Kontext der Forderung nach einer Ausweitung von Mindestmengen die seit Januar 2017 geltende pauschale Absenkung von DRG-Erlösen bei endoprothetischen Eingriffen kontraproduktiv bis schädlich ist.
Denn diese dirigistische Maßnahme trifft gerade die hochspezialisierten Fachkliniken für Orthopädie und Unfallchirurgie mit hoher Expertise und Fallzahl empfindlich. Die von der AOK kritisierten Häuser mit niedriger Endoprothetik-Fallzahl und höherem Revisionsrisiko können die Verluste aus den DRG-Kürzungen durch Umschichtung ihres Portfolios hingegen leichter kompensieren.
Insofern fordert der BVOU von der politischen Ebene ein konzertiertes und abgestimmtes Signal für mehr Qualität in der Versorgung und den Verzicht auf dirigistische Pauschalmaßnahmen.