Berlin – Die Kodierung ärztlicher Diagnosen ist bei Vertragsärztinnen und -ärzten in Deutschland keine beliebte Tätigkeit, aber sie wird gewissenhaft erledigt. An Fehlkodierungen haben sie kein Interesse. Das hat der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Dr. Andreas Gassen, bei einem Presseseminar zum Thema Kodierrichtlinien klargestellt.
Er sei verwundert und erstaunt, dass es immer wieder Vorwürfe gebe, sagte Gassen. Einige Kritiker bemängelten die Kodierqualität, andere behaupteten, es werde überkodiert. Dass Krankenkassen teilweise um Kodierungsänderungen bäten, sei allerdings befremdlich. Einige Kassen wünschten, dass eine möglichst hohe Krankheitslast kodiert werde. Aber als Gesamtheit fürchteten sie dies, weil es einen Honoraranspruch auslösen würde. Dieser Konflikt sei nicht aufzulösen.
Die Diskussionen um die Kodierqualität verweisen nach Überzeugung des KBV-Vorstandsvorsitzenden auf ein Krankenkassenproblem: Den Streit um die richtigen Zuweisungen aus dem morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA). Zuweisungen aus dem Fonds an die Kassen hingen ja von Anzahl und Struktur ihrer Versicherten ab, erläuterte Anna Maria Raskop, Leiterin der KBV-Abteilung Medizinische Dokumentation und Kodierung. Der Morbi-RSA ermittelt Zuschläge durch 80 Krankheiten. Diese Festlegung erfolgt auf der Basis einer abschließend definierten ICD-10-Liste. Nicht jeder Code löst einen Zuschlag aus. Es sei verständlich, dass die Kassen ein monetäres Interesse hätten, wie die Kodierung von Patienten ausfalle, sagte Raskop. Doch die heutigen Kodierungen sind auch nach ihrer Überzeugung sachgerecht. Eine völlig identische Kodierung von ein und derselben Erkrankung ist laut Raskop angesichts der Vielfalt der Krankheitsausprägungen unrealistisch.
Gassen warnte zudem vor Phantasien wie der, durch noch strengere Kodierregelungen noch genauere Diagnosen zu bekommen, aus denen man dann womöglich Behandlungsalgorithmen ableiten könne. In einem solchen System könne man die sprechende Medizin dann vergessen, sagte er. Seiner Meinung nach muss der Gesetzgeber tätig werden: „Ein Teil der Kassen fühlt sich stark überfordert im Morbi-RSA. Die Lösung kann nicht sein, dass Ärzte noch stringenter kodieren.“