Berlin – Die Debatte darüber, ob niedergelassene Ärztinnen und Ärzte verpflichtet werden sollten, mehr Sprechstunden anzubieten, geht weiter. Zuletzt hatte der GKV-Spitzenverband auf seinem alljährlichen Presseseminar seine entsprechenden Forderungen bekräftigt und auch eine Flexibilisierung angemahnt, beispielsweise Samstags-Sprechstunden bis 19 Uhr.
Der KBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Andreas Gassen reagierte prompt: „Alle Überlegungen in Richtung zusätzlicher ärztlicher Leistung sind absurd, solange schon jetzt zehn bis 20 Prozent der erbrachten Leistungen nicht bezahlt werden“, sagte er. „Zechprellerei lässt sich nicht dadurch heilen, dass man zusagt, sich zu überlegen, eventuell die nächste Rechnung zu bezahlen. Auch bei jungen Medizinern spielt zudem eine funktionierende Work-Life-Balance eine zunehmend wichtigere Rolle, wie in unserer gesamten Gesellschaft auch.“
Zi-Untersuchung: 92 Prozent bieten 25 Sprechstunden und mehr
Das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) hatte das Thema „Sprechstunden“ unlängst untersucht und Daten dazu in einem Bericht veröffentlicht. Da keine rechtlich bindende Definition des Begriffs ‚Sprechstunde‘ existiere, ziehe man sogenannte Betriebszeiten zum Vergleich heran: Damit sind die Stunden gemeint, in denen ein Arzt in der Praxis anwesend ist.
Dem Zi zufolge liegen die Betriebszeiten bei durchschnittlich 35,8 Wochenstunden. Rund 92 Prozent der Praxen gaben Betriebszeiten von 25 Stunden und mehr pro Woche an. In den meisten Praxen, so das Ergebnis, wird die Forderung des Koalitionsvertrags nach mehr Stunden bereits übererfüllt. „Die derzeitige Diskussion zur Erhöhung der Mindestanzahl von Sprechstunden pro Woche betrifft nur eine sehr kleine Zahl von Praxen“, erklärt Dr. Dominik von Stillfried, Geschäftsführer des Zi. „Es ist nicht zu erwarten, dass mit einer gesetzlichen Vorgabe auch nur ein einziges Versorgungsproblem gelöst wird, vielmehr würden neue geschaffen.“
Im Schnitt 35,8 Wochenstunden für die Versorgung von GKV-Patienten
Nach den Analysen des Zi arbeiten Praxisinhaber im Durchschnitt 51,5 Wochenstunden. Davon widmen sie ihren gesetzlich versicherten Patienten 35,8 Wochenstunden. Auf Privatpatienten entfallen 5,8 Stunden, wobei es in ländlichen Gebieten und weiten Teilen der neuen Bundesländer verhältnismäßig wenige Privatpatienten gibt und deren Behandlung insofern im Praxisalltag kaum eine Rolle spielt. Etwa 14 Stunden pro Woche müssen Praxisinhaber für Aufgaben ohne direkten Patientenkontakt einsetzen (Dokumentationen, Befundstellungen, Praxismanagement, Fortbildung).
Um mehr Zeit für die Patienten zu schaffen, wäre es laut Zi daher sinnvoll, die Ärzte und Psychotherapeuten von bürokratischen Aufgaben zu entlasten. „Die Anreize für längere Arbeitszeiten am Patienten werden durch die gegenwärtigen Budgetdeckel ausgebremst. Wer wie die niedergelassenen Ärzte durchschnittlich zehn Prozent seiner Arbeit nicht erstattet bekommt, wird nicht bereit sein, noch mehr Zeit zu investieren“, erklärte von Stillfried.
Datengrundlage der Zi-Auswertung waren die Angaben von rund 3.800 Einzelpraxen und 1.000 Gemeinschaftspraxen von Vertragsärzten und -psychotherapeuten aus dem Jahr 2015, die im Rahmen des jährlich durchgeführten Zi-Praxis-Panels (ZiPP) erhoben wurden.