Berlin – Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hat am Montag den Referentenentwurf eines Gesetzes für schnellere Termine und bessere Versorgung, kurz Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG), vorgelegt. Ziel des Gesetzes sei es, Wartezeiten auf Arzttermine zu verkürzen, das Sprechstundenangebot zu erweitern und die Vergütung vertragsärztlicher Leistungen zu verbessern, so der Entwurf. In der Ärzteschaft stieß das geplante TSVG auf ein geteiltes Echo.
„Wir sorgen dafür, dass gesetzlich Versicherte künftig schneller einen Arzttermin bekommen. Ärzte, die uns dabei helfen, die Versorgung zu verbessern, sollen höher und außerhalb des Budgets vergütet werden“, fasst Bundesgesundheitsminister Jens Spahn zusammen.
Terminservicestellen werden ausgeweitet
Um Patienten schneller einen Arzttermin zu verschaffen, sollen die Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) künftig jeden Tag rund um die Uhr über die bundesweit einheitliche Telefonnummer 116117, die bisherige Nummer des Not- und Bereitschaftsdienstes, erreichbar sein. Zusätzlich soll es für die Terminvermittlung auch ein Onlineangebot geben. In Akutfällen sollen Patienten auch während der Sprechstundenzeiten an offene Arztpraxen oder Notfallambulanzen vermittelt werden.
Mindestsprechstundenzeit künftig 25 Stunden
Vertragsärztinnen und -ärzte sollen ihr Mindestsprechstundenangebot für gesetzlich versicherte Patienten künftig von 20 auf 25 Stunden ausweiten. Grundversorgende Arztgruppen sollen zudem fünf offene Sprechstunden pro Woche für Patienten ohne Termin anbieten. Hierzu zählen laut dem Gesetzentwurf beispielsweise Haus- und Kinderärzte, Frauenärzte oder auch Orthopäden. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und der GKV-Spitzenverband sollen bis zum 31. März 2019 die Einzelheiten „zur angemessenen Anrechnung der Besuchszeiten auf die Mindestsprechstundenzeiten sowie zu den Arztgruppen, die offene Sprechstunden anzubieten haben“, bestimmen. Bereits Mitte des kommenden Jahres sollen die neuen Regelungen zu den Sprechstundenzeiten dann in Kraft treten, berichtet das „Deutsche Ärzteblatt“ (DÄ).
„Ich weiß, dass viele Ärzte diese Anforderungen schon übererfüllen. Aber durch klarere Vorgaben schützen wir genau diese große Mehrheit der Ärzte, die teilweise bis an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit arbeitet, vor einer Minderheit, die ihren Versorgungsauftrag nicht voll ausfüllt“, begründet Spahn die Pläne in einem aktuellen Interview mit dem DÄ.
Extrabudgetäre Vergütung zusätzlicher Leistungen
Für die zusätzlichen Angebote will die Regierung den Ärzten extrabudgetäre Vergütungsanreize bieten. Diese soll es unter anderem geben für: die Behandlung von Patienten, die durch die Terminservicestellen vermittelt wurden; die Behandlung von neuen Patienten in der Praxis; für Leistungen, die in den offenen Sprechstundenzeiten erbracht werden; für die Behandlung von Akut- und Notfällen während der Sprechstunden sowie für Leistungen der „Sprechenden Medizin“. Etwa 500 bis 600 Millionen Euro sollen die geplanten Maßnahmen kosten, erklärte das BMG dem DÄ zufolge.
Versorgung auf dem Land stärken, Digitalisierung vorantreiben
Weitere Maßnahmen sieht das Gesetz unter anderem für die Verbesserung der Versorgung in ländlichen, von Unterversorgung bedrohten Gebieten vor. So soll es obligatorische regionale Zuschläge für Ärzte auf dem Land geben. Außerdem sollen die KVen verpflichtet werden, in unterversorgten Gebieten eigene Praxen oder Versorgungsalternativen wie zum Beispiel Patientenbusse oder mobile Praxen anzubieten.
Um die Digitalisierung weiter voranzubringen, werden die Krankenkassen verpflichtet, ihren Versicherten spätestens ab 2021 eine elektronische Patientenakte zur Verfügung zu stellen. Auf diese sollen die Patienten auch mobil mittels Smartphone oder Tablet zugreifen können.
Kassenärzte lehnen Vorgaben für Sprechstunden ab
In einem Statement gegenüber der „Funke Mediengruppe“ äußerte sich KBV-Vorstandschef Dr. Andreas Gassen zu den Plänen von Gesundheitsminister Jens Spahn. „Das geplante Gesetz bringt ein bisschen Licht, aber auch viel Schatten“, so Gassen. Positiv sei, dass für die ambulante Versorgung zusätzlich 600 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden sollen. Dieses Geld werde für die Versorgung der Patienten dringend gebraucht. „Noch besser wäre es, wenn die Budgets für die niedergelassenen Ärzte abgeschafft würden. Hier ist eine Chance verpasst worden“, meint der KBV-Chef.
Den Plan, Ärzten eine Mindestsprechstundenzeit von 25 Stunden vorzuschreiben, lehnen die Kassenärzte ab: „Damit greift die Politik viel zu stark in die Abläufe der einzelnen Praxis ein. Ärzte sind Freiberufler und müssen ihre Arbeit frei gestalten können“, sagte Gassen. Auch einzelne KVen und Ärzteverbände äußerten sich zu den Sprechstundenvorgaben und der Machbarkeit der von Spahn geplanten Maßnahmen kritisch.
Montgomery: Für mehr Leistungen braucht es mehr Ärzte
„Schnellere Termine, mehr Sprechstunden, mehr Angebote, das verspricht die Politik. Aber auch mehr Ärzte?“ So kommentierte Prof. Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer, den Referentenentwurf. „Wir sehen durchaus diskussionswürdige Ansätze im TSVG“, hält er fest. Die grundlegenden Voraussetzungen für nachhaltige Verbesserungen gelte es aber ebenso sicherzustellen, allen voran eine ausreichend hohe Anzahl von Ärztinnen und Ärzten, so Montgomery.
Weitere Informationen
- Referentenentwurf des Terminservice- und Versorgungsgesetzes
- Deutsches Ärzteblatt: Referentenentwurf: Mehr Vergütung, offene Sprechstunden, PrEP auf Kassenkosten
- Deutsches Ärzteblatt: Reform der Sprechstunde: Ärzte stemmen sich gegen Pläne der Großen Koalition
- Deutsches Ärzteblatt: Erhöhung der Mindestsprechstundenzeit soll Mitte 2019 in Kraft treten