Am 16.01.2020 wurde vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) ein „Disease Management Programm (DMP) Osteoporose“ beschlossen. Der Beschluss des G-BA ist der erste Schritt auf einem hoffentlich nicht zu langen Weg.
Eine Arbeitsgruppe des G-BA mit zusätzlich vier externen medizinischen Experten (Allgemeinmedizin, Gynäkologie, Orthopädie und Unfallchirurgie), hat in monatlichen Sitzungen seit Frühjahr 2018 diesen Beschluss inhaltlich vorbereitet.
Voraus ging eine Beurteilung von internationalen Leitlinien für die Diagnostik und Therapie der Osteoporose. des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). In der Leitlinie Synopse für ein „DMP Osteoporose“ des IQWiG wurden die Leitlinien des Dachverbands Osteologie als Basis für die Erstellung eines DMPs ausdrücklich empfohlen. Die DVO Leitlinien 2017 wurden gemäß den internationalen Vorgaben formell dafür überarbeitet. Inhaltlich hatte sich gegenüber der Leitlinie von 2014 nichts verändert.
Chronische Volkskrankheiten wie die Osteoporose sind komplex und erfordern eine langfristige und regelmäßige Behandlung, die an die individuelle Ausprägung der Erkrankung und den Lebensumständen einer Patientin / eines Patienten angepasst werden müssen. In Deutschland sind derzeit etwa sechs Millionen Patienten betroffen, die in ihrem weiteren Leben bis zu 50% eine osteoporosebedingte Fraktur erleiden werden. Je nach Erhebung sind nur zwischen 20 – 40% der betroffenen Patienten adäquat versorgt.
Bereits 2005 wurde vom Dachverband Osteologie eine solche DMP-Initiative durch die ehemaligen Vorsitzenden Prof. Dr. Johannes Pfeilschifter, Prof. Dr. Franz Jakob und Dr. Hermann Schwarz empfohlen, aber zu diesem Zeitpunkt standen andere Krankheiten im Vordergrund der Diskussion für ein DMP.
Disease-Management-Programme (DMP) sind strukturierte Behandlungsprogramme für chronische Erkrankungen, um die ärztliche Behandlung langfristig zu optimieren und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern und zu erhalten. Weitere Ziele sind Komplikationen und Folgeschäden oder Begleiterkrankungen so weit wie möglich zu vermeiden.
DMPs umfassen regelmäßige Arzttermine mit Beratungsgesprächen und Untersuchungen sowie die Vermittlung von Hintergrundinformationen zum Beispiel durch Schulungen. Arztpraxen, die eine Behandlung im Rahmen der DMP-Osteoporose anbieten, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllen und festgelegte Qualitätsanforderungen einhalten. Dadurch soll auch eine Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Fachdisziplinen und Einrichtungen, die eine Patientin oder einen Patienten betreuen, etwa zwischen Allgemeinmedizinern und Fachärzten, Kliniken und Reha-Einrichtungen, erreicht werden.
Nach der Diagnose „Osteoporose“ kann der koordinierende Arzt die Patientin / den Patienten in das DMP einschreiben und auf der Basis der DMP-Vorgaben (wie sie am 16.1.2020 beschlossen wurden) einen individuellen Therapieplan erstellen.
Dieser umfasst unter anderem die medikamentöse Behandlung (Antiresorptive, Osteoanabolika, Kalzium und Vitamin D) und weitere therapeutische Maßnahmen, Schulungstermine und regelmäßige Kontrolluntersuchungen. Die einzelnen Behandlungsschritte, Untersuchungs- und Behandlungsergebnisse werden regelmäßig dokumentiert.
Die Teilnahme an einem DMP hat für Patienten und für Ärzte Vorteile
Die beteiligten Ärzte müssen sich für das Thema Osteoporose interessieren und fortbilden und erlangen dadurch ein kontinuierlich-aktualisiertes Wissen, auch für die Versorgung von komplexen Fällen von Osteoporose.
Bei korrekter Indikation für die Einschreibung für das DMP Osteoporose brauchen sich die Kollegen nicht mehr mit dem Kostendruck für ihre Therapie auseinander zu setzen. Durch die dokumentierte Information über den Verlauf der Erkrankung und der Therapie werden Doppeluntersuchungen und Fehlmedikation vermieden. Des Weiteren sind alle Therapeuten und Ärzte angehalten, ihre Maßnahmen miteinander abzustimmen. Spezielle Schulungsprogramme und strukturierte Trainingsprogramme können es chronisch kranken Osteoporosepatienten erleichtern, ihre Behandlung gut informiert und aktiv mitzubestimmen und neben der medikamentösen Therapie aktiv etwas für ihre Knochengesundheit zu tun. Der Text im Beschluss lautet: Orthopäden können koordinierende Ärzte sein, “bei Patienten, die keine relevanten und schwerwiegenden weiteren Morbiditäten haben”. Das ist eine Vorgabe, die noch in der Arbeitsgruppe des G-BA in den “Tragenden Gründen” genauer definiert werden muss.
Da das medizinische Wissen ständig wächst, müssen die Vorgaben für das DMP Osteoporose regelmäßig auf den neuesten Stand gebracht werden. Der G-BA beauftragt regelmäßig das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), die verschiedenen DMP zu überprüfen.
Da die Leitlinien Osteoporose des DVO in einem festgelegten Rhythmus von drei Jahren erneuert werden und damit die aktuelle Evidenz für die Diagnostik und die Therapie eingearbeitet wird, ist davon auszugehen, dass diese Inhalte auch bei einer Aktualisierung des DMP berücksichtigt werden. Das nächste Update der DVO-Leitlinien ist Ende 2020 zu erwarten und darin wird auch ein neuer elektronischer Risikorechner vorgestellt, der evidenzbasiert das individuelle Risiko der Patientinnen und Patienten vorhersagt. Eine Beurteilung des Risikos ist dann für die behandelnden Ärzte deutlich einfacher und zuverlässiger. Inhaltlich ist das DMP Osteoporose sehr gut aufgestellt und wird, bei korrekter Umsetzung und Implementierung, seinen Zweck erfüllen. Der Beschluss des GBA ist aber der erste Schritt auf einem hoffentlich nicht zu langen Weg. Die GBA Vorgaben müssen als nächstes bei den Landes KVen umgesetzt werden. Dazu ist ein weiteres Engagement von uns Ärzten notwendig.
Prof. Dr. Andreas Kurth
BVOU-Referatsleiter Osteologie
DVO-Vorsitzender