Berlin/Euskirchen – Die verheerenden Überschwemmungen der letzten Tage in mehreren Bundesländern hat existenzielles sowie physisches Leid bei vielen Betroffenen verursacht. Der Starkregen und die Überflutungen haben dabei zahlreiche Menschenleben gefordert – so auch in Euskirchen in Nordrhein-Westfalen. Der Ort ist von dem Unwetter der vergangenen Tage stark betroffen. Dr. Steffen Hartmann ist in Euskirchen niedergelassen. Im Interview schildert der Orthopäde, wie er die letzten Tage erlebt hat.
Wie würden Sie die aktuelle Lage in Euskirchen beschreiben?
Dr. Steffen Hartmann: Die aktuelle Lage in Euskirchen würde ich als relativ stabil bezeichnen. Die Aufräumarbeiten laufen im vollen Gange. Überall liegt noch der Müll vor den Häusern. Viele Straßen sind noch gesperrt und ein Großteil der Geschäfte bleiben geschlossen.
Wie haben Sie den Beginn der Flutkatastrophe erlebt? Wo waren Sie zu dem Zeitpunkt?
Dr. Hartmann: Ich persönlich war zu Hause, als das Hochwasser begann. Ein Teil unseres Kellers war überflutet, aber es ist kein großer Schaden entstanden. In meinem Wohnort Kommern waren aber leider erneut, nach 2016, mehrere Familien betroffen. Viele Menschen haben erneut alles verloren. Donnerstag morgens [15.7.] bin ich früh um 6:00 Uhr nach Euskirchen zur Praxis gefahren. Es war schon kaum möglich, in die Stadt zu kommen. Die ansonsten kleinen Bäche Erft und Veybach hatten sich in Sturzbäche verwandelt. Es kamen mir Autos und Gegenstände entgegen geschwommen.
Inwiefern ist Ihre Arztpraxis von der Katastrophe betroffen?
Dr. Hartmann: Der Großteil unserer Praxisräume blieb glücklicherweise verschont. Der rückwärtige Parkplatz, der an den Veybach angrenzt, war komplett übergeflutet. Hier schwamm Müll und ein Wohnwagen herum. Das Untergeschoss unserer Praxis, das den Gesellschaftsraum, das Badezimmer und den Aktenraum beherbergt, war mit Wasser, Matsch und Diesel/Heizöl kniehoch geflutet.
Halten Sie den Praxisbetrieb aufrecht? Wenn ja, wie?
Dr. Hartmann: Unsere Mitarbeiterinnen haben es erst nicht geschafft nach Euskirchen in die Praxis zu kommen. Sie waren auch teilweise direkt von der Flut betroffen. Ab dem späten Vormittag war schließlich die Kernmannschaft zusammen und wir konnten die beschädigten Räume leerräumen. Donnerstag und Freitag haben wir praktisch damit verbracht, die Räume halbwegs nutzbar zu machen.
Aktuell halten wir den Praxisbetrieb aufrecht, müssen aber ohne Telefon und Internet auskommen. Wir können auch keinen Kontakt zu Kollegen aufbauen, um gegebenenfalls ein Versorgungsnetz aufzubauen.
Patienten, die in die Praxis kommen, werden selbstverständlich auch behandelt. Viele kommen aber nicht, da sie verunsichert sind, keinen Kontakt aufnehmen können oder durch eigene Aufräumarbeiten zu sehr eingespannt sind.
Im Vergleich zu anderen Euskirchenern haben wir aber großes Glück gehabt. Es sind ja leider auch einige Tote zu verzeichnen und viele haben ihre Existenz verloren.
Herr Dr. Hartmann, vielen Dank für das Gespräch und alles Gute in dieser schweren Zeit.
Das Interview führte Janosch Kuno, BVOU-Pressearbeit.
Hochwasser: Hartmannbund begrüßt schnelle Reaktion vor Ort
Der Hartmannbund hat die schnelle Reaktion der Kassenärztlichen Vereinigungen in den von der Hochwasser-Katastrophe schwer betroffenen Regionen, insbesondere in Nordrhein und Rheinland-Pfalz, gewürdigt. „Inzwischen zeichnet sich immer deutlicher auch das Ausmaß der Beeinträchtigung der Strukturen der ambulanten Versorgung ab. Deshalb begrüßen wir es, dass die KVen sowohl die akute Sicherstellung der Patientenversorgung im Auge haben, als auch die teils erheblichen unmittelbaren Auswirkungen auf die betroffenen sowie die aushelfenden Praxen“, heißt es in einer Erklärung des Hartmannbund-Vorstandes. Mit Blick auf die Versorgung der Bevölkerung komme es nun vor allem darauf an, die in Aussicht gestellten Sofortmaßnahmen – wie z. B. die kurzfristige und unbürokratische Möglichkeit von Praxisverlegungen, die Vermittlung von Übergangsräumlichkeiten oder etwa die Bereitstellung von Praxisausstattung – so zügig wie möglich umzusetzen.
Für die wirtschaftliche Situation der Praxen sei die Weiterzahlung der gerade jetzt unverzichtbaren Abschlagszahlungen unbedingt sicherzustellen. Auch die Gewährung von nachteilsfreien Fallzahl- und Mengenausweitungen für jene Praxen, die nun Patientinnen und Patienten der betroffenen Praxen mitversorgen, sei ein wichtiger Schritt. Der Hartmannbund setzt außerdem auf einen großzügigen Umgang mit den Folgen des Ausfalls von Infrastruktur. Viele Praxen seien beispielsweise wegen erheblicher Störungen der Telekommunikation teilweise nur eingeschränkt handlungsfähig. Dies betreffe unter anderem Abrechnungsprobleme und den aktuell nicht vorhandenen Anschluss an die Telematik-Infrastruktur.
Quelle: HartmannBund