Unter Kleinzehendeformitäten versteht man Hammer-, Krallen- und Malletzehen sowie den sog. Curly Toe. Häufigste Ursache dieser Deformitäten sind Dysbalancen der Sehnenkräfte, Fehlstellungen des ersten Strahles mit mechanischer Verdrängung der Kleinzehen mitunter aber auch unsachgerechtes Schuhwerk.
Meist berichten die Patienten über Schuhdruck und schmerzende Schwielen an den Zehen. Oft besteht eine Vergesellschaftung mit einem Hallux valgus oder Minusvariante des ersten Mittelfußknochens. Komplexe Fußdeformitäten wie der Hohlfuß/Ballenhohlfuß oder dem Knick-Plattfuß sind zu beachten, da sie Ursache für das Muskelungleichgewicht an den Kleinzehen darstellen. Beim Hohlfuß sollte stets eine neurologischen Untersuchung zu Identifizierung einer neurogenen Erkrankung wie z. B. der HMSN (hereditäre motosensorische Neuropathie) erfolgen.
Pathogenetisch überwiegen bei den Zehenfehlstellungen meist die Zehenstrecker gegenüber den schwächeren intrinsischen Muskeln, welche alleinig für die aktive Plantarflexion des Grundgliedes verantwortlich sind. Erschwerend kommt hinzu, dass aufgrund der Plantarisierung der Mittelfußköpfe auch die intrinsische Fußmuskulatur, Mm lumbricales und interossei, zu Zehenstreckern werden.
Definition von Zehendeformitäten
Wichtig ist zunächst die korrekte Diagnostik und Definition der jeweiligen Zehendeformität:
- Hammerzehe: Beugefehlstellung im Mittelgelenk mit Kontakt der Zehenbeere zum Boden
- Krallenzehe: Grundglied in Dorsalextension fixiert,
Mittel- und Endgelenk in Beugefehlstellung ohne Kontakt der Zehenbeere zum Boden - Malletzehe: auch als Endgelenkhammerzehe mit Beugefehlstellung im Endgelenk bezeichnet.
- Curley Toe: In Varusfehlstellung stehende Zehe (meist 4. oder 5. Zehe) mit Rotationsfehlstellung und Beugefehlstellung im Mittelgelenk (oft bei Kindern)
Therapie von Zehendeformitäten
Konservative Therapie
Zunächst sollte immer eine konservative Therapie erfolgen und hierbei auch die Fußdeformität adressiert werden. Hierzu stehen neben individuell gefertigten orthopädischen Einlagen und Schuhzurichtungen die physiotherapeutische Behandlung zur Verfügung. Wichtig erscheint das Erlernen von Übungen, die täglich in Eigentherapie durchgeführt werden, vor allem die aktive und passive Plantarflexion des Grundgliedes. Des Weiteren kann man mit Tapeverbänden versuchen, mit Bandagen oder Orthesen die Fehlstellung zu verbessern oder ein Fortschreiten zu verhindern. Gelingt dies nicht, so sind operative Verfahren indiziert.
Operative Therapie
Operativ wird ein sogenanntes sequentielles Verfahren durchgeführt. Es wird geprüft, ob eine flexible oder fixierte Fehlstellung vorliegt. Bei flexiblen Fehlstellungen kann zunächst versucht werden, über Sehnenverlängerung der Strecksehnen das Muskelgleichgewicht wieder herzustellen, um die Fehlstellung in eine korrekte Stellung und Funktion zu überführen. Dies kann gut durch ein sog. Sehnenrelease im Bereich der Streckerhaube oder der langen bzw. kurzen Beugesehnen je nach Pathologie durchgeführt werden. Gerade beim diabetischen Fuß hat sich auch die Tenotomie der Beugesehnen durch Stichinzision sehr bewährt. Eine weitere Möglichkeit besteht bei flexiblen Deformitäten in einem Beugesehnentransfer durch Verlagerung der längsgespaltenen langen Beugesehne nach dorsal auf das Grundglied. Hierdurch erfolgt eine Umkehrung der Funktion mit Ausschaltung der Flexionswirkung auf Mittel- und Endglied. Bei fixierten Fehlstellungen und (Sub)-Luxationen hilft meist nur eine knöcherne Korrektur.
Bei fixierter Hammerzehenfehlstellung erfolgt neben der Ausschneidung des Clavus („Hühnerauge“) incl. dorsaler tangentialer Resektion der Kondylenprominenz in der minimalinvasiven Technik die achskorrigierende plantarbasige Korrekturkeilosteotomie der Grund- und ggf. auch die dorsalbasige Keilosteotomie der Mittelphalanx, das plantare Release des PIP-Gelenkes und eventuell das dorsale Release des MTP-Gelenkes und ggf. auch eine Tenotomie der langen Strecksehne.
Das Korrekturergebnis kann durch eine drei- bis vierwöchige temporäre K-Drahtfixierung oder bei guter Weichteilbalanzierung durch retinierende Verbände und Tapes gesichert werden. Alternativ ist die Durchführung einen PIP-Arthrodese möglich mit temporärer Drahtfixation oder mit einen PIP-Implantat.
Bei einer Krallenzehe wird aufgrund der Extensionsfehlstellung des Grundgliedes das Lösen von Kapsel- und Seitenbandkontrakturen des Grundgelenkes zusätzlich durchgeführt. Falls hierdurch keine orthograde Stellung erreicht werden kann, kommt zusätzlich ein den Mittelfußknochen retrokapital verkürzendes und elevierendes Verfahren wie z. B. die Weil-Osteotomie (in der Barouck Modifikation) zum Einsatz. Liegt eine Luxation im Grundgelenk vor ist die proximale Grundgliedteilresektion mit Strecksehnentransposition i.S.d. OP nach Stainsby ein wertvolles Verfahren, welches auch bei Revisionen Anwendung findet. Bei einer vor allem traumatischen Ruptur der plantaren Platte kann eine Naht/Rekonstruktion dieser Struktur indiziert sein.
Bei einer flexiblen Malletzehe kann durch ein Release der Beugesehnen und plantare Kapsulotomie im Endgelenk mit anschließender Redression die Korrektur erfolgen. Besteht eine kontrakte Fehlstellung so erfolgt meist eine DIP-Arthrodese.
Beim Curly Toe erfolgt meist eine Tenotomie der langen Beugesehne, ggf. auch eine Verlängerung der langen Strecksehne.
Post -OP Therapie
Wichtig ist die Nachbehandlung. Entscheidet man sich nicht für eine K-Drahtfixierung, so müssen die Zehen ausreichend lange mit redressierenden Verbänden gefolgt von Tapeverbänden, Silikonorthesen oder anderweitiger Orthesen nachbehandelt werden. Diese Nachbehandlungtherapie entspringt der minimal invasiven (MIS) Kleinzehenchirurgie, die augenblicklich sehr beliebt ist. Wichtig und entscheidend für das OP-Ergebnis ist die Nachbehandlung v.a. beim MIS-Vorgehen. Direkt postoperativ erfolgt eine SeriStrip-Retention und Retentionsverbände über sechs Wochen. Dies ist beim MIS Verfahren zwingend erforderlich. Es wird über gute Korrekturergebnisse berichtet.
Postoperativ kann in den meisten Fällen im Vorfußentlastungsschuh mit durchgängiger versteifter Sohle mit Abrollung eine schmerzadaptierte Vollbelastung durchgeführt werden. Ein Thromboembolieprophylaxe wird entsprechend der Richtlinien empfohlen. Die Patienten sollten über die Möglichkeit einer längerfristigen Schwellneigung der Kleinzehen nach OP aufgeklärt werden.
Bestehen komplexe Fußdeformitäten so sollte hier eine orthopädieschuhtechnische Versorgung mit Einlagen und ggf. orthopädische Zurichtungen am Konfektionsschuh nach der post-OP Phase eingeleitet werden. Fehlstellungen und Pathologien der Großzehe sind zu adressieren und ins Behandlungskonzept mit einzubeziehen.
Dr. Angela Simon, Malchin
Dr. Hartmut Stinus, Northeim
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