Die neu diagnostizierte Osteolyse im Alter von über 50 stellt einen Grund zur Besorgnis sowohl beim behandelnden Arzt als auch Patienten dar und wirft auf beiden Seiten Fragen auf. Der folgende Beitrag soll Licht ins Dunkel dieses unklaren Befundes bringen und dabei helfen die nächsten diagnostischen Schritte einleiten zu können.
Der radiologische Befund einer Osteolyse wird entweder als Zufallsbefund im Rahmen der Abklärung von anderen Beschwerden erhoben oder ist aufgrund von Schmerzen selbst verantwortlich für die eingeleitete Diagnostik. Durch die fokale Auflösung des Knochens drängen sich zwangsläufig zwei zentrale Fragen auf. 1. Was ist die Ursache für die Osteolyse und insbesondere kann es sich um ein malignes Geschehen handeln? 2. Besteht eine erhöhte Bruchgefahr und wenn ja, wie ist damit umzugehen?
Die erste dieser beiden Fragen ist oft die schwierigste und lässt sich in vielen Fällen nicht unmittelbar beantworten. Es bedarf hierzu der Einleitung zusätzlicher diagnostischer Schritte, nichtinvasiver sowie oft auch invasiver Natur, bevor eine nähere Eingrenzung möglich ist. Die Erhebung einer detaillierten Anamnese ist der erste Schritt, der wichtige Informationen hinsichtlich der Entitätszuordnung liefern kann. Es ist offensichtlich, dass in der Vorgeschichte das Vorliegen von onkologische Erkrankungen relevant ist. Neben tumorspezifischen Überlegungen kann darüber hinaus anamnestisch auch das Vorhandensein von chronisch entzündlichen Erkrankungen sowie Stoffwechselerkrankungen relevant sein.
Je nach Tumorentität entwickeln bis zu 76 % der in Therapie befindlichen Tumorpatienten im Verlauf der Erkrankung ossäre Metastasen.1 Dies betrifft insbesondere Patienten mit Karzinomerkrankungen, die eine hohe Inzidenz aufweisen, wie Mamma-, Bronchial-, Prostata- oder auch Nierenzellkarzinom, und eine hohe Affinität zur ossären Metastasierung besitzen2 (Abb. 1). Auch hämatologische Tumorerkrankungen wie das Lymphom oder das Plasmozytom können mit Knochenbeteiligungen einhergehen3,4 (Abb. 2). Die Information, dass eine aktive Tumorerkrankung vorliegt, ist für die Einschätzung des Röntgenbefunds im Rahmen der Primärdiagnostik von enormer Bedeutung. Neben der primären obligatorischen Röntgenbildgebung in zwei Ebenen können Serumparameter wie eine erhöhte Konzentration der alkalischen Phosphatase, ein erhöhter Kalziumwert, eine Paraproteinämie oder erhöhte Konzentrationen spezifischer Tumormarker weitere für die Diagnostik relevante Informationen liefern. Das Fehlen einer onkologischen Vorerkrankung in der Anamnese schließt jedoch im Umkehrschluss das Vorliegen einer solchen keineswegs aus, da eine ossäre Beteiligung bereits im Rahmen der Erstdiagnose auftreten kann. Dass es sich bei der Osteolyse um einen primären Knochentumor handelt, ist unter allen malignen Erkrankungen die unwahrscheinlichste aller Konstellationen. Im Altersbereich von über 50 Jahren kommen grundsätzlich nur das Osteosarkom im zweiten Altersgipfel sowie das Chondrosarkom überhaupt in Frage. Nachdem die Inzidenz dieser Erkrankungen deutlich unter der von Metastasen liegt, ist die Diagnose eines primären Knochensarkoms im Vergleich zu Knochenmetastasen eine Rarität. Der Umfang der Thematik maligner Erkrankungen mit ossärer Manifestation sprengt den Umfang dieses Beitrages bei Weitem, so dass an dieser Stelle nur allgemeine Prinzipien und Aspekte aufgezeigt werden. Für die entitätsspezifische Diagnostik und Therapie der einzelnen malignen Erkrankungen wird auf die entsprechenden Leitlinien
verwiesen.
Zusätzlich zur Anamnese können Form und Ausdehnung der Osteolyse Rückschlüsse auf die Dignität erlauben. So bietet die Lodwick Klassifi kation eine Hilfestellung für die Einteilung anhand radiologischer Beurteilungskriterien.5 Auf Grundlage des Destruktionsmusters des Knochentumors auf nativen Röntgenaufnahmen wird dabei auf seine Dignität geschlossen. Bei gutartigen Tumoren werden 3 Unterkategorien beschrieben:6
- Der Tumor ist klar begrenzt und weist eine deutliche Randsklerose auf (1A).
- Der Tumor wächst schneller und zeigt eine Kortikalisausdünnung mit allenfalls geringer Sklerose im Randbereich (1B).
- Der Tumor zeigt ein expansives Wachstum mit unscharfer
Kontur im Randbereich (1C).
Für eine maligne Genese sprechen ein destruktives Wachstumsmuster mit Kortikalispenetration und Periostreaktion (2) oder gar ein permeatives Durchwandern des Knochens (3).
Demnach ist eine Osteolyse, die nicht von einer Sklerose umgeben ist, sondern eine Kortikalispenetration und/oder Periostreaktion zeigt, primär als malignitätssuspekt zu werten und bedarf der weiteren Abklärung. Des Weiteren sind Schmerzen in Projektion auf die Osteolyse sowie eine Größenzunahme im Verlauf als verdächtig anzusehen. Für die detaillierte radiologische Beurteilung ist in der Regel eine konventionelle Röntgenaufnahme in 2 Ebenen alleine nicht ausreichend, sondern ist durch eine entsprechende Schnittbildgebung zu ergänzen. Der Goldstandard hierfür ist die MRT-Diagnostik mit Kontrastmittel, da hiermit sowohl eine mögliche Weichteilkomponente des Tumors als auch das Umgebungsödem inklusive des Kontrastmittelverhaltens des Tumors dargestellt werden können. Die Durchführung der MRT hat dabei zeitnah zu erfolgen, ein Warten auf einen Termin von 8 Wochen, wie es im ambulanten Sektor auch üblich ist, ist nicht akzeptabel. Zur Beurteilung und Einordung des Befundes wird empfohlen den Patienten inklusive der aktuellen Röntgen und MRT Bildgebung in den Folgetagen nach der MRT Diagnostik an einem Tumorzentrum vorzustellen. Die Lokalisation der Osteolyse und das Ausmaß der Osteodestruktion selbst lassen sich in der Computertomographie am besten beurteilen. Die Notwendigkeit einer zusätzlichen CT Diagnostik wird im Einzelfall entschieden. Zusätzlich zur lokalen Ausdehnung ist bei malignen Erkrankung ein komplettes Staging unerlässlich. Neben der klassischen Computertomographie von Thorax und Abdomen liefert eine Skelettszintigraphie Informationen über weitere ossäre Manifestationen. Das Vorliegen eines solitären oder multipler Herde ist bei differentialdiagnostischen Überlegungen von hoher Relevanz und spielt ebenso bei der Festlegung der Therapie eine wichtige Rolle. Die Positronenemissionstomographie in Kombination mit einer low dose CT löst in zunehmendem Maße das konventionelle Staging ab.
Prädilektionsstelle für das Auftreten von ossären Metastasen ist das stammnahe Skelett mit absteigender Häufigkeit von Wirbelsäule, Becken, Femur, Rippen und Humerus. Unter den Karzinomen zeigen Mamma-, Bronchial-, Prostata-, Schilddrüsen- als auch Nierenzellkarzinome am häufigsten eine ossäre Metastaierung (Abb. 3), wobei das Prostatakarzinom ein osteoblastisches Wachstumsmuster zeigt und damit nicht für eine Osteolyse in Frage kommt. Andere Formen wie Kolorektaleoder Ovarial – Karzinome metastasieren seltener in den Knochen, sind aber durch ihre hohe Prävalenz in der Bevölkerung durchaus relevant in der Differentialdiagnostik von Osteolysen.
In vielen Fällen gelingt jedoch mit nichtinvasiver Diagnostik keine ausreichende Eingruppierung der Läsion, so dass zu invasiven Methoden gegriffen werden muss. Dies bedeutet, dass eine histologische Probengewinnung aus der Läsion erfolgt, welche entweder minimalinvasiv CT-gestützt oder off en im Rahmen einer Inzisionsbiopsie durchgeführt werden kann. Auch wenn die Biopsie vom Prinzip her kein technisch schwieriger Eingriff zu sein scheint, können dabei viele, zum Teil kapitale Fehler unterlaufen, die eine nachfolgende Operation unter kurativen Gesichtspunkten unmöglich machen oder in einer Amputation enden. Deshalb sollte der Eingriff an einem Zentrum durchgeführt, das auch eine spätere Versorgung durchführen kann. Der Überlebensvorteil von Patienten, bei denen die Biopsie in einem Tumorzentrum durchgeführt wurde, im Vergleich zu extern biopsierten Patienten konnte in Studien bestätigt werden.7
Die Differentialdiagnostik von Osteolysen bei Patienten von über 50 Jahren ist breit gefächert. Unter den malignen Erkrankungen sind ossäre Metastasen am häufigsten, die sowohl uni- als auch mulitlokulär in Abhängigkeit des Metastasierungsgrades auftreten sind. Osteolysen beim Plasmozytom sind klassischerweise wie ausgestanzte Defekte, die multilokulär zu finden sind. Auch kann die Blut- und Urindiagnostik im Vorfeld Indizien für das Vorliegen einer solchen Erkrankung liefern. Lymphome sind eine weitere Option von malignen Systemerkrankungen, die primär im Knochen auftreten können. Je nach Ausprägungsgrad der Dediff erenzierung lassen sich primäre Knochentumore chondrogenen oder ossären Ursprungs bereits radiologisch grob zuordnen, bedürfen jedoch zwingend einer histologischen Sicherung im Vorfeld.
Die Bandbreite nicht maligner Erkrankungen ist ebenfalls groß. So kann eine Osteomyelitis radiologisch jeden Befund imitieren und von harmlos bis hoch maligne imponieren. Die Infektion des Knochens wird nicht grundlos als ein radiologisches Chamäleon bezeichnet. Bei gelenknah auftretenden Osteolysen sollte differentialdiagnostisch an ein intraossäres Ganglion vor allem bei bereits vorhandenen degenerativen Veränderungen oder aber auch an eine Gicht gedacht werden. Bei der Gicht scheint meist in der Bildgebung der Ursprung außerhalb des Knochens zu liegen, der den Knochen von außen arrodiert. Osteolytische Veränderungen können ebenfalls bei harmlosen Erscheinungen wie einer fibrösen Dysplasie oder Knochenzysten in Erscheinung treten. Nachdem diese Erkrankungen bereits im jugendlichen oder jungen Erwachsenenalter auftreten, ist eine Erstdiagnose im Alter von über 50 Jahren in der Regel ein Zufallsbefund im Rahmen einer Abklärung aus anderen Gründen. Hinweise für eine fibröse Dysplasie sind neben formtypischen Knochenveränderungen (Hirtenstabkonfiguration des Femurs) vor allem die pathognomonische milchglasig imponierende Knochenstruktur, die in der CT besonders in Erscheinung tritt. Im erweiterten Dunstkreis der differentialdiagnostischen Überlegungen befinden sich auch chronisch entzündliche Erkrankungen wie zum Beispiel die chronische Polyarthritis oder Sarkoidose sowie Stoffwechselerkrankungen wie Hyperparathyreoidismus. Auch Patienten mit fortgeschrittener Niereninsuffizienz können knöcherne Veränderungen zeigen. Eine Liste möglicher Differentialdiagnosen bei Osteolysen im Alter von über 50 ist in Tabelle 1 abgebildet.
Die Frage nach der Bruchgefahr von osteolytischen Veränderungen des Knochens lässt sich nicht direkt vorhersagen, eine Risikoabschätzung ist jedoch gut möglich. Hierfür wurden einzelne Scores entwickelt, die dem Behandler eine grobe Orientierung bieten und auch die Indikationsstellung zur Intervention erleichtern. Bei Festlegung von Zeitpunkt und Form der Intervention spielen jedoch weitere Faktoren wie unter anderem Entität, Dignität, Tumorausdehnung, Komorbidität, Prognose eine entscheidende Rolle. An den Extremitäten hat sich der Mirels-Score zur Abschätzung der Gefahr für eine pathologische Fraktur bewährt (Abb. 4). In den Score fließen Lokalisation, Schmerz, Größe und Biologie der Läsion mit ein. Ab einem Punktwert von 8 wird eine prophylaktische Schutzosteosynthese empfohlen [8]. Die Art der Versorgung hängt von vielen Gesichtspunkten ab. Grundsätzlich sollten intramedulläre Kraftträger eher vermieden werden, da im Falle eines malignen Tumors dieser im Markraum verteilt wird und selbst unter palliativen Gesichtspunkten der Progress im Markraum zu weiteren pathologischen Frakturen und Materialversagen führen kann. Unter biomechanischen Gesichtspunkten zeigt bei Verwendung von Platten die Verbundosteosynthese aus Platte + Knochenzement die besten Ergebnisse und erzielt die höchste Stabilität. Zudem sollte zur Frakturprävention die systemische Gabe von Bisphosphonaten oder RANK-Ligand-Inhibitoren nicht vergessen werden.
Zusammenfassend sind neu diagnostizierte osteolytische Veränderungen im Alter von über 50 malignitätssuspekt und bedürfen der weiteren Abklärung. Die Standarddiagnostik beinhaltet neben einer konventionellen Röntgenbildgebung in 2 Ebenen die zeitnahe Durchführung einer Kontrastmittel-MRT. Da die Bandbreite möglicher Differentialdiagnosen groß ist, wird zur Beurteilung eine Vorstellung an einem Tumorzentrum empfohlen. Häufig kann die Diagnose erst definitiv durch eine Biopsie gestellt werden. Das Frakturrisiko lässt sich mit den aktuell gebräuchlichen Scores abschätzen.
Literatur auf Anfrage bei der Redaktion.