Die Anwendung von autologen Thrombozytenkonzentraten (PRP) erfreut sich seit vielen Jahren gerade bei Sportmedizinern und vielen Athleten großer Beliebtheit. Der anfängliche Hype um die Anwendung, der oft mit unrealistischen Erwartungen einherging und die Therapie als Heilmittel für fast alle Probleme propagierte, hat sich mittlerweile gelegt und das Verfahren ist im breiten Praxisalltag angekommen. Das im deutsch-sprachigen Raum am häufigsten verwendete System ist dabei das autologe conditionierte Plasma, Arthrex ACP®. Für viele Indikationen hat sich PRP zu einer Standardtherapie entwickelt und wurde, wie zuletzt für die Arthrose sogar in die Sk2 Leitlinie „Gonarthrose“ aufgenommen. Die wissenschaftliche Datenlage und praktische Erfahrung ist mittlerweile beeindruckend.
Wurde PRP nach seiner ersten Verbreitung im deutsch-sprachigen Raum für die Behandlung einer Vielzahl von Verletzungen und Entzündungs- bzw. Abnutzungszustände als gleichwertige Therapieoption erprobt und auch beworben, wissen wir nun über 15 Jahre später etwas mehr über die zu erwartenden Effekte, Wirkungen, Nebenwirkungen und Komplikationen. Grund hierfür ist neben der weiten klinischen Verbreitung v.a. des ACP und den rein praktischen Erfahrungen von tausenden von Kolleginnen und Kollegen auch die Tatsache, dass PRP zum Fokus vieler Forschungsgruppen wurde. Wir können heute auf einen Literatur-Pool zugreifen wie zu kaum einer anderen Injektionstherapie. Auch die Qualität der Studien mit mehreren Hundert RCTs (doppeltverblindeten Vergleichsstudien) und Metaanalysen weltweit ist beeindruckend [1]. Die gesicherte Erkenntnislage ist also sehr viel besser als dies im Allgemeinen von vielen Klinikern wahrgenommen wird.
Jedoch zeigt sich in der Fülle der Studien und Erfahrungsberichte auch die Heterogenität der Wirkung, der verschiedenen Präparate, sowie die Varianz der Indikationen. Leider fehlt in vielen Studien eine genaue Spezifikation der verwendeten PRP-Zubereitung.
Als Summen-Effekte lassen sich mittlerweile jedoch verlässlich positive Effekte bei folgenden Indikationen anhand von gepoolten Daten aus mehreren Reviews anführen[1-3]:
- Tendinopathien (z.B. Achillodynie, Patellaspitzensyndrom, Fasziitis plantaris und GTPS)
- Arthrose (v.a. Gonarthrose)
- Akute Muskel- und Sehnenverletzungen
- Additiv nach Rotatorenmanschetten- und VKB-Rekonstruktionen
Daraus ergeben sich die gängigen Anwendungsbereiche des ACP, nämlich zum einen die Behandlung chronischer Gelenkarthrosen (v.a. Knie und Hüfte), aber auch z.B. an der Wirbelsäule[4, 5].
Zum anderen die Applikation bei akuten Sportverletzungen wie Band- und Sehnenrupturen. Aber bereits hier zeigt sich, dass das hoch-effektive Verfahren nicht ganz ohne unerwünschte Effekte einhergehen kann. So wurde bei wiederholter Gabe von Leukozyten-reichem PRP bei Muskelverletzungen eine stärkere Vernarbung und gelegentlich sogar Calcificationen beobachtet. Zudem kann auch die sehr früh einsetzende Schmerzfreiheit durch den analgetischen Effekt von PRP zu einer erhöhten Rezidivraten bei unerfahrenen Anwendern führen [6].
Bei frischen Verletzungen von Kollateralbändern an Knie und Sprunggelenk zeigt sowohl die klinische Erfahrung wie auch die Literatur [7, 8] ebenfalls eine sehr hohe Effektivität der ACP-Therapie. Nicht nur die Zeit bis zu einem Return-to-Sport ist verkürzt, auch die Qualität des Regenerats erscheint oft besser, auch wenn dies bislang in Studien noch nicht hinreichend belegt wurde (s. Abbildung 1).
Dabei ist hervorzuheben, dass durch die langsame Heilungstendenz von Sehnen und Syndesmosen auch eine ACP-Therapie noch zu einem späteren Zeitpunkt z.B. nach 3-4 Wochen einen sinnvollen Versuch darstellen kann, um den Heilungsprozess zu stimulieren. Neben einer schnelleren Schmerzfreiheit und tendenziell schnelleren Heilung kann dabei auch die Ausbildung einer stabileren Narbe diskutiert werden, was zu einer geringeren Komplikations- und Versagensrate der konservativen Therapie führen würde.
Wichtig für die Anwendung von ACP ist die möglichst punktgenaue Applikation. Im Gegensatz zu fettlöslichen Präparaten wie Corticosteroide ist die Diffusions-Reichweite des PRP deutlich limitierter und biologische Membranen (Faszien, Sehnenscheiden, Gelenkkapseln etc.) stellen eine klinische relevante Barriere dar. Aus diesem Grund soll hier nochmals auf den Vorteil von ultraschall-gesteuerten Infiltrationen hingewiesen werden. Eine rein Landmarken-gestützte Infiltration sollte bei den meisten Indikationen nur durch sehr erfahrene Anwender erfolgen.
Dr. med. Ralph Doyscher
Facharzt Orthopädie/Unfallchirurgie
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Literatur:
- Arora G, Arora S. Platelet-rich plasma-Where do we stand today? A critical narrative review and analysis. Dermatol Ther 2021; 34: e14343. doi:10.1111/dth.14343
- Cao Y, Zhu X, Zhou R et al. A narrative review of the research progress and clinical application of platelet-rich plasma. Ann Palliat Med 2021; 10: 4823-4829. doi:10.21037/apm-20-2223
- Collins T, Alexander D, Barkatali B. Platelet-rich plasma: a narrative review. EFORT Open Rev 2021; 6: 225-235. doi:10.1302/2058-5241.6.200017
- Patel A, Koushik S, Schwartz R et al. Platelet-Rich Plasma in the Treatment of Facet Mediated Low Back Pain: A Comprehensive Review. Orthop Rev (Pavia) 2022; 14: 37076. doi:10.52965/001c.37076
- Urits I, Viswanath O, Galasso AC et al. Platelet-Rich Plasma for the Treatment of Low Back Pain: a Comprehensive Review. Curr Pain Headache Rep 2019; 23: 52. doi:10.1007/s11916-019-0797-6
- Wright-Carpenter T, Klein P, Schaferhoff P et al. Treatment of muscle injuries by local administration of autologous conditioned serum: a pilot study on sportsmen with muscle strains. Int J Sports Med 2004; 25: 588-593. doi:10.1055/s-2004-821304
- Chen X, Jones IA, Park C et al. The Efficacy of Platelet-Rich Plasma on Tendon and Ligament Healing: A Systematic Review and Meta-analysis With Bias Assessment. Am J Sports Med 2018; 46: 2020-2032. doi:10.1177/0363546517743746
- Kunze KN, Pakanati JJ, Vadhera AS et al. The Efficacy of Platelet-Rich Plasma for Ligament Injuries: A Systematic Review of Basic Science Literature With Protocol Quality Assessment. Orthop J Sports Med 2022; 10: 23259671211066504. doi:10.1177/23259671211066504