Stuttgart – Der Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW), Dr. med. Norbert Metke, hat Ende März harsche Kritik am vom Gesetzgeber vorgesehenen Modellversuch Physiotherapie geübt. Metke ist Facharzt für Orthopädie, Unfallchirurgie und Rehabilitationswesen. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll es den Physiotherapeuten ermöglicht werden, nach ärztlicher Diagnosestellung die Therapie, vor allem aber deren Dauer, ohne ärztliche Kooperation festzulegen.
Keine Experimente am Patienten
„Physiotherapie ist auch im längerfristigen Verlauf einer Erkrankung nur eine von vielen Therapiemöglichkeiten“, so Metke in einer Pressemitteilung der KVBW. „Häufig müssen gar keine Maßnahmen ergriffen werden, stattdessen ist in solchen Fällen ein Gespräch, eine Medikation oder operative Versorgung oder auch eine psychotherapeutische Behandlung angebracht.“ Die Auswahl, welche Therapie für die spezifischen Beschwerden des Patienten geeignet sei, habe in Abwägung zueinander alleine der Arzt erlernt. Insofern begrüße man grundsätzlich die sogenannte Blankoverordnung.
Der stellvertretende KV-Vorstandsvorsitzende Johannes Fechner gab aber zu bedenken: „Die Festlegung der Therapiedauer entzieht dem Arzt die Kontrollmöglichkeit im bisherigen Umfang und führt damit zu weniger Therapiesicherheit des Patienten. Wir sehen in der Ausgestaltung des Modells daher ein Experiment am Kranken, das wir ablehnen.“
Problematische Ausgabensteigerung
BVOU-Präsident Dr. Johannes Flechtenmacher wird in der Pressemitteilung mit dem Hinweis zitiert: „Schon heute ist die Physiotherapie Preistreiber Nummer eins in den Gesundheitsausgaben mit einer jährlichen Steigerung von durchschnittlich ca. 8 Prozent. Wer, so wie der Gesetzgeber, die unbegrenzte Dauer der Therapie wünscht, kann sich auch nicht über eine entsprechende Ausgabenentwicklung beschweren. Wer darüber hinaus mehr Patientenkoordination und weniger Schnittstellen fordert, erweist sich einen Bärendienst mit dem eingeschlagenen Weg.“
Unionsfraktion im Bundestag: mehr Delegation und Substitution
Fraktionsvertreter von CDU und CSU haben sich gleichwohl auf einem Kongress im Bundestag am 27. März dafür ausgesprochen, Heilmittelerbringer besser in die Gesundheitsversorgung einzubinden. Man müsse die medizinische Verantwortung angesichts sich abzeichnender künftiger Versorgungsengpässe auf mehr Schultern verteilen, betonte Dr. Georg Nüßlein, stellvertretender Vorsitzender der Unionsfraktion im Bundestag. Eine Neujustierung hin zu einer Partnerschaft auf Augenhöhe müsse gleichwohl gut abgewogen und durchdacht werden. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe sagte: „Wichtig ist, dass die Modellprojekte jetzt gemacht werden.“ Damit trage man auch dem Selbstverständnis eines Berufs Rechnung, selbst über das zu entscheiden, was man am besten könne.