Im Koalitionsvertrag von 2021 einigten sich die Koalitionspartner darauf, „unnötig“ stationär erbrachte Leistungen zügig zu ambulantisieren. Dazu wurde zur Aufhebung von Sektorengrenzen ein neuer Sektor, §115f SGB V, die Sektorengleiche Vergütung durch sogenannte Hybrid DRGs geschaffen.
Der Gesetzgeber beauftragte die Selbstverwaltungspartner im Gesundheitswesen (Kassenärztliche Bundesvereinigung, GKV-Spitzenverband, Deutsche Krankenhausgesellschaft) mit der Umsetzung und gab mit drei Monaten einen sehr knappen Zeitrahmen vor. In dieser kurzen Zeit konnten sich die Selbstverwaltungspartner, welche ein völlig neues System erstellen sollten, auf kein Ergebnis einigen. Dies führte dazu, dass das Bundesgesundheitsministerium unter Führung von Gesundheitsminister Professor Karl Lauterbach eine Rechtsverordnung erließ, die über den neuen Paragraphen 115f SGB V den Bereich der sektorengleichen Vergütung regelte. Der Gesundheitsminister führte Grundsätze für die sektorengleiche Vergütung ein, von welchen er sich aktuell im stationären Bereich verabschieden möchte, nämlich Fallpauschalen – die Hybrid-DRGs. Im September 2023 veröffentlichte das Gesundheitsministerium einen Referentenentwurf, der für große Verunsicherung insbesondere bei den ambulant tätigen Operateuren, aber auch insgesamt bei allen Beteiligten des Gesundheitswesens sorgte.
Es wurde festgelegt, dass der neue Bereich zum 1.1.2024 in Kraft trete und eine Gültigkeit für ein Jahr, bis zum 31.12.2024, habe. Die in der Anlage der Rechtsverordnung genannten Operationen, definiert durch die OPS-Codes, konnten ab dem Startdatum als Hybrid-DRG durchgeführt werden. Zur Definition, ob ein Eingriff eine Hybrid-DRG auslöst, muss ein Grouper, wie er bereits im stationären Bereich essentiell ist, verwendet werden. Eine Voraussetzung für die Auslösung einer Hybrid-DRG ist, dass der Eingriff ambulant durchgeführt wird, also keine stationäre Behandlung erfolgt. Von dem Betrag der Hybrid-DRG müssen alle Kosten, die am OP-Tag in Zusammenhang mit der OP anfallen, beglichen werden, inklusive der Leistungen von Anästhesie und ggf. weiteren Leistungserbringern am OP-Tag wie z. B. Pathologie usw.
Im Bereich der Orthopädie und Unfallchirurgie wurden rund 70 Eingriffe der Fußchirurgie als Hybrid-DRG definiert. Die dafür durchgeführten Entgelt-Kalkulationen, welche vom InEK (Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus) vorgenommen wurden, führen dazu, dass höher komplexe Operationen und Operationen mit hohem Materialaufwand (ab Kategorie 3 und höher) nicht mehr kostendeckend durchzuführen sind. Sie führen sogar dazu, dass bei der gewohnten Qualität der Leistungserbringung mit den bisher verwendeten Implantaten möglicherweise ein großes finanzielles Defizit entsteht. Ursache für die Diskrepanz der Ergebnisse der InEK-Berechnungen zur Realität waren zum einen die Wahl von Daten aus dem stationären Bereich mit nur einem Aufenthaltstag in der Klinik als Berechnungsgrundlage und die Nichtbeachtung von reellen Kosten und den bestehenden Abrechnungsregelungen, welche zudem in den Bundesländern unterschiedlich sind, für Material (Implantate, Sachkosten) im ambulanten Bereich. Dadurch kommt es zu Hybrid-DRGs, welche die Gesamtkosten bei Operationen mit hohen Materialaufwand oder langer OP-Zeit nicht decken.
Was der Berufsverband tut
Der Berufsverband steckte im Vorfeld der Festsetzung der Beträge durch das Gesundheitsministerium viel Aufwand in die Auswertung von Operationsdaten, um eine korrekte Datengrundlage zur Berechnung zur Verfügung zu stellen. Wir suchten regelmäßig den Kontakt zur konstruktiven Zusammenarbeit – leider ohne Erfolg. Man hat den Eindruck, die Hybrid-DRG wurde ohne Berücksichtigung der Realität und ohne ausreichende Beteiligung der Akteure an der Basis, von unabhängigen Fachleuten aus dem stationären und ambulanten Bereich und von Berufsverbänden, eingeführt.
Ob ein Eingriff nun als Hybrid-DRG vorgenommen und abgerechnet wird oder weiterhin über EBM, ist nicht eindeutig geregelt und lässt unterschiedliche Interpretationen zu. Während die Kostenträger davon ausgehen, dass keine Wahlmöglichkeit besteht und alle Eingriffe, welche im Grouper eine Hybrid-DRG ergeben, auch als Hybrid-DRG abrechnet werden müssen, besteht für die Leistungserbringer durchaus auch die Interpretationsoption, dass auf Grund fehlender Regelungen zur Abrechnung eine Wahlmöglichkeit bestünde. Im Verlauf des Jahres 2024 mehren sich nun die Stimmen, die eine Wahlmöglichkeit ausschließen. Das Bundesministerium für Gesundheit hält zwar grundsätzlich an seiner bisherigen Position fest, wonach eine alternative Abrechnung von Hybrid-DRG-fähigen Leistungen über den EBM nach dem Gesetzeswortlaut nicht eindeutig ausgeschlossen ist, jedoch sieht das BMG nun im Ergebnis einer Auslegung des Gesetzes doch einen möglichen Abrechnungsausschluss von Hybrid-DRG-fähigen Leistungen über den EBM. Das Risiko eines nachfolgenden Rechtsstreits mit allen erheblichen Folgeproblemen bei Abrechnung einer Hybrid-DRG-Leistung über den EBM ist gegeben.
Gerade im ersten Quartal 2024 gab es aber keine andere Option als nur über EBM abzurechnen. Insbesondere aufgrund der Abrechnungsvereinbarung der DKG mit der GKV, in der die Wahlmöglichkeit für diesen Bereich explizit ausgeschlossen wird, steigt der Druck auch auf die Leistungserbringer im ambulanten Bereich, eine explizite Regelung einzuführen. Unter Berücksichtigung aller Aspekte wäre hier zu empfehlen, zukünftig alle OPs, die über den Grouper eine Hybrid-DRG ergeben, diese auch so durchzuführen und abzurechnen. Alle Operationen, die keine Hybrid-DRG ergeben, werden weiterhin über den EBM abgerechnet. Das Referat Niedergelassene Operateure hat eine Abrechnungsübersicht erstellt, in der man erkennen kann, welche OPS-Codes eine Hybrid-DRG auslösen – somit entsteht Klarheit über die Abrechnung. Diese ist über die Website des Berufsverbands abrufbar.
Abgesehen davon konnte eine Hybrid-DRG zu Beginn des Jahres 2024 von niedergelassenen Ärzten noch gar nicht abgerechnet werden, da die Vorgaben einer rein elektronischen Rechnungsstellung für niedergelassene Ärzte nicht umsetzbar waren. Dies führte im ersten Quartal dazu, dass zwar Hybrid-DRGs erbracht wurden, aber nicht als Hybrid-DRG abgerechnet werden konnten. Ab dem zweiten Quartal war dann eine Abrechnung über die Quartalsabrechnung der Kassenärztlichen Vereinigungen möglich, und nun gegen Ende des Jahres 2024 bieten auch immer mehr Abrechnungsfirmen eine Abrechnungsmöglichkeit an. Da dies allerdings eine Dienstleistung ist, fällt dafür eine extra Gebühr an.
Ausblick 2025
Bereits bis zum Ende des ersten Quartals 2024 mussten die Selbstverwaltungspartner eine Aktualisierung des OP-Katalogs für Hybrid-DRGs für das Jahr 2025 vorlegen. Hier wollte man nun nicht erneut ohne Ergebnis dem Gesetzgeber die Möglichkeit geben, über Rechtsverordnung die weitere Entwicklung zu bestimmen. Deswegen gab es nach intensiven Verhandlungen einen angepassten OPS-Katalog, in den insbesondere aus anderen Fachbereichen neue Operationen aufgenommen wurden. In unserem Fachbereich wurde zunächst nur der Bereich der Osteosynthesen der Klavikula mit aufgenommen, welche aber im Verlauf der weiteren Verhandlungen wieder entfernt wurde. Die vorgelegte und von allen Selbstverwaltungspartnern unterschriebene Aktualisierung für 2025 wurde vom Gesundheitsministerium nicht akzeptiert, es erfolgte eine erneute Überarbeitung durch das InEK. Dies hat nun zur Folge, dass der OPS-Katalog für Hybrid-DRG deutlich mehr Operationen enthält; für uns kommen weitere Operationen im Bereich der bisher auch enthaltenen Fußchirurgie hinzu. Weitere wichtige Punkte, unter anderem die Berücksichtigung der korrekten Grunddaten oder die Berücksichtigung von Materialkosten, sind nicht geregelt oder entsprechen nicht unserer Auffassung.
Wir als Berufsverband haben dieser Vereinbarung unter Protest zugestimmt, einfach um die Verhandlungsdynamik gerade in der aktuellen unklaren politischen Situation nicht zu unterbrechen. Für uns ist aber klar, dass sich im Jahr 2025 für die Regelungen ab 2026 viele Punkte ändern müssen.
Zum jetzigen Zeitpunkt ist weiterhin unklar, ob das Krankenhaus-Versorgungs-Verbesserungs-Gesetz, welches bereits im Bundestag beschlossen wurde, am 22.11. 2024 durch den Bundesrat an den Vermittlungsausschuss verwiesen wird. In diesem sind weitere Regelungen enthalten, die den Bereich § 115f SGB V stark beeinflussen und verändern werden. Dies bleibt abzuwarten, hier werden wir erneut berichten.
Insofern erwarten wir im Jahr 2025 richtungsweisende Entscheidungen, die die Ambulantisierung grundlegend verändern werden. Hier sehen wir als Berufsverband ganz klar unsere Aufgabe, diese Entscheidungen im Sinne unseres Fachbereichs mitzugestalten.
Dr. Alexander Rucker
Leiter des Referats Niedergelassene Operateure und Schnittstellen