Berlin – Vertragsärztinnen und -ärzte können zukünftig die Arbeitsunfähigkeit von Versicherten unter bestimmten Voraussetzungen auch per Videosprechstunde feststellen. Eine entsprechende Anpassung seiner Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie, die nicht im Zusammenhang mit der Coronavirus-Pandemie steht, beschloss der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) am Donnerstag in Berlin. Als Voraussetzung für die Krankschreibung per Videosprechstunde gilt insbesondere, dass die oder der Versicherte der behandelnden Arztpraxis bekannt ist und die Erkrankung eine Untersuchung per Videosprechstunde zulässt. Dabei ist die erstmalige Feststellung der Arbeitsunfähigkeit auf einen Zeitraum von sieben Kalendertagen begrenzt. Eine Folgekrankschreibung über Videosprechstunde ist nur zulässig, wenn die vorherige Krankschreibung aufgrund unmittelbarer persönlicher Untersuchung ausgestellt wurde. Ein Anspruch der Versicherten auf Krankschreibung per Videosprechstunde besteht jedoch nicht.
Ausgeschlossen bleibt eine Krankschreibung per Videosprechstunde bei Versicherten, die in der betreffenden Arztpraxis bislang noch nie persönlich vorstellig geworden sind, sowie die Feststellung einer Arbeitsunfähigkeit ausschließlich auf Basis z. B. eines Online-Fragebogens, einer Chat-Befragung oder eines Telefonates.
„Entscheidend ist, dass die Patientin oder der Patient in der Praxis bekannt ist. Als Standard für die Feststellung von Arbeitsunfähigkeit gilt weiterhin die unmittelbare persönliche Untersuchung durch eine Ärztin oder einen Arzt. Im Einzelfall soll aber die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit über eine Videosprechstunde möglich sein, ganz unabhängig von Pandemiegeschehnissen“, so Dr. Monika Lelgemann, unparteiisches Mitglied beim G-BA und Vorsitzende des Unterausschusses Veranlasste Leistungen.
Anlass der Richtlinienänderung war die berufsrechtliche Lockerung des Verbots der ausschließlichen Fernbehandlung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte in der Musterberufsordnung. Mit der getroffenen Regelung greift der G-BA die Vorgaben der Musterberufsordnung auf und trägt ihnen in der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie Rechnung.
Mit demselben Beschluss setzte der G-BA noch weitere Änderungen an der AU-Richtlinie um:
Elektronische AU-Bescheinigung für die Krankenkasse
Ab dem 1. Januar 2021 wird die Ausfertigung der AU-Bescheinigung für die Krankenkasse digitalisiert und elektronisch übermittelt. Damit setzt der G-BA einen Auftrag aus dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) um.
Klarstellung Ausnahmetatbestände
Gesetzlich versicherte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben das Recht, für die Versorgung eines pflegebedürftigen nahen Angehörigen in einer akut aufgetretenen Pflegesituation bis zu zehn Arbeitstage der Arbeit fernzubleiben. Sie erhalten in dieser Zeit das sogenannte Pflegeunterstützungsgeld als Entgeltersatzleistung. Der G-BA stellte klar, dass die kurzzeitige Arbeitsverhinderung nach § 2 Pflegezeitgesetz keine Arbeitsunfähigkeit im Sinne der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie darstellt und ergänzte den Punkt in seiner Liste der Ausnahmetatbestände.
Der Beschluss wird dem Bundesministerium für Gesundheit vorgelegt und tritt nach Nichtbeanstandung und Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft.
Hintergrund: Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie des G-BA
In der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie ist festgelegt, welche Regeln für die Feststellung und Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit – die sogenannte Krankschreibung – von Versicherten durch Vertragsärztinnen und Vertragsärzten sowie im Rahmen des Entlassmanagements aus dem Krankenhaus gelten. Grundsätzlich gilt, dass die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und ihrer voraussichtlichen Dauer sowie die Ausstellung der Bescheinigung nur aufgrund einer ärztlichen Untersuchung erfolgen darf.
Quelle: G-BA