Berlin – Rund 370.000 Menschen in Deutschland haben im Jahr 2014 ein neues Hüft- oder Kniegelenk erhalten. Grund für den Ersatz ist meist eine fortgeschrittene Arthrose, die den Knorpel und schließlich das Gelenk zerstört. Bevor Orthopäden und Unfallchirurgen jedoch eine endoprothetische Behandlung in Betracht ziehen, sollte stets zunächst das gesamte Spektrum gelenkerhaltender Maßnahmen ausgeschöpft werden, betonten Experten bei der heutigen Abschlusspressekonferenz des DKOU 2016.
Fehlstellungen frühzeitig erkennen
Etwa die Hälfte aller Arthrosefälle entstehe ohne erkennbare Ursache, erklärte der Kongresspräsident der DGOOC, Prof. Dr. med. Heiko Reichel. Vielfach seien allerdings auch Fehlstellungen, wie zum Beispiel Achsfehlstellungen, die Ursache. Diese gelte es frühzeitig zu erkennen und zu behandeln, um der Arthroseentstehung vorzubeugen, betonte Dr. med. Manfred Neubert, Kongresspräsident des BVOU.
Multimodale Arthrosetherapie
Hat sich beim Patienten bereits eine Arthrose entwickelt – sei es anlage-, unfalls- oder altersbedingt –, stehen Orthopäden und Unfallchirurgen eine Vielzahl konservativer und operativer Verfahren zur Verfügung, um das Hüft- oder Kniegelenk möglichst lange zu erhalten. Im Rahmen einer multimodalen Therapie gebe es neben der klassischen Schmerztherapie mit Medikamenten auch die Möglichkeit, dem Patienten mittels physikalischer Therapie, Krankengymnastik oder orthopädischen Hilfsmitteln erneut zu besserer Beweglichkeit und Schmerzfreiheit zu verhelfen, so Neubert.
Innovative Methoden zum Gelenkerhalt
Gerade im Verletzungsfall könnten Knorpelschäden mittlerweile sehr gut mit einer Knorpeltransplantation behandelt werden, berichtete Reichel. Auch das trage zu einer besseren Arthroseprophylaxe bei. „Gerade auf diesem Gebiet hat die Forschung in letzter Zeit neue Behandlungsmöglichkeiten in Form stabiler Trägersubstanzen oder zellfreier, minimal-invasiver Therapien hervorgebracht“, so Reichel.
Auch die gelenkerhaltende Chirurgie habe in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht, erklärte Reichel, unter anderem im Bereich der Korrekturosteotomien der Hüftpfanne. Langzeitstudien hätten gezeigt, dass ein solcher Eingriff selbst bei Patienten mit fortgeschrittenen Arthrosen einen langjährigen und funktionsfähigen Erhalt des Hüftgelenks ermöglichen könne.
Kritik an G-BA-Beschluss zur Arthroskopie bei Gonarthrose
Aber auch minimal-invasive Methoden, wie die Arthroskopie bei Gonarthrose, seien wichtige Mittel, um einen Gelenkersatz möglichst lange hinauszuzögern. Sowohl Neubert als auch Reichel kritisierten, dass auf einen Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) hin ein Großteil der arthroskopischen Eingriffe bei Gonarthrose ab dem 1. April 2016 aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen ausgeschlossen wurde.
Sei die Finanzierung gelenkerhaltender Methoden wie der Arthroskopie nicht sichergestellt, erhöhe dies das Risiko, dass dem Arthrosepatienten am Ende kein anderer Weg bleibe, als sich ein Kunstgelenk einsetzen zu lassen. „Und das wäre der völlig falsche Weg“, so Reichel. Denn, wie beide Experten betonten: Gelenkerhalt geht vor Gelenkersatz.