Alle Beiträge von Sabine Rieser

Junge Ärztin - Weiterbildung

Prof. Gerlach: Kritik an Weiterbildung in O und U

Berlin – Die Weiterbildung im Bereich Orthopädie und Unfallchirurgie bereitet junge Ärztinnen und Ärzte nur unzureichend auf die Anforderungen in der ambulanten Versorgung vor. Diese Auffassung hat Prof. Dr. Ferdinand Gerlach vor kurzem bei der Herbsttagung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) in Berlin vertreten. Der Vorsitzende des Sachverständigenrats zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (SVR) nahm an einem Podium zum Thema „Weiterbildung – der Weg in die ambulante Versorgung“ teil.

Das DRG-System begünstige bestimmte Eingriffe wie Wirbelsäulenoperationen, Knie- und Hüftendoprothesen. Deshalb gebe es auch relativ viele Weiterbildungsstellen in diesem Bereich und viele Ärztinnen und Ärzte in der Weiterbildung O und U. „Wenn sie sich dann niederlassen, machen sie vom einen auf den anderen Tag etwas völlig anderes. Sie behandeln beispielsweise unspezifische Rückenschmerzen. Aber ihre Weiterbildung hat sie darauf nicht vorbereitet“, so der SVR-Vorsitzende. Dies verdeutliche, dass in O und U wie auch in anderen Fachgebieten die rein stationäre Weiterbildung keine ausreichende Vorbereitung für die Lösung von Problemen im ambulanten Bereich sei.

Wie man gute manuelle Medizin mache oder mit Physiotherapeuten kooperiere, lerne man weder im Studium noch in der Weiterbildung ausreichend. Auch würden Patienten heute in Krankenhäusern eher durchgeschleust. Man lerne dort nicht mehr das Management chronisch Kranker, die Versorgung Multimorbider, es gebe keine Früherkennung und so gut wie keine Impfungen – geschweige denn ein Lernen von Beziehungsmedizin. Dies alles könne man nur außerhalb der Klinik lernen. Dem müsse die Weiterbildung gerecht werden, aber das tue sie noch nicht ausreichend.

Die KBV hatte ihre Herbsttagung am 5. Oktober unter das Thema „Perspektiven des Sicherstellungsauftrags“ gestellt. In parallelen Fachveranstaltungen diskutierten Referenten mit Tagungsbesuchern über die Themen Nachwuchssicherung, demografischer Wandel und Bedarfsplanung sowie Arztzahlprognose, neue Formen der Häuslichkeit in der ambulanten Versorgung und sektorenübergreifende Notfallversorgung.

Seit kurzem: konservative Inhalte im Webinar

Innerhalb des BVOU werden die Herausforderungen an die ambulante Weiterbildung und an konservative Weiterbildungsinhalte anerkannt und diskutiert. Vor kurzem hat der BVOU eine Serie von Webinaren gestartet, bei denen es unter anderem um das konservative Tätigkeitsspektrum geht. Diese Inhalte stehen so einem breiten Auditorium zur Verfügung. Da die Webinare aufgezeichnet werden, stehen sie nach dem Live-Cast ein ganzes Jahr Interessierten im BVOU Study Club zur Verfügung. Dr. Jörg Ansorg, Sabine Rieser

Qualitätsbericht: Mängel bei präoperativer Verweildauer

Berlin – Im Hinblick auf eine kurze präoperative Verweildauer gibt es bei der Versorgung von hüftgelenknahen Femurfrakturen noch Qualitätsmängel. Darauf verweist das Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG) im diesjährigen Qualitätsbericht im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA). Der Bundeswert überschreite bei den beiden Indikatoren „Präoperative Verweildauer über 24 Stunden nach Aufnahme im Krankenhaus“ und „Präoperative Verweildauer über 48 Stunden“ den Toleranzbereich. Im Fall des ersten Indikators seien 835 Krankenhausstandorte auffällig, im Fall des zweiten Indikators 760.

Man wolle hierzu Ergebnisse des sogenannten Strukturierten Dialogs mit den Kliniken prüfen und den angegebenen Ursachen nachgehen, heißt es im Bericht. Verwiesen wird auf die S2e-Leitlinie „Schenkelhalsfraktur des Erwachsenen“ der DGU. Sie enthalte die Empfehlung, betroffene Patienten so schnell wie möglich innerhalb von 24 Stunden zu operieren, sofern der Allgemeinzustand dies zulasse.

Hinweis auf gerinnungshemmende Medikamente

Im Qualitätsbericht wird ergänzend darauf verwiesen, dass etwa die Hälfte der Patienten mit einer bestehenden antithrombotischen Dauertherapie aufgenommen worden sei. Der größte Anteil nehme ein Arzneimittel aus der Gruppe der Vitamin-K-Antagonisten ein. „Nicht jedes gerinnungshemmende Medikament rechtfertigt jedoch eine längere präoperative Verweildauer“, heißt es hierzu. Angekündigt wird, dass die zuständige Fachgruppe die Landesgeschäftsstellen für Qualitätssicherung mit aktuellen Informationen zum Umgang mit neuen oralen Gerinnungshemmern versorgen wolle. Diese könnten sie an die Krankenhäuser weiterleiten. Hingewiesen wird im Bericht zusätzlich darauf, dass auch eine ungeklärte Situation einer Betreuung oder Vormundschaft zu einer verzögerten Operation führen könne.

Im Erfassungsjahr 2015 wurden im Bereich „Hüftgelenknahe Femurfraktur mit osteosynthetischer Versorgung“ knapp 60.000 standortbezogene Datensätze an die Bundesauswertungsstelle übermittelt. Bis auf die präoperative Verweildauer wurden alle Qualitätsziele erreicht. Unter anderem zeigten sich beim Indikator „Reoperation aufgrund von Komplikationen“ positive Veränderungen gegenüber dem Vorjahr. Sabine Rieser

Frauen verletzen sich häufiger am Knie als Männer

Berlin – Verletzungen sind ein häufiger Grund, warum Frauen und Männer in Deutschland zum Arzt gehen. Von den bei der AOK Baden-Württemberg Versicherten war im Jahr 2013 jeder Zehnte wegen einer Verletzung in ärztlicher Behandlung. Neben Verletzungen am Kopf, an der Hand und am Fuß standen Verletzungen an Knie und Unterschenkel an vierter Stelle.

Auffällig bei Knieverletzungen ist: Sie nehmen seit Jahren zu. Frauen verletzen sich häufiger als Männer – besonders häufig in den ersten drei Monaten des Jahres, wenn viele Skifahren. Zwischen 2008 und 2013 stieg die altersadjustierte Inzidenzrate bei Frauen um 9,7 Prozent, bei Männern um 4,6 Prozent. Dies geht aus Daten hervor, die Orthopäden und Unfallchirurgen, darunter BVOU-Präsident Dr. med. Johannes Flechtenmacher, gemeinsam mit der AOK Baden-Württemberg ausgewertet haben. Grundlage sind fallbezogene, pseudonymisierte Daten von 3,8 Millionen Versicherten aus den Jahren 2008 bis 2013.

„Knieverletzungen haben auch etwas mit dem Sportverhalten zu tun. Im ersten Quartal eines Jahres war die Inzidenz für Knieverletzungen bei Frauen um fast ein Drittel höher als im Jahresmittelwert. Frauen verletzen sich also offensichtlich häufig beim Skifahren“, so der BVOU-Präsident. Auffällig ist bei ihnen insgesamt auch die steigende Anzahl von Kniebandverletzungen. „Wir müssen die Frauen darauf aufmerksam machen“, betont Flechtenmacher. Ein neuromuskuläres Training könne hilfreich sein.

Er wertet es als Erfolg, dass Ärzte und Krankenkassen gemeinsam die Daten analysiert haben. „Eine so große Kohorte ist für diese Indikation noch nie in den Blick genommen worden“, sagt Flechtenmacher. „Unsere Daten zeigen auch, welche ambulanten und welche stationären Gesundheitsleistungen bei Knieverletzungen in Anspruch genommen wurden. Wir sollten auf dieser Basis die Behandlung weiterentwickeln und die Rehabilitation stärken.“ Der BVOU-Präsident schlägt weiterhin vor, möglichst schnell alters- und geschlechtsadaptierte Präventionssysteme zu entwickeln und umzusetzen. Dies gelte auch im Hinblick darauf, dass sich Jüngere eher beim Sport verletzten, Ältere hingegen beim Sturz.

Die Studie „Inzidenz von Knieverletzungen“ ist online bereits erschienen (O. Schneider, H.-P. Scharf, T. Stein et al. (2016), Inzidenz von Kniegelenksverletzungen. Zahlen für die ambulante und stationäre Versorgung in Deutschland. Orthopäde DOI 10.1007/s00132-016-3301-6). Beteiligt waren die AOK Baden-Württemberg, das Orthopädisch-Unfallchirurgische Zentrum der Universität Mannheim, das Institut für Sport- und Sportwissenschaft am Karlsruher Institut für Technologie, das Ortho-Zentrum Karlsruhe und der BVOU.

Der vollständige Beitrag hängt als PDF an. 

ATP: Alltagsbewegung für Menschen ab 60

Berlin – Ein AlltagsTrainigsProgramm (ATP) für Menschen ab 60 haben in Berlin die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) und das Bundesgesundheitsministerium (BMG) vorstellt. Es soll ab 2017 bundesweit in Sportvereinen angeboten werden und ältere Menschen dabei unterstützen, die Bewegungsmöglichkeiten in ihrem Alltag zu erkennen – und regelmäßig zu nutzen.

Kerngedanke von ATP: Alltagsbewegungen wie Gehen, Aufstehen, Tragen, Ziehen und andere werden beim Training bewusstgemacht und gezielt trainiert. In zwölf Einheiten geht es in den Kursen unter anderem um das Training beim Spazieren, den bewegten Haushalt oder das Wohnviertel als Fitnessstudio.

Im Vorfeld des Internationalen Tags der älteren Menschen am 1. Oktober erklärte Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU): „Ein körperlich aktiver Lebensstil kann helfen, Erkrankungen vorzubeugen oder bereits bestehende Krankheiten günstig zu beeinflussen.“ Durch Studien des Robert Koch-Instituts wisse man, dass viele Ältere nicht die von der Weltgesundheitsorganisation empfohlenen 2,5 Stunden an anstrengender körperlicher Aktivität pro Woche erreichten. Dem wolle man in Zukunft mit dem AlltagsTrainingProgramm begegnen. Sabine Rieser

Interview: „Vielen Patienten werden wir nicht gerecht.“

Heidelberg – Die passende Operation – und alles ist gut? Nein, sagt Prof. Dr. Marcus Schiltenwolf: Manche Patientenprobleme sind nicht allein technisch zu lösen. Schiltenwolf bietet gemeinsam mit dem Leiter der AG Psychosomatik der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie, Dr. Ulrich Peschel, auf dem DKOU 2016 eine Fortbildung Psychosomatische Grundversorgung an.

BVOU.net: Warum fällt es manchen Ihrer Kolleginnen und Kollegen schwer, die Bedeutung psychosomatischer Fragestellungen auch für das Fach Orthopädie und Unfallchirurgie anzuerkennen?
Schiltenwolf:
Vordergründig hängt das damit zusammen, dass Orthopädie und Unfallchirurgie als ein über weite Strecken operativ definiertes Fach davon ausgehen, dass man nach dem klinischen Befund und nach der bildtechnischen Diagnostik weiß, was zum Wohl des Patienten zu tun ist. Das Vertrauen auf eine technische Lösung vieler medizinischer Fragestellungen in Orthopädie und Unfallchirurgie ist nach wie vor überragend. Aber vielen Patienten werden wir mit dem, was wir machen, nicht ganz gerecht. Das ist durch Studien gut belegt.

BVOU.net: Wie erklären Sie sich diesen Widerspruch?
Schiltenwolf:
Ich glaube, dass viele Kolleginnen und Kollegen erst im Laufe ihrer klinischen Tätigkeit bemerken, wie viele Fragestellungen von Patienten nicht einfach technisch zu lösen sind. Erst im Lauf der Zeit entwickelt sich deshalb ein verstärktes Interesse an psychosomatischen oder beziehungsgestaltenden Lösungsmöglichkeiten.

BVOU.net: Beispielsweise dann, wenn ein Operationsergebnis objektiv nicht zu beanstanden und der Patient trotzdem nicht zufrieden ist?
Schiltenwolf:
Zum Beispiel. Eine der erfolgreichsten Operationen, die man in der Orthopädie kennt, ist der Einbau einer Hüftgelenksprothese bei Hüftarthrose. Dieser Eingriff wird in Deutschland etwa 250.000 Mal im Jahr vorgenommen. Aber zehn Prozent der betroffenen Patienten sind mit dem Ergebnis unzufrieden, ohne dass wir genau wissen, warum. Es gibt aber gute Hinweise darauf, dass man im Vorfeld der Operation erkennen könnte, wer später unzufrieden sein könnte, beispielsweise Patienten, die vor dem Eingriff deutlich depressiv sind.

BVOU.net: Was wäre hier die Lösung?
Schiltenwolf: Diese Patienten sollte man im Grunde zunächst nicht operieren. Man sollte erst ergründen, worum es bei ihnen eigentlich geht.

BVOU.net: Auf dem diesjährigen Deutschen Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie in Berlin bietet der BVOU eine Fortbildung zu Psychosomatischer Grundversorgung an. Freut es Sie, dass es dieses Kursangebot auf dem DKOU geben wird?
Schiltenwolf:
Unbedingt! Jeder muss bei einem großen Kongress aus der Vielzahl parallel laufender Veranstaltungen auswählen, was für ihn wichtig ist. Es gibt beim DKOU neben Beiträgen aus der Grundlagenforschung genauso Beiträge, bei denen es um eine Verbesserung der Versorgungssituation geht. Dorthin gehört auch unser Angebot. Es geht dabei übrigens nicht nur um Verbesserungen für die Patienten, sondern auch um Verbesserungen für die Kollegen selbst. Psychosomatische Grundkompetenzen helfen, als Arzt besser mit frustrierenden Erfahrungen in Arzt-Patient-Beziehungen umzugehen und sie besser gestalten zu können.

BVOU.net: Helfen moderne Kursangebote oder neue Angebotsformen, mehr Kollegen für Themen wie die psychosomatische Grundversorgung zu interessieren?
Schiltenwolf:
Sicher. Es gibt in der modernen Didaktik ja viele Formate, um solche handlungsorientierten Fortbildungsangebote noch ein bisschen näher an die Adressaten zu bringen. Wir haben in unserem Kurs beispielsweise einen Part mit einer Schauspielerpatientin. Das ist sehr lebensnah und bietet einen guten Einstieg, um als Orthopäde und Unfallchirurg bestimmte Kontakt- und Beziehungsformen mit Patienten zu reflektieren und Alternativen zu erproben. Da sind wir schon sehr modern aufgestellt. Wir haben wenig Theorie und viel Praxis in unserem Kurs.

BVOU.net: Sie haben erwähnt, dass Kompetenzen in psychosomatischer Grundversorgung für Orthopäden und Unfallchirurgen im Berufsalltag grundsätzlich nützlich sein können – nicht nur bei sogenannten schwierigen Patienten. Erkennt man diese aber damit möglicherweise schneller?
Schiltenwolf:
Das ist eine schwierige Frage, die jeder eigentlich nur selbst beantworten kann. Ich werde mittlerweile auch aufmerksam und selbstkritisch, wenn ich merke: Das läuft zu gut. Das sind Situationen, in denen man als Arzt idealisiert und mit Erwartungen konfrontiert wird, die man gar nicht ausfüllen kann. Solche verführerischen Situationen sind mindestens so schwer zu bewältigen wie Situationen, die a priori schwierig laufen.

BVOU.net: Wie muss man sich das vorstellen? Sie wollen einen Patienten vor der Operation aufklären, und er sagt: Sie machen das schon Herr Doktor, ich bin mit allem einverstanden?
Schiltenwolf:
Das würde ich nicht sagen. Das sind eher Patienten, die sehr viel Vertrauen aufbringen. Ich finde es schwierig, wenn Patienten sagen: Herr Doktor, ich habe von Ihnen nur das Beste gehört. Ich weiß, Sie werden mich nach zehn enttäuschenden Erfahrungen endlich heilen. Davon bin ich ganz felsenfest überzeugt – Sie werden das besser machen als die anderen. So eine Konstellation ist für einen als Arzt enorm verführerisch, weil man sich in seinen eigenen narzisstischen Bedürfnissen befriedigt fühlt. Daraus können am Ende herbe Enttäuschungen entstehen.

BVOU.net: Finden Sie, dass sich in den letzten Jahren das Interesse Ihrer Kollegen an solchen Fragestellungen erhöht hat? Also an solchen Fragen: Wie gehen Patienten mit Schmerz um? Welche Rolle spielt die subjektive Patientenperspektive? Warum sind Patienten unzufrieden, obwohl das Behandlungsergebnis objektiv gut ist?
Schiltenwolf:
Es stimmt: Es gibt deutliche Tendenzen, sich solchen Fragestellungen gegenüber zu öffnen und sie nicht mehr nur als Esoterik abzutun oder als Ganzheitsmedizin – was im Grunde genommen bedeuten würde, das sei alles nur eine reine Sache der Zuwendung. Das ist die eine Seite. Die andere ist: Die Fallzahlen in O und U haben in dramatischen Maß zugenommen. Das hat verschiedenste Ursachen. Aber man muss auch feststellen, dass offenbar das psychosomatische Krankheitsverständnis in O und U noch nicht den angemessenen Stellenwert hat.

Das liegt natürlich auch am Fach selbst. In einer Notfallsituation braucht es Ärzte und Helfer, die schnell handeln und sich nicht gedanklich im Weg stehen, also quasi stabile Anpacker. Aber für den klinischen Versorgungsalltag ist natürlich die Bedeutung der Beziehungsgestaltung mit dem Patienten erheblich, und deshalb sind dann psychosomatische Grundkenntnisse unverzichtbar. Es ist bedauerlich, dass wir da noch viele Chancen im Umgang mit Patienten verpassen. Denn unsere Grundhaltung darf weder unkritisch-empathisch noch abwehrend sein. Wir müssen vielmehr täglich erreichen, dass wir mit jedem Patienten gemeinsam etwas zustande bekommen.

(Das Interview führten Janosch Kuno und Sabine Rieser.)

SpiFa: Apotheker bei Medikationsplänen einbeziehen

Berlin – Der Spitzenverband Fachärzte Deutschlands e.V. (SpiFa) unterstützt die Forderung des Präsidenten der Bundesapothekerkammer nach einer stärkeren Beteiligung der Apotheker an Medikationsplänen. „Der Gesetzgeber hat bei der Umsetzung des E-Health-Gesetzes zwar einen richtigen Ansatz gewählt, der aber nicht konsequent zielführend ist, da er sich lediglich auf die Verantwortlichkeit des Arztes fokussiert“, so Lars F. Lindemann, Hauptgeschäftsführer des SpiFa e.V.

Von 1. Oktober an können Patienten, die dauerhaft drei oder mehr Medikamente einnehmen, die Erstellung eines Medikationsplans verlangen. In erster Linie fällt dies in den Zuständigkeitsbereich der Hausärzte. Dem Gesetz zufolge können auch Apotheker den Plan auf Wunsch des Versicherten aktualisieren.

Es sei nicht berücksichtigt worden, dass gerade diese Patienten überwiegend eine Stammapotheke ihres Vertrauens hätten, monierte Lindemann. Von den dortigen Apothekern könnten auch zusätzliche rezeptfreie Medikamente, die eventuell noch dazu kommen, mitberücksichtigt und auf die verordneten Medikamente abstimmt werden: „Die Expertise und Kommunikationsmöglichkeit der Apotheker hier so außen vor zu lassen, spart an der falschen Stelle, da wir wissen, dass Wechselwirkungen von Arzneien neben großen körperlichen Nachteilen für die Patienten auch enorme Kosten verursachen.“

Notwendig sei ein kontinuierliches Medikationsmanagement, koordiniert durch Arzt und Apotheker, das für alle Beteiligten auch honoriert werden müssen. Hintergrund: Der SpiFa e.V. bekennt sich nach eigener Darstellung ausdrücklich dazu, dass die Aufgaben der Zukunft nur gemeinsam durch Ärzte und andere Gesundheitsberufe gelöst werden können.                                                                                                         Quelle: SpiFa

 

 

Gemeinsamer Bundesausschuss überprüft Bewegungsschienen

Berlin – Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) berät in den nächsten Monaten, inwiefern der häusliche Einsatz von motorbetriebenen Bewegungsschienen (CPM) nach Interventionen am Knie- und Schultergelenk eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung für gesetzlich Krankenversicherte ist. Das hat er vor kurzem mitgeteilt. Sachverständige aus Ärzteschaft, Industrie und Selbsthilfe haben nun Gelegenheit, ihre Einschätzung zum Beratungsthema innerhalb eines Monats abzugeben.

Den Antrag auf Überprüfung hatte der GKV-Spitzenverband im Mai 2016 gestellt. Am 18. August beschloss der G-BA, das Überprüfungsverfahren einzuleiten. Nun läuft die Stellungnahme-Frist. Die Krankenkassen weisen in ihrem Antrag auf eine Entscheidung des Bundessozialgerichts hin: Dieses habe „in seiner Entscheidung vom 8.7.2015 … über die Aufnahme der CAM-Kniebewegungsschiene in das Hilfsmittelverzeichnis darauf hingewiesen, dass auch die den CMP-Bewegungsschienen zugrundeliegende Behandlungsmethode bisher nicht vom G-BA positiv anerkannt wurde.“ Der GKV-Spitzenverband forderte die Überprüfung und als Vergleichsintervention „die Versorgung mit Heilmitteln, insbesondere physio-, übungs- und ergotherapeutischer Ausrichtung“.

Eine Milliarde Euro Honorarplus für 2017

Berlin – Der Orientierungswert („Preis“) für ärztliche und psychotherapeutische Leistungen steigt im kommenden Jahr im Bundesdurchschnitt um insgesamt 315 Millionen Euro (+ 0.9 Prozent). Die morbiditätsorientierte Gesamtvergütung erhöht sich aufgrund der Morbiditätsveränderung um 170 Millionen Euro (+ 1,2 Prozent). Für extrabudgetäre Leistungen, wie beispielsweise Vorsorgeuntersuchungen, wird mit einem Plus in Höhe von 330 Millionen Euro gerechnet.

Das sind die Ergebnisse der diesjährigen Honorarverhandlungen zwischen Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) und GKV-Spitzenverband. Rechnet man noch die Honorare in Höhe von schätzungsweise 163 Millionen Euro hinzu für die Erstellung und Aktualisierung des Medikationsplans, der den gesetzlich Krankenversicherten ab dem 1. Oktober 2016 zur Verfügung steht, wird es im kommenden Jahr ein Honorarplus von knapp einer Milliarde Euro geben. Eine Erhöhung aufgrund regionaler Verhandlungen ist möglich. Was dies für einzelne Facharztgruppen wie zum Beispiel die Orthopäden und Unfallchirurgen bedeutet, lässt sich noch nicht sagen.

Absenkung konnte verhindert werden

Der KBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Andreas Gassen zeigte sich mit dem Ergebnis insgesamt zufrieden. Es sei zwar kein Grund zum Jubeln, mache aber deutlich, dass der von der KBV wiederholt dargestellte Nachfinanzierungsbedarf unstrittig sei, sagte er in einem Video-Interview mit KV-on. Die Krankenkassen wollten den Orientierungswert und damit die Preise für ärztliche Leistungen ursprünglich absenken. Am Ende konnten sich KBV und Kassen jedoch einigen.

Bei der jährlichen Anpassung des Orientierungswertes müssen nach den Vorgaben des Sozialgesetzbuchs V verschiedene Größen berücksichtigt werden. Dies sind unter anderem die Entwicklung von Investitions- und Betriebskosten in Arztpraxen, die Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven oder Kostendegression bei Fallzahlsteigerungen. Während der GKV-Spitzenverband in diesem Bereich schon öfter Absenkungen gefordert hat, weist die KBV regelmäßig auf die unzureichende Finanzierung der Investitionskosten in Arztpraxen hin.                                                                                                 Sabine Rieser / Quelle: KBV

KBV-Video zu Honorarverhandlungen

 

Medikationsplan: KBV und Kassen sind sich einig

Berlin – Hausärzte sind zum Ausstellen von Medikationsplänen verpflichtet, Vertragsärzte der fachärztlichen Versorgung nur dann, wenn der Versicherte keinen Hausarzt hat. Dann sollte dies der Facharzt übernehmen, der für den Patienten anstelle des Hausarztes die überwiegende Koordination der Arzneimitteltherapie übernimmt, beispielsweise bei nierenkranken Patienten der behandelnde Nephrologe. Die Verantwortung für die verschriebenen Arzneimittel liegt unverändert beim jeweils verschreibenden Arzt.

Auf diese Details hat die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) im Zusammenhang mit dem Medikationsplan hingewiesen. Kurz vor dessen Start am 1. Oktober hatten KBV und GKV-Spitzenverband entscheidende Punkte geklärt. Die wichtigsten Regelungen:

  •  Vertragsärzte stellen einen Medikationsplan in Papierform aus, sofern der Versicherte mindestens drei verordnete systemisch wirkende Medikamente anwendet. Die Anwendung muss dauerhaft – über einen Zeitraum von mindestens 28 Tagen – erfolgen.
  • Bei der Erstellung des Medikationsplanes hat der Vertragsarzt grundsätzlich die Medikamente einzubeziehen, die er selbst verordnet hat. Andere Arzneimittel führt er auf, sofern er davon ausreichend Kenntnis hat. Dies können auch nicht verschreibungspflichtige Medikamente sein.
  • Der erstausstellende Arzt ist zur weiteren Aktualisierung verpflichtet. Aktualisierungen durch andere Ärzte sind ebenfalls möglich. Laut Gesetz können auch Apotheker den Plan auf Wunsch des Versicherten aktualisieren.
  • Hausärzte sowie Kinder- und Jugendärzte erhalten ab Oktober eine Einzelleistungsvergütung für Patienten, die nicht chronisch krank sind (neue GOP 01630) und für die sie einen Medikationsplan erstellen. Für alle anderen Hausärztinnen und Hausärzte gibt es pauschal einen Zuschlag auf die Chronikerpauschale, unabhängig davon, ob für den Patienten ein Medikationsplan zu erstellen beziehungsweise zu aktualisieren ist.
  • Fachärzte können für die Erstellung des Medikationsplans bei bestimmten Patienten auch die Einzelleistung (GOP 01630) abrechnen. Für alle anderen Patienten erhalten die meisten Fachgruppen einen Zuschlag auf die Grundpauschale, ebenfalls unabhängig davon, ob tatsächlich ein Medikationsplan zu erstellen beziehungsweise zu aktualisieren ist. Die Vergütung erfolgt stets extrabudgetär und somit zu festen Preisen.

Auf Basis der Vergütungsregelung geht der Bewertungsausschuss davon aus, dass sich die zusätzlichen Kosten der Krankenkassen für das Erstellen und Aktualisieren der Medikationspläne im kommenden Jahr auf rund 163 Millionen Euro belaufen werden.

2018 soll der Medikationsplan auf der elektronischen Gesundheitskarte gespeichert werden können. Die elektronische Speicherung der Medikationsdaten ist für den Patienten freiwillig – Anspruch auf die Papierversion hat der Versicherte weiterhin.              Quelle: KBV