Alle Beiträge von Sabine Rieser

Medikationsplan wird ab 1. Oktober Pflicht

Berlin – Vom 1. Oktober an haben alle Patienten, die gleichzeitig mindestens drei verordnete Medikamente einnehmen oder anwenden, Anspruch auf einen verständlichen Medikationsplan durch ihren behandelnden Arzt. Auch „relevante Medizinprodukte“ zählen nach Angaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) dazu. Ziel ist, für mehr Sicherheit bei der Medikamenteneinnahme zu sorgen. Das eHealth-Gesetz schreibt vor, dass KBV, Bundesärztekammer und Deutscher Apothekerverband verbindliche Regelungen treffen müssen, wie ein bundeseinheitlicher Medikationsplan auszusehen hat und wie er regelmäßig aktualisiert werden kann.

Auch Patienten von O und U sind einbezogen

Über den Anspruch auf den Plan müssen alle Ärzte ihre Patienten informieren – gegebenenfalls also auch Orthopäden und Unfallchirurgen. Die KBV informiert auf ihrer Homepage und auf einer eigenen Themenseite unter dem Stichwort Medikationsplan derzeit regelmäßig über Details. Denn noch steht beispielsweise nicht fest, welches Honorar es für die Erstellung und Aktualisierung des Medikationsplans geben wird. KBV-Vorstand Dipl.-Med. Regina Feldmann hatte bei der zurückliegenden Vertreterversammlung gesagt, für den entstehenden Aufwand fordere die KBV „eine angemessene Vergütung“.

Die Regeln für den Medikationsplan sehen vor, dass der erstausstellende Arzt zur weiteren Aktualisierung verpflichtet ist. Apotheker können die Angaben auf Wunsch des Versicherten aktualisieren. Aktualisierungen durch andere Ärzte und Krankenhäuser sind ebenfalls möglich.

Der Medikationsplan soll eine Übersicht über die verschreibungspflichtigen wie frei verkäuflichen Arzneimittel eines Patienten enthalten. Dazu werden unter anderem der Wirkstoff, die Dosierung, der Einnahmegrund sowie sonstige Hinweise zur Einnahme aufgeführt.

Zusätzlich ist ein optional nutzbarer Barcode auf dem Medikationsplan aufgebracht. Er enthält die Informationen des Plans in digitaler Form und ermöglicht, dass dieser unabhängig von der jeweiligen Praxis- oder Apothekensoftware per Scanner eingelesen und aktualisiert werden kann. „Wir stellen eine Software-Version zur Verfügung, die auch einen Barcode enthält. Damit können dann auch andere Fachkollegen, wo die Patienten hingehen, diesen Medikationsplan einlesen – in ihre Software“, hatte Feldmann am 1. September in einem Videointerview erläutert.

Chirurgen und Orthopäden häufig in MVZ vertreten

Berlin – Chirurgen und Orthopäden zählen zu den fünf Facharztgruppen, die in Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) am häufigsten vertreten sind. Das geht aus der jüngsten MVZ-Statistik der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) hervor, die vor kurzem erschienen ist. Danach waren zum Stichtag 31.12.2015 mehr als 14.000 Ärztinnen und Ärzten in über 2.100 MVZ tätig. Knapp 13.000 arbeiteten im Anstellungsverhältnis, nur gut 1.340 selbstständig.

Die größte Anzahl an MVZ-Ärzten stellen die Hausärzte (2.016), gefolgt von den fachärztlichen Internisten (1.727). Danach folgen die Chirurgen 1.108), die Frauenärzte (981) und die Orthopäden (848). Bis zum Jahresende 2015 bestanden 476 MVZ mit Chirurgen und 368 MVZ mit Orthopäden.

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Beteiligt an der MVZ-Trägerschaft sind zu je 40 Prozent Krankenhäuser wie auch Vertragsärzte. Hinzu kommen 20 Prozent weitere Träger. Die meisten Krankenhaus-MVZ bestehen in Bayern, Niedersachsen und Baden-Württemberg. Die durchschnittliche MVZ-Größe beträgt mittlerweile 6,6 Ärztinnen und Ärzte. Die Mehrzahl dieser Versorgungszentren, nämlich 47 Prozent, finden sich in sogenannten Kernstädten, 39 Prozent in sogenannten Ober- beziehungsweise Mittelzentren.

Quelle: KBV/ http://www.kbv.de/html/mvz.php

Summer School: kleines Zimmer, großes Erlebnis

Magdeburg/Greifswald – Der Unterbringungskomfort kann es nicht gewesen sein, der Dr. Jan Philipp Schüttrumpf so begeistert hat an der ersten FORTE Summer School im portugiesischen Faro. „Ich habe auf dem Campus gewohnt und mir ein kleines Zimmer geteilt mit jemandem, den ich vorher nicht kannte“, erzählt Schüttrumpf. Gleichwohl fand er das erste fünftägige europäische Weiterbildungsangebot für Assistenzärztinnen und -ärzte sowie junge Fachärztinnen und Fachärzte für Orthopädie und Unfallchirurgie sehr gelungen.

Organisiert hatte es die europäische Vereinigung der Assistenzärzte in O und U (FORTE steht für Federation of Orthopaedic and Trauma Trainees in Europe) Ende August. Die Summer School konnte als Vorbereitung auf das europäische Facharztexamen (EBOT) genutzt werden, dessen Anerkennung allerdings von Land zu Land variiert, oder zur persönlichen Fortbildung.

„Wir wurden sehr herzlich empfangen, es herrschte eine lockere Lernatmosphäre, die Wege auf dem Campus zu den Veranstaltungen waren sehr kurz – und die Kolleginnen und Kollegen, die Vorlesungen und Fallbesprechungen anboten, kamen aus ganz Europa und waren teilweise sehr bekannte Vertreterinnen und Vertreter ihrer Subspezialität“, lobt der 35-Jährige. Er arbeitet derzeit als Oberarzt am Universitätsklinikum in Magdeburg, absolviert die Weiterbildung Spezielle Unfallchirurgie und war einer der vier Stipendiaten, deren Teilnahme an der FORTE Summer School der BVOU finanziell unterstützt hat. Außer Schüttrumpf reisten Dr. Nicholas Beckmann (Heidelberg), Dr. Nils Rosshirt (Heidelberg) und Dr. Chong Zhang (Greifswald) nach Faro.

Beeindruckende Fallbesprechungen mit Prof. em. Reinhold Ganz

„Die Inhalte der einzelnen Veranstaltungen waren sehr gut“, resümiert Schüttrumpf. Für unerfahrenere Kolleginnen und Kollegen waren demnach die Veranstaltungen im Vorlesungsstil das Richtige, für Erfahrene die Fallbesprechungen und Vertiefungen. Diese seien teilweise faszinierend gewesen, sagt er, beispielsweise die von Prof. em. Reinhold Ganz. Der heute 77-Jährige war von 1981 bis 2004 Chefarzt am Berner Inselspital und ist einer der bekanntesten Hüftspezialisten weltweit. Der Nachwuchs in Faro war begeistert, dass eine Kapazität wie Ganz eigens angereist war. Interessant sei zudem gewesen, die unterschiedlichen Vorgehensweisen in den europäischen Ländern kennenzulernen, fand Schüttrumpf. Teilnehmer und Referenten der Summer School kamen aus 22 europäischen Ländern. Das bot eine gute Grundlage für einen Erfahrungsaustausch.

Schüttrumpf ist aber nicht nur mit neuem Wissen und mit vielen Eindrücken zurückgekehrt, sondern auch mit einer Urkunde für die beste Fallvorstellung. „Ich hatte einen kurzen Powerpoint-Vortrag vorbereitet zu einer Metallentfernung, die nicht optimal lief, habe gefragt, wie die Kollegen vorgegangen wären, und dann unseren Weg aufgezeigt“, berichtet er. Dafür gab es im Wettstreit mit drei Kollegen die Auszeichnung.

Erst eine holprige Planung – dann eine beeindruckende Fortbildung

Voller positiver Eindrücke ist auch PD Dr. Axel Sckell aus Faro zurückgekommen. Sckell, Oberarzt an der Universitätsmedizin Greifswald und Mitglied im geschäftsführenden BVOU-Vorstand, hatte sich bereiterklärt, zwei Tage lang als Referent teilzunehmen. Weil es die erste Summer School war und die FORTE-Veranstalter nur ein kleines Budget zur Verfügung hatten, sei die Planung etwas holprig verlaufen, erzählt Sckell amüsiert: „Drei Monate vorher kannte ich noch nicht einmal das Programm, und dann sollte ich sieben Kurzvorträge und Fallbesprechungen mitbringen.“

Vor Ort lief dann seinem Eindruck nach aber alles: „Die Veranstalter haben eine tolle Woche hinbekommen. Es ist ihnen gelungen, Referenten zu gewinnen wie Prof. Ganz. Oder wie Prof. Manoj Ramachandran aus London, der Chefarzt einer großen kinderorthopädischen Abteilung ist und ein Spezialist der Traumaversorgung.“ Sckell haben, so wie Schüttrumpf, ebenfalls die unterschiedlichen Vorgehensweisen der Kollegen aus anderen europäischen Ländern nachdenklich gestimmt. „Es wird nicht alles so gemacht wie bei uns, das wird einem erneut klar“, sagt er. „Es gibt einfach unterschiedliche Wege zu behandeln.“

 

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Osteopathische Fachverbände fordern Berufsgesetz

Gauting – Mehrere Verbände und Organisationen nicht-ärztlicher Osteopathen in Deutschland haben in einer gemeinsamen Erklärung die Notwendigkeit eines Berufsgesetzes auf Landesebene betont. „Die gegenwärtige Situation ist undurchsichtig, die Qualifikation von Osteopathie-Anbietern völlig ungesichert, und es gibt weder Rechtssicherheit für qualifizierte Osteopathen noch Transparenz für die gesetzlichen Krankenkassen“, heißt es in der Stellungnahme. Die Lösung bestehender Probleme sei ein Osteopathiegesetz auf Bundesebene mit Osteopathen als Heilberuflern.

2014 hatte ein Bericht von NDR Info für Aufmerksamkeit gesorgt, wonach die Krankenkassen im Jahr 2013 mehr als 110 Millionen Euro für Osteopathie ausgaben. „An dem Boom der sanften Methode gegen Störungen des Bewegungsapparats gibt es seit längerem Kritik“, schrieb damals die „Ärzte Zeitung“.

Der 112. Deutsche Ärztetag 2009 in Mainz hatte sich kritisch mit Forderungen nach einem eigenen Berufsbild auseinandergesetzt. Damals hieß es in einem angenommenen Antrag: „Mit großer Sorge sieht der Deutsche Ärztetag die aktuelle Beschlusslage der hessischen Landesregierung, Physiotherapeuten, Masseure und Medizinische Bademeister, vor allem aber Heilpraktiker nach erfolgreicher Zusatzfortbildung als “Osteopathen” anzuerkennen. Der Deutsche Ärztetag fordert die Bundes- und Landesregierung(en) auf, mit der Bezeichnung “Osteopathie” für Physiotherapeuten, Masseure, Medizinische Bademeister und Heilpraktiker nicht auf diesem Wege ein neues Berufsfeld zu schaffen, welches ihnen Tätigkeiten ermöglicht, die aus Sicht des Patientenschutzes nicht zu vertreten sind.“

Quelle: Pressemitteilung Akademie für Osteopathie e.V.

DKOU 2016 - Zurück in die Zukunft

DKOU-Thema: Herausforderung durch Hochbetagte

Berlin – Jedes Jahr erleiden über 700.000 hochbetagte Menschen in Deutschland einen Bruch des Oberschenkels, der Wirbel oder der Arme – Tendenz stark steigend. Altersbrüche zählen aufgrund des demografischen Wandels mittlerweile zu den häufigsten Ursachen für eine Krankenhauseinweisung und spätere Pflegebedürftigkeit. Menschliches Leid und Immobilität, aber auch hohe Kosten für das Sozialwesen gehen damit einher. Um die Rehabilitation unfallgeschädigter hochbetagter Patienten zu verbessern, hat die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) Richtlinien für die optimale Versorgung erarbeitet. Kliniken, die diese Richtlinien erfüllen, können sich als AltersTraumaZentrum DGU® zertifizieren lassen. Welche Aspekte bei der Versorgung älterer Patienten berücksichtigt werden müssen, erklären Experten auf dem Deutschen Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU) in Berlin. Darauf weisen DKOU und DGU in einer Pressemitteilung hin.

Die Behandlung von Knochenbrüchen bei Senioren sei durch ihr hohes Alter und die damit einhergehenden Begleiterkrankungen erschwert, so Prof. Dr. Ulrich Liener, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Alterstraumatologie der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU): „Die hochbetagten Patienten sind häufig gebrechlich, haben kognitive Einschränkungen und leiden an Herz- oder Niereninsuffizienz.“ Dieser komplexen Gesamtsituation der Patienten könne man nur durch einen ganzheitlichen Behandlungsansatz gerecht werden. Ähnlich den Stroke Units für die Schlaganfallbehandlung haben Orthopäden und Unfallchirurgen jetzt spezielle Zentren etabliert, in denen sie gemeinsam mit Altersmedizinern, Pflegekräften und Physiotherapeuten zusammenarbeiten.

„Internationale Studien an älteren Patienten mit Knochenbrüchen zeigen, dass die Behandlung in einem interdisziplinären und multiprofessionellen Team gemeinsam mit Altersmedizinern im Vergleich zur Standardbehandlung zu wesentlich besseren Ergebnissen führt“, erklärt Prof. Dr. Florian Gebhard, einer der Kongress-Präsidenten des DKOU 2016. Deutlich mehr der Ältesten könnten nach Akutphase und Rehabilitation wieder ihre Selbstständigkeit zurückgewinnen und zu Hause leben. Das erhöht deren Lebensqualität deutlich und spart Pflegekosten.

Quelle: DGU

DKG fordert mehr Geld für die Notfallversorgung

Berlin – Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) begrüßt es in einer Stellungnahme, dass die Krankenkassen in der besseren Verzahnung und Steuerung der Notfallversorgung Potenziale sehen. Damit bezieht sie sich auf ein Gutachten des AQUA-Instituts im Auftrag des Verbands der Ersatzkassen (vdek). „Allerdings fehlt das notwendige Bekenntnis, bei der Bereitstellung der finanziellen Ressourcen die notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Wer die Notfallversorgung wirklich verbessern will, muss auch sicherstellen, dass Notfälle egal ob im ambulanten oder stationären Bereich nicht länger strukturell unterfinanziert und durch Budgetregelungen gedeckelt werden”, erklärte DKG-Hauptgeschäftsführer Georg Baum.

„Einem durchschnittlichen Erlös von rund 40 Euro pro ambulanten Notfall stehen Fallkosten von mehr als 100 Euro gegenüber und summieren sich auf eine deutschlandweite Unterdeckung von einer Milliarde Euro“, so der Hinweis der DKG. Zurzeit liefen Verhandlungen zwischen Krankenhäusern, niedergelassenen Ärzten und Krankenkassen, die die Vergütung grundsätzlich neu strukturieren sollten. Insgesamt solle das System stärker „krankheitsschwereorientiert“ ausgerichtet werden. Doch die gesetzliche Vorgabe, bis zum 31. Dezember 2016 zu einem neuen Vergütungssystem zu kommen, werden von Krankenkassen und Kassenärztlicher Bundesvereinigung blockiert und ausgebremst, kritisiert die DKG.

Krankenhausdirektoren: Verzahnung bietet Potenzial

„Die zunehmende Inanspruchnahme unserer Notfallaufnahmen in Fällen, wo dies nicht nötig ist, brennt uns in den Krankenhäusern schon lange auf den Nägeln. Deshalb begrüßen wir Vorschläge, das Problem gemeinsam mit den niedergelassenen Ärzten zu lösen“, erklärte der Präsident des Verbandes der Krankenhausdirektoren Deutschlands, Dr. Josef Düllings, als Reaktion auf das Gutachten. „In einer Verzahnung und zentralen Steuerung der Notfallversorgung erkennen auch wir viel Potenzial für Verbesserungen.“ Bisher hätten vor allem die Krankenhäuser auf die Zunahme der Patienten reagiert, ihre Notaufnahmen technisch und personell aufgestockt und so genannte Triage-Systeme zur Erstbewertung und Weiterleitung der Patienten entsprechend der Schwere ihrer Erkrankung eingeführt.

Die Krankenhausdirektoren fürchten aber, dass die Frage der Finanzierung neuer Strukturen zu Lasten der Kliniken gehen könnte. Bei einer gemeinsamen Verantwortung von niedergelassenen Ärzten und Krankenhäusern müsse auch eine für beide Seiten faire Finanzierung selbstverständlich sein. Der Gesetzgeber müsse auch aus Sicht des VKD die Vergütung der ambulanten Notfallversorgung aus der Gesamtvergütung ausgliedern: „Nur so werden wir zu einer gemeinsamen, neuen Struktur der ambulanten Notfallversorgung kommen.“

„Wir unterstützen den Ansatz von Kooperationen zwischen Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) und Krankenhäusern“, erklärte der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Dr. Andreas Gassen. „Es bräuchte Strukturen, die es ermöglichen, dass die Bereitschaftsdienstpraxen der KVen enger mit den Klinikambulanzen zusammenarbeiten. Die Notfälle, die einer stationären Behandlung oder Diagnostik bedürfen, werden in die Ambulanz geleitet, wo sich die Klinikkollegen um sie kümmern. Die ambulanten Patienten versorgen die Vertragsärzte. Wo genau solche Schlüsselstandorte eingerichtet würden, müssten die regionalen Experten entscheiden. Hier bräuchte es entsprechende Vereinbarungen von KVen und Kliniken. Dann dürfte es allerdings in diesen Regionen keine Doppelstrukturen der Notfallversorgung mehr geben.“

Gutachten: Keine Patientensteuerung

Das Gutachten des AQUA-Instituts im Auftrag des vdek listet verschiedene Schwachstellen in der ambulanten Notfallversorgung auf. Dazu zählt das Institut unter anderem unklare Zuständigkeiten aus Patientensicht, keine Patientensteuerung, lückenhafte oder unattraktiv organisierte vertragsärztliche Strukturen – und Patienten, die ihr gesundheitliches Problem nicht richtig einschätzen können.

Sabine Rieser

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KV-Wahl: Wieder mehr Spielraum für ärztliche Entscheidungen

Ahrensburg – „Der überwiegende Teil der von der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein (KVSH) umgesetzten Regelungen ist durch Gesetze bestimmt, die nicht von der KVSH beeinflusst werden können“, weiß Dr. Dennis Wolter. Schon in den letzten sechs Jahren war er Mitglied der dortigen Vertreterversammlung (VV). Wenn er wiedergewählt wird, will er dazu beitragen, den ärztlichen Spielraum zu vergrößern und sich für eine angemessenere Honorierung engagieren. Wolter ist in Ahrensburg in einer Praxisgemeinschaft mit seinem Kollegen Dr. Helge Hansen niedergelassen.

7 Fragen an Dr. Dennis Wolter

BVOU.net: Warum kandidieren Sie für die Vertreterversammlung (VV)?
Wolter:
Die KV steuert entscheidend den Arbeitsalltag der Kassenärzte in Schleswig-Holstein und ist damit der bestimmende Faktor unserer täglichen Arbeit. Ich möchte meinen Teil dazu beitragen, dass die KV Schleswig-Holstein stark ist und die Interessen der Kassenärzte Berücksichtigung finden. Seit 2010 bin ich Mitglied der Vertreterversammlung der KVSH, habe also bereits Erfahrungen sammeln können.

BVOU.net: Wofür steht Ihre Liste?
Wolter: Ich bin kein Mitglied einer Liste, weil das in Schleswig-Holstein nicht üblich ist. Bei uns steht jeder Kandidat für sich selbst. So ist das auch bei mir. Ich bin als Orthopäde aber auch Vertreter unserer Fachgruppe O und U. Durch die eigene Erfahrung habe ich einen geschärften Blick für die Sorgen und Nöte der Kollegen und werde daran arbeiten, unsere Situation zu verbessern. Die Zusammenarbeit mit dem Landesvorsitzenden des BVOU, Dr. Christian Hauschild, funktioniert sehr gut. Wir informieren uns gegenseitig und stimmen uns bei anstehenden Entscheidungen ab.

BVOU.net: Wofür wollen Sie sich engagieren, wenn Sie gewählt werden?
Wolter: Die KVSH wie die gesamte Selbstverwaltung wird vom Gesetzgeber zunehmend seinen politischen Zielen unterworfen. Leider hat das zu häufig nichts mit einer Verbesserung der Versorgung der Patienten zu tun und entspricht zudem eher selten den Wünschen der Ärzte. Der überwiegende Teil der von der KVSH umgesetzten Regelungen ist durch Gesetze bestimmt, die nicht von der KVSH beeinflusst werden können. Das ist frustrierend. Ich will dafür sorgen, dass der Einfluss der Ärzte auf die Entscheidungen wieder größer wird. Dazu ist eine starke und einige KVSH erforderlich.

Ein weiteres wichtiges Anliegen von mir: Der Einheitliche Bewertungsmaßstab (EBM) als Grundlage der Abrechnung ist derzeit nicht in der Lage, die Untersuchungen und Behandlungen in einer Praxis angemessen abzubilden. Gesetzgeberische Maßnahmen sowie Honorarverteilungs- und EBM-Maßnahmen haben in den letzten Jahren dazu geführt, dass Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten am Ende eines langen Arbeitstages nicht wissen, was sie für ihre Arbeit erhalten. Notwendig ist die Vergütung von Einzelleistungen neben pauschalierten Vergütungsformen, die das jeweils arztgruppenspezifische Leistungsspektrum abbilden. Für diese Leistungen muss es feste und kostendeckende Preise geben, die jährlich an die wirkliche Kostenentwicklung angepasst werden.

Was mir auch noch wichtig ist: Für die Vertragsärzte stellt das Regressrisiko eine massive Bedrohung dar. Allein schon die Stellung eines Prüfantrags durch die Krankenkassen führt zu einem nicht hinnehmbaren Arbeitsaufwand und einer massiven Verunsicherung, selbst wenn dann gar kein Regress festgesetzt wird. Die Gefahr eines Regresses stellt auch eine erhebliche Hemmschwelle für junge Ärzte dar, sich für die ambulante Versorgung zu entscheiden. Die Richtgrößenprüfungen mit ihren Regressen müssen daher abgeschafft werden.

BVOU.net: Welches Versorgungsthema wollen Sie dann vor allem vorantreiben?
Wolter: Erstens die Beibehaltung der hohen Qualität der Behandlung unserer Patienten durch in ihrer Therapieentscheidung unabhängige und freiberuflich tätige Ärztinnen und Ärzte. Zweitens die Optimierung der Möglichkeiten der Zusammenarbeit der Vertragsärzte und die Förderung von vernetzen Strukturen.

Drittens der Einsatz dafür, dass wir uns in unserer täglichen Arbeit auf die ärztliche Tätigkeit konzentrieren können. Für alles andere müssen Lösungen gefunden werden. Und viertens die Steuerung der Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen: Die Patienten sollten in Zukunft mehr Verantwortung tragen für ihr Verhalten in Bezug auf die Inanspruchnahme von Leistungen und für ein gesundheitsbewusstes Verhalten.

BVOU.net: Und welches Honorarthema wollen Sie vorantreiben?

Wolter: Da erscheinen mir drei Themenbereiche wichtig: Wir brauchen zum einen eine leistungsgerechte und transparente Vergütung aller von niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten erbrachten Leistungen. Die Verpflichtung zur unbegrenzten Abgabe von Leistungen bei weiterbestehenden Budgets ist nicht akzeptabel. Zum anderen müssen alle Leistungen, die über die Kriterien wirtschaftlich, ausreichend, notwendig und zweckmäßig (kurz: WANZ) hinausgehen, extra vergütet werden. Ich denke da an qualitativ besonders „gute” Leistungen, quasi Schulnote 2, im Vergleich zu „ausreichenden“ Leistungen, also sozusagen Schulnote 4.

Und schließlich müssen die Krankenkassen einsehen, dass es Leistungen gibt (Stichwort: Individuelle Gesundheitsleistungen), die nicht die WANZ-Kriterien erfüllen und trotzdem sinnvolle und nutzenbringende Angebote für Patienten sind. Es gibt sehr gute Kriterien zur Erbringung dieser Leistungen. Die Krankenkassen müssen diesbezüglich ihre Blockadehaltung aufgeben.

BVOU.net: Wie wollen Sie es schaffen, Zeit für die Arbeit in der VV zu erübrigen?
Wolter: Ich bin sehr zuversichtlich, dass ich diese Zeit auch in einer nächsten Wahlperiode aufbringen kann. Die Tätigkeit als Abgeordneter kostet ohne Zweifel Zeit, die ich mir dafür aber gerne nehme. Bisher hat das nicht zu einer Vernachlässigung von Familie oder Freunden geführt.


BVOU.net:
Wie motivieren Sie sich, wenn Sie einmal gar keine Lust auf Berufspolitik haben?
Wolter: Mir ist bisher die Lust nicht ausgegangen. Wenn das so wäre, würde ich nicht wieder kandidieren. Ich habe das Gefühl, dass sich die Berufspolitik aus der Praxis eines Vertragsarztes nicht heraushalten lässt. Es gibt aber Tage, da sind andere Dinge wichtiger. Dann bleibt der Computer ausgeschaltet und das Mobiltelefon still. Es ist gesund, sich Raum zur Regeneration zu schaffen, mit der Familie etwas zu unternehmen, ein Konzert oder das Theater zu besuchen oder Sport zu treiben. Ich versuche, die Balance zu halten.

(Das Interview führte Sabine Rieser. Der BVOU veröffentlicht zurzeit regelmäßig Interviews mit Orthopäden und Unfallchirurgen, die für die KV-Wahlen kandidieren.)

Weiterführende Informationen:

KV-Wahlen 2016: Die Termine für ganz Deutschland

Weitere Interviews:

KV-Wahlen 2016: Die Kandidaten aus O und U im Gespräch

Präsentation AQUA Institut 2016

Ersatzkassen fordern bessere Strukturen für ambulante Notfälle

Berlin – Dreh- und Angelpunkt einer besseren Versorgung von ambulanten Notfällen müssen sogenannte Portalpraxen an allen Krankenhäusern Deutschlands werden, die rund um die Uhr an der stationären Notfallversorgung teilnehmen. Die Portalpraxis sollte in der Regel aus einer festen Anlaufstelle für die Notfallpatienten bestehen sowie aus einer ambulanten Notdienstpraxis, die ebenfalls am Krankenhaus angesiedelt sein sollte.

Dies ist eine von sechs Forderungen, die der Verband der Ersatzkassen (vdek) gestern zur Verbesserung der ambulanten Notfallmedizin erhoben hat. Grundlage ist ein Gutachten des AQUA-Instituts für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen. Darin werden zahlreiche Empfehlungen zur Reform der ambulanten Notfallversorgung und zu einer besseren Verzahnung zwischen ambulantem und stationärem Notdienst sowie dem Rettungsdienst gegeben. AQUA hat dafür unter anderem 26 Experten befragt.

G-BA arbeitet an Konzept für Notfallversorgung

Der vdek verweist darauf, dass der Gemeinsame Bundesausschuss derzeit an einem Stufenkonzept für die stationäre Notfallversorgung arbeitet. Es soll bis Ende des Jahres vorliegen. Das Krankenhausstrukturgesetz schreibt vor, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) den Notdienst auch durch Kooperation und gemeinsame Organisation mit Krankenhäusern sicherstellen sollen.

„Wir brauchen transparentere Strukturen in der Notfallversorgung. Immer mehr Patienten steuern im Notfall das Krankenhaus an, auch wenn sie eigentlich ambulant hätten behandelt werden können“, sagte Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des vdek. Unklare Sprechstundenzeiten und Anlaufstellen der niedergelassenen Ärzte, unklare Aufgabenteilung zwischen ambulantem und stationärem Notdienst und die Unsicherheit der Patientinnen und Patienten seien die Hauptgründe dafür.

Deshalb würden jährlich bis zu 25 Millionen Menschen in den Notaufnahmen der Krankenhäuser behandelt, mit steigender Tendenz. Mit Bezug auf Aussagen von Fachgesellschaften verweist der vdek darauf, dass ein Drittel der Patienten bedenkenlos im niedergelassenen Bereich behandelt werden könnten.

85 Prozent der Bereitschaftspraxen sind schon an Kliniken

Prof. Dr. Joachim Szecsenyi, Leiter des AQUA-Instituts, erläuterte, dass es derzeit rund 600 Notdienstpraxen in der Verantwortung der KVen gebe. Bereits heute seien 85 Prozent an Kliniken angegliedert. Der Experte verwies darauf, dass es zahlreiche Begriffe wie Notdienstpraxis, Bereitschaftsdienstpraxis, Anlaufpraxis oder Portalpraxis gebe. Das AQUA-Institut habe eine Portalpraxis definiert als zentrale Anlaufstelle. Dort solle der Behandlungsbedarf der Patienten standardisiert eingeschätzt und die Patienten in die jeweils angemessene Versorgungsstruktur geleitet werden. Zusätzlich könne eine Notdienstpraxis der KV zur Behandlung der Patienten in die Portalpraxis integriert werden.

Als sinnvolle Option nennt das Gutachten auch, gemeinsame Leitstellen für den Rettungsdienst und Portalpraxen einzurichten. Auch Angebote für besondere Patientengruppen wie Ältere oder Multimorbide seien hilfreich, beispielsweise ein Case-Management. Dies könne dazu beitragen, dass diese Patienten seltener ins Krankenhaus kämen. Ein Problem sei aber auch die Anspruchshaltung der Bürger: „Die Frage, was ich selbst tun kann, wird viel zu selten erörtert“, so Szecsenyi. Dafür gebe es aber auch zu wenig hilfreiche Angebote.

Mehr Geld sollten die Krankenkassen für eine verbesserte ambulante Notfallversorgung nicht ausgeben müssen, stellte die vdek-Vorstandsvorsitzende klar: Die Bezahlung sei Teil der ambulanten Gesamtvergütung. Aus Portalpraxen solle man Patienten zudem in die Regelversorgung zurückverweisen, wenn ihre Behandlung nicht dringlich sei. Portalpraxen verursachten nicht zwingend mehr Kosten, befand Szecsenyi. Wenn viele Kliniken nahe beieinanderlägen, benötige man möglicherweise Absprachen, wer die Portalpraxis übernehme. Es könne ja auch als ein ökonomischer Vorteil erkannt werden, „wenn in einem Krankenhaus nur Fälle sind, die dort auch hingehören“.

Sabine Rieser

DGU legt aktuellen TraumaRegister-Jahresbericht vor

Berlin – Das TraumaRegister DGU® (TR-DGU) der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie e.V. (DGU) verzeichnet 30.557 Schwerverletzte für das Jahr 2015. Sie mussten nach einem schweren Unfall intensivmedizinisch behandelt werden. Am TR-DGU beteiligen sich aktuell 615 deutsche Traumazentren der Initiative TraumaNetzwerk DGU®. Darauf verweist die DGU in einer Pressemitteilung.

11 Prozent der erfassten Patienten stammen demnach aus internationalen Kliniken, die sich am TR-DGU beteiligen, beispielsweise aus Österreich und der Schweiz. Diese Zahlen gehen aus dem aktuellen TraumaRegister-Jahresbericht für den Behandlungszeitraum 2015 hervor. Die DGU stellt die bundesweiten Zahlen zur Versorgung Schwerverletzter am 9. September 2016 auf dem Jahrestreffen der Unfallchirurgen in Dortmund vor.

„Die Bilanz zeigt, dass der Anteil schwerverletzter Senioren kontinuierlich zunimmt. Diese Entwicklung im weltweit größten klinischen Schwerverletztenregister unterstreicht unsere Bemühungen, die Alterstraumatologie für die Zukunft gut aufzustellen“, sagt DGU-Generalsekretär Professor Dr. Reinhard Hoffmann im Vorfeld des Jahrestreffens – eine gemeinsame Veranstaltung vom TraumaRegister DGU®, der DGU-Sektion Notfall- und Intensivmedizin, Schwerverletztenversorgung (NIS) und dem TraumaNetzwerk DGU®.

Das TraumaRegister wurde 1993 gegründet. Über 200.000 Fälle aus über 600 Kliniken aus weltweit 11 Ländern sind im TR-DGU dokumentiert. Mit mehr als 30.000 Fällen pro Jahr ist es eines der weltweit größten klinischen Schwerverletztenregister.                 DGU

Arzt und Patientin im Gespräch, BVOU

KBV-Versichertenbefragung: Viel Lob für die Ärzte

Berlin – Auf einen Termin in einer orthopädischen Praxis haben im vergangenen Jahr 24 Prozent der Patienten überhaupt nicht warten müssen. 13 Prozent geduldeten sich nur drei Tage. Bei 62 Prozent waren es mehr als drei Tage. Dies geht aus der jüngsten Versichertenbefragung der Forschungsgruppe Wahlen im Auftrag der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) hervor. Dafür wurden im Frühjahr rund 6.000 zufällig ausgewählte Bürgerinnen und Bürger telefonisch befragt.

Wartezeiten aus KBV Versichertenbefragung 2016
Wartezeiten aus KBV-Versichertenbefragung 2016

Auf den Wunscharzt muss man warten

Der KBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Andreas Gassen sagte: „Die Wartezeiten auf so manche Facharzttermine sind möglicherweise zu kritisieren. Wir sollten aber bei diesem Phänomen nicht übersehen, dass solche Wartezeiten auch daher rühren, dass Patienten häufig zu einem ganz bestimmten Facharzt möchten. Dass dieser nicht immer alle sofort behandeln kann, liegt in der Natur der Sache.“

Der Versichertenbefragung zufolge waren im vergangenen Jahr 85 Prozent der Bürger mindestens einmal beim Arzt. Wartezeiten sehen sie grundsätzlich eher entspannt, so das Urteil der Forschungsgruppe Wahlen: „Wirklich als störend empfinden die Bürgerinnen und Bürger Wartezeiten erst dann, wenn Arzttermine erst nach mehreren Wochen zu bekommen sind.“ In einer separaten qualitativen, nicht-repräsentativen Analyse diskutierte eine Fokusgruppe von 25 Teilnehmern das Thema kontrovers. Dort hieß es: Besonders unangenehm sei es zu warten, wenn man Schmerzen habe, komplexere Diagnostik benötige oder die Diagnose noch nicht feststehe.

Schlechte Noten für die Situation am Empfang

Insgesamt zeigt die KBV-Versichertenbefragung ein sehr freundliches Bild in Bezug auf den letzten Arztbesuch, an den sich die Bürger erinnern. Ob Freundlichkeit des Arztes, Fachkompetenz, Verständlichkeit seiner Erläuterungen oder Vertrauensverhältnis – mehr als 90 Prozent der Befragten gaben hierfür durchweg die Noten „gut“ oder „sehr gut“. Lediglich die Vertraulichkeit am Empfang in der Praxis wurde mit 48 Prozent relativ schlecht beurteilt.

Bei der möglichen Mitentscheidung urteilten durchschnittlich 79 Prozent der Befragten, hier sei die Situation gut oder sehr gut gewesen. Die Forschungsgruppe Wahlen erläutert, es gebe aber Unterschiede nach Fachgruppen: „Was die Einbindung der Patienten in die Entscheidungsfindung betrifft, werden die entsprechenden Möglichkeiten bei Hausärzten ähnlich positiv bewertet wie bei deren spezialisierten Kollegen, wobei beim Facharztvergleich Chirurgen oder Frauenärzte ihren Patientinnen und Patienten nach deren Einschätzung deutlich häufiger entsprechend „sehr gute“ Mitbestimmung ermöglichen als Orthopäden oder Augenärzte.“                             Sabine Rieser

KBV-Versichertenbefragung