Baden-Baden – Jung, engagiert, weiblich: Auf der BVOU-Mitgliederversammlung am 4. Mai 2019 in Baden-Baden wählten die Anwesenden Stefanie Weber in den BVOU-Gesamtvorstand und zur Vertreterin der Weiterbildungsassistenten. Im Interview spricht sie über ihren Weg zur Medizin, berufspolitische Ziele und den Spagat zwischen Engagement und Privatleben.
Frau Weber, wie haben Sie den Weg zur Medizin gefunden?
Stefanie Weber: Als ich 17 Jahre alt war, habe ich ein freiwilliges soziales Jahr in einem Pflegeheim absolviert. Der Umgang der Ärzte mit den Patienten dort hat mein Interesse an einem medizinischen Berufsweg geweckt.
Nach meiner dortigen Tätigkeit habe ich in Berlin in der Praxis von Helmut Mälzer angefangen zu arbeiten und dort eine Ausbildung zur Medizinischen Fachangestellten (MFA) absolviert. So fand ich auch den Weg zum BVOU und habe mich neben dem Medizinstudium an der Universitätsmedizin Göttingen in Niedersachsen für den jungen Medizinernachwuchs stark gemacht. Dort studiert jeder vierte Einwohner, die Stadt ist quicklebendig, jung und dabei so überschaubar, dass alle Wege kurz sind. Göttingen ist eine liebenswerte Stadt, in der für viele Karrieren der Grundstein gelegt wurde und gelegt wird. 2017 habe ich dann mein Examen abgeschlossen. Seit April 2018 arbeite ich als Assistenzärztin im zweiten Weiterbildungsjahr am Centrum für Muskuloskeletale Chirurgie (CMSC) der Charité. Das CMSC ist eines der größten unfallchirurgisch-orthopädischen Zentren Deutschlands. An den Standorten Berlin-Mitte und Berlin-Wedding werden jährlich etwa 8.000 Fälle stationär versorgt.
Sie engagieren sich im Jungen Forum O und U zum Thema Interdisziplinäre Zusammenarbeit. Was streben Sie diesbezüglich an?
Weber: Die aktuellen berufspolitischen Themen in den chirurgischen Disziplinen zeigen, dass die interdisziplinäre Zusammenarbeit auf der Ebene der Assistenten über die Fachgebietsgrenzen hinaus notwendig ist. Mir ist es wichtig, Synergien im interdisziplinären Bereich mit anderen chirurgischen und nicht-chirurgischen Disziplinen zu schaffen. Schwierigkeiten, die insbesondere durch die Heterogenität unseres Faches entstehen, können durch gegenseitige Information und Vernetzung überbrückt werden. Wir benötigen ein Forum für Vernetzung, Informationsweitergabe und zur gegenseitigen Unterstützung bei Weiterbildungs- und Facharztstellen, Rotationen, Promotion, Facharztprüfung usw. Wir können einen viel höheren politischen Impact durch fachübergreifende Zusammenarbeit und verbesserte Kommunikationsstrukturen erreichen.
Sie arbeiten mit am AOUC-Weiterbildungscurriculum – was haben Sie erreicht, welche Ziele verfolgen Sie?
Weber: Die Weiterbildung muss noch stärker um alternative Methoden zur Qualifizierung ergänzt werden. Der Zeitdruck im OP wächst immer mehr. Die Kliniken stehen unter enormem Druck, effizient zu arbeiten und Gewinne zu erwirtschaften. Dadurch fehlt häufig die Zeit im OP, in Ruhe anzuleiten. Es müsste deshalb gelingen, die Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung so zu qualifizieren, dass sie schon gewisse Fertigkeiten mitbringen. Dementsprechend fände ich es sinnvoll, ein strukturiertes Weiterbildungscurriculum in Zusammenarbeit mit der AOUC zu veröffentlichen, um entsprechende Kurse zum jeweiligen Ausbildungsstand des Assistenzarztes oder der Assistenzärztin anbieten zu können. Wir benötigen Curricula und digitale Workflows mit Lernpfaden zur Erlangung spezieller Kompetenzen.
Inwieweit können Sie sich vorstellen, dass sich das Junge Forum mehr in die berufspolitische Arbeit einbringt und somit unterstützt?
Weber: Der Ärztestatistik zufolge befanden sich in Deutschland 2018 fächerübergreifend etwa 7938 Assistenzärzte und Assistenzarztinnen in der chirurgischen Weiterbildung, wobei der chirurgische Nachwuchs in Deutschland heute vor vielfältigen Herausforderungen steht. Junge Chirurginnen und Chirurgen müssen oftmals einen Spagat meistern, um ihren beruflichen und privaten Rollen gerecht zu werden. Diese jungen Ärzte brauchen deshalb dringend eine politische Stimme, die sich ihrer Belange annimmt und die kommenden Entwicklungen begleitet. Unser Ziel ist es, die Weiterbildungs-, Arbeits- und Forschungsbedingungen junger Unfallchirurginnen und Unfallchirurgen und Orthopädinnen und Orthopäden in Deutschland nachhaltig und kontinuierlich zu verbessern.
Was bedeutet das zusätzliche Engagement für Ihren Berufsalltag? Und was für Ihr Privatleben?
Weber: Die Frage ist berechtigt. Zusätzliches Engagement neben dem Klinikalltag muss Spaß machen und eine Sinnhaftigkeit für jeden individuell haben. Durch berufspolitisches Engagement kann man über den Tellerrand hinausblicken.
Wenn man sich mit Aufgaben und der Organisation diverser Projekte identifizieren kann, ist das eine gute Sache. Natürlich haben wir neben idealistischen Motiven auch die Karriere im Blick, wenn man sich für ein Projekt einsetzt. Und das ist auch völlig in Ordnung: Persönliches Engagement ist wichtig, wenn es darum geht, Nachwuchs zu rekrutieren.