Berlin – Die ärztlichen Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen haben im Jahr 2017 bundesweit 7.307 Entscheidungen zu mutmaßlichen Behandlungsfehlern getroffen, etwas weniger als im Vorjahr (7.639). Die Zahl der Anträge lag 2017 bei 11.100. Die durchschnittliche Bearbeitung der Anträge beläuft sich auf etwa 16 Monate. Das berichtete heute Kerstin Kols, Geschäftsführerin der Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen der norddeutschen Ärztekammern, im Rahmen einer Pressekonferenz der Bundesärztekammer (BÄK).
Was die 2017 entschiedenen Fälle betraf, so wurde in 2.213 Fällen, also knapp einem Drittel, ein Behandlungsfehler bejaht. Die häufigsten Diagnosen, die zu Behandlungsfehlervorwürfen geführt hatten, waren Knie- und Hüftgelenksarthrosen sowie Unterschenkel- und Sprunggelenkfrakturen. Bei Gonarthrose wie Koxarthrose wurden 2017 jeweils 262 Anträge auf einen Behandlungsfehler bestätigt – von 1.783 als begründet eingestuften. Bei Unterschenkel- und Sprunggelenksfrakturen waren es 167. Es folgten bestätigte Behandlungsfehlervorwürfe im Zusammenhang mit Unterarmfrakturen (165) und lumbalen Bandscheibenschäden (149).
In O und U entsteht leichter ein Fehlerverdacht als in anderen Fächern
Dass Diagnosen aus den Fachgebieten Chirurgie sowie Orthopädie und Unfallchirurgie am häufigsten zu Anträgen führten, sei quasi „ganz natürlich“, befand Kols. Denn nach einem Armbruch oder einem Hüftgelenksersatz könne ein Patient leichter als in anderen Fällen das Gefühl entwickeln, das Ergebnis sei nicht so wie erwartet. Dr. Andreas Crusius, Vorsitzender der Ständigen Konferenz der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen, ordnete die erneut sehr niedrigen Daten ein. „Der Arztberuf ist ein äußerst gefahrengeneigter Beruf“, sagte er. „Einhundertprozentige Sicherheit kann es nicht geben. Und nicht jeder therapeutische Misserfolg ist ein Behandlungsfehler.“ Ein sachlicher und differenzierter Umgang mit Fehlern, wie er auch mit der Behandlungsfehlerstatistik erfolge, sei wichtig.
Crusius: Fehlerzahl im Promillebereich
Crusius verwies zudem darauf, dass das Statistische Bundesamt für 2016 rund 19,5 Millionen Behandlungsfälle in deutschen Krankenhäusern gezählt habe. Hinzu kämen rund eine Milliarde Arztkontakte jährlich in den Praxen: „Gemessen an dieser enormen Gesamtzahl der Behandlungsfälle liegt die Zahl der festgestellten Fehler Gott sei Dank im Promillebereich.“ Das gelte im Übrigen auch für die von Seiten der Krankenkassen ermittelten Daten.
Der Vorsitzende der Ständigen Konferenz geht davon aus, dass in Deutschland jährlich bis zu 40.000 Behandlungsfehlervorwürfe erfasst werden, und zwar rund 10.000 durch die Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen und rund 10.000 durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen. Weitere kommen nach seinen Worten durch Gerichtsverfahren und direkte Verfahren bei den Haftpflichtversicherern hinzu. Dabei würden Vorgänge sicher auch doppelt erfasst.
Kostenfreies Angebot für Patienten
Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen gehen auf Antrag mit Hilfe von ärztlichen Gutachtern Behandlungsfehlervorwürfen von Patienten nach. Grundlage einer Prüfung ist, dass alle Beteiligten damit einverstanden sein müssen. Die Widerspruchsquote liegt derzeit bei rund 25 Prozent. Das Verfahren ist für Patienten kostenfrei. Die Kosten teilen sich die Ärztekammern und die Haftpflichtversicherer. Nach Angaben von Kols kommt es in rund 85 Prozent der Fälle, in denen ein Behandlungsfehler festgestellt wurde, zu einer außergerichtlichen Befriedung ohne Verfahren.
Der BVOU wird sich im nächsten Newsletter am 11. April ausführlicher mit den aktuellen Daten aus der BÄK-Statistik befassen und diese kommentieren.