MELBOURNE – Australische Forscher haben eine neue minimal-invasive Gehirn-Computer-Schnittstelle entwickelt, die es gelähmten Patienten künftig ermöglichen könnte, sich mit der Kraft ihrer Gedanken erneut selbst zu bewegen. Das Implantat soll bereits im kommenden Jahr am Royal Melbourne Hospital erstmals am Menschen erprobt werden.
Die Gehirn-Computer-Schnittstelle besteht aus einer Stent-basierten Elektrode, genannt „Stentrode“, die in ein Blutgefäß des Gehirns implantiert wird und diejenigen neuronalen Aktivitäten aufzeichnet, die für Bewegung verantwortlich sind und somit bionische Gliedmaßen oder aber ein Exoskelett kontrollieren könnten.
„Es ist uns gelungen, das weltweit erste minimal-invasive Implantat zu entwickeln, das in einem einfachen Eingriff in ein Blutgefäß des Gehirns eingesetzt wird, sodass auf das Risiko einer Operation am offenen Gehirn verzichtet werden kann“, sagt Dr. Thomas Oxley, Studienleiter und Neurologe am Royal Melbourne Hospital.
Dank der Entwicklung der Forscher ist es erstmals möglich, qualitativ hochwertige Signale aus dem motorischen Kortex langfristig aufzuzeichnen, ohne dabei das Gehirn zu schädigen. Mittels der Stentrode könnten so selbst vollständig gelähmte Patienten künftig eine Möglichkeit haben, sich erneut selbst zu bewegen.
Das Implantat erfasst die Hirnaktivität des Patienten und wandelt die erhaltenen Signale in elektrische Befehle um. Auf Basis dieser Befehle kann sich der Patient dann erneut selbst bewegen – gedankengesteuert und mittels eines Hilfsgeräts, wie zum Beispiel einer bionischen Prothese oder eines Exoskeletts. „Im Wesentlichen ist es eine bionische Wirbelsäule“, fasst Oxley zusammen.
Innerhalb der nächsten zwei Jahre soll die Stentrode erstmals am Menschen getestet werden, zunächst an drei Patienten. Neben Patienten mit Rückenmarksverletzungen oder Schlaganfällen könnte die neue Technologie künftig auch Menschen mit Epilepsie oder Parkinson zu Gute kommen, sagen die Wissenschaftler.
Die Ergebnisse der Studie „Minimally invasive endovascular stent-electrode array for high-fidelity, chronic recordings of cortical neural activity” wurden am 8. Februar online in der Fachzeitschrift Nature Biotechnology veröffentlicht.
Anne Faulmann
Bild: Stentrode (Quelle: University of Melbourne/Screenshot YouTube)