Wertheim – Mit dem Kompakt-Kommentar zum Infektionsschutzgesetz (IfSG) von Jens Gerhardt, leitender Verwaltungsdirektor am Gesundheitsamt München und einziger Autor, bringt der C. H. Beck Verlag nach dem hier schon zuvor vorgestellten Handbuch von Huster und Kingreen in rascher Folge ein weiteres Werk zum Infektionsschutzrecht heraus. Das 2021 in 5. Auflage erschienene Buch ist mit seinen 574 Seiten dennoch handlich und sehr übersichtlich in 15 Kapitel gegliedert, die die §§ 1 – 77 des IfSG chronologisch abarbeiten und kommentieren. Durch diesen Aufbau ist es insbesondere für denjenigen hilfreich, der mit Gliederung und Inhalt des Gesetzes vertraut ist und zu einzelnen Paragraphen weiterführende Informationen sucht. Berücksichtigt sind ebenfalls die Corona-bedingten Neuregelungen des Dritten Bevölkerungsschutzgesetzes.
Für Juristen und Mediziner gleichermaßen hilfreich sind die präzisen Kommentierungen der Begriffsdefinitionen im Infektionsschutz in §2. Dass es außer COVID-19 immer noch andere bedeutende Infektionskrankheiten gibt, wird im Kapitel zu den §§ 6 – 10 mit den meldepflichtigen Krankheiten deutlich und der Diskussion des Konflikts mit dem Datenschutzrecht. Wie die in den täglichen Nachrichten präsentierten aktuellen SARS-CoV-2-Infektionszahlen des RKI zustande kommen, versteht der Leser nach Lektüre des Kapitels zu § 11, die der Impfsurveillance nach § 13. Welcher Katalog von jeweils abzuwägenden, der Gefahrenlage angemessenen Maßnahmen zur Bekämpfung eines Infektionsgeschehens und zur Einschränkung von „Störern“ zur Verfügung steht, wird in den Kapiteln zu den §§ 15a – 19 deutlich, wobei auch Krätzmilben, Kopfläuse und sexuell übertragbare Krankheiten nicht vergessen werden. Den rechtlichen Hintergrund zu aktuellen Impfthemen wie Masern oder Corona findet man in den Kapiteln zu §§ 20 – 22. Für chirurgisch tätige ist das Thema nosokomiale Infektionen mit KRINKO und Hygieneplänen interessant (§ 23). Wer wissen will, auf welcher Rechtsgrundlage patientennahe Schnelltests für HIV, Hepatitis C, SARS-CoV-2 und Treponema pallidum und andere Maßnahmen zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten beruhen, muss in § 24 – 28 nachlesen. Brandaktuell sind die in § 28a ausführlich diskutierten besonderen Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit (u. a. Maskenpflicht, Kontaktbeschränkungen, Ausgangsbeschränkungen, Untersagung von Veranstaltungen, Reise- und Besuchsbeschränkungen), deren Verfassungsmäßigkeit und Angemessenheit derzeit Gegenstand zahlreicher gerichtlicher Auseinandersetzungen sind.
Der Autor stellt fest, dass die Corona-Pandemie deutlich die Grenzen der bisherigen Regelungen des IfSG aufgezeigt habe und regt an, die gewonnenen Erfahrungen nach Bewältigung der Coronapandemie zu nutzen und das IfSG zukunftsfest zu machen. Alles zum Thema Quarantäne findet man in 3 30. Die folgenden Kapitel runden die Themen Infektionsschutz bei bestimmten Einrichtungen, Unternehmen und Personen (§§ 33 – 36), Wasser (§§ 37 – 41), Lebensmittel (§§ 42f.), Tätigkeiten mit Krankheitserregern (§§ 44 – 53a), Vollzug des Gesetzes und zuständige Behörden (§§ 54 – 54b) sowie Entschädigungen (§ 56 – 68) ab. Auch hier schließt sich wieder der Kreis zu aktuellen Coronathemen: So ergeben sich nach Ansicht des Autors aus den bestehenden Gesetzgebungsmaterialien keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass das Nichtbestehen einer Entschädigungsregelung für Betriebsschließungen und -beschränkungen, z. B. von Bars, eine planwidrige Regelungslücke darstellen könnte; der Gesetzgeber habe die Regelungslücke erkannt, aber bewusst nicht geschlossen, Entschädigungsansprüche könnten deshalb nicht auf eine analoge Anwendung von § 56 oder 65 IfSG gestützt werden.
Und wen die Angst vor Impfschäden im Zusammenhang mit in kurzer Zeit entwickelten Corona-Impfstoffen umtreibt, findet die Regelungen zur Versorgung in §§ 60 – 68 kommentiert. Kosten, Straf- und Bußgeldvorschriften sind in §§ 69 – 76 dargestellt. Medizinern, Mitarbeitern von Gesundheitsbehörden, Juristen in Gerichten und in der Rechtsberatung wird der klar strukturierte Kommentar zum IfSG auch über Coronazeiten hinaus eine wertvolle Hilfestellung liefern.
Dr. med. Karsten Braun, LL. M.
BVOU Referat Presse/Medien