Berlin – Die Vermittlung von Arztterminen über die Terminservicestellen bedeutet viel Aufwand, ist teuer, wird kaum nachgefragt – so fassen die Landesvorsitzenden des Berufsverbandes für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU) ihre Erfahrungen vor Ort nach 100 Tagen zusammen. Das hat eine Umfrage im BVOU in den letzten Tagen ergeben.
Am 4. Mai hatte die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) eine erste Bilanz vorgelegt. „Technisch einwandfrei und pünktlich haben die KVen und die KBV die Terminservicestellen organisiert und eingerichtet“, betonte der KBV-Vorstandsvorsitzende Dr. med. Andreas Gassen. Sie würden aber „nicht wirklich gebraucht“. Bundesweit wurden in den ersten drei Monaten schätzungsweise 31.500 Termine über die Servicestellen gebucht. Gassen bezeichnete dies angesichts von rund 550 Millionen jährlichen Behandlungsfällen im ambulanten Bereich als sehr gering.
Es gibt schnellere Drähte für wirklich eilige Termine
Ähnlich sehen es die BVOU-Landesvorsitzenden. „Viel Lärm um nichts“ und „Außer Spesen nichts gewesen“ – so könne man die bisherigen Erfahrungen mit den Terminservicestellen in Bayern zusammenfassen, findet Dr. med. Matthias Graf. Ein nennenswerter Nutzen für Patienten sei dadurch – wie vorausgesagt – nicht entstanden. Dr. med. Klaus Thierse betont, in Berlin gebe es viel schnellere Drähte, wenn man einen Patienten rasch zu einem Kollegen vermitteln wolle. Er selbst hat freie Termine an die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Berlin weitergemeldet, aber bislang noch keinen Patienten zugewiesen bekommen.
Hessen: Orthopäden waren gefragt
„Es gibt sicherlich regionale Engpässe bei den Terminen, doch so lösen wir das Problem nicht“, ist die Meinung von Dr. med. Henning Leunert, Brandenburg. „Die Nachfrage ist gering und bei genauer Betrachtung in den meisten Fällen nicht gerechtfertigt.“ Das Grundproblem, die Budgetierung der Leistungen, werde durch die Terminservicestellen nicht gelöst. Dr. med. Gerd Rauch verweist auf die jüngsten Daten der KV Hessen: Von Ende Januar bis Anfang April wurden rund 1.850 Termine bei Fachärzten vermittelt, also rund 35 pro Tag. Die Anzahl nicht wahrgenommener Facharzttermine war gering (3,5 Prozent). Anders als in anderen Bundesländern waren in Hessen Orthopädentermine aber gefragt: Knapp 200 wurden vermittelt. Nur bei Neurologen wurden noch mehr Termine vermittelt, nämlich mehr als 400.
Die Kolleginnen und Kollegen haben der KV freie Termine gemeldet, aber bislang ist die Nachfrage gering – das meldet Dr. med. Roland Tenbrock aus Nordrhein. Patienten müssten in seiner Praxis sowie nur rund drei Wochen auf einen Termin warten, Notfälle und akute Fälle würden – mit Wartezeit – täglich versorgt, ebenso jederzeit dringende Fälle, die Kollegen angekündigt haben. Tenbrocks Fazit: „Terminservicestellen verursachen Unmengen unserer Kosten und werden nur marginal genutzt.“
Vielerorts bestehen vor allem Engpässe in der Neurologie
„Die Erfahrungen im Saarland haben in den ersten Monaten gezeigt, dass sich fast keine orthopädischen Patienten gemeldet haben“, so Dr. med. Björn Bersal. „Lediglich im Bereich Rheumatologie besteht wirklich ein Engpass.“ Deshalb hätten sich aber Fachgruppenvorsitzende der Rheumatologen und Allgemeinmediziner bereits getroffen, Bersal war als Vertreter der Orthopäden mit dabei. Beschlossen wurde: Nur diejenigen Patienten werden an die Terminservicestelle überwiesen, bei denen schon eine ausführliche Diagnostik stattgefunden hat.
Relativ wenig Anfragen, problemlose Vermittlung – so beschreibt Dr. med. Jörg Panzert die Situation in Sachsen bis zum März. Seitdem gebe es eine „deutliche Zunahme“ aufgrund von Medienhinweisen, auch bei Orthopäden.
Die KV Sachsen hat bereits Ende 2014 freiwillig eine Terminservicestelle eingerichtet. Mit den Krankenkassen schloss sie damals einen Vertrag, sie stellten allerdings auch zusätzliches Geld zur Verfügung. Die Abmachung: Nur bei Schwierigkeiten mit sogenannten B-Überweisungen (4-Wochen-Frist) hilft die Terminservicestelle der KV Patienten weiter. Hausärzte, die gezielter als bisher überweisen, und Fachärzte, die noch Patienten aufnehmen, bekommen mehr Honorar.
„Modell Neupatienten“ in Sachsen führt zu Steigerungen in Praxen
Für das „Förderungsmodell Neupatienten“ stellten die Kassen in Sachsen bis Ende 2015 rund zwölf Millionen Euro bereit, davon sechs Millionen Euro für den Facharztbereich. Aber es werden auch Vergütungsanteile aus dem fachärztlichen Versorgungsbereich dafür umverteilt.
Panzert verweist darauf, dass durch das Neupatienten-Modell und die B-Überweisungen Akutpatienten schneller orthopädisch behandelt werden und die Wartezeiten abgebaut wurden. Die KV habe aber darauf hingewiesen, dass Hausärzte B-Überweisungen korrekt und indikationsbezogen ausfüllen müssten, da es ansonsten zu einer starken Steigerung der dringlichen Fälle komme.
Überflüssig sind die Terminservicestellen nach Meinung von Dr. med. Ronny Jaekel, Sachsen-Anhalt: „Die Krankenkassen organisieren das für die wenigen Patienten, die das wünschen – oder keinen Termin bekommen.“ Die Terminknappheit resultiere aus dem Vergütungssystem. Pauschalen seien leistungsfeindlich, und es sei nicht lohnend, viele neue Patienten zu behandeln. Attraktiver sei für viele eine „geordnete Wiederbestellung“.
Terminmanagement in Schleswig-Holstein Sache der Praxen
In Schleswig-Holstein wurden die Terminservicestellen nach einem Vorschlag des dortigen BVOU umgesetzt, berichtet Dr. med. Christian Hauschild: „Kostengünstig und effizient bekommen Patienten lediglich einen Vermittlungs-Code. Das Terminmanagement verbleibt in den Praxen.“ Erwartungsgemäß würden die Servicestellen kaum genutzt. Auch in Thüringen „wurden bis auf Neurologen und Rheumatologen kaum Facharzttermine nachgefragt“, so Dr. med. Jens Krannich. Die bisherige und weiter gelebte Praxis, bei medizinisch erforderlichen kurzfristigen Terminen mit haus- und fachärztlichen Kollegen zu telefonieren, habe sich gewährt. Effektiv sei auch die in Thüringen für Versicherte der AOK und der Techniker Krankenkasse mögliche Kennzeichnung einer dringenden Behandlung.
Die Terminservicestellen seien „kein Thema für die orthopädischen Kollegen, weil Termine in der Regel in weniger als vier Wochen erhältlich sind“, berichtet Dr. med. Angela Moewes aus Westfalen-Lippe. Dort sind ihrer Kenntnis nach zeitnahe Termine allenfalls bei Neurologen und Rheumatologen ein Problem. Sabine Rieser