Karlsruhe – Während viele Ärzte noch abwarten und unsicher über den richtigen Zeitpunkt für den Anschluss an die Telematikinfrastruktur (TI) sind, hat sich BVOU-Mitglied Dr. Marcus Trauschel, niedergelassener Neurochirurg, Orthopäde und Unfallchirurg aus Karlsruhe, bereits intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt. Im Interview erläutert er, warum er sich frühzeitig an die TI anschließen möchte, welche Hürden im Moment noch bestehen und was er von den geplanten Online-Anwendungen der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) hält.
BVOU: Herr Dr. Trauschel, Sie haben vor kurzem eine Telematik-Fortbildung Ihres IT-Anbieters besucht. Welche Informationen haben Sie dort erhalten?
Trauschel: Voraussetzung für den Anschluss an die TI ist ein moderner Internetanschluss. Darüber hinaus wird weitere Technik benötigt. Dazu gehören zum Beispiel ein Konnektor und spezielle E-Health-Kartenterminals. Diese Komponenten müssen zertifiziert sein und auf einem gesicherten Zugangsweg geliefert werden, um den Diebstahl der Hardware zu vermeiden. Das Ganze wird dann von einem Techniker in der Praxis installiert und mit dem Praxisverwaltungssystem verbunden.
Wesentlich ist noch, dass jede Praxis eine sogenannte SMC-B-Karte braucht, die sie innerhalb der TI identifiziert und den Zugang zu dem sicheren Netz ermöglicht. Diese Karte wird in das Kartenterminal eingebaut. Ist dies erfolgt, ist das Versichertenstammdatenmanagement mit der eGK möglich. Für weitere geplante Online-Anwendungen, wie zum Beispiel das Signieren von eArztbriefen oder den Zugriff auf Patientendaten über die elektronische Patientenakte, wird außerdem ein elektronischer Heilberufsausweis (eHBA) benötigt.
BVOU: Wissen Sie bereits etwas darüber, ob und wann die notwendigen technischen Komponenten verfügbar sind?
Trauschel: Die Technik kann bereits bestellt werden. Mir liegt dafür ein Angebot der CompuGroup Medical vor. Aber lieferbar ist sie noch nicht, da sich die notwendigen Geräte derzeit noch in der Zertifizierung befinden. Unser IT-Anbieter rechnet mit der Lieferung noch in diesem Herbst, das heißt, mit der Installation im dritten Quartal wird es eher knapp. Die KV empfiehlt auf telefonische Nachfrage, abzuwarten, weil sie annimmt, dass die Preise sinken werden. Ich werde die Technik aber trotzdem jetzt schon bestellen und einen Termin vereinbaren, denn ich sehe ohnehin ein organisatorisches und logistisches Problem, alle Praxen bis Ende 2018 mit Hard- und Software auszustatten.
BVOU: Werden die Ärzte denn eine gewisse Auswahl bei der Technik haben? Wie viele verschiedene Geräte wird es voraussichtlich geben?
Trauschel: Es gibt wohl derzeit drei Kartenterminals und einen Konnektor, die sich in der Zulassung befinden. Bis zum zweiten Quartal 2018 soll außerdem noch ein weiterer Konnektor aus Österreich zugelassen werden.
BVOU: Und die Kosten? Deckt sich das Angebot, das Ihnen vorliegt, mit den vorgesehenen Erstattungspauschalen?
Trauschel: Ja, die Zuschüsse, die man für den Anschluss an die TI und den laufenden Betrieb erhalten soll, stimmen mit dem Angebot überein. Was es allerdings gerade bei unserer Praxis zu bedenken gilt, ist, dass Erstattung und Anzahl der Kartenlesegeräte je nach Anzahl der Ärzte pro Praxis gestaffelt sind. Ab sieben Ärzten bekommt man drei Geräte erstattet. In unserer Praxis mit acht Ärzten haben wir schon jetzt fünf Geräte in Gebrauch. Diese kosten je Stück circa 500 Euro. Hier muss man sich schon fragen, wie das gedeckt werden soll. Denn wir werden auch sechs E-Health-Kartenterminals bestellen, um im Fall eines Ausfalls eines auf Vorrat zu haben.
BVOU: Haben Sie auch etwas zur Installation erfahren? Wie viel Zeit sollten Praxen hier einplanen?
Trauschel: Mir wurde gesagt, dass die Installation bei laufendem Betrieb möglich ist. Bei einer Praxis von durchschnittlicher Größe soll es etwa vier bis sechs Stunden dauern. Bei uns wird es etwas länger dauern, weil wir mehrere Kartenterminals haben. Aber wir sind mit einer sehr aktuellen EDV ausgestattet, das sollte also nicht das Problem sein. Ich denke aber, dass es bei Praxen mit veralteter EDV schon eher zu Komplikationen kommen könnte.
BVOU: Sie haben sich bereits sehr früh für den Anschluss Ihrer Praxis an die TI entschieden, während viele andere noch abwarten, wie es unter anderem auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung rät. Warum?
Trauschel: Ich will mich einfach frühzeitig mit dem Themenfeld auseinandersetzen. Die Entwicklung der eGK läuft jetzt schon seit 2002, die gematik wurde 2005 gegründet, seitdem war klar, dass die TI irgendwann kommt. Sich solchen Dingen zu verweigern, bringt einem eigentlich nur Stress. Denn früher oder später wird dieser technische Wandel jeden erfassen, ob man will oder nicht. Deshalb ist meine Meinung: Lieber zügig mitmachen. Außerdem ist es für eine so große Praxis wie unsere kein sehr großes Investitionsvolumen. Für eine Einzelpraxis ist das natürlich schon eine größere Summe. Allerdings wird eine Kostendeckung durch die Kassen über die KV zugesagt. Mit den Fristen und gestaffelten Erstattungspauschalen setzt die Politik den Beteiligten die Pistole auf die Brust, aber die Kommunikation mit Fax wird in den nächsten Jahren ohnehin aus technischen Gründen nicht länger möglich sein und muss durch eine technisch aktuelle, digitale und sichere Lösung ersetzt werden.
BVOU: Was ist Ihrer Meinung nach im Moment noch die größte Hürde, damit alle Praxen fristgerecht an die TI angeschlossen werden können?
Trauschel: Die größte Hürde ist, dass derzeit keine zertifizierte Hardware zur Verfügung steht. Das ist ein rein bürokratisches Problem. Die Hardware als solche ist vorhanden – sie wurde bereits im Test erfolgreich verwendet. Warum hat also die Zertifizierung nicht gleich in der Testphase stattgefunden? Die zweite Hürde ist: Stehen auf einen Schlag 200.000 bis 250.000 Geräte zur Verfügung? Die Niedergelassenen bilden die größte Gruppe, alle brauchen einen Konnektor. Alle benötigen ebenso mindestens ein Kartenterminal, große Praxen mehrere. Das heißt, man bräuchte mindestens eine halbe Millionen Kartenlesegeräte.
BVOU: Neben der ersten Anwendung der TI, dem Versichertenstammdatenmanagement, sieht das E-Health-Gesetz viele weitere Anwendungen vor, wie zum Beispiel den eArztbrief. Dieser kann bereits jetzt über das Sichere Netz der KVen (SNK) versendet werden. Nutzen Sie dieses Angebot?
Trauschel: Ja, wir sind seit einem Jahr mit dem Sicheren Netz der KVen verbunden und nutzen darüber die Funktionen eArztbrief und 1-Click-Abrechnung. Deshalb habe ich mir auch frühzeitig den eHBA beschafft, der es ermöglichen soll, die eArztbriefe zu signieren. Diesen habe ich bei der Landesärztekammer beantragt und vier Wochen später von der Firma Medisign geliefert bekommen. Das Signieren der eArztbriefe mit der sogenannten qualifizierten elektronischen Signatur (QES) funktioniert im Moment allerdings noch nicht. Es fehlt dafür noch die notwendige Software, sodass wir dementsprechend auch nicht die finanzielle Förderung von der KV für die versandten eArztbriefe erhalten.
BVOU: Und wie funktioniert das Versenden der eArztbriefe in der Praxis? Nutzen auch Ihre Kollegen diese Möglichkeit?
Trauschel: Für Labore und Röntgeninstitute, die viele Befunde an uns schicken, ist das schon interessant, und einige Radiologen machen es auch bereits. Man verfällt dann aber doch oftmals schnell wieder in alte Routine und sendet die Befunde per Fax. Außerdem empfinde ich die digitale Benutzeroberfläche für den Versand der eArztbriefe über KVConnect sowie die Formatierung und das Design als nicht schön und wenig praktisch. Da greift man dann doch lieber wieder zu seiner Word-Vorlage, druckt alles aus und faxt es. Wichtig zu wissen ist aber, dass es möglich ist und grundsätzlich funktioniert. Künftig soll der Versand von eArztbriefen dann auch über die TI möglich sein. Deshalb hoffen wir, dass es dafür dann auch benutzerfreundlichere Möglichkeiten für den Versand gibt, zum Beispiel per PDF.
BVOU: Wie sinnvoll finden Sie die anderen geplanten Anwendungen, wie den Notfalldatensatz auf der eGK oder den elektronischen Medikationsplan?
Trauschel: Die Idee, Notfalldaten auf der eGK zu speichern, finde ich gut. Diese sollten dann aber auch in Notfällen einfach auszulesen sein, also über ein Gerät mit einem Display, mit dem jeder Rettungswagen ausgestattet wird, genauso wie jeder Not- und Hausarzt.
Beim Medikationsplan und seinem elektronischen Pendant stellt sich die Frage: Wer pflegt ihn? Wenn jeder Arzt und Apotheker darin etwas ergänzen darf und manche Patienten bei fünf bis zehn Ärzten in Behandlung sind, entsteht ein Chaos. Wer behält hier den Überblick? Und welche Medikamente sollen dort überhaupt eingetragen werden? Eine Schmerzmedikation, die ich als Orthopäde verschreibe, soll der Patient ja nicht drei Monate lang nehmen, da sollte nach ein paar Tagen Schluss sein. Deshalb würde ich persönlich als Orthopäde in dem Medikationsplan wenig ändern, hier sollten nur die dauerhaft verordneten Medikamente erscheinen.
Außerdem sind noch eine elektronische Patientenakte und ein Patientenfach geplant. Die Patientenakte ist das, worauf die Ärzte zugreifen und worüber sie ihren Kollegen Arztbriefe oder Befunde zur Verfügung stellen können. Diese Daten sollen verteilt bei den einzelnen Ärzten liegen und können dann von anderen über die Patientenakte abgefragt werden. Das finde ich gut. Hierbei sollen die Patienten selbst bestimmen können, worauf welcher Arzt zugreifen kann. Die Frage ist nur: Wie legen sie fest, dass zum Beispiel ein bestimmter Arzt den radiologischen Befund einsehen darf, den psychiatrischen aber nicht?
Im Patientenfach sollen die Patienten ihre Daten selbst einsehen können. Doch ist es gut, wenn die Patienten selbstständig auf all ihre Befunde zugreifen können, ohne dass der Arzt über deren genaue Bedeutung aufklären und nach eigenem Ermessen entscheiden kann, wann und wie er etwas mitteilt? Der Patient schaut dann quasi ins Ungewisse, kann den Befund eventuell nicht einordnen, fragt möglicherweise als nächstes bei Dr. Google nach und findet falsche oder beunruhigende Informationen. Daraufhin denkt er, er sei schwer krank, obwohl vielleicht nur etwas Harmloses vorliegt. Hier müsste man noch einmal genauer prüfen, was nutzt und was nicht.
Zusammenfassend würde ich sagen: All diese Anwendungen sind fortschrittlich und können sowohl für Arzt als auch Patient Vorteile mit sich bringen. Bei der praktischen Umsetzung bleiben jedoch noch viele Fragen offen.
Herr Dr. Trauschel, vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Anne Faulmann, BVOU Presse