Berlin – Als einen „deutlichen Fingerzeig“ hat der Vorsitzende des Hartmannbundes, Dr. Klaus Reinhardt, das Ergebnis einer aktuellen Umfrage seines Verbands zum Thema Fernbehandlungsverbot gewertet. Rund 60 Prozent der über 3.800 Umfrageteilnehmer hätten sich skeptisch in Bezug auf Pläne der Bundesärztekammer geäußert, auf dem Deutschen Ärztetag in Erfurt das Fernbehandlungsverbot weiter zu lockern. Allerdings fehlen Angaben zur Repräsentativität der Studie. Hingewiesen wird darauf, dass fast die Hälfte der Antwortenden Medizinstudierende waren.
Nahezu zeitgleich hat der Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) die intelligente Nutzung neuer Technologien in der medizinischen Versorgung gefordert: „Beispielsweise könnten durch die Lockerung des Fernbehandlungsverbotes die Chancen der Digitalisierung besser genutzt werden.“ Als einen Bereich nennt der Verband die Wundversorgung mit Hilfe von Bildübertragungen von Wunden an den behandelnden Arzt und gemeinsame Videosprechstunden mit Wundspezialisten.
Baden-Württemberg erprobt eine Lockerung in vier Modellvorhaben
Die Lockerung des Fernbehandlungsverbots wird derzeit in Modellprojekten der Landesärztekammer Baden-Württemberg erprobt. Im Sommer 2016 hatte die Kammer – bundesweit bis heute einmalig – dafür ihre Berufsordnung geändert. Bis dahin war die ausschließliche Behandlung über Kommunikationsnetze untersagt; (Video-) Telefonie durfte immer nur mit Patienten erfolgen, die der Arzt oder die Ärztin bereits kannte.
Im Oktober 2017 genehmigte die Landesärztekammer das bundesweit erste Modellprojekt zur ausschließlichen Fernbehandlung von Privatversicherten, das von der Teleclinic GmbH aus München getragen wird. Im Dezember 2017 erhielt die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg die Genehmigung, die ausschließliche Fernbehandlung von Kassenpatienten zunächst in den Modellregionen Tuttlingen und Stuttgart zu erproben. Ende Februar wurden zwei weitere Modellprojekte erlaubt. Für eines des Justizministeriums Baden-Württemberg sollen Gefangene in Justizvollzugsanstalten telemedizinisch betreut und behandelt werden. Für ein weiteres erprobt der deutsche Ableger des schwedischen Gesundheitsversorgers KRY die Fernbehandlung.
Vorstand: Generalablehnung ist falsch
Dr. Frank J. Reuther, Mitglied des Vorstands der Ärztekammer Baden-Württemberg, hatte Mitte März bei einem Fachforum des Marburger Bundes die Beweggründe der Kammer erläutert. Anstoß für die Änderung der Berufsordnung und die Genehmigung der Modelle sei gewesen, dass mehrere Ärzte in Südbaden für den Schweizer Anbieter Medgate arbeiten wollten, der Fernbehandlung anbiete. Die Frage sei gewesen, wie man damit umgehe. Die Kammer habe sich für eine Lösung entschieden, die einen geringen Eingriff und eine hohe Absicherung bedeute. Sie habe eine Projektgruppe Fernbehandlung gegründet, es gebe ein relativ kompliziertes Antragsverfahren. Das Projekt soll nach den Worten Reuthers einen Erkenntnisgewinn bringen, Anstöße geben und die Patientensicherheit garantieren.
Nach seiner Ansicht wird mit Blick auf die Fernbehandlung schon ein gewisser Spagat von den Ärzten verlangt: „Das, was die ärztliche Profession ausmacht, ist nun einmal der direkte Patientenkontakt“, sagte er. Deshalb warne er davor, sich zu tief auf solche Ansätze einzulassen. Wichtig sei aber auch, dass die Ärzte bei aller Beachtung ihrer hohen Standards beachten müssten, was von ihnen gesellschaftlich erwartet werde. Generalablehnungen würden hier nicht helfen.