Orthopäden ist es berufsrechtlich grundsätzlich erlaubt, Angehörige eines Gesundheitsfachberufes, wie Physiotherapeuten, anzustellen. Allerdings muss der Arzt dann die entsprechenden Fähigkeiten und Kenntnisse besitzen, um diese angestellten Physiotherapeuten anleiten und beaufsichtigen zu können. Ein Überblick.
Die physikalische Therapie muss in diesen Fällen nach Auffassung des Verfassers somit Bestandteil der Weiterbildung des ärztlichen Fachgebietes sein, da der Arzt bei der Erbringung ärztlicher Leistungen grundsätzlich an die Grenzen seines Fachgebietes gebunden ist. Denn als nicht „nach fachlicher Weisung“ des Arztes erbrachte Leistungen werden solche angesehen, die der Arzt selbst mangels eigener Fachkunde nicht fachgerecht durchführen kann oder zu deren Durchführung das eingesetzte Personal nicht hinreichend qualifiziert ist.
Die eigene Fachkunde des Arztes bzw. die Fachgebietsgrenze spielt auch eine Rolle für die Abrechnungsfähigkeit der in seiner Praxis erbrachten Leistungen. Die Physikalischmedizinischen Leistungen nach dem Abschnitt E GOÄ gehören eindeutig zu den ärztlichen Leistungen, wenn diese in der Arztpraxis durch den Arzt selbst oder dessen angestellte Physiotherapeuten erbracht werden. Ärzte dürfen diese Leistungen nach dem Abschnitt E der GOÄ aber nur dann als eigene Leistungen gegenüber dem Patienten abrechnen, wenn sie diese entweder selbst erbringen oder als delegierbare Leistungen durch angestellte Physiotherapeuten unter ihrer Aufsicht nach fachlicher Weisung erbringen lassen.
Der Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung gilt damit für niedergelassene Ärzte kongruent im Zivil-, Vertragsarzt-, Berufs- und Gebührenrecht.
Dabei dürfen nur solche Leistungen an nichtärztliche Mitarbeiter, wie hier die Physiotherapeuten, delegiert werden, die der Arzt wegen ihrer Art oder der mit ihnen verbundenen besonderen Gefährlichkeit für den Patienten oder wegen der Umstände ihrer Erbringung, insbesondere der Schwere des Krankheitsfalles, nicht höchstpersönlich erbringen muss (vgl. Bundesärztekammer, Persönliche Leistungserbringung – Möglichkeiten und Grenzen der Delegation ärztlicher Leistungen, Stand 29.08.2008, S. 4, unter: hier klicken). Solche delegationsfähigen Leistungen dürften nach Einschätzung des Verfassers wohl bei physikalischmedizinischen Leistungen in der Regel vorliegen, allerdings bedarf dies stets einer rein medizinischen und keiner juristischen Beurteilung im Einzelfall, sodass eine abschließend gesicherte Beurteilung durch den Verfasser nicht möglich ist.
Somit besteht die Verpflichtung bei der Erbringung eigener beruflicher Leistungen unter Inanspruchnahme Dritter eigenverantwortlich durch fachliche Weisung mitzuwirken und dadurch diesen Leistungen das persönliche Gepräge zu geben. Die Beschränkung auf eine allgemein sorgfältige Auswahl der Physiotherapeuten reicht dabei nicht aus, vielmehr muss der Arzt Aufsicht und Weisung so ausüben, dass er seiner Verantwortlichkeit für die Durchführung delegierter Leistungen im Einzelfall auch tatsächlich und fachlich gerecht werden kann (vgl. LG Köln, Urteil vom 14.10.2009 – 23 O 424/08, Rn. 24).
In jedem Fall muss der Arzt die grundlegenden Entscheidungen über physikalisch-medizinische Eingriffe und Therapien selbst treffen sowie die Leistungen eigenverantwortlich überwachen. Bei physikalisch-medizinischen Leistungen ist
nach Auffassung der Rechtsprechung für die Abrechenbarkeit als eigene ärztliche Leistung zwar nicht vorauszusetzen, dass der Arzt bei der Durchführung der physikalischen Maßnahmen durchgängig und lückenlos überwacht und insoweit während der gesamten Dauer der Durchführung anwesend ist. Es reicht jedoch nicht aus, dass der Arzt nur die Therapieart und -dauer durch seine Verordnung festlegt und die Durchführung der Therapie Hilfskräften, beispielsweise Physiotherapeuten, überlässt. Dies gilt nach Ansicht des LG Köln selbst dann, wenn die Behandlung in der Praxis des Arztes durchgeführt wird, dieser in Stichproben den Übungsraum betritt und bei Auftreten von Schwierigkeiten und Schmerzen eine Veränderung des ansonsten durch das Trainingsprogramm und die erzielten Fortschritte festgelegten Therapieplanes vornimmt (vgl. LG Köln, a. a. O.). Die bloß routinemäßige Anordnung einer krankengymnastischen Behandlung reicht ebenfalls nicht aus, damit eine durch fachliche Weisung geprägte Mitwirkung an der Leistungserbringung im Einzelfall gewährleistet werden kann.
Der Arzt muss somit auch die Wirkung jeder einzelnen physikalisch-medizinischen Behandlungsmaßnahme durch persönliche Untersuchung der Patienten bzw. durch persönliche Rücksprachen mit den Physiotherapeuten sowie deren Tätigkeit kontinuierlich überprüfen (vgl. Klakow-Franck R., Kommentar zur GOÄ, Deutscher Ärzte-Verlag Köln, 3. Auflage Stand 01.06.2015, § 4 Rn. 14).
Erbringen angestellte Physiotherapeuten delegierte Leistungen, besteht jedoch trotzdem die Pflicht des Arztes zum grundsätzlichen Aufenthalt in unmittelbarer Nähe, d. h. in Rufweite. Kann der Arzt nicht persönlich in der Praxis erscheinen oder ist er länger abwesend, so sind in dieser Zeit aufgrund genereller Anordnung an die Physiotherapeuten durch diese erbrachte Leistungen unzulässig und damit nicht abrechnungsfähig. Lediglich wenn der Arzt vorübergehend abwesend ist, können von ihm bereits einzelfallbezogen angeordnete Leistungen durchgeführt werden, wenn dies den medizinischen Anforderungen gerecht wird (vgl. BÄK, a. a. O., S. 5).
Für den stationären Bereich bestimmt § 4 Abs. 2 S. 4 GOÄ als weitere Abrechnungsvoraussetzung bei Wahlleistungen, dass nicht persönlich durch den Wahlarzt oder dessen ständigen ärztlichen Vertreter erbrachte Leistungen nach Abschnitt E nur dann als eigene wahlärztliche Leistungen gelten, wenn der Wahlarzt oder dessen ständiger ärztlicher Vertreter die Zusatzbezeichnung „Physikalische Therapie“ oder die Gebietsbezeichnung „Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin“ besitzt und die Leistungen nach fachlicher Weisung unter deren Aufsicht erbracht werden. Hier wird also noch eine zusätzliche formale Qualifikation der Ärzte gefordert.
Folglich müssen die vorgenannten Voraussetzungen beachtet werden, damit Ärzte delegierte physiotherapeutische Leistungen nach Abschnitt E der GOÄ gegenüber den Patienten ordnungsgemäß erbringen und abrechnen können.
Dr. jur. Jörg Heberer
Justitiar BVOU, Berlin
Fachanwalt für Medizinrecht,
München