Wertheim – Während der Corona-Pandemie versuchen Gesetzgeber, kassenärztliche Vereinigungen und Selektivvertragspartner mit finanziellen Ausgleichszahlungen auch in Arztpraxen das gebotene social-distancing durch Reduktion von Arztkontaktzahlen in gesamtgesellschaftlicher Verantwortung zu ermöglichen und gleichzeitig die ambulante Versorgung flächendeckend zu sichern, ohne jetzt und in Zukunft die Existenz der zur Gesundheitsversorgung der Bevölkerung dringend benötigten Praxen zu gefährden. Anders die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV): Finanzielle Ausgleiche für D-Ärzte wird es von ihr nicht geben.
Allerdings wird gegenüber den Durchgangsärzten ein gewisses Entgegenkommen gezeigt. Auf deren Homepage ist zu lesen, dass D-Ärzte im Bedarfsfall noch ausstehende Fortbildungen zur Erfüllung ihrer Fortbildungsverpflichtung im Jahr 2021 nachholen können. Außerdem sollen im Jahr 2020 Mindestfallzahlen im vorgesehenen Fünf-Jahreszeitraum aufgrund des flächendeckenden Rückgangs der Anzahl erstversorgter Arbeitsunfallverletzter nicht berücksichtigt werden. Weiterhin können Ärzte bei der Erstattung von Formtexten und Berichten unter bestimmten Umständen von der Form und den vorgegebenen Fristen abweichen und Leistungen mit entsprechender Kennzeichnung auch als Videosprechstunde erbringen. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen können im Einzelfall – sofern plausibel und nachvollziehbar – auch auf telefonische Anforderung ausgestellt und versandt werden. Die Pflichten zur unfallärztlichen Bereitschaft werden gelockert. Verlegungspflichten nach dem Verletzungsartenverzeichnis werden für Krankenhäuser vorläufig ausgesetzt.
Für finanzielle Ausgleiche gegenüber den D-Ärzten hatten sich unter anderem der Bundesverband der Durchgangsärzte (Dr. Boxberg, Prof. Bonnaire) und der BVOU (Dr. Flechtenmacher) eingesetzt. In einem der Infobrief-Redaktion vorliegenden Schreiben vom 9.4.20 äußert sich hierzu Dr. Edlyn Höller, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin vom DGUV-Spitzenverband in Berlin. Vorstellbar ist für sie lediglich eine Beteiligung an erhöhten Kosten zur Infektionsminimierung durch persönliche Schutzausrüstung in Form einer Pauschale pro Patientenbesuch während der Zeit der Coronakrise, ein Vorschlag dafür findet sich in ihrem Brief nicht. Jedoch dürften nach § 30 (I) SGB IV die Versicherungsträger nur Geschäfte zur Erfüllung ihrer gesetzlich vorgeschriebenen oder zugelassenen Aufgaben führen und ihre in der Unfallversicherung rein durch Arbeitgeberbeiträge zur Verfügung stehenden Mittel nur für diese Aufgaben sowie die Verwaltungskosten verwenden. Insofern fehle es damit – nach Ansicht von Fr. Dr. Höller – an einer rechtlichen Grundlage für Ausgleichszahlungen an D-Ärzte durch die DGUV. Zudem sei die Finanzlage für die Unternehmen aufgrund der Pandemie so angespannt, dass durch zusätzliche Zahlungen an Ärzte anfallende höhere Beiträge für die Mitgliedsunternehmen nicht zumutbar seien. Die Finanzlage sei auch für die Unfallversicherung teilweise so kritisch, dass zurzeit sogar die gesetzlich vorgeschriebene Mindesthöhe der Rücklage unterschritten werden müsse. Man fragt sich also: sind es die gesetzlichen Vorgaben (wo ein Wille ist, gibt es bekanntlich auch einen Weg) oder die Finanzprobleme der DGUV die zu solch einer Entscheidung geführt haben.
Dr. med. Karsten Braun, LL. M.
Bezirksvorsitzender Heilbronn-Franken