Leipzig – Mit dem Deutschen Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU) öffnet vom 24. bis 27. Oktober 2023 in Berlin einer der größten Medizinkongresse Europas seine Türen. Der Fachkongress unter dem Motto „Kompetent in Qualität und Fortschritt“ bietet für den medizinischen und wissenschaftlichen Austausch ein umfassendes und vielseitiges Programm. Das Streben nach hoher Behandlungsqualität und die stetige Suche nach Fortschritten in der Versorgung gehören zu den wichtigsten Eigenschaften von Medizinern. Was sich tun muss, damit das auch so bleibt und was Kongressbescher auf dem DKOU erwartet, berichtet Prof. Dr. med. habil. Christoph-Eckhard Heyde (DKOU-Präsident für den BVOU 2023) im Gespräch.
Das diesjährige Kongressmotto heißt „Kompetent in Qualität und Fortschritt“. Warum dieses Motto und was bedeutet es für Sie?
Prof. Dr. med. habil. Christoph-Eckhard Heyde: Ärztinnen und Ärzte streben im medizinischen Alltag im Interesse der ihnen anvertrauten Patientinnen nach höchster Behandlungsqualität. Die Voraussetzungen dafür sind eine ständige persönliche Weiterentwicklung durch regelmäßige Fort- und Weiterbildungen sowie eine Weiterentwicklung der Medizin an sich im Sinne des wissenschaftlichen Fortschritts. Kompetenz wiederum entsteht durch eine langjährige Ausbildung mit Spezialisierung und Subspezialisierung sowie die Liebe zum Beruf. Insofern verkörpert dieses Motto unsere täglichen Aufgaben und die damit verbundenen Herausforderungen.
Herr Professor Heyde, was erwartet die Kongressbesucher auf dem DKOU 2023 und welche Highlights empfehlen Sie den Besuchern?
Prof. Heyde: Unsere Gäste erwartet der größte europäische muskuloskelettale Kongress. Dazu einer mit langjähriger Tradition, der die einmalige Gelegenheit bietet, das Fach in seiner ganzen Komplexität und Breite abzubilden und dabei auch alle Sektoren und Spezialisierungen zu berücksichtigen.
Die Besucher des DKOU 2023 erwartet weiterhin ein vielfältiges und spannendes Programm zu aktuellen fachlichen und berufspolitischen Themen mit hervorragenden Referentinnen und Referenten.
Die Kongress-Schwerpunkte der Präsidenten sind die Themen „Nachhaltigkeit“, „Nachwuchs/Nachwuchsgewinnung“ sowie „Neue Technologien und Digitalisierung“.
Zu diesen Themen sind hochkarätige Sitzungen und Podiumsdiskussionen geplant. Weiterhin gibt es Highlight-Sitzungen mit Möglichkeit zur Diskussion zu aktuellen berufspolitischen Themen, wie Krankenhausreform, neue Notfallgesetzgebung und anderen. Fachlich präsentiert sich unser Fach in seiner ganzen Breite und Vielfalt.
Welche Themenaspekte sind Ihnen persönlich besonders wichtig?
Prof. Heyde: Ein Thema, mit dem wir uns schwerpunktmäßig beschäftigen, sind die Chancen und Herausforderungen von Digitalisierung und neuen Technologien. Dies ist ein brisantes und aktuelles Thema mit großen Chancen, aber auch gewissen Gefahren. Hier muss man aufmerksam bleiben, um diesen Entwicklungen gerecht zu werden und mögliche Probleme frühzeitig zu benennen und anzugehen.
Weiterhin wichtige Themen sind die vielfältigen berufspolitischen Themen, die Nachwuchsgewinnung und die Ausbildung unseres Nachwuchses, die Veränderungen in der Medizin mit dem zunehmend höheren Anteil von Ärztinnen und den damit zusammenhängenden Herausforderungen, ein familienfreundliches Berufsumfeld zu schaffen. Auch die Notfallreform, die geplante Ambulantisierung und die Krankenhausreform sind brandaktuell. Diese Themenkomplexe müssen von den politisch Verantwortlichen als Chance begriffen werden, die sektorenübergreifende Zusammenarbeit zu stärken. Der von den Fachgesellschaften, dem Berufsverband, den Sektionen und Arbeitsgemeinschaften sowie den Akademien geplante und durchgeführte Kongress mit interdisziplinären, interprofessionellen und interanationalen Aktivitäten ist das beste Beispiel, dass wir dies zum großen Teil schon selbstverständlich leben. Die Einheit von O und U, welche die Grenzen der Sektoren und der Spezialisierungen übergreifen muss, ist mir als klinisch tätigem diesjährigen Kongresspräsident des BVOU eine Herzensangelegenheit.
Wo sehen Sie die O&U im Zeitalter der Digitalisierung, kommt dabei das „Arzt sein“ zu kurz?
Prof. Heyde: Vorab, Ärztinnen und Ärzte werden immer gebraucht werden. Auch die rasantesten Entwicklungen von Digitalisierung und insbesondere der künstlichen Intelligenz können sie nicht ersetzen.
Digitalisierung ist eine sehr große Chance, uns in den verschiedensten Bereichen der Medizin zu unterstützen und zu helfen. Dazu gehören die automatisierte Auswertung bildgebender Befunde und die Zeitersparnis bei umfangreichen erforderlichen Analysesystemen. Eine große Hoffnung besteht darin, Systeme zu etablieren, welche die ärztlichen Entscheidungen nachhaltig unterstützen helfen.
Solche Systeme könnten die Vielfalt der zu berücksichtigenden Faktoren zusammen mit neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen vielleicht umfassender berücksichtigen und den Weg zu einer patientenindividuellen Versorgung schrittweise ebnen.
Wie immer beinhalten solche Entwicklungen sowohl Chancen als auch Herausforderungen. Das heißt, wir müssen die Fragen der Datensicherheit und resultierende ethische Fragen früh genug gemeinsam angehen. Dies heißt aber auch, dass solche Themen zukünftig in die Ausbildung der Medizinstudierenden involviert werden müssen.
Sollten wir Ärzte uns mehr berufspolitisch engagieren?
Prof. Heyde: Die Ärzteschaft wird mit ihrem Anliegen als Sprecher für die Patienten nur gehört, wenn sie mit einer Stimme spricht, und diese stark und fundiert ist.
Wir stehen vor großen berufspolitischen Umwälzungen, genannt seien hier nur die Krankenhausreform, die Notfallreform und die neue Approbationsordnung. Dies sind gewaltige Aufgaben, insbesondere, da die Interessen und Probleme in den unterschiedlichen Sektoren des deutschen Gesundheitswesens, welches es weltweit in dieser Form sonst nicht gibt, durchaus unterschiedlich sind.
Diesen Herausforderungen müssen wir uns stellen durch gemeinsame Aktivitäten in Berufsverbänden, Fachgesellschaften und dies vor allem interdisziplinär und fachübergreifend. Nur so können wir uns austauschen, Meinungen bilden und mit diesen dann auch gehört werden.
Dies setzt natürlich voraus, dass sich Ärztinnen und Ärzte berufspolitisch unbedingt einbringen und engagieren, und zwar in allen Ebenen der ärztlichen Selbstverwaltung, den Fachgesellschaften und dem Berufsverband, um nur einige der Möglichkeiten zu nennen. Hier kann man etwas plakativ sagen „Jammern hilft nicht!“ Wir müssen also etwas tun und aktiv gestalterisch wirken, um besser gehört zu werden und unsere, und damit auch die Anliegen unserer Patienten, umsetzen zu können.
Um nur ein Beispiel zu nennen. Viele Mitgliedern des Berufsverbandes für Orthopädie und Unfallchirurgie gehen hier mit gutem Beispiel voran und bringen sich in verschiedensten Gremien fachlich und berufspolitisch mit hohem zeitlichen Aufwand und unermüdlichem Engagement ein.
Was können wir von der neuen Generation Z in O&U lernen?
Prof. Heyde: Ich stehe der sogenannten Generation Z ausgesprochen positiv gegenüber. Wir haben an der Universität das Privileg, mit sehr jungen Leuten von Student:innen über Ausbildungsassistent:innen, junge Fachärzt:innen bis zu jungen Oberärzt:Innen zusammenzuarbeiten.
Ich sehe hier einen sehr starken Nachwuchs mit weit überwiegend großer intrinsischer Motivation. Natürlich haben sich die Schwerpunkte verschoben und viele Gewohnheiten, die früher selbstverständlich, aber nicht alle richtig (!) waren, werden jetzt zurecht hinterfragt. Man muss schon die Frage stellen „warum sollten Ärztinnen und Ärzte nicht für Ihre Familie da sein dürfen?“. Hier muss man einen ausgewogenen Weg finden. Die jungen Kolleginnen und Kollegen wachsen mit der Globalisierung, mit der Digitalisierung und mit neuesten Technologien selbstverständlich auf und bringen dies als Stärken in unseren Arbeitsalltag ein. Ich finde, dass diese jungen Leute ausgesprochen gut organisiert sind und Lust haben, sich sowohl fachlich als auch berufspolitisch einzubringen. Sie haben sicher zum Teil andere Fragen und Schwerpunkte in Bezug auf ihre Lebensplanung und ihre Zeit, aber es ist dann ja auch ihre Zeit und die sollten sie gestalten dürfen.
Und nur nebenbei denken sie mal daran, dass es schon seit Jahrhunderten heißt „früher war alles besser“ und es trotzdem immer weiter- und auch vorwärtsgegangen ist.
Insofern schaue ich gelassen und optimistisch in die Zukunft, weil ich sehr gute, engagierte und motivierte junge Kolleginnen und Kollegen nachkommen sehe.
Herr Professor Heyde, vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte PD Dr. med. habil. Anna Völker.
Prof. Dr. Christoph-Eckhard Heyde, Jahrgang 1964, ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie und seit 2019 Geschäftsführender Direktor der Klinik und Poliklinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Plastische Chirurgie am Universitätsklinikum Leipzig; dort leitet er zudem den Bereich Wirbelsäulenchirurgie sowie das Kinderwirbelsäulenzentrum. Den Forschungsschwerpunkt von Prof. Heyde bilden die konservative und operative Wirbelsäulentherapie, u.a. die Entwicklung neuer Implantate und die Therapie der osteoporotischen Wirbelsäule.