Berlin – Die Coronapandemie hat die Bereitschaft zur Nutzung digitaler Weiter- und Fortbildungsangebote massiv erhöht. Im vorliegenden Beitrag zeigen wir, wie dieser Trend im Jahr 2020 auch Orthopädie und Unfallchirurgie erfasst hat und berichten über die Erfahrungen von Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU) e.V. , Akademie Deutscher Orthopäden (ADO) sowie der gemeinsamen Akademie für Orthopädie und Unfallchirurgie (AOUC) bei der Transformation klassischer Fortbildungsangebote in digitale Formate.
Webinare
Der BVOU bietet mit dem BVOU Study Club bereits seit fünf Jahren digitale Fortbildung in Form von Webinaren an. Dabei handelt es sich um Vorträge, die live im Rahmen einer Videokonferenz vor einem mehr oder weniger großen Auditorium gehalten werden.
Diese einfachste Form digitaler Wissensvermittlung orientiert sich noch sehr eng am analogen Vorbild einer Frontalvorlesung und bietet vergleichsweise wenig Interaktionsmöglichkeit. Dafür ist sie leicht und schnell umsetzbar und erfordert vom Referenten nur wenig Anpassungsfähigkeit.
Seit Start des BVOU Study Clubs im Jahr 2016 haben sich dort bereits über 9.000 Kolleginnen und Kollegen fortgebildet. Durch die Coronapandemie kam es im Jahr 2020 zu einer deutlichen Zunahme der Teilnehmerzahlen. Dies zeigt sich sowohl in den absoluten Teilnehmerzahlen (Abb. 1), als auch in der Anzahl der Besucher in jedem einzelnen Webinar (Abb. 2). Das Verhältnis von Live-Teilnehmern zu Archiv-Besuchern der Webinare hat sich im Jahr 2020 umgekehrt: Haben 2019 nur 1/3 der Teilnehmer das Live-Angebot genutzt, waren es im Jahr 2020 ca. 2/3 der Teilnehmer, die unsere Webinare live verfolgt haben.
Kongresse
Viele Kongresse mussten im Jahr 2020 coronabedingt als Live-Veranstaltungen abgesagt werden. Das hat zu erheblichen Einschnitten in der Fortbildungslandschaft geführt. Um Interessierte trotz dieser Beschränkungen die Möglichkeit zum wissenschaftlichen Austausch zu geben, wurden mit verschiedenen Mitteln digitale Ersatzformate geschaffen.
Die AOUC wurde 2020 mit der Organisation und Durchführung von Kongressen im Digitalformat betraut:
- Digitale Woche O&U als Kompensation für den abgesagten DKOU
- Digitaler AE-Kongress
Bei beiden Veranstaltungen kam die seit Jahren bewährte O&U Events App der AOUC zum Einsatz. Auf allen digitalen Endgeräten werden über diese App Vortragssitzungen und Diskussionsrunden gestreamt und können von einem beliebig großen Publikum mitverfolgt werden. Auch die Industriepartner haben über den virtuellen Partnerbereich ihre Ausstellungsfläche und konnten erste Erfahrungen mit einer digitalen Präsenz auf Onlinekongressen und -Fortbildungen machen.
Über Chat, Videochat, Fragen & Antworten sowie TED-Umfragen bietet die O&U Events App eine Vielzahl von Interaktionsmöglichkeiten. Digitale Kongresse werden unmittelbar erlebbar, können durch Gamification und Wettbewerbe an Attraktivität gewinnen und reduzieren die Barriere zwischen Podium und Auditorium.
Die durch die AOUC organisierten Digitalkongresse wiesen im Vergleich zu den Präsenzkongressen keinen Unterschied in der Anzahl ärztlicher Teilnehmer auf (Abb. 3). Viele Hauptsitzungen der Digitalen Woche 2020 waren ebenso wie die Postersitzungen sogar deutlich besser besucht als ihre analogen Vorbilder.
Seminare und Workshops
Am deutlichsten machte sich der Trend zu Digitalformaten bei Seminaren und Workshops bemerkbar. Der BVOU hat im Pandemiejahr 2020 eine Vielzahl von Seminaren auf digitale Formate umgestellt. Dabei wurde sowohl mit der technischen Umsetzung, als auch mit den Interaktionsformaten experimentiert. Neben der O&U Events App kamen auch „normale“ Videokonferenzen sowie klassische E-Learning-Kurse und Onlinetestate zum Einsatz.
Mit digitalen Werkzeugen und Formaten lassen sich vor allem theorielastige Präsenzangebote, Diskussionsrunden und Fallbesprechungen sehr gut abbilden.
Im Ergebnis wurden die neuen digitalen Angebote nicht nur als Ersatz für die Präsenzveranstaltungen akzeptiert. Es fanden sich durchweg sehr viel mehr Teilnehmer ein, als es bei den analogen Seminaren vor Ort jemals der Fall war (Abb. 4).
Der Zuwachs betrug bei den Facharztseminaren mit relativ hohem Interaktionsgrad 50%. Die beliebten Rheumakurse der ADO wurden doppelt so stark frequentiert. Zu den digitalen Strahlenschutzkursen sowie zum Intensivmeeting Rheuma der DGORh fanden sich über dreimal so viele Teilnehmer ein, wie jemals zuvor auf den klassischen Präsenzveranstaltungen.
Allein Workshops mit hohem praktischem Anteil und Hands-on-Elementen können durch digitale Formate nicht ersetzt werden. Zumindest nicht kurzfristig. So mussten beispielsweise die DGOOC-Seminare im Jahr 2020 abgesagt werden.
Hier kann mittelfristig durch Virtual Reality-Angebote eine digitale Alternative angeboten werden. Allerdings können diese Kurse durch eine partielle Digitalisierung im Sinne eines Blended-Learning-Ansatzes bereits heute erheblich optimiert und der Präsenzanteil auf die praktischen Übungen konzentriert werden.
Zusammenfassung und Ausblick
Die Kontaktbeschränkungen der Pandemiejahre 2020 und 2021 haben die Digitalisierung der Weiter- und Fortbildung in Orthopädie und Unfallchirurgie beflügelt.
Webinare und E-Learning-Angebote werden deutlich intensiver genutzt und sind allgemein akzeptiert. Online-Kongresse haben das Potential, genauso viele Teilnehmer zu erreichen, wie die klassischen Kongresse vor Ort. Die konsequente und intelligente Digitalisierung von Seminaren hat erhebliches Wachstumspotential.
Auch wenn Digitalformate den persönlichen Austausch und praktische Übungen (noch) nicht ersetzen können, tragen sie bereits heute dazu bei, eine qualitativ hochwertige medizinische Fortbildung zu gewährleisten und weiterzuentwickeln. Durch Digitalisierung kann dieser für Ärztinnen und Ärzte so wichtige Bereich des Berufsalltages in der neuen Normalität und in einem Leben mit Corona aufblühen und Früchte tragen, die den analogen Angeboten verschlossen waren.
Perspektivisch ist für die medizinische Weiter- und Fortbildung in O&U eine Dreiteilung des bisherigen Präsenzangebotes im Sinne eines Blended-Learning-Ansatzes vielversprechend:
- E-Learning zur Vermittlung theoretischer Grundlagen
- Videokonferenzen für Falldiskussionen und Qualitätszirkel
- Vor Ort-Seminare für Hands-on-Übungen und Operationskurse.
Mit einem solchen Konzept werden zukünftig auch jene Teilnehmergruppen erschlossen, die den Weg in entsprechende Präsenzveranstaltungen bisher nicht gefunden haben.
Dr. Jörg Ansorg
Geschäftsführer BVOU und AOUC