Berlin – Gestern fiel auf der Berliner Messe der Startschuss für den größten Medizinerkongress Deutschlands, den Deutschen Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU) 2016. Über 10.000 Teilnehmer aus dem In- und Ausland werden in den kommenden Tagen hier erwartet. Im Rahmen einer Festveranstaltung wurde der Kongress gestern Abend von den DKOU-Präsidenten eröffnet. Diese warfen getreu dem Motto „Zurück in die Zukunft“ einen Blick in die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft von O und U.
Traditionen und Meilensteine in O und U
Prof. Dr. Heiko Reichel, der diesjährige Kongresspräsident der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC), führte in seiner Rede durch die Geschichte der Orthopädie und der Unfallchirurgie und beschrieb die Traditionen, auf denen das Fach O und U heute nach wie vor aufbaut. „Die moderne Orthopädie und Unfallchirurgie ist geprägt von Traditionen – großen Traditionen gerade des deutschsprachigen Raumes – auch aus jüngerer Vergangenheit“, sagte Reichel. Hierbei bezog er sich unter anderem auf Errungenschaften deutscher Orthopäden und Unfallchirurgen wie die Systematisierung der konservativen Frakturbehandlung, die Entwicklung des Marknagels oder die Einführung der Sonographie der Säuglingshüfte.
Entwicklung des gemeinsamen Faches
Als letzten Meilenstein der Geschichte von O und U hob er insbesondere die Zusammenlegung der beiden Fächer und die Begründung eines gemeinsamen Facharztes im Jahr 2006 hervor. Im Jahr 2008 folgte dann die Vereinigung der DGOOC und der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) zur Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU). Mit über 10.000 Mitgliedern ist die DGOU mittlerweile die größte chirurgische Fachgesellschaft in Deutschland. „Wir haben damit ein wirkliches Gewicht. Wir werden gehört“, so Reichel. Um das gemeinsame Fach auch für die Zukunft zu stärken, bedürfe es einer breiten Facharztausbildung, die die wesentlichen Inhalte beider Fächer abbilde, zugleich aber auch vielfältige Spezialisierungen ermögliche, sagte er.
Stärkung der konservativen Inhalte gefordert
Auch der Kongresspräsident des Berufsverbands für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU), Dr. Manfred Neubert, kam in seiner Rede auf die Zusammenlegung von O und U zu sprechen: „Ich habe dieses Zusammenwachsen hautnah miterlebt und habe mich persönlich von einem anfänglichen Skeptiker zu einem glühenden Verfechter dieses gemeinsamen Faches entwickelt.“ Das Fach O und U habe für die medizinische Versorgung der Zukunft eine enorme Bedeutung. Die demographische Entwicklung werde eine starke Zunahme der Erkrankungen und Verletzungen des muskuloskelettalen Systems bewirken, so der Kongresspräsident.
In diesem Kontext seien gerade die konservativen Behandlungsverfahren in O und U wichtiger denn je: „Nur ein geringer Teil unserer immer älter werdenden Bevölkerung bedarf einer operativen Behandlung.“ Die konservativen Inhalte gerieten allerdings zunehmend ins Hintertreffen, so der niedergelassene Orthopäde und Unfallchirurg. „Dabei gehört es gerade zu den Stärken unseres Faches, dass wir beides können: operieren und konservativ behandeln. Beides muss gleichberechtigt nebeneinander stehen“, forderte Neubert, besonders im Hinblick auf die Aus- und Weiterbildung.
Herausforderung Nachwuchsgewinnung
Zudem ermutigte er junge Orthopäden und Unfallchirurgen, sich für eine Laufbahn als Niedergelassener zu entscheiden. „Ich möchte eine Lanze brechen für die Niederlassung“, sagte Neubert. „Traut euch. Es lohnt sich.“ Gerade das selbstständige und eigenverantwortliche Arbeiten sowie immer mehr Möglichkeiten, die Niederlassung individuell zu gestalten, machten diese Laufbahn sehr lohnenswert.
Den Nachwuchs zu motivieren und für das Fach Orthopädie und Unfallchirurgie zu begeistern, diesem Thema widmete sich auch Prof. Dr. Florian Gebhard, der als dritter DKOU-Präsident die DGU beim diesjährigen Kongress vertritt. So sei es nicht nur wichtig, den Nachwuchs für das Fach zu motivieren, sondern dieses auch den veränderten Bedürfnissen der neuen Generation anzupassen, so Gebhard. Diese sogenannte Generation Y hinterfrage zunehmend das bestehende System, wünsche sich eine sichere und strukturierte Ausbildung, aber auch einen Ausgleich zur Arbeit durch Familie, Freizeit und Hobbies.
„Doc, we have a problem“
In der abschließenden Festrede sprach Prof. Dr. Volker Damann, Raumfahrtmediziner am Europäischen Astronauten Zentrum (EAC) der europäischen Weltraumbehörde (ESA) in Köln, über die Aufgaben und Herausforderungen der Raumfahrtmedizin. Dabei gab er einen seltenen Einblick in die medizinischen Risiken im Weltraum, die finanziellen und logistischen Herausforderungen der Raumfahrtmedizin und die medizinische Forschung in der Raumfahrt.