Seit über 13 Jahren veranstaltet die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC) die Weiterbildungskursreihe “Spezielle Orthopädische Chirurgie”. Begleitend zur klinischen Weiterbildung werden die Teilnehmer in sechs Teilen für die Prüfung „Spezielle Orthopädischen Chirurgie“ vorbereitet. Die Akademie Deutscher Orthopäden (ADO) ist seit 2019 Organisator und Partner dieser Veranstaltung. Was dieses Kursformat so einzigartig macht, erläutern Prof. Dr. Sven Ostermeier und Prof. Dr. René Schmidt hier im Gespräch.
Herr Professor Dr. Ostermeier, Herr Professor Dr. Schmidt, nach zwei Jahren Corona-Pause findet seit diesem Jahr wieder die Kursreihe in Präsenz statt. War eine Online-Veranstaltung während des Lockdowns keine Option für Sie?
Prof. Dr. Ostermeier: Nicht wirklich. Was die Kursreihe „Spezielle Orthopädische Chirurgie“ vordergründig ausmacht, sind die praktischen Bestandteile. Die Seminare sind deswegen für ein Hybrid- bzw. Online-Format nicht geeignet. Glücklicherweise findet in diesem Jahr der Kurs wieder beinahe wie gewohnt statt.
Warum beinahe? Was vermissen Sie?
Prof. Dr. Ostermeier: Die Teilnehmerzahl war bei unserem Kniekurs auf 20 begrenzt. Das war etwas schade, da für den Kurs mehrere exzellente Referenten und Produktanbieter mit entsprechendem Aufwand organisiert waren. Hoffen wir, dass in Zukunft ohne Corona-Beeinflussung wieder ein Kurs mit voller Stärke von 30 Teilnehmer möglich ist. Außerdem war ein höherer Grad des Zeitmanagements notwendig, da hygienebedingt bestimmte Zeitfenster eingehalten werden mussten.
Prof. Dr. Schmidt: Auf der anderen Seite muss ich jedoch zugeben, dass die coronabedingte Reduktion der Teilnehmer bei gleicher Referentenanzahl inhaltlich zu äußerst intensiven Kursen geführt hat. In den Workshops zum Thema Wirbelsäule hatten die Teilnehmer einen 1:3 Kontakt mit erfahrenen Experten. Das ist aus meiner Sicht ein wahrer Luxus.
Wie sind die einzelnen Kurselemente genau strukturiert bzw. aufgebaut?
Prof. Dr. Schmidt: Das strukturierte Kurssystem soll begleitend zur klinischen Weiterbildung die Teilnehmenden für die Prüfung „Spezielle Orthopädische Chirurgie“ vorbereiten. In jeweils drei aufeinanderfolgenden Präsenztagen werden neben der Theorie auch ausreichende Möglichkeiten zum Hands-on geboten. Besonderes Highlight der Kurse sind die Workshops und das Training an Humanpräparaten sowie Übungen an Kunststoffknochen (Sawbones).
Prof. Dr. Ostermeier: Unser Kurs bietet eine umfassende Darstellung des orthopädisch-operativen Themenbereiches rund um das Kniegelenk. Die Kursstruktur wurde umfangreich überarbeitet, hat aber seine bewährte Form mit theoretischem und praktischem Teil behalten. Der Kurs ist u.a. auch für Hauptoperateure im Rahmen der EPZ-Fortbildungen geeignet. In diesem „klassischen Format“ findet am ersten Kurstag die Darstellung der arthroskopischen Chirurgie des Kniegelenkes statt. Hier wird das gesamte Spektrum von Meniskuschirurgie über Kreuzbandchirurgie bis hin zur MPFL-Rekonstruktion dargestellt. An humanen Kniepräparaten können in Workshops diese operativen Techniken in kleinen Gruppen unter Anleitung erfahrener Instruktoren durchgeführt werden.
Am zweiten Tag rücken die gelenkerhaltenden und korrigierenden Therapieoptionen am Kniegelenk mit besonderem Blick auf die Knorpeltherapie in den Mittelpunkt des Interesses. Workshops werden am anatomischen Präparat, wie aber auch am Sawbone zur Vertiefung angeboten.
Am dritten Kurstag beschäftigen wir uns mit der Primär- und Wechselendoprothetik des Kniegelenkes sowie den moderneren Operationsphilosophien. Im Bereich der Revisionsendoprothetik wird es aufgrund der klinischen Bedeutung wieder einen Schwerpunkt im Bereich der Infektionstherapie geben.
An wen richtet sich das Kursformat?
Prof. Dr. Ostermeier: Das Format richtet sich an Assistenz- und Fachärzte, die die Weiterbildung „Spezielle Orthopädische Chirurgie“ anstreben. Assistenten in frühen Ausbildungsabschnitten sind ebenfalls willkommen, werden aber – möglicherweise aufgrund des Anspruchs an eher fortgeschritten ausgebildete Teilnehmer – an einigen Stellen nur schwer folgen können.
Prof. Dr. Schmidt: Im Bereich der Wirbelsäule als hochspezialisiertes Gebiet kommen neben den klassischen Anwärtern für die „Spezielle Orthopädische Chirurgie“ auch jüngere Interessenten, aber auch Chefärzte, da die gesamte Bandbreite der Wirbelsäulenchirurgie dargestellt wird, was selten der Fall ist.
Was ist das Ziel der Kurse?
Prof. Dr. Schmidt: Das Ziel der Kurse ist es, jedem Teilnehmer die Möglichkeit zu geben, theoretisch und praktisch OP-Techniken und innovative Implantate kennen zu lernen. Gleichzeitig bietet die Kurse einen ausgezeichneten Rahmen, um eigene Erfahrungen mit anderen Teilnehmern und den Referenten auszutauschen. Die erworbenen Tipps und Tricks finden erfahrungsgemäß schnell Einzug in den eigenen Arbeitsalltag.
Prof. Dr. Ostermeier: Unser Ziel ist es, diagnostische und therapeutische Fähigkeiten auszubauen und zu festigen. Dazu werden wir mit den Teilnehmern konservative und operative Therapieoptionen erarbeiten und vertiefen. Das therapeutische Spektrum beinhaltet offene und minimalinvasive Operationsverfahren sowie endoprothetische Versorgungstechniken bis hin zur Rehabilitation nach aktuellem wissenschaftlichem Stand.
Berlin bietet mit dem Langenbeck-Virchow-Haus ein geschichtsträchtiges Veranstaltungszentrum. Die Kooperation mit der Anatomie der „Charité́-Universitätsmedizin Berlin“ macht den Kurs zu einem einmaligen Erlebnis. Welches Ambiente erwartet die Kursteilnehmer?
Prof. Dr. Ostermeier: Der Kurs findet mitten in Berlin statt. Die Charité liegt in Wurfweite, umgeben vom Campus der Berliner Universitätsmedizin. Die Workshops erfolgen in der historischen Umgebung der Anatomiesäle im Waldeyer-Haus. Die Theorie wird im Langenbeck-Virchow-Haus mit neuester Vortragstechnik vermittelt, dazu exzellente Referenten mit nationalem und internationalem Renommee. Was kann mehr inspirierend und motivierend sein?
Prof. Dr. Schmidt: Das genannte geschichtsträchtige Veranstaltungsensemble, welches für die gesamte DGOOC-Kursreihe intensiv genutzt wird, macht jeden Kurs zu einem einzigartigen Erlebnis, der Theorie und Praxis auf höchstem Niveau vereint. Übrigens lohnt sich bei der Gelegenheit auch ein Blick ins Erdgeschoss des Waldeyer-Hauses. Dort sind Anatomie-Exponate als öffentliche Sammlung frei zugänglich. Im Foyer des Gebäudes sind größere und historisch bedeutende Präparate und Modelle ausgestellt.
Apropos Präparate: Im Mittelpunkt der Veranstaltung stehen umfangreiche Übungen am Humanpräparat und/oder Sawbones, also Kunststoffknochen, denen jeweils eine theoretische Einführung vorausging. Was macht das für die Teilnehmer so besonders?
Prof. Dr. Ostermeier: Die Teilnehmer können das in der Theorie erlangte Wissen direkt am Humanpräparat umsetzen. Das hilft bei der Vertiefung des Wissens, schafft Wiederholung und unter der Leitung der Tutoren können handwerkliche Tipps und Tricks vermittelt werden.
Prof. Dr. Schmidt: Durch die breit aufgestellte Präsenz der Industrie vor Ort können aktuelle Instrumente und Implantate ausprobiert werden. Dadurch wird die Vielfalt der Versorgungsmöglichkeiten praktisch erfahrbar.
Welches Feedback haben Sie von den Teilnehmern bis jetzt erhalten?
Prof. Dr. Schmidt: Für den Bereich „Wirbelsäule“ waren bisher alle Kurse ausgebucht und es existiert eine Warteliste. Das spricht für sich.
Prof. Dr. Ostermeier: Wir erhalten über die Evaluation der Akademie Deutscher Orthopäden (ADO) regelmäßig ein sehr gutes Feedback. Die Teilnehmer sind durch die Fülle des vermittelten Inhaltes beeindruckt. Das Kursformat ist eines der intensivsten, das ich kenne. Selbst abends nach der eigentlichen Veranstaltung wird noch lebhaft diskutiert und von dem direkten Kontakt mit den Experten Gebrauch gemacht, so dass wir häufig über zehn Stunden zusammensitzen. Bei dieser Gelegenheit äußern sich die Teilnehmer sehr positiv über die Kursreihe.
Warum liegt Ihnen das Projekt am Herzen?
Prof. Dr. Ostermeier: Oft bleibt die Weiterbildung in den einzelnen Kliniken aufgrund der Vielzahl der täglichen Verpflichtungen ein wenig auf der Strecke. Der Kurs hilft, Lücken zu schließen und schafft Freiräume, auch mal Fragen zu stellen. Außerdem hilft die Wiederholung des Erlernten.
Prof. Dr. Schmidt: Für die Teilnehmer, aber auch für uns als Kursleiter, wird durch den Veranstaltungsrahmen eine interaktive Plattform geschaffen, die zum Mitdenken und Mitmachen motiviert. Dadurch wird der Kurs zu einem einmaligen, interaktiven Eventerlebnis. Ich freue mich von Kurs zu Kurs aufs Neue auf die Veranstaltung.
Was planen Sie konkret zur Fortsetzung des Formats?
Prof. Dr. Ostermeier: In Abstimmung mit der Teilnehmerevaluation und den Referenten befindet sich der Kurs in einem ständigen Verbesserungs- und Veränderungsprozess. Der Kurs soll und wird sich mit den aktuellen orthopädisch-unfallchirurgischen Themen befassen. Die Kombination aus Theorie und Praxis wird Kern des Kurses bleiben. Somit wird sich am Aufbau des Kurses voraussichtlich wenig ändern, sondern wird sich der Fokus eher auf einzelne inhaltliche Themen legen.
Prof. Dr. Schmidt: Wir laden auch in Zukunft hochkarätige Referenten ein, die die neuesten Inhalte unseres Faches und Trends vermitteln. Trotz des historisch bedeutsamen Veranstaltungsortes bleiben wir auch in den kommenden Jahren topaktuell und am Puls der Zeit.
Herr Professor Dr. Ostermeier, Herr Professor Dr. Schmidt, vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Janosch Kuno, BVOU-Pressearbeit.
Die nächsten Kurstermine:
DGOOC Kurs – Fuß
19. – 21.05.2022 in Berlin
Buchen Sie unter https://doo.net/veranstaltung/79488/buchung
DGOOC Kurs – Hüfte
15. – 17.09.2022 in Berlin
Buchen Sie unter https://doo.net/veranstaltung/79487/buchung
DGOOC Kurs – Tumor
17. – 19.11.2022 in Berlin
Buchen Sie unter https://doo.net/veranstaltung/79486/buchung