Die Gonarthrose ist mit einer Häufigkeit von 6 % die am weitesten verbreitete Gelenkerkrankung. Die Prävalenz einer Gonarthrose steigt mit dem Alter. Das innere Gelenkkompartiment ist öfter betroffen als das Äußere im Sinne einer Varusgonarthrose.
Nach Angaben von Dr. Johannes Flechtenmacher im Dt. Ärzteblatt 2014 gehen 70.000 verlorene Erwerbstätigkeitsjahre und zehn Millionen Arbeitsunfähigkeitstage auf das Konto der häufigsten Gelenkerkrankung, die Arthrose. Dabei sei die häufigste Ursache die Kniegelenksarthrose mit ca. sieben Milliarden Euro direkten Krankheitskosten. Insofern sei eine gute Prävention, Beratung und gezieltes Training wichtig.
Die orthopädietechnische Therapie bei der Gonarthrose
Biomechanisch erhält das Kniegelenk während des normalen Gehens eine überwiegend nach innen gerichteter Kraft. Diese Kraft ist dafür verantwortlich, dass das Gewicht vom äußeren zum inneren Teil des Gelenks zu verlagert wird. Die Kombination aus dieser nach innen gerichteten Kraft und einem erhöhten Druck auf den das mediale Kniekompartiment wird teilweise für die erhöhte Häufigkeit von Verschleißerscheinungen verantwortlich gemacht. Die Intensität dieser nach innen gerichteten Kraft hängt von der genauen Ausrichtung des Gelenks und den Kräften ab, die während des Gehens auf den Boden einwirken. Bei Patienten mit Varusgonarthrose vermindert sich die Gelenkspalthöhe aufgrund von Knorpelverschleiß und es kommt zur medialen Arthrose, der Varusgonarthrose.
Bekanntermaßen haben auch Übergewicht, Stoffwechselerkrankungen und metabolische Prozesse eine negative Wirkung des Auftretens einer Arthrose. In diesem Artikel soll jedoch nur auf die biomechanischen Therapiemöglichkeiten durch orthopädietechnische Maßnahmen zur Verbesserung einer Varusgonarthrose am Kniegelenk eingegangen werden.
Möglichkeiten der orthopädietechnischen Versorgung
Prinzipielle bestehen durch orthopädietechnische Hilfsmittel folgende Therapiemöglichkeiten:
Kälteschutz:
Bandagen z. B. aus einem Thermomaterial wie Neopren bieten einen guten Kälteschutz je Ausprägung der Wetterfühligkeit bei arthrotischem Geschehen
Stoßdämpfung:
Durch die Reduktion der natürlichen Stoßdämpfung des Knies durch Knorpelschwund kann ein Pufferabsatz oder Fersenpolster dieses Defizit zumindest teilweise ausgleichen.
Achsverbesserung:
Durch einer Schuhaußen- oder Innenranderhöhung oder achskorrigierende Orthesen kann versucht werden, dass die Vektorkräfte durch eine Achsverbesserung des Beines orthograd auf das Kniegelenk einwirken.
Entlastung:
Durch das altbekannte Hilfsmittel, den Handstock oder auch Unterarmgehstützen kann eine hervorragende Entlastung des Kniegelenkes erreicht werden.
Ruhigstellung:
Durch Orthesen und Bandagen kann eine Ruhigstellung des Gelenkes z. B. im schmerzfreien Bewegungsintervall erfolgen.
Spezifische orthopädietechnische Therapieansätze
Spezifische orthopädietechnische Therapieansätze bei der Varusgonarthrose sind eine Außenranderhöhung an der Einlage und/oder am Schuh, Knieorthesen oder auch Fuß-Sprunggelenkorthesen die auf das Kniegelenk einwirken.
Gerade bei der Varusgonarthrose in Anfangsstadium hat eine Außenranderhöhung von 2–3 mm auf der Einlage oder bis zu 4–5 mm am Konfektionsschuh oft eine gute Wirkung. Bei ca. 50–60 % der Patienten gelingt mit einer solchen Maßnahme eine gute Beschwerdelinderung. Eine Außenranderhöhung bewirkt eine geringe Reduktion des Knieadduktionswinkels und der externen Momente sowie eine moderate Erhöhung der Sprunggelenks-Eversion (Abb. 1). Darum sollte die Einlage auch ein gute mediale Anstützung bieten, um die Eversion zu minimieren. In einer aktuellen Studie von Hunt konnte festgestellt werden, dass bei Probanden, die schneller gingen, weiblich waren, eine geringere Varusausrichtung aufwiesen und einen weniger schweren radiologischen Schweregrad hatten die besten Ergebnisse bei Außenranderhöhungen erzielt werden konnten. Insgesamt wird diese Therapie nach wie von konträr diskutiert, wobei eigene langjährige Erfahrungen mit Außenranderhöhungen bei leichten (bis mittelschweren) Varusgonarthrosen in Kombination beispielsweise mit Hyaluronsäureinfiltrationen und Physiotherapie bei vielen Patienten eine gute Schmerzreduktion zur Folge hatte.
Auch elastische Kniebandagen sind wirksam, um die Funktionsfähigkeit und die Schmerzen von Personen mit Varusgonarthrose sofort zu verbessern wie Brykl beschreibt. Dies geschieht über eine Kompression und einen sensomotorischen Input. Durch das Tragen einer elastischen Kniemanschette während des Gehens wird wie Schween feststellte der Adduktionswinkel des Knies reduziert, was zu einer Entlastung des medialen Gelenkkompartimentes führen kann.
Als Ersttherapie ist nach eigenen Erfahrungen die Kombination von einer elastischen Kniebandage und Außenranderhöhung an Einlage oder Konfektionsschuh ein guter initialer konservativer Therapieansatz – immer in Kombination auch mit Physiotherapie und muskulärem Kraftaufbau ebenso wie Gewichtsreduktion sofern Übergewicht besteht.
Ist die Arthrose durch eine Außenranderhöhung und elastische Kniebandagen nicht positiv zu beeinflussen, sind valgisierende Knieorthesen eine weitere Therapieoption. Es gibt hier die Möglichkeit der valgisiserenden Knieorthese oder einer auf das Knie wirkenden Fuß-Sprunggelenkorthese.
Valgisierende Knieorthesen sollen bei einer Varusgonarthrose die auf das Knie einwirkenden Kräfte so umverteilen, dass der mediale Gelenkspalt entlastet wird. Dies geschieht bei Knieorthesen nach dem Drei-Punkte-Prinzip und teilweise speziell verlaufenden Gurtsystemen sowie einem einstellbaren Gegenhalt (Abb. 2). Bei der Fuß-Sprunggelenkorthese wiederum wird durch Überbrückung des unteren Sprunggelenkes und eine am proximalen Unterschenkel lateral einwirkende Kraft die auf das Knie einwirkenden Vektorkräfte vom inneren Gelenkspalt meist ca. 1 cm nach lateral zur Kniemitte „umgeleitet“, wie die Untersuchungen von Schmalz oder Menger gezeigt haben.
Eine valgisierende Knie-Orthese reduziert, wie in Studien nachgewiesen werden konnte, Schmerzen und verbessert die Funktionen – dies ist gemäß der signifikanten Verbesserungen des WOMAC Index hinsichtlich Schmerzen, Steifheit und Funktion von Petersen sehr gut untersucht. Insofern sind valgisierende Knie-Orthesen eine Therapie-Alternative bei leichter, moderater und auch bedingt schwerer unikompartimeller Gonarthrose.
Auch die Fuß-Sprunggelenkorthese zeigt ähnliche Ergebnisse. In beiden Gruppen verbesserten sich die Schmerzen ohne signifikanten Unterschied. Petersen verglich in einer Multicenterstudie die Valgisierende Knieorthese und die Fuß-Sprunggelenkorthese. In den KOOS-Subskalen wie Symptome, Schmerz, Aktivität, Sport, Gebrauch der Orthese sowie Lebensqualität nahmen in beiden Behandlungsgruppen die positiven Effekte signifikant zu, ohne signifikante Gruppenunterschiede zu allen Zeitpunkten der Untersuchung. In der Fuß-Sprunggelenk-Orthesen-Gruppe (Agilium Freestep®) berichteten signifikantweniger Patienten (23,5 %) über Druckstellen im Gegensatz zur Knieorthesengruppe (Unloader One®) Gruppe (66,7 %).
In einer Studie von Khan werden die konservativen Handlungsempfehlungen betreffend die Gonarthrose verschiedener internationaler Gesellschaften verglichen. Während die American Academy of Orthopedic Surgeons (AAOS) keine eindeutige Empfehlung für biomechanische Interventionen und Ortheseninterventionen ausspricht, geben die American College of Rheumatology und Osteoarthritis Research Society International eine klare Empfehlung betr. einer Orthesenversorgung aus.
Zusammenfassung
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass die mechanische Belastung und Veränderungen in der Gelenkmechanik eine Rolle bei der Entstehung und Entwicklung von Varusgonarthrose spielen können. Es ist wichtig geeignete Behandlungsansätze für Patienten mit Varusgonarthrose zu finden, um die Belastung auf das betroffene Gelenkkompartiment biomechanisch zu minimieren und die Symptome zu lindern. Hierzu ist im konservativen Setting neben Physiotherapie mit Muskelaufbau, Gewichtsabnahme, medikamentöser Therapie die Intervention mit orthopädietechnischen Maßnahmen wie Außenranderhöhung, elastische Kniebandagen sowie valgisierende Orthesen ein wichtiger Bestandteil der konservativen Therapie.
Literatur auf Anfrage bei der Redaktion.