Das vom Gesetzgeber gewünschte und im §39 SGB V ausdrücklich geforderte Entlassmanagement für stationär behandelte Patienten verfolgt u.a. das Ziel, eine optimale ambulante Weiterbehandlung von Patienten zu gewährleisten und die sektorübergreifende Zusammenarbeit zu fördern.
Diesem Interesse, das insbesondere für Patienten mit Osteoporose essentiell ist, um die ggf. bereits im Krankenhaus begonnene Diagnostik und Therapie adäquat fortzusetzen, steht möglicherweise das Antikorruptionsgesetz sowie das Berufsrecht für Ärzte entgegen, das die Empfehlung von bzw. Überweisung zu bestimmten Ärzten erheblich einschränkt.
Dieser Artikel beleuchtet die Möglichkeiten für eine entsprechende Empfehlung sowie die Rahmenbedingungen, unter denen eine Arztempfehlung durch Kollegen überhaupt möglich ist.
Juristische Rahmenbedingungen
Berufsrecht
Nach § 30 BO sind Ärzte verpflichtet, in allen vertraglichen und sonstigen beruflichen Beziehungen zu Dritten ihre ärztliche Unabhängigkeit für die Behandlung der Patienten zu wahren.
Ferner ist es gemäß § 31 Abs. 1 BO Ärzten nicht gestattet, für die Zuweisung von Patienten oder Untersuchungsmaterial oder für die Verordnung oder den Bezug von Arznei- oder Hilfsmitteln oder Medizinprodukten ein Entgelt oder andere Vorteile zu fordern, sich oder Dritten versprechen oder gewähren zu lassen oder selbst zu versprechen oder zu gewähren. Gemäß § 31 Abs. 2 BO dürfen Ärzte ihren Patienten nicht ohne hinreichenden Grund bestimmte Ärzte, Apotheken, Heil- und Hilfsmittelerbringer oder sonstige Anbieter gesundheitlicher Leistungen empfehlen oder an diese verweisen. Hierzu hat der BGH mit Urteil vom 13.01.2011 (Aktenzeichen I ZR 111/08) entschieden, dass ein Arzt nicht von sich aus Empfehlungen aussprechen darf.
Der Patient muss aus eigenem Antrieb um eine Empfehlung bitten, beispielsweise, weil er keinen geeigneten Anbieter kennt.
Fragt der Patient gezielt nach einer kostengünstigen Versorgung, ist es dem Arzt nach der Rechtsprechung nicht verwehrt, den aufgrund nachvollziehbarer Erfahrungen preiswertesten oder geeignetsten Anbieter zu empfehlen. Der Arzt darf zudem eine Empfehlung abgeben, wenn der Patient die Frage nach der Kenntnis eines geeigneten Leistungserbringers verneint oder äußert, die ihm bekannten Leistungserbringer nicht in Anspruch nehmen zu wollen und er deshalb sodann ausdrücklich den Arzt um eine Empfehlung bittet. Umgekehrt folgt daraus, dass zur Vermeidung einer Strafbarkeit eben keine Empfehlung beziehungsweise Verweisung an einen Anbieter unaufgefordert gegenüber dem Patienten ausgesprochen werden darf.
Ein hinreichender Grund für eine Verweisung oder Empfehlung liegt regelmäßig aus medizinischen Gesichtspunkten vor.
Ferner hat der BGH in folgenden Einzelfällen einen hinreichenden Grund bejaht: die bessere Eignung des Anbieters oder die Qualität der Versorgung, sofern diese aus Sicht des Arztes aufgrund der speziellen Bedürfnisse des einzelnen Patienten besondere Vorteile für ihn bietet (vgl. BGH Urteil vom 13.01.2011 – I ZR 111/08), schlechte Erfahrungen mit einem Konkurrenten, Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkte wie ein niedriger Preis, die Vermeidung von Wegen für Gehbehinderte (vgl. BGH Urteil vom 29.06.2000 – I ZR 59/98 und vom 15.11.2001 – I ZR 275/99). Keinen hinreichenden Grund stellt jedoch die Bequemlichkeit der Patienten (vgl. BGH, Urteil vom 09.07.2009 – I ZR 13/07) oder bei einem bestimmten Versorgungsweg, die langjährige und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit einem Leistungserbringer (vgl. BGH, Urteil v. 13.01.2011 – I ZR 111/08) dar.
Praxistipps Berufsrecht
- Arztempfehlung nur auf Nachfrage des Patienten, keine unaufgeforderte Empfehlung aussprechen
- Falls individuelle Gründe, z.B. eine besondere medizinische Qualifikation oder Kompetenz Grund für die Empfehlung sind, Empfehlung und Gründe in der Patientenakte vermerken.
- Regelhaft den Patienten darauf hinweisen, dass er selbstverständlich die Wahlfreiheit unter den Leistungserbringern hat und auch einen anderen Arzt wählen kann.
Strafrecht
In strafrechtlicher Hinsicht muss das Korruptionsverbot des § 299a, b StGB zwingend beachtet werden. Hiernach macht sich strafbar, wer als Arzt im Zusammenhang mit der Ausübung seines Berufs einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er
- bei der Verordnung von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten,
- beim Bezug von Arznei- oder Hilfsmitteln oder von Medizinprodukten, die jeweils zur unmittelbaren Anwendung durch den Heilberufsangehörigen oder einen seiner Berufshelfer bestimmt sind, oder
- bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial
einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzugt. Dies wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. § 299b StGB bestraft spiegelbildlich die „Geberseite“.
Unter den Vorteilsbegriff ist jede Zuwendung zu subsumieren, auf die der Arzt oder ein Dritter keinen Rechtsanspruch hat und die seine wirtschaftliche, rechtliche oder persönliche Lage objektiv verbessert. Beispielhaft ist hier an eine Vergütung des niedergelassenen Arztes für die Übernahme eines Patienten aus der stationären in die ambulante Versorgung zu denken. Allein der Erhalt eines solchen Vorteils wäre aber noch nicht strafbar. Ergänzend muss für die Strafbarkeit eine sog. Unrechtsvereinbarung vorliegen, also eine inhaltliche Verknüpfung von Vorteil und Gegenleistung gegeben sein. Hierbei handelt es sich also quasi um eine verabredete Gegenleistung für die Zuweisung.
Zwar sollen durch das Antikorruptionsgesetz gesundheitspolitisch gewollte Kooperationen nicht behindert werden. Allerdings könnte dies, auch wenn § 39 Abs.1a SGB V das Entlassmanagement und die Möglichkeit zu dessen Delegation auf niedergelassene Ärzte etc. vorsieht, hier dennoch strafrechtlich problematisch werden. Dies u.a. dann, wenn die Kooperation eine unangemessen hohe Vergütung für die Leistung eines oder beider Partner zum Gegenstand hat. Hier könnte womöglich eine Unrechtsvereinbarung zugrunde liegen.
Praxistipps Strafrecht
- Es muss im Rahmen des Entlassmanagements ausgeschlossen sein, dass der Klinik, dem Klinikarzt oder einem Dritten (z.B. dem Patienten) Vorteile für die Überweisung des Patienten durch einen niedergelassenen Kollegen oder dessen Praxis angeboten werden oder entstehen.
- Umgekehrt gilt, dass der niedergelassene Kollege keine Vorteile annehmen darf, die ihm für die Übernahme eines Patienten aus der stationären in die ambulante Versorgung von Seiten der Klinik angeboten werden.
- Die Rolle eines ggf. im Zusammenhang mit dem Entlaßmanagement bzw. der sektorübergreifenden Kooperation in einem regionalen Netzwerk existierenden Selektivvertrages ist im Einzelfall zu bewerten. Denn hier werden regelhaft für besondere (qualitativ hochwertige) Leistungen besondere Vergütungen für die Partner vereinbart.
Zusammenfassung
Zusammenfassend kann somit festgestellt werden, dass im Rahmen jeglicher Kooperationsform stets beachtet werden muss, dass die heilberuflichen Entscheidungen frei von unzulässiger Einflussnahme getroffen werden und dass kein wie auch immer gearteter materieller oder immaterieller Vorteil für Verordnungs-, Abgabe, Bezugsoder Zuführungsentscheidung gefordert, versprochen oder angenommen wird.
Die Empfehlung zur Weiterbehandlung durch einen bestimmten Arzt, Praxis oder Klinik darf nur auf Nachfrage des Patienten, nie unaufgefordert, erfolgen. Sollten medizinische Gründe für die Empfehlung bestimmter Ärzte ausschlaggebend sein, sind diese sowie der bzw. die empfohlenen Ärzte in der Patientenakte zu dokumentieren.
Ebenso muss dem Patienten stets die Wahlfreiheit hinsichtlich des Leistungserbringers belassen werden und der Patient sollte auch ausdrücklich hierauf hingewiesen
werden.
Für die Bildung regionaler, sektorübergreifender Netzwerke sind transparente Regeln zu definieren. Der Beitritt zu einem solchen Netzwerk ist prinzipiell jedem Versorgungspartner zur ermöglichen, der die formalen Voraussetzungen und Qualifikationen erfüllt. Damit soll eine wettbewerbsrechtlich problematische Bevorzugung einzelner im Sinne einer „Unrechtsvereinbarung“ ausgeschlossen werden.
Dr. jur. Jörg Heberer
Justitiar des BVOU